Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr. �Fortsetzung der Beratung de» Bankgesetzes, dann Rechnungs - fachen.) Schluß 6 Uhr. Hbgeordnetenbaiid* 33. Sitzung vom Mittwoch, den 17. Februar, nachmittags 1 Uhr. Am Ministertisch: Dr. Delbrück. Die er st eBeratungderNovellezum Berggesetz wird fortgesetzt. Abg. Kapitza(Pole): Meine politischen Freunde begrüßen die Vo> läge zwar nicht als Erfüllung aller ihrer Wünsche, aber als tvenerrn Schritt auf dem Wege der modernen EntWickelung. Die stärkere Beteiligung der Arbeiter an der Grubenkontrolle ist durch- aus notwendig. Durch die kleineren Unfälle gehen noch weit mehr Menschenleben zugrunde als durch die großen Katastrophen. Die Ursache ist Ucberbürdung, allgemeine Abspannung und Unvorsichtig. keit der Arbeiter, sowie das Bestreben, das Gedinge möglichst hoch zu bringen. Darum beantragen wir auch wiederum die Einfüh- rung des achtstündigen Arbeitstages. In England und Frankreich ist diese» bereits durchgeführt. Auch das bayerische Abgeordneten- Haus hat ihn einstimmig beschlossen. Die Einführung dort soll von dem Vorgehen in Preußen abhängen. Wenn sich der SicherheitS- mann um diese Verhältnisse kümmert, so sollte es nicht als Ueber- schreitung seiner Befugnisse angesehen werden. Ferner darf den Sicherheitsleuten auch nicht untersagt werden, mit den polnischen Bergleuten polnisch zu sprechen.(Bravo ! bei den Polen .) Abg. Wolff-Lissa(frs. Vg.): Bisher war der Betriebsführer das, was bei einer Redaktion der Sitzredakteur ist: er war für alles verantwortlich. Bei der Einrichtung der Grubenkontrolleure hätte man besser getan, den Wünschen der Arbeiter zu entsprechen. Der Zweck des Gesetzes, daß Ruhe unter den Bergarbeitern eintritt, würde dann besser erreicht werden. Die Hauptsache ist. daß die Sicherheitsleute auch wirklich das Vertrauen der Arbeiter ge- nießen. Im Interesse der Arbeiter läge es, wenn der SicherheitS- mann von den Arbeitern bezahlt würde. Ich wundere mich, daß die Herren Sozialdemokraten plötzlich so viel Vertrauen zum Staat haben, daß sie durchaus die Bezahlung der Sicherheitsmänner durch den S t a a t verlangen. Es sollte ihnen doch auffallen, daß auch die Unternehmer mit dieser Forderung einverstanden sind. Vom Standpunkte der Unternehmer verstehe ich ja dieses Verlangen eher. denn für sie ist es billiger, als wenn sie die Sicherheitsmänner selbst bezahlen müssen. Dem Gedanken, der die Sozialdemokraten bei ihrer Haltung leitet, würde man durch die Bestimmung gerecht werden, daß der Sicherheitsmann für die Dauer seiner Funktion als Sicherheitsmann aus der Belegschaft ausscheidet. Natürlich muß auch die notwendige Unabhängigkeit des Sicherheitsmannes von der Belegschaft sichergestellt werden. Im übrigen sind wir nach wie vor für reichsgesetzliche Regelung der Materie. Die dagegen angeführten Gründe sind nicht durchschlagend. Eine Bcrahoheit, die die Rechte erhalten will, gibt es seit nicht mehr, londern die Berg f r e i h e i t. Was die Sozialpolitik anlangt, so bleibt dem Landtag noch genug zu tun übrig, z. B. in bezug aus die Rege- lung der ländlichen Arbeiterverhältnisse, in bezug auf die Gesinde- Ordnung usw.(Sehr gut! links.) Und was schließlich den Hin- weis auf die Verschiedenartigkeit der Bergwerksverhältnisse betrifft, so ist genau dieselbe Verschiedenheit auch innerhalb Preußens vor- fymden, die gerade die Nationalliberalen stets betont haben. Also dieser Grund kann auch nicht gegen eine reichsgesetzliche Regelung angeführt werden.