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It. 41. 26. Jahrgang. 1. KeilM des JoraWs" Donllerstllg. 18. Februar 1909. Relcbstag* 209. Sitzung vom Mittwoch, den 17. Februar. nachmittag» 2 Uhr. Am BundeSratStische: v. Bethmann-Hollweg  . Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Gesetz- Entwurfs betreffend die Einwirkung von Annemmterstutznng auf öffmtliche Rechte. Danach soll, soweit in Reichsgesetzen der Verlust öffentliiber Rechte vom Bezug einer Armenunterstützung abhängig gemacht wird, als Armenunterstützung nicht angesehen werden: 1. Die Kranken- Unterstützung, 2. die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege, 3. Unterstützung zum Zwecke der Erziehung oder der Ausbildung für einen Beruf. 4. sonstige Unter­stützungen, wenn sie nur in der Fonn vereinzelter Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt sind, ö. Unterstützungen, die erstattet sind. Die Kommission beantragt, unter Nr. 3 noch zum Zwecke»der Jugendfürsorge" einzuschalten. Außerdem beantragt die Kommission, den Reichskanzler zu er- suchen, dahin zu wirken, daß die Grundsätze, die für die Einwirkung von Armenunterstützung auf die öffentlichen Siechte für die Reichs- !>esetzgebung eingeführt werden sollen, auch in den einzelnen Bundes- taalen zur Geltung gelangen. Die Sozialdemokraten beantragen: stattsoweit in Reichsgesetzen" zu sagen:soweit in Reichs- oder Landesgesetzen". Ferner wollen fie der Ziffer 4 folgende Fassung geben: sonstige Unterstützungen, wenn sie zur Hebung vorübergehender Notlagen gewährt sind". Abg. Siebenbürgen   sk.): Wir werden die beiden Anträge der Sozialdemokraten ablehnen; denn der Begriff der vorübergehenden Notlage ist ein so schwankender, daß er in ein Gesetz nicht hineinpaßt. Auch dem ersten Antrage können wir nicht zustimnien, nachdem in der Kommisfion die Regierungsvertreter erklärt haben, der Bundesrat würde darin einen Eingriff in die Gesetzgebung der Einzelstaaten erblicken und das Gesetz evenwell daran scheitern lassen. Abg. Brühne(Soz.): Wir haben schon bei der ersten Beratung anerkannt, daß der Gesetzentwurf eine Verbesserung bringt. Wenn man aber weiß, wie schwer eS ist, eine Aenderung eines einmal bestehenden Gesetzes zn erreichen, so sollte man, wenn man schon ein neues Gesetz erläßt, auch gleich weiter gehen, wie eS unser Antrag ver­langt. Denn eS ist unbedingt notwendig, einen einheitlichen Rechlszustand in allen Bundesstaaten zu schaffen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die Vertreter von Bayern   und Sachsen  haben zwar in der Kommission erklärt, daß dort die Landesgesetze diesem Entwurf entsprechend geändert werden sollen, aber ich fürchte, daß das in einzelnen Bundesstaaten sehr schwer sein wird, nament- lich in den Bundesstaaten, deren Landtage nur alle zwei oder drei Jahre zusammenkommen. Der Regierungsvertreter hat in der Kommission erklärt, die Annahme unseres Antrages sei nicht denkbar, weil daS einen Eingriff in die Rechte der Bundesstaaten bedeuten würde. Ja,, er hat sogar gesagt, der Bundesrat würde daS ganze Gesetz an einer solchen Bestimmung scheitern lassen. Nun, daS erleben wir ja stets, daß vom Bundes- ratstisch erklärt wird, wenn eine weitergehende Bestimmung in eine Gesetzesvorlage hineinkommen soll, daß dann die ganze Vorlage vom Bundesrate abgelehnt würde. Das kann uns natürlich nicht hindern, von unseren berechtigten Forderungen abzugehen. Unseren Antrag zu Nr. 4 des Gesetzes haben wir nicht in der- selben Form eingebracht wie in der Kommission. Dort beantragten loir die Streichung der Wortevereinzelter und augenblicklicher", so daß eS sich einfach um Leistungen zur Hebung von Notlagen handeln sollte. Das beste wäre es in der Tat. wenn der Absatz diese Fassung