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vekeiligten Nessorts. Mitteilungen über den Stand der VerHand- lungen mit Amerika möchte ich in diesem Augenblick nicht machem DaS Kapitel wird bewilligt. Beim KapitelNeichsversichcrungsamt"» Titel 1. Präsident". nimmt das Wort Abg. Erzbergcr(Z.): Unsere Invalidenversicherung ist be- deutend, nicht nur durch die Renten, die sie zahlt, sondern durch die angesammelten Kapitalien, die aber noch mehr als bisher ge- meinnützigcn Unternehmungen zugänglich gemacht werden sollten; das gilt z. B. für die Verbesserung des Wohnungswesens. Bau- genossenschaften sollten Geld von den Versicherungsanstalten auch außerhalb der Mündelsichcrhcit erhalten, wie es von der Landes- Versicherungsanstalt Berlin schon zctzt geschieht. Auch für die Ausdehnung der Heilsürsorgc auf dem Lande könnte durch Unter- stützung von Diakonissinnen- und Krankenpflegestationen mehr ge- schehen. Auch die Gcmeindekrankenpflege sollte noch mehr von den Versicherungsanstalten unterstützt werden. Zu bedauern ist aber, daß den Gesuchen von katholischen Kirchengemeindcn und Korpo- rationen sehr wenig Sympathie entgegengebracht wird; eine rühm- liche Ausnahme macht die Landesversicherungsanstalt Hessen- Nassau, welche paritätisch verfährt. Der Hcilstättenbewcgung stehe ich sympathisch gegenüber; aber auch bei den Heilstätten werden bei der Anstellung von Pflegepersonal die Katholiken zurückgesetzt, und katholische Patienten werden in bezug auf ihr religiöses Empfinden geradezu drangsaliert. Ueberhaupt bringt gerade der Vorsitzende der Landesversicherungsanstalt Württem- berg den Katholiken nicht die notwendige Objektivität entgegen. wie ich eS z. B. bei dem der Anstalt von Hessen-Nassau rühmen tonnte. Abg. Biimelburg(Soz.): Mit Rücksicht auf die kleine Anzahl der anwesenden Kollegen (eS sind noch nicht M Abgeordnete im Saal) werde ich mich darauf beschränken, einige Wünsche an die Herren des Reichsversicherungs- amtcs zu richten. Unsere Unfallstatisti» dedarf einer wesentlichen Ergänzung. Sie muß so aufgebaut sein, daß man die Unfallgefahrcn der einen Berufsgruppe mit einer anderen vergleichen kann. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, wo die Unfallziffern auf je 1000 Vollarbeiter angegeben werden. Denn auf 300 Arbeitstage entfallen für verschiedene Berufe verschieden lange Arbeitszeit: in Bauberufen rund 2008 Ar- beitsstuniden, in den Fuhrwerlsbetrieben zirla 4000 Arbeits- stunden. Den Berechnungen mutz die gleiche Zahl der Arbeits- stunden zugrunde gelegt werden. Das würde möglich sein, da in den meisten Berufen die Stundenlöhnung eingeführt ist. Auch in den Berufen, die zu einer Gruppe zusammengefaßt sind, ist die Unfallgefahr verschieden. Aus der Unfallstatistik für 1007 ist zu sehen, daß im Baugewerbe auf 1000 Vollarbeiter 11,41 Unfälle kommen. Dabei bleiben die Maurer unter dieser Durchschnitts- ziffcr. Bei den Zimmerern ist die Unfallziffer dagegen 15,03, bei den Dachdeckern 25,24, bei den Brunnenmachern 31 und bei den Abbruchsbetveben sogar 57,31. Wie im Jahre 1907, so müßte auch künftig aus der Statistik ersichtlich sein, wie fid) die Un­fälle auf die einzelnen Berufe verteilen. Ferner müßte man auch ersehen, wie sie sich auf die Größenklassen der Orte verteilen. Ich venuute, daß die Unfallziffer auf dem flachen Lande bedeutend höher ist als in den Städten. In den letzten sechs bis sieben Jahren sind in den Städten eine ganze Anzahl Maßregeln zur Verhütung von Unfällen getroffen, ich erinnere nur an die Einführung von Ar- beiterkontrolleuren auf Bauten in Bayern . Wenn trotzdem für das genannte Land die Unfallziffer nicht gesunken ist. so muß man zu dem Schluß kommen, daß in den Städten wohl eine Abnahme ein- getreten ist, auf dem flachen Lande dagegen eine Bermehrung. In der