(Bravo ! links.) Hierauf wird emSchlußantragangenommei» ES folgen die Schlußworte zu den Antrögen. Abg. Bell(Z.): Trotz der Angriffe der Sozialdemokratie auf meine Partei begrüßen wir die Borlage mit Freuden. Gegen die unerhört« Beschuldigung des Herrn Leinert, daß die bürgerlichen Parteien die sozialdemokratischen Bergarbeiter nicht gegen Gruben- Unglücksfälle schützen wollten, muh ich entschiedensten Protest ein- legen.(Bravo ! im Zentrum.) Wir hoffen, daß eS den Bemühungen der LLgliedrigen Kommission, die wir beantragen, ge- lingen werde, der Vorlage eine in allen Teilen befriedigende Ge- stall zu geben. Wenn Herr Leinert auch bei dieser Gelegenheit wieder das Zentrum augegriffen hat, so beweist das nur wieder, daß der Sozialdemokratie im Grunde jede gesunde Sozialreform auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung ein Dorn im Auge ist.(Abg. Hirsch: Das ist lächerlich!) Sic haben eben die begründete Befürchtung, daß Ihne» dann die wesentlichsten Punkte von Ihrem Zukunftsprogramm gestrichen werden.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ob die sozialdemokratischen Arbeiter aus dieser Haltung die nötigen Konsequenzen ziehen werden, muß ihnen über- lassen bleiben. Verwahrung muß ich aber dagegen einlegen, daß sich Herr Leinert hier auch als Beschützer der nationalen und christ- liehen Arbeiter aufspielt. Diese Arbeiter lehnen es ab. von Herrn Leinert vertreten zu werden.(Abg. Hoffmann: Woher wissen Sie denn das?) Sie wissen genau, wer in Wahrheit ihre Jnter- essen vertritt.(Abg. Hoff mann: Die Aufregung nützt nichts! Heiterkeit.) Gegen die Unterstellung der Unternehmer, als ob die Arbeiterkontrolleure nicht aus sachlichen, sondern aus politischen Gründen eingestellt werden sollen, protestieren wir. Wir danken dem Minister, daß er trotz der mächtigen Einflüsse, die sich bis in die letzte Stunde gegen die Vorlage geltend gemacht haben, ein starkes Rückgrat bewiesen hat.(Bravo ! im Zentrum.) Rc-dner tritt schließlich für reichsgesetzliche Regelung des Bergrechts ein. Abg. Frhr. v. Zedlitz(frkons.): Wir lehnen die reichsgesctzliche Regelung dieser Materie nach wie vor unbedingt ab. Die Verhält- nisse des Bergbaues sind in Preußen so eigenartig, daß sie nicht über den Kamm der allgemeinen Reichssozialpolitik geschoren werden können.(Sehr wahr! rechts.) Der Lieichstag beruht be- kauntlich auf dem radikalsten Wahlrecht, das auch dem Unreifsten Einfluß gibt und leicht zum Byzantinismus der Volksvertretung gegenüber den großen Wählern, asscn führt. Ein solches Parlament ist nicht geeignet, mit voller Objektivität und unter Wahrung auch der den Arheitern entgegengesetzten Interessen des Grubenbaues und der Grubcnunternehmer zu urteilen.(Sehr richtig! rechts, Lachen links.) Die Arbeiterkontrolleure nach sozialdemokratischem Muster würden nicht nur nicht zum Schutze der Arbeiter dienen, sondern würden dem sozialen Frieden geradezu gefährlich sein, Kein Arbeiter ist in der Lage, größer« Bezirk« mit Nutzen zu über- Ivachen. Solche von der Belegschaft losgelösten, den Unternehmern als Aufsichksorgane gegenübergestellten Arbeiterkontrolleure würden vor allem der Disziplin, dem allerfcstesten Fundament der Sicher- beit deS Bergbaues, auss äußerste abträglich sein.(Sehr richtig! rechts.) Auch würden die Stellen der Kontrolleure tatsächlich mit sozialdemokratischen Agitatoren besetzt werden, und dazu kann der Staat kein Geld geben.