erhielte. Das ist aber in der Kommission abgelehnt worden. So. wie wir den Antrag jetzt eingebracht haben, könnte ihm wohl der gesamte Reichstag zustimmen. In der Kommission hat ja auch das Zentrum einen Antrag eingebracht: das Wort augenblickliche Notlage" zu ersetzen durchunverschuldete Notlage". Ein Antrag, der nur mit 6 gegen 6 Stimmen abgelehnt ist und der in gewissem Sinne noch weiter ging als unier jetziger Antrag. Die in dem Entwurf vorgesehene Begrenzung der augenblicklichen Notlage hallen wir iür viel zu eng. Ju vielen Ge- memden würde nach wie vor eine Darreichung von Naturalien nicht als eine Unterstützung zur Hebung der augenblicklichen Notlage an- gesehen werden. Ebensowenig würde das bei Unterstützungen wegen kleines femUeron. Wildeniruch und Wilhelm II.   lieber den jüngst verblichenen Hohenzollerntrompeter Wildenbruch hat der literarische Klüngel der Hymnensänger und Tränendrüsler ein Weihrauchgeiäusel zum Himmel steigen lassen, daß einen ekeln konnte, weil dieser Ver- himmelung die Unaufrichtigkeit und die Urteilslosigkeit an der Stirne geschrieben stand. ImLiter. Echo" kann man nach- lesen, wer alles sich bei der Gelegenheit blamiert hat. Es scheint nach dem sanften Tadel, den dasEcho" an unsere Adresse richtet, wirklich nur in der sozialdemokratischen Presse gesagt worden zu sein, was der Dramatiker Wildenbruch war. Zu unlerem Tröste scheinen indes einige Revuen, die nicht von literarischen Klage- toeibern mehrerer Konfessionen redigiert werden, erivas gewissenhafter zu Werke zu gehen als die Tageblätter bedienenden nächtlichen Nach- rufer. Im Märzheft derSüddeutschen Monatshefte" beurteilt ein ebenso unabhängiger wie gediegener bürgerlicher Kritiker, I. Hofmiller  , der literarische Tonangeber der Zeitschrift, den Fall Wildenbruch. Er schreibt u. a.: Kein Mensch war in deutschen Landen Wilhelm dem Zweiten so tvesensverwandt wie Wildenbruch. Jugendlich-patriotische Glut, leidenschaftliche und rasche Begeisterung hatten sie gemeinsam, Pa- thos und Ernst, ein hohes Gefühl besonderer Verantwortlichkeit. Aber gemeinsam war ihnen auch der Mangel an Entwickclung, das meteorgleiche Aufschießen, dem kein dauernder Glanz folgte, Mangel an LebcnSkenntnis, Neigung zu theatralischer Wirkung und zu dy- nastischem Mystizismus. Beide verspätete Romantiker, die gegen die Zeit sich stemmen zu können glaubten.Das heilige Lachen" war sein vergeblicher Protest gegen die moderne Dichtung, und ver- geblich suchte er auch inWillehalm" Wilhelm de» Einfachen zum -eroS zu stilisieren. Den Generalfeldoberst und den neuen Herrn wrr haben sie endgültig eingesargt mit all den Hoffnungen, die wir zu jener Zeit hatten. Und welche Hoffnungen hatten wir nicht zu jener Zeit! Die Haubenlerck>e und Meister Balzer: der Arbeiterdramatiker hatte denselben Erfolg wie der Arbeiterkaiser. Auch er hat nie ge- zaudert, sein Wort in die Oeffcntlichkeit hinauszuschleudcrn, auch cr hat seine Kundgebung für die Buren erlassen. Die Kaiserkrise erschütterte ihn bis ins Innerste. Er sah, mit der grausamen Deutlichkeit des Sterbenden, daß ein Mann jähr- zehntelang sich nach redlichstem Gewissen mühen kann, das zu tun, was er für gut hält, und daß ein ganzes Volk dafür kein Wort übrig hat, nichts, gar nichts. Was cr sah war sein eigenes Geschick. Wenn cr sein.Herzblut gab, schwieg die Nation. Denn sie verstand den romantischen Hohenzoller nicht. Wenn er schlechte Romantik machte, öffneten sich der Rabensteincrin alle Bühnen, dem Hcrenlied alle Konzertsäle, Arbeitslosigkeit der Fall sein. In Berlin   haben wir gegenwärtig über 100 000 Arbeitslose, die sämtlich unverschuldet in Not geraten sind. Alle diese würden, wenn sie Unterstützung in Anspruch nebinen inüssen, bei der von der Kommission