Statistik müßte das zum Ausdruck gebracht werden. Weiter bemerke ich. daß der Reichstag vom Reichsversicherungs. amt nicht gerade gut behandelt wird. Vor vier Jahren und früher mar den amtlichen Nachweisen eine Tabelle angefügt, die einen Ver- gleich mit früheren Jahren ermöglichte. Seit drei Jahren ist diese Tabelle fortgelassen, vermutlich, damit wir die Schlnsznummer der gestimmten Unfälle für eine Reihe von Jahren nicht so leicht zu- lammenstellen können! Zum ersten Male sind jetzt auch die Berichte der technischen Aufsichtsbeamte» der Berufs genossenschaften gedruckt und der Oeffentlichleit zugänglich gemacht. Bedauerlicher- weise sind sie dem Reichstage nicht zugegangen, ein Exemplar kostet 24 M., und nicht jeder Reichstagsabgeordnele ist in der Lage, ohne weiteres eine solche Summe auszuwcnden. Die Statistik, die diesen Berichten beigegeben ist, ist in jeder Beziehung unbrauchbar. Das ist erklärlich, weil die Berichte zunächst an die Berufsgenossen- fchaften gehen, die daS Material für die Statistik liefern sollen. Daher zieht sich wie ein roter Faden durch sie die Behauptung, daß die Arbeiter selbst an den Unfällen schuld sind! Die Statistik sollte auch ergeben, wieviel Betriebe und wie oft sie kontrolliert find. Da sind nun die Rubriken: vorhandene Betriebe, revidierte Betriebe, und dann revidierte Betriebe in Prozenten, d. h. doch: im Verhältnis zu den vorhandenen Betrieben. Da sollen aber in Bayern 123,0 Betriebe revidiert sein!(Heiterkeit.) Das wäre nur möglich, wenn die Zahl sich auf die überhaupt vorgenommenen Revisionen im Verhältnis zu den vorhandenen Betrieben bezöge. Aber tatsächlich heißt es so, wie ich angegeben habe. Auf Bayern folgt dann die nordöstliche Berufsgenossenschaft mit 95 Proz., Hefsen-Naussau mit 94, die Hambnrgische mit 76, dann geht es immer weiter herunter, die fchlesisch-posensche haf nur noch 40, !die südwestliche 44. die sächsische 43 Proz. der Revisionen, und die Tiesbau-Berufsgenossenfchast hat nur noch 19 Pro,, der Betriebr revidiert! Von einer eigentlichen, wirksamen Betriebskontrolle durch die Berufsgenossenschaften kann also keineswegs die Rede fein.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Zu den Hauptaufgaben des ReichSverficherungSamteS gehört auch die Förderung der Unfallverhütung. ES ist anzuerkennen, daß das Amt in der letzten Zeit auch mit den Unternehmern und Ar- beitern Fühlung genommen hat, daß Beamte gemeinsam mit diesen Interessenten Besichtigungen an Ort und Stelle vorgenommen haben. DaS ist ein durchaus richtiger Weg, um die vorhandenen Mißstände zu beseitigen. Aus einem Bericht ist auch zu ersehen, daß ein Aufsichtsbeamter in einer Fortbildungsschule, vermutlich für das Baugeioerbe, Vorträge über Unfallverhütung ge- halten hat. Diese müßten auf allen technischen Unterrichts- anstalten in den Lehrplan ausgenommen werde«. Hier ist auch über ungerechte Angriffe auf die Berufsgenoffen- fchaften geklagt worden. Würden die Arbeiter gemeinsam mit den Unternehmern zur Unfallverhütung zusammenarbeiten können, so würde wohl manche Klage verstummen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Mugdan fragte jüngst den Kollegen Hoch, ob er denn nicht wisse, daß auch heute schon die Arbeiter an der Unfallverhütung mitzuarbeiten haben. Gewiß, die Arbeiter müssen gehört werden, ehe Unfallverhütungsvorschriften erlassen werden, und wenn eS sich um Herbeiführung von Verbesserungen handelt. so nehmen die Arbeiter an den Beratungen auch sehr lebhaften Anteil, und in den meisten Fällen werden ihre auS der Praxis geborenen Borschläge auch als berechtigt anerkannt. Dann aber bemerken wir, wenn die Unternehmer zu den Genossenschaften kommen und ihnen das unterbreiten, worüber sie sich im engeren Kreise mit den Arbeitern geeinigt haben, daß daS von öen Berufs- gcnossenschaften abgelehnt wird!