(Bravo ! rechts.) Im übrigen halten wir es für eine Ehrenpflicht des Landtages, alles, was zur Sicherheit deS Bergbaues geschehen kann, auf dem Wege der Gesetzgebung zu tun, und aus diesem Grunde haben wir unseren Airtvag gestellt. Wir werden eS natürlich nicht unterlassen, die ernsten Bedenken. die von feiten der Bergwerksunternehmer erhoben worden sind, eingehend zu prüfen. Insbesondere halten wir die obligatorisch« Begleitung des Sicherheitsmannes durch einen Grubenbeamten für eine unerläßliche Forderung.(Bravo ! rechts.) Abg. Brust(Z.) erklärt, daß er sich die Antwort auf die An- griffe deS Abgeordneten Leinert, auf die er wegen Schluß der Debatte»ich, habe eingehen können, auf ein», spätere Geleg»i>heij borbehalte. Das Gesetz mit den Anträgen wird hierauf einer Kom- Wission von 2 8 Mitgliedern überwiesen. SS folgt die zweite Beratung deS Bcrgctats. Präsident v. Kröcher teilt mit, daß von den FraktionSborständen Wieder ein Kontingentierungsplan für die Etatsberatung festgestellt sei, und daß er, falls ein Etat nicht im Rahmen dieseZ Planes erledigt sei, Abendsitzungen anberaumen werde. Die allgemeine Besprechung setzt bei den Ein- nahmen ein. die insgesamt 268 Millionen betragen. Abg. v. Kessel(k.): Bei dem schlechten Abschluß deS Etats auch in diesem Jahre wäre eS wünschenswert, wenn uns im nächsten Etat genaue Angaben ans Gruben, die im vollen Betriebe und noch nicht abgenutzt sind, über die Selbstkosten pro Tonne gegeben würden, damit wir einen Vergleich mit anderen Gruben anstellen können. Gewiß ist der Ertrag vermindert durch die erhebliche Steigerung der Arbeiterlöhne, doch sind dieie überall gestiegen. Die Arbeitsleistung zeigt übrigens trotz der Steigerung der Arbeiterlöhne sinkende Tendenz. Sehr gute Erfolge sind in Ober- schlesien erzielt worden mit Präniien an Betriebsbeamte und Arbeiter für regelmäßig verfahrene Schichten und Ueberichichten. Solche Prämien sollten auch von der Bergverwaltung allgemein eingeführt werden.(Bravo 1 rechts.) Handelsminister Dr. Delbrück sagt für das nächste Jahr einen genauen Vermögensnachiveis der Bcrgverwaltung zu. Das Zurück- gehen der Leistungen bei Steigerung der Löhne ist eine allgemeine Beobachtung!— Ein Teil der Arbeiter gibt sich eben mit einer be- stinimlen Arbeitsleistung zufrieden und arbeitet bei höheren Lohnen nicht mehr. Dagegen etwaS zu tun, sind wir außerstande. Die erwähnten Prämien sind zum Teil auch bei fislalischen Werken ein- geführt. Ob dadurch ein besonderer Gewinn herausgesprungen ist. kann ich heute nicht sagen. Abg. Saucrmann<Z.): Ob die Klagen über die Preispolitik der staatlichen Bergwerke zutreffen, will ich nicht untersuchen. Jedenfalls ist eS dem Staate nicht gelungen, durch seine Politik einen nennenswerten Einfluß auf die Preisbildung auszuüben. Es wird behauptet. daß der FiskuS mit dem Kohlensyndikot friedlich Hand in Hand geht und die Kohle nach dem Ausland billiger liefere. In Süddcutschland sollen sich deshalb Genoffen- schaften gebildet und massenhaft englische Kohle bezogen haben. Ich will mich mit diesen Behauptungen nicht identifizieren, doch wäre uns Aufklärung über diese Klagen erwünscht. Der Staat sollte mehr mit kleinen Abnehmern abschließen und die Ausfuhr der Kohle sollte, solange im Jnlande Bedarf vorhanden ist, möglichst eingeschränkt werden. Ein ganz ungesunder Zustand ist eS zweifellos, wenn man Tausende von ausländischen Arbeitern heranholt, um mit ihnen die heimische Kohle zu fördern und sie dann noch billig an das Ausland abzugeben.