beschlossenen Fassung des Gesetz- entwurfs nach wie vor der Armenpflege verfallen, während solche Unterstützungen doch gerade nicht unter dem Begriff der Armen- Unterstützung fallen sollen. Die von der Regierung gewählte Form, die auch die Kommission akzeptiert hat, mag ja recht gut gemeint sein, aber den gewünschten Zweck erreicht sie nicht. Nach unserem Antrage dagegen, der statt der augenblicklichen Notlage die vor- übergehende Notlage setzt, würden die Hunderttausende, die bei einer Krise unverschuldet in Not geraten find, unterstützt werden, ohne daß die Unterstützung als Ännenunterstützung gilt.(Bravo 1 bei den Sozialdemokraten.) Unterstaatssekretär Mermuth  : ES ist unangängig, bei dieser Ge- legenheit Beschlüsse zu fassen, die auf das tiefste in das Wahlrecht, Kommunalrecht und Armenrecht der Bundesstaaten eingreifen. Es ist auch ganz ausgeschlossen, daß die von den Sozialdemokraten be- nntragte erste Aenderung im Bundesrat die erforderliche Anzahl von Stimmen erhält. Auch der zweite Antrag enthält in dem Wortvor- übergehend" einen so schwankenden Begriff, daß es nicht wohlgetan wäre, ihn nochmals in einem Gesetz anzuwenden. Abg. Dr. Maycr-Kaufbeuren(Z.): Meine Fraktion ist, wie ich schon bei der ersten Beratung feststellte, gegen eine solche Erweiterung der Kompetenz des Reichstages, wie der sozialdemokratische Antrag sie fordert, und wir werden aus demselben Grunde auch gegen die von der Kommission beantragte Resoluiion stimmen. Die Resolution ist in der Kommission zwar einstimmig gefaßt worden; das liegt daran, daß von unserer Fraktion erst m letzter Stmrde andere Mitglieder als ursprünglich bestimmt waren, in die Kommission kamen, die mit der Materie nicht vertraut waren.(Zuruf links: Die nichts verstanden! Heiterkeit.) Abg. Everling(natl.): Ick. bitte, die Resolution, die in der Kommiision einstimmig angekommen ist, auch hier anzunehmen. Allerdings schien eS nach' einer Handbewegung des Herrn Kollegen Mayer, als ob auch die Rechte, obwohl sie in der Kommission dasür eintrat, jetzt dagegen stimmen will. Den ziveiten Antrag der Sozialdemokraten werden wir ebenfalls ab- lehnen, davorübergehend" nicht ein gesetzlich brauchbarer fester Begriff ist.(Zuruf bei den Sozialdemokraren.) Herr Stadthagen  , es gibt Leute, welche glauben, auch die Sozialdemokratie sei nur einevorübergehende" Erscheinung, aber Sie sehen, wie lange sie uns schon beschäftigt.(Gr. Heiterkeit.) Die Unterstützung von unverschuldet Arbeitsloten wird auch in der Fassung des Eni- Wurfs nicht als Armenunterstützung gelten. Abg. Böhle(Soz.): Der Wunsch des Herrn Abg. Everling, die Sozialdemokratie möge in diesem Hause eine vorübergehende Erscheinung sein, wird nicht i» Erfüllung gehen. Daß der vorliegende Entwurf einen ge- wissen Fortschritt bringt, haben wir anerkannt. Nichtsdestoweniger müssen wir versuchen, unseren Standpunkt in dem Entwurf zur Geltung zu bringen. Daß die Regierung darauf hinweisen würde, bei Annahme unseres Antrages würde da» ganze Gesetz scheitern, darauf waren wir gefaßt. Das hören wir ja bei ieder Gelegenheit, wenn Anträge vom Hause gestellt sind. Aus welches tiefe Niveau wird der Reichstag dadurch' herabgedrückt.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokratcn.) Darauf will ich nicht näher eingehen. Aber komisch ,nuß es doch wirken, wenn immer verlangt wird, daß der Reichstag lediglich den Entwürfen des Bundesrates zustimmen und keinen eigenen Willen haben soll. Verfassungsrechtliche Be- denken stehen unserem Antrage nicht im Wege. denn der jetzige Entwurf ist nichts als als eine Ergänzung zum Armengesetz, daS ebenfalls Reichsgesetz ist.