(Sehr wahr! bei den Sozial« Demokraten.) Zum Schluß möchte ich noch den Wunsch aussprechen, daß das Reichsversicherungsamt dahin wirken möge, daß > mehr Einheitlichkeit in die Unfallverhütungsoorschriften kommt. So ist von einigen Berufsgenossenschaften das gefährlicheUcber die Hand mauern" verboten, von anderen gestattet. Für da? Arbeiten unter Preßlust sind 1398 Unfallverhütungsvorschriften von der Marine- Behörde erlassen.1002 von der TieMuberussgenossenschaft. lieber< den Grad des noiwendigen Schutzes gehen beide Verwaltungen weit auseinander: Beim Arbeiten unter 2Vj 3 Atmosphären Niederdruck, so schreibt das Reichsmarineamt vor, darf nur zwei Stunden ununterbrochen gearbeitet werden, und über- Haupt nur vier Stunden innerhalb 24 Stunden; die Tiefbaugenossenschaft dagegen gestattet eine ununterbrochene Arbeit von sechs Stunden!(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Zum Aufschleusen schreibt bei 2 Atmosphären das Reichsmarineamt 20 Minuten vor, bei 3 Atmosphären 50 Minuten, die Tiefbauberufsgenossenschaft nur 13 resp. 30 Minuten. Die Tiefbauberufsgenossenschaft hat nicht, wie das Marineamt. über Kleidung, Ernährung usw. der Arbeiter Vorschriften erlassen. Natürlich I Sie sürcbtet, daß sich daraus Lohnerhöhungen ergeben würden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Weiß das Reichsversicherungsamt nichts von den bei der Marine existierenden Vorschriften? Oder kennt eS dieselben, bat sie aber nicht als ge- eignet für die Tiefbauberufsgenossenschaft geyalten? Ich glaube, beides trifft nicht zu, sondern das Reichsversicherungsamt ist bei dem Versuch, die Berufsgenossenschaft zu gleichen oder ähnlichen Vorschriften zu veranlassen, auf unüberwindlichen Widerstand ge- stoßen. Der weitere Versuch, den Widerstand zu brechen, ist nicht gemacht worden. Wir sind es ja gewöhnt, daß das Neichsversiche- rungsamt die Berufsgenossenschaften äußerst zart anfaßt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) DaS Reichsversicherungsamt sollte aber doch nicht vergessen, daß es sozusagen doch auch die Interessen der Versicherten wahrzunehmen hat.(Lebhafte Zustim- mung bei den Sozialdemokraten.) Und der Staatssekretär möge in diesem Sinne auf das VersicherungSamt einwirken!(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Behrens(Wirtsch. Vg.) wird aufgerufen, ist aber nicht zur Stelle. Abg. Vogel(natl.) verbreitet sich, vom Vizepräsidenten K a e m p f mehrfach zur Sache gerufen, über die Berggesetz- g e b u n g. wünscht reichsgesetzliche Regelung wenigstens des Knapp- fchaftswesens und führt aus, daß das Zusammenwirken von Arbeit- gebern und Arbeitern segensreicher sein würde als die schwere Menge bergpolizeilicher Verordnungen. Redner wünscht wirksamere Unfallverhütungsvorschriften für den Bergbau. Direktor im Reichsamt des Innern Caspar bestreitet entschieden, daß die katholischen Gemeindeschwestern von den Bersicherungs- anstalten gegenüber den protestantischen zurückgesetzt werdyz. Die vom Abg. Bömelburg gewünschten Vorlesungen über Unfall- Verhütung sind schon an vier technischen Hochschulen eingeführt. Das Reichsversicherungsamt ist nach Lage der Gesetzgebung außer- stände, den Berufsgenossenschaften verschärfte Unfallverhütungs- Vorschriften aufzuoktroyieren. Wüttembergischcr Ministerialdirektor v. Köhler weist die Be- hauptungen Erzbergers über die angeblich unparitätische BeHand- lung der Krankenschwestern in Württemberg zurück. Abg. Göring (Z.) verbreitet sich über die Frage des Reserve­fonds der Werufsgenoffenschaften. Abg. Neuner(natl.) äußert sich in demselben Sinne: Gegen die nachgerade unerträglich gewordene Höhe ver Beiträge der Be- rufsgenossenschaftcn muß endlich Lorkehrung getroffen weroen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Entziehung