(Sehr wahr I im Zentrum. Freilich darf die AuSsilhr nicht zu sehr beschränkt werden ohne die Sicherheit, daß die gleiche Menge im Inland abgesetzt werden kann. Sonst könnte ein großer Teil der vor- handenen Förderanlagen nicht mehr ausgenutzt werden und das würde zur Steigerung der Kohlenpreise und zur Entlassung von Arbeitern führen. Die Löhne im Ruhrrevier sind von 1887 bis 1907 um 38 Prozent gestiegen, der Wert der geförderten Kohle aber um 49 Prozent. Die Lohnfteigerung war notwendig, weil früher die Löhne sehr niedrig waren. Wir begrüßen, daß bei sinkender Kon- junktur die Löhne stabil gehalten werden, während sie in der Privatindustrie rapide fallen. Die Behauptungen über die Minder- leipungen sind völlig unberechtigt(und werden nur von Leuten auf- gestellt, die die Verhältnisse im Bergbau nicht kennen. Daß bei einzelnen Personen oder auch einzelnen Schächten Minder- leistungen vorkommen können, liegt in der Natur der Sache. Es liegt das zum Teil daran, daß man soviel Leute auS rein ländlichen Gegenden herangeholt hat, die vom Berg- bau keine Ahnung haben und deren Körper auch der schweren Arbeit nicht gewachsen ist.(Sehr richtig I) Weiter kommt auch der Bergeversatz in Betracht, der zur Vermeidung von Hohlräumen und Btidung von Schlagwettern notwendig ist. Dadurch daß für diese Arbeiten, auch für die Berieselung usw., viel Leute in Anspruch genommen werden. muß natürlich die Tonnenleistung sinken. Die Behauptung deS bekannten Dr. Tille, die christlichen Gesellschaften wären eS, welche die Minderleistung verschuldeten, richtet sich selbst.(Sehr wahr l im Zentrum.) Bei de» sozialen Wahlen sollten die Werksverwaltungen entgegenkommender sein. Ein recht bedenklicher Unfug greift neuerdings im Ruhrrevier Platz, indem ans den Abkebrscheinen vielfach die Religion der Familienmitglieder eines Berg- manneS angegeben wird. Was hat die Religion der Frau und der Kinder mit der Bergarbeit zu tun? I Die Bergleute ver- muten, daß dies nur eine andere Form des bekannten Sperrsystems ist.(Hört! hört! im Zentrum.) Ueber staatliche Berg- werke sind bis jetzt erfreulicherweise derartige Beschwerden nicht erhoben werden. Als ein Mißstand wird es weiter von den Bergarbeitern empfunden, daß die Aufsichtsbeamten viel fach in den privaten Bergbau als Direktoren usw. übergehen, Man nimmt an, daß sie unter diesen Umständen nicht unabhängig genug von den Bergwerk sbesitzern sind. Ich teile diesen Standpunkt nicht, aber eS sollten doch Aussichtsbeamte, die mit den Bergwerksbesitzeni verwandt oder verschwägert sind, wenig- stenS in andere Betriebe versetzt werden. Ein unhaltbarer Stand- Punkt des Dortmunder OberbergamtS ist es auch, wenn es die Organisationen der Bergarbeiter nicht für befugt hält, im Namen einer Belegschaft Beschwerde zu führen.(Sehr wahrl im Zentrum.) Den Herren Unternehmern vom Bergbaulichen Verein wird die Einsicht in die Bibliothek und die Akten des OberbergamtS in Dortmund gestattet, einem Vertreter des christlichen Verbandes wurde sie.aus grundsätzlichen Erwägungen" verweigert!(Hört I hört!) Die bergpolizeilichen Verordnungen sollten dort, wo fremd- sprachliche Arbeiter beschäftigt sind, auch in der Muttersprache dieser Arbeiter ausgehängt werde».