(Sehr richtig I bei den Sozialdemo- kraten.) Das Zentrum war in der Kommission in der Hauptsache mit unserem Antrage einverstanden, und deshalb wundert es mich einigermaßen, daß es jetzt eine andere Stellung einnimmt und sogar gegen die Resolution stimmen will, die doch in der Kommission ein- stimmig angenommen ist. Daß diese Neiolution den Reichskanzler zu nichts verpflichtet, habe ich schon in der Kommission betont; er kann den einzelnen Regierungen gegenüber einen Wunsch aussprechen, nicht aber einen Zwang auf sie ausüben, und deshalb ist es besser, unseren Antrag anzunehmen.(Bravo l bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf Westarp(k.) empfiehlt die Fassung der Kommission. Abg. Tove(frs. Vg.): Der Antrag der Sozialdemokraten zu Ziffer 4 ist nicht zu einpfehlcn, da in der Tatvorübergehende Not- läge" ein sehr schwankender Begriff ist. Dagegen sind die Einwände gegen den ersten Antrag Albrccht nicht stichhaltig, denn das Reich hat die Grenzen seiner Kompetenz selbst zu bestimmen. Da lvir aber das Gesetz an dieser Bestimmung nicht scheitern lassen wollen, Es wäre blasphemisch, sein Geschick mit dem Grillparzers zu vergleichen. Denn Grillparzer   war ein Dichter, Wildenbruch ein Rhetor. Einen Schritt zurück und wir haben Raupach. Einen Schritt tvciter und wir haben Sudermann. Er gehört nicht in die Geschichte der deutschen   Dramatiker, sondern der Theatraliker. Ilngiiade bewahrte ihn bor dem schlimmsten: als poeta laureatus in Berlin   zu enden. Man kann von dem Problem Wildenbruch nicht reden, ohne zum Problem des deutschen   Nationaldramas zu gelangen. Jenes Nationaltheaters, dasdie gutmütigen Deutschen   zu erlangen ver- meinten, che sie eine Nation geworden". Jenes Natimialthcaters, von dem wir heute weiter entfernt sind denn je; von dem alle Ex- perimente. NaupachS Hohenstaufen und Wildenbruchs Hohenzollern, Hebbels und Wagners Nibelungen, uns nur entfernt, immer noch weiter entfernt haben. Der Ritz zwischen Kaiser und Volk, zwischen Adel und Bürgertum, zwischen den Konfessionen, zwischen Be- sitzenden und Besitzlosen ist heute breiter und tiefer denn je. Wir sind keine Nation. Uns eint keint politisches, religiöses, soziales Ideal. Unsere Künste sind in voller anscheinend unaufhaltsamer Selbstauflösung begriffen. Unsere Künstler sind sie noch ehrlich Wollende?" Die zunehmenden Tage. Die Nacht ist keines Menschen Freund, heißt es ini Lied, und aus diesem Grunde freut sich jedermann an der allmählichen Zunahme der Tageslänge und an der Verkürzung der dunklen Stunden. Daß Gefühl ist so alt und tief, daß ja der eigentliche Ursprung des Weihnachlsfestes in den nordischen Länder» auf dem Beginn der wiederwachsenden Tageslänge beruht. Der Physiologe deö modernen Zeiialrers drückt sich in seiner gelehrten Sprache dahin aus, daß dunkle Morgenstunden und ein früher Ein- bruch der Nacht schon bald nach Mittag die menschliche Energie herabsetzt, weil der Einfluß des Lichts auf die Be- lätigung der Maichine, die der menschliche Körper darstellt, von grundlegender Bedeutung ist. Das allerschwerste aber ist ohne Zweisel für jeden die Aufgabe, sein Bett vor Anbruch des Tages- lichtS verlassen zu sollen, und daher ist am Morgen das Vergnügen deS Einzelnen über die Verlängerung des Tages am stärksten ent- ivickelt. Dazu kommt die erfreuliche Aussicht, daß mit der wachsenden Tageslänge sich auch bald die stärkere Wirkung der Sonnenstrahlen zeigen und die auch dem Abgehärteten während eines harten WinrerS zuweilen recht peinliche Kälte aus dem Schlafzimmer vertreiben oder mildem wird. Von den weniger abgehärteten Leuten gar macht sie manchen zum Feigling, der sonst als ein Held zu gelten meint. Niemand aber braucht sich solcher Empfindungen zu schämen. denn er teilt sie mit der ganzen Natur, die höchstens in noch stärkerem Grade von Licht und Wärme ab- hängig ist als der weise Mensch, der zwar beides künstlich erzeugen kann, dafür aber auch eher entbehren zu können glaubt. Nur das den Menschen und auch vielen Tieren und Pflanzen feindliche Ge- lichter der Bakterien hat wenigstens in einer Hinsicht keine Ursache mit dem Wandel der Jahreszeit gegen das Frühjahr hin zufrieden so werden wir den Antrag ablehnen, doch hoffe ich, daß die Einzel- stallten der Resolution Rechnung tragen werden. Unterstaatssekretär Mermuth   warnt nochmals, eine Verfassungs» Lnderung, wie sie der Antrag Albrecht involviere, so obenhin zu beschließen. Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Albrecht wird in beiden Teilen gegen die Stimmen der Sozialdemokratie abgelehnt. der Gesetzentwurf wird in der Fassung der Koinmission an- genommen. Die Resolution der Kommission wird gegen die Stinmren des Zentrums und der beiden konservativen Parteien angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung. Abg. Bassermann(natl.) szur Geschäftsordnung) beantragt, den Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen und den Entwurf an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu verweisen. Diesem Antrage wird zugestimmt. Es folgt die erste Lesung des Bankgesetzes. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg  : Der Entwurf läßt die Grundlagen unseres Bankwesens, die Goldwährung und die Reichs- bank, unangetastet. Es kann sich im vorliegenden Entwurf also nur um Stärkung und Ausbau dieser Grundlagen handeln. Der Entwurf sieht in erster Linie eine Vermehrung der Mittel der Reichs- bank vor.(Einzelheiten bleiben bei der leisen Stimme des Redners und der in, Hause herrschenden Unruhe vielfach unverständlich.) Der Entwurf steht eine Erhöhung des steuerfreien Notenkapitals vor und gibt den Reichsbanknoten die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Außerdem sieht der Entwurf die Verpflichtung der ÜteichSbank zum Umlausch der Reichsbanknoten in Gold vor, wodurch alle etwaigen Befürchtungen völlig gegenstandslos werden. Redner gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die Neuerungen der Novelle auch den Sparkassen zugute kommen werden, und bittet, das Gesetz so zu verabschieden, daß es noch am 1. April d. I. seine hoffentlich sehr segensreichen Wirkungen entfalten könne. Abg. Kreth(k.) klagt über die exorbitante Höhe des Reichsbank- diskontö. verbreitet sich über die Verheerungen, die die gegenwärtige Krise besonders unter dem Mittelstande angerichtet habe, und be- antragt Ueberweisnng an eine Kommiision von 21 Miigliedern. Abg. Speck(Z.): Die Vorlage soll die Aktionskraft der Reichs- bank stärken, und zwar sollen ihre Betriebsmittel durch Verstärkung des Reservefonds und durch Erhöhung des steuerfreien Noten- kontingents verstärkt werden. Beide Vorschläge scheinen mir sachlich begründet. Freilich hätte ich den Wunsch, daß gleichzeitig auch eine Erhöhung des Kontingents für die Privatnotenbanken vorgeschlagen würde. Man sollte auch den Noten der Privatnotenbanken eine erweiterte Absatzmöglichkeit schaffen, zumal da die Reichsbanknoten jetzt so privilegiert werden sollen. Der Redner schließt sich dem Wunsche an. den Entwurf an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen. Abg. Dr. Arendt(Rp.): Die Lobsprüche, die Herr Speck der Reicksbank spendete, bewegen mich, gerade für die Verstaat- lichung der Reichsbaick einzutreten, die ja jetzt schon eine Staatsbank ist. wenn sie auch mit Privatkapital begründet ist. und die nach der Verstaatlichung auch nicht bureaukratischer verwaltet werden kann, als es bisher ge- schehen ist.(Bei den Freisinnigen: Na! na!) Die Linke drängt doch sonst so sehr auf eine Besitzsteuer; nun, die Anteilseigner der Neichsbank gehören doch nicht zu den Nicht-Besitzenden. Von dem Reservefonds der Reichsbank von 64 Millionen gehört dem Reiche die Hälfte, aber leider nur theoretisch; man sollte diesen Besitz zu einem praktischen machen und sich diese 32 Millionen aus- zahlen lassen; wir könnten sie bei unserer jetzigen Finanznot sehr gut brauchen.(Abg. M o m m s e n(fts. Va.) ruft ironisch: Sehr gut! Heiterkeit links.) Ich bitte, diesen Vorschlag in der Kommission zu prüfen. Die Fünf- und Zehnmarkscheine sind um so überflüssiger. als wir jetzt in dem neuen Dreimarkstück ein sehr begucmeS und be- liebtes Zahlungsmittel haben. Die Ablehnung der kleine» Kassen- scheine seitens des Publikums hängt auch mit ihrer Häßlichkeit zusammen; hätte man einen Preis für das häßlichste und unpraktischste Papiergeld ausgeschrieben, so hätten wir mit unserem Zehnmarkschein sicherlich den ersten Preis bekommen.(Heiterkeit.) Abg. Dr. Weber(natl.) bestreitet, gegen Dr. Arendt polemisierend, die Behauptung, daß die ReichSbankpolitik irgend welche Schuld an der gegenwärtigen Krise trage, und wendet sich gegen die Verstaat- lichung der Reichsbank, nachdem er zuvor die geplante Erhöhung der Telephongebühren mißbilligt hat. zu sein. Denn es weiß sich zwar trefflich mit der Wärme, nicht aber mit dem Licht der Sonne abzufinden. Also, frisch auf zu", Frühling l Humor und Satire. Fabel.DaS glückliche Tier! Wie eS sich vor Vergnügen im Grase wälzt!" sagte die kleine Marie.O, die vermaledeiten Flöhe!" stöhnte der Hund. Vornehm. Hans:Sieh nur das hübsche Baby l" Schwesterchen:Aber, HanS, das ist doch kein Baby, das ist ja das Kind von unser», Schuster I" L u f t s ch i f f e r.Für uns kommt die Erde jetzt doch eigentlich nur noch als Begräbnisort in Betracht!" DaS volle Haus. Schmierendirektor(zum gastierenden Heldenspieler):Ein leeres Haus kann ja mal vorkomme». Aber Sonntags können Sie bei mir immer auf einvolles" Haus rechnen." Alter Intrigant(leise zum Gaste):DaS volle Haus ist nämlich stets er selber."_(Meggendorfer- Blätter.") Notizen. Der Verein für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse feiert am Sonntag, den 28. Februar in FreyerS Fest- fälen, Koppenftr. 29. fein zehntes Stiftungsfest. Ihre Mitwirkung haben zugesagt: Der Berliner   Volkschor(mit Orchesterbegleitung) und Konzertsängerin Fr. Mark. Die Festrede hält Klara Zetlin. M u s i k ch r o n i k. Am Donnerstag, den 18.. findet in der Aula des Vismarckgymnastums, Pfalzburger Str. 30 in Wilmersdorf  , der zweite volkstümliche Kun stabend statt, der zu einem bescheidenen Eintrittspreise(50 Pf. inkl. Garderobe) gute Musik bieten will. Die künstlerische Leitung liegt in den Händen der Violinistin Gertrud Steiner. Rothstein. DaS Programm bringt Streichquartette von Haydn   und Mozart   und Liedervorträge von Schumann, Schubert und Löwe. Heinrich R e d e r. wie er als Dichter und Mensch hieß, oder Generalmajor Ritter von Reder, als den ihn die Rangliste verzeichnete, ist im hohen Alter von beinahe 85 Jahren in München  gestorben. Russische   Dichterehrung. Wie aus Petersburg   be­richtet wird, hat die Polizei einen neuen Hastbesehl gegen Maxim Gorki   erlassen: in dem Dokument wird der Dichter alsAnstreicher aus Nischnü, olvgorod" bezeichnet. Es ist ja nicht das erstemal, daß Gorki von der russischen Polizei verfolgt wird. Gegen Ende des Jahres 1904, in den erregten Tagen, die den, großen Streik auf den Putilow-Werken folgten' und die am 22. Januar 1905 in dem blutigen Sonntag" ausmündeten, wurde der Dichter verhaftet unter dem Verdachte, an der revolutionären Bewegung beteiligt zu fein. Damals kam eS zu jenem einhelligen Protest Europas  , dessen Abschluß die Haftentlassung Gorkis   im Februar 1905 bildete. Man entließ ihn, ohne ihn vor ein Gericht gestellt zu haben.