der kleinen Renten als ungerechtfertigte Härte zurückzuweisen. Direktor Easpar: Die Frage des Reservefonds ist noch nicht recht geklärt. Bei Gelegenheit der Beratung der Bersicherungs- ordnung wird sich wohl auch Klärung und Verständigung über diesen Gegenstand erreichen lassen. Die Versicherung der Feuer- Wehrleute soll später durch ein besonderes Gesetz eingeführt werden. Abg. Erzberger(Z.) hält seine Behauptungen gegenüber dem Württembergischen Bundesratsbcvollmächtigten aufrecht. Abg. Dr. Mugdan(fcs. Vp.) bestreitet, daß von den Landes- Versicherungsonstalten die Katholik«, zurückgxjsetzt werden, eher könne mau das Gegenteil behaupten I Damit schließt die Diskussion. Das Kapitel wird be- willigt. Beim Kapitel Kanalamt" tritt Abg. Leouhart(srs. 83p.) für die Wünsche einiger Beamten- kategorien ein. Abg. Carstens(srs. Lp.) kritisiert die Handhabung der Kanal- betriebSordnung. Abg. Lehmann-WieSbaden(Soz.): Die Regierung hat uns eine Denkschrift über die Beschäftigung der Arbeiter bei deni Kanalbau zugehen lassen. Wir ersehen daraus, daß zwar gesagt wird, es sollen vorzugsweise deutsche Arbeiter herangezogen werde«. Das steht aber lediglich auf dem Papier, überwiegend werden ausländische Arbeiter beschäftigt, wie die Kanalveriraltung sagt: weil es im Interesse der Landwirt- schaft liegt, ihr nicht die deutschen Arbeiter zu entziehen. Dabei werden aber die Krocktenivon der Beschäftigung ausgeschlossen; eine solche Ausschließung eines einzelnen Volksstamms ist illoyal gegenüber dem Auslande. Begründend wird gesagt:.Nach den neueren Vorgängen schien es geboten, die Kroaten auszuschließen." DieseVorgänge" bestehen in einigen Ausschreitungen, wofür die Betreffenden bestraft sind. DaS ist kein Grund, einen ganzen Volksstamm auszuschließen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten.) Ferner sollenschlechte Elemente" undLandstreicher" abgewiesen werden. Wer»st denn ein Landstreicher und Arbeits- scheuer? Sollenarbeitsunlustige" Leute in dem Moment abge- wiesen werden, in dem sie sich zur Arbeit melden? Weiter heißt es:Zweifelhafte Persönlichkeiten oder erheblich Vorbestrafte können beschäftigt werden, wenn sie vorher in einer Arbeiterkolonie beschäftigt waren." Derartige Schwierigkeiten macht man deutschen Arbeitern. Dagegen steht nichts der Beschäftigung von Strafgefangenen entgegen!(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Im Absatz 7 verbietet man den Unternehmern, welche von der Kanalvertoaltung beschäftigt sein wollen, die Heranziehung bind- wirtschaftlicher Arbeiter und die Beschäftigung anderwärts ver- pslichteter oder Vertragsbrüchiger Arbeiter. Aber auch solche Arbeiter, die ordnungsmäßig gekündigt haben, werden nicht be- schästigt. Die Kanalverwaltung bcchkottiert geradezu die in der Nähe des Kanals wohnenden deutschen Arbeiter. Elne weitere Bestimmung sagt, daß minderjährige Arbeiter aus Schleswig- Holstein am Kanal überhaupt nicht beschäftigt werden sollen, aus anderen Gegenden Deutschlands nur mit Genehmigung der Kanal- Verwaltung. Diese Grundsätze schlagen aller Gerechtigkeit ins Gesicht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Weiter wird die Polizeiverwaltung und der Regierungspräsident aufgefordert, darauf zu achten, daß die aus der Arbeit entlassenen oder ab- gewiesenen Arbeiter aus dem Kanalgebiete entfernt werden. (Hört? hört! bei den Sozialdemokraten.) Nun, vorläufig haben wir in Deutschland noch Freizügigkeit, und kein RegierüngSpräsi- dent und keine Polizei darf einen Arbeiter aus dem Kanalgebiet abschieben.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn das erlaubt wäre, könnten Leute auch bei jedem Streik aus dem Streik- gebiet abgeschoben werden. Einverstanden kann man damit sein. daß die Kanalverwaltung den Alkoholmißbrauch bekämpfen will. Die Bestimmungen aber, die sie dazu erlassen hat. zeugen von einem unerträglichen Bevormundungsgeist und zeigen, daß sie am grünen Tisch von Leuten gemocht sind, die vom praktische a Leben nichts verstehen. Auch direkte Ungesetzlichkeiten enthalten die Bedingungen, welche die Kanalverwaltung den Unter- nehmcrn auferlegt. So knüpft sie die Errichtung eines Arbeiter- auSschusses seitens der Unternehmer es handelt sich wohlgemerkt um Privatunternehmer an eine Genehmigung seitens der Kanalverwaltung? Weiter legt sie den Unternehmern Bedingungen ouf in bezug auf die Arbeitszeit und das Koalitionsrecht, aber nicht etwa, um dasselbe zu sichern. Ferner verlangt sie, daß die Unternehmer die Kündigungsfrist auS- schließen. Nur in einer Beziehung läßt sie den Unternehmern volle Freiheit gegenüber den Arbeitern: in bezug auf die AuS- beutung. Danach muß man zusammenfassend sagen: diese Grundsätze schlagen allem sozialpolitischen Denken inS Gesicht. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion. Das Kapitel wird b e- willigt. Beim Kapitel Aufsichtsamt für Privatversicherung'' beantragt das Zentrum eine Resolution, in der ein Verbot der Verquickung von Zeitungen und Zeitschriften mit Versicherungen irgendwelcher Art verlangt wird. Abg. Bassermann(natl.) beantragt, unter Ablehnung dieser Resolution eine Denkschrift über den Umfang dieser Ver- quickung zu verlangen, wobei auch untersucht werden soll, ob und welche Mißstände dabei hervorgetreten sind. Abg. Dr. Marcour(Z.): Gerade aus Berlegerkreisen heraus ist der Wunsch an uns herangetreten, diese Sache vor die Oeffent- lichkeit zu bringen. Falls unsere Resolution abgelehnt wird, werden wir dem Antrage Bassermann zustimmen.(Bravo ! im Zentrum.) Abg. Bassermann(natl.): Bei der Strittigkeit der Materie halten wir ein direktes Verbot nicht für angängig. Nicht das Preßgesetz, sondern daS Gesetz über die Versicherungen ist als Grundlage für gesetzliche Maßnahmen gegen die zweifellos be- stehenden Mißstände geeignet. Die Behauptung, daß kein an- ständiges Blatt sich aus eine solche Versicherung seiner Abonnenten einlassen würde, halte ich für zu weitgehend. Direktor Caspar verspricht die Vorlegung einer Denkschrift, wie sie der Abg. Bassermann verlangt. Abg. Dr. Frank-Mannheim(Soz): In Deutschland ist die Abonnentenverficherung die schlechteste Form sowohl der Versicherung wie der Zeitung. Regelmäßig tritt die Abonnewtenversicherung in Verbindung mit unparteiischen Blättern auf, die auf der tieftten literarischen Stufe stehen. Will man das Volk vor solchen Produkten bewahren, so muß man für die Resolution des Zentrums eintreten. Aber auch versicherungs- technisch ist die Abonnenienversicherring sehr minderwertig. Die Policen stellen eine wahre Blütenlese von unbegrenzten Möglich- ketten der Abonnentenschikane dar. Wemr die Leute jahrelang ihre Beiträge gezahlt haben, werde« sie durch Fristversäumnis oder weil sie die Klage bei einem unzuständigen Gericht anbringen, um ihr Recht gebracht. Trotz aller Warnungen der Arbeiterpresse wird doch bielfach die Erfahrung gemacht, daß durch die rührigen Agenten dieser Versicherung das Uebel weiter gedeiht. Sowohl vom versicherungstechnischen Standpunkte wie von dem der Volks- bildung aus ist es nötig, hier einzugreifen. UebrigenS möchte ich dabei erwähnen, daß von politischen Blättern die sozialdcmo- kratische Presse sich stets vollkommen frei von der Abonnenten- Versicherung gehalten hat. Die Frage ist aber eine interpolitischc. Jeder, der sieht, um welche Beträge die Arbeiter hier gebracht werden, muß dagegen eintreten. Wie die Dinge heute liegen. scheint uns ein Verbot das richtige zu sein. Daß die Sachen noch ,m Fluß sind, noch in der Entwickclung begriffen, kann uns daran nicht hindern. Vielmehr ist es gerade jetzt, wo der Umfang noch kein allzu großer ist, wo noch wenig Privatinteresse« berührt werden, an der Zeit einzuschreiten.(Bravo ! bei den Sozial- demokraten.) Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. GieLbertS(Z.) und Bassrrmann(natl.) schließt die Debatte. Das Kapitel wird bewilligt. Die Abstimmung über die An- träge wird auf die dritte Lesung verschoben. Damit ist das Ordinarium erledigt. Das Extra- ordinarium wird nach kurzer Debatte bewilligt. Ebenso die Einnahmen. Damit ist der Etat erledigt und die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung: Montag 2 Uhr.(Dampfersubvention; Etat deö Reichstags und des ReichScisenbahnamtes.) Schluß Uhr._ Hub der Partei. Sozialdemokratische Bürgermeister. In Ichtershausen (Herzogtum Gotha ) ist Genosse Otto Eberhardt als Schultheiß gewählt worden. Bei der Vürgermeisterwahl in Mörsch bei Karlsruhe wurde der von der sozialdemokratischen Partei vorgeschlagene Gemcinderat Fütterer mit 37 Stimmen gewählt. Der Zentrums-Bürger- meister-Kandidat erhielt 30 Stimmen. Der Wahlkampf war ein äußerst heftiger._ Taktik der italienischen Sozialisten bei den Kammerwahle». Rom , 13. Februar. (Privatdepesche desVorwärts".) Der Parteivorstand faßte eine Resolution, wonach die Sozialisten aufgefordert werden, in allen Wahlkreisen, wo ein Sieg der Sozialdemokratie ausgeschlossen ist, für Republikaner oder Ra- dikale zu stimmen. Wenn solche Kandidaten nicht vorhanden sind, sollen sozialistische Zählkandidaten aafgestellt werden. Ein Vorschlag. auch für christliche Demokraten zu stimmen, wurde abgelehnt. Ein kleines Ausnahniegesetz gegen die Sozialdemokratie wurde für den Staat Lübeck geschaffen. Der Senat brachte in der Bürgerschaft einen Nachtrag zur Landgemeindeordnung ein, wonach der Senat das Recht hat, einen Geineindevertreter zu ernennen. wenn eine Gemeindevertretung ihm zum drittennmal ein Mitglied des Gcmcindevorstandeö präsentiert, dem er ebenso oft die Bestätigung versagt hat. Die Sache warbrennend" geworden, weil die Ge- meindcvertretung zu Moisburg zum drittenmal einen Mann zun: Mitglied des GemeindevorstmideS gewählt hatte, den der Senat nicht bestätigen will, weil er sozialdemokratischer Agitator sein soll. In der Bürgerschaft gab's über den Eni- wurf eine heftige Sozialistendebatte, ein Gegenantrag der Sozial- demokraten, das BestätigimgSrecht des Senats überhaupt aufzuheben. wurde abgelehnt, auch die Liberalen und Freisinnigen stimmten gegen ihn. Dann wurde daS kleine Sozialistengesetz deS Senats angenoinmcn; auch einigeLiberale" stnumteu dasür. Zur Offcuburger Stadtverordnetenwahl ist unsere gestrige Notiz geschrieben, der der Druckfehlerteufel die SpttzmarkeZur Offen- v a ch e r Stadtverordnetenwahl" gegeben hat. Jugendbewegung. Von derArbeiter-Jugend" ist soeben Nr. 2 erschienen. Sie Hai folgenden Inhalt: Im Kampfe. Die proletarischen Frauen und die Arbeiterjugend. Von Klara'Zetkin. Die Vorläufer der Arbeitcr-Jugend". II. Die arbeitende Jugend. Von M. PeterS- Ein sozialistisches Jubiläum. Zum 50. Geburtstag der materialistischen Geschichtsauffassung. I. Charles Darwin und feine Lehre. Zu Darwins 100. Geburtstage, von M. H. B a e g e. Die Berliner Jugendbewegung. Von Fritz M a s ch k e. Gewerk- schaftliche Bewegung. Von W. J. AuS der Politik. Von H. B. Vom Kriegsschauplatz. Ein weiterer Schlag gegen die Jugend. Fremdwörter. Die Beilage enthält: Junge Arbeiter, Gedicht von Hammers- dorf. Die zwei Kollegen. Von Robert Grötzsch. Ein Soldat der Revolution. Der Vortrag als BildungSmittel. Von Heinrich Schulz. Bücher für die Jugend: Billige und Volks- tümliche Schriften über Darwin und seine Lehre. Von M. H. Baeg e. Glaubensbekenntnis. Von Fr. Theodor Fischer . DieArbeiter-Jugend" erscheint alle 14 Tage. Preis der Einzelimmmer 10 Pf. Abonnement vierteljährlich 50 Pf.