(Sehr richtig! im Zentrum.) Ferner wünsche» die Arbeiter und Beamten, daß sie bei Erlassen der Berg- palizeiverordnungen auch gehört werden. Früher hat man hier immer lebhaft geklagt über die Sozialpolitik im Autumobiliempo. es hat aber 19 Jahre gedauert, ehe das Versprechen der Thronrede über die Arbeitskammern eingelöst ist. Ich begrüße es. daß auch die Bergarbeiter in diese Arbeitskammcrn einbezogen sind. Zum Schluß möchte ich den Herm Minister befragen über das Ergebnis des bedauerlichen BestechungsprozesjeS im Saarrevier.(Bravo ! un Zentrum.) Hierauf vertagt sich das HauS. Präsident v. Kröchcr schlägt vor, die nächste Sitzung abzuhalten Donnerstag 12 Uhr mit der Tagesordnung: Fortsetzung der Be- ratung des Bergetats, dritte Lesung der Pfarrcrbesoldungsgesetze und LandwirtschaftSetat. Abg. Hoffmann(Soz.) zur Geschäftsordnung: Ich möchte den Herm Präfidenten ersuchen, morgen zunächst die Fortsetzung der zweiten Lesung der Pfarrerbesoldungsgesetze aus die Tagesordnung zu setzen, da diese geschästsordnungsmäßig nicht erledigt ist. Nach dem steno - graphischen Bericht ist bei einer Abstimmung über einen Schluß- antrag, die zweifelhast war, die Gegenprobe durch Erheben von den Plätzen vorgenommen worden. Diese Gegenprobe ist nach der Geschäftsordnung, s 58, und nach einem Kommentar dazu»»zulässig. In dem Kommentar heißt eS:.Bei Abstimmung über einen Schluhantrag ist die Gegenprobe unzulässig. Der Antrag gilt im Zweifelfalle als abgelehnt.(Hört I hörtl bei den Sozialdemokraten.) Danach haben Sie also die DiS- tussion gegen Ihre eigene Geschäftsordnung geschlossen, so daß die zweite Lesung nicht geschäftsordnungSmäßig erledigt ist. Am 23. November 1832 ist genau so verfahren worden. Präs. v. Kröcher: Mir ist keine Bestimmung der Geschäftsordnung bekannt, nach welcher die Abstimmung über einen Schlußantrag nicht bezweifelt und durch Gegenprobe festgestellt werden könne. Ein Kom- mentar ip meiner Ansicht nach nicht maßgebend. Abg. Hoffmaim(Soz.): Der Vorgang im Jahre 1882 hat fich unter dem Präsidenten v. Koller am 23. November so abgespielt, daß der Präsident bei einem Schlußantrag sagte: Ich bitte die- jenigen Herren sich zu erheben, welche�schließen wollen.(Geschieht.) Das Bureau ist nicht ganz einig. Wir werden um die Gegenprobe bitten.(Unruhe.) Darauf bittet der Abgeordnete Dr. v. Cunv um das Wort und erklärt: Herr Präsident, ich möchte mich darauf berufen, daß nach alter Praxis des Abgeordneten- Hauses im Zweifel ein Schlußantrag immer als abgelehnt gilt. Präsident v. Koller: „Ich muß das anerkennen." (Hört! hörtl) Es ist das richtig, ich muß also erklären, daß der Schluß abgelehnt ist.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) In dem Kommentar, der nicht maßgebend sein soll, find noch eine ganze Reihe ähnlicher Fälle angeführt. Ich denke, dieser eine genügt, um zu zeigen, daß Sie eventuell auch gegen die Geschäftsordnung handeln, wenn Sie Ihren Willen durchsetzen wollen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- Iraten.) Vizepräsident Dr. Porsch: Wenn das richtig wäre, was Herr Hoffmann ausführt, so hätte in dem Augenblick, wo der Präsident sagte:.Ich bitte um die Gegenprobe", gesagt werden müssen: Eine Gegenprobe ist unzulässig, der Schlußantrag ist abgelehnt. Das ist aber nicht geschehen, es ist vielmehr nachher festgestellt, daß die Minderheit steht und die Besprechung geschlossen worden ist. Dagegen hat niemand Widerspruch erhoben. Dann hat der Präsident über den Artikel 1 abstimmen lassen, ebenfalls ohne daß Widerspruch erhoben wäre. DaS Gesetz ist also ordnungsmäßig angenommen. Abg. Hoffmaim(Soz.): Daß das völlig ordnungsmäßig ge- scheheu ist, bestreite ich, denn eS ist nicht so gehandelt worden, wie bisher die Geschäftsordnung gehandhabt wurde. Im übrigen bin ich ein neues Mitglied dieser Versammlung und durfte wohl annehmen, daß der Vizepräsident die Geschäftsordnung kennt, über die er zu wachen hat.(Sehr gut l bei den Sozialdemokralen.) Abg. Dr. Porsch: ES ist wiederholt vorgekommen, daß im Zweifelwlle Gegenprobe vorgenommen worden ist. Präsident v. Kröcher: Daß der Beschlutz am Sonnabend ord- nungsmäßig zustande gekommen ist. ist mir außer allem Zweifel. Die Gewohnheit des Hauses wird zwar allgemein beachtet, ist aber nicht ein so stringenter Beweis, wie die Geschäftsordnung, und in dieser steht kein Wort davon, daß die Abstimmung bei einem Schluß- antrag nicht durch Gegenprobe festgestellt werden kann. Abg. Hoffmann(Soz.): Ich wollte nur daraus hinweisen, daß die bisherige Handhabung des§ 58 sogar im Kommentar fest- gelegt ist, daß Sie aber im Augenblick, wo Sie eS brauchten, Ihre eigene Geschäftsordnung nicht beachtet haben. In dem Kommentar des Bureaudireklors Plate zur Geschäftsordnung heißt es auf Seite 183 in einer Anmerkung zum ß 58 ausdrücklich: .Bei der Abstimmung über einen Schluhantrag ist Gegen- probe nicht zulässig; der Antrag gilt im gweifelssalle als abgelehnt." Und es ist dann eine große Reihe von Fällen angeführt, in denen ebenso beschlossen worden ist. Sie haben also im vorliegenden Falle die Geschäftsordnung anders gehanöhabt. als es bisher üblich war. Abg. Dr. Porsch: Die Uebung deS Haufts, von der tn der an- geführten Anmerkung des Kommentars dle Rede ist. endet mit einer Sitzung vom Jahre 1883. So lange ich dem Hause angehöre, ist mir nicht erinnerlich, daß so verfahren worden ist, wie Herr Hossmann ausgeführt hat. Abg. Hoffmam,(Soz.): Da es sich hier um eine ganz neue Auf- läge des Kommentars aus dem Jahre 1904 handelt, kann man wohl annehmen, daß alle Fälle verzeichnet sind, die überhaupt vorgekommen sind. Und ich konstatiere nochmals, daß mit dieser Uebung deS Hauses von dem Bizeprästdenten gebrochen worden ist, als eS galt,«ich zu verhmdern. zu« Worte zu kommen. Abg. Dr. Porsch: Ich muß eS ganz entschieden zurückweise». daß iÄ die Absicht gehabt habe, den Abgeordneten Hossinann zu verhindern, das Wort zu ergreifen. Ich mutz aber feststellen, für mich als Präsidenten ist tediglich die Geschäftsordnung maßgebend, aber keine Auslegung. Abg. Hoffmaun(Soz.): Ich stelle fest, daß für den Herrn Präsidenten v. Köller die Uebung des Hauses maß- gebend war. wie er selber ausführt in dem. was ich verlesen habe. Abg. Dr. Friedberg(natl.): Ms altes Mitglied des Hauses und als Unpartenscher kann ich bestätigen, daß neulich niemand daran gedacht hat, daß eine Verletzung der GeichSftSordnung vorliegt und daß damit irgend«ine Absicht verbunden gewesen wäre. Das ist nur ein Gefühl, ein Sentiment. das bei Herrn Hoffmann vorhanden gewesen ist. Wenn Herr Hoffmaim glaubte, daß die Geschäftsordnung verletzt war, hätte er damals protestieren sollen. Wenn er sich jetzt als Märtyrer hinstellen will, so imponiert das niemand. Die Uebung, so zu verfahren wie neulich, existiert schon lange. Abg. Frhr. v. Zedlitz(frs.): Die alte Uebung ist in der Tat längst außer Uebung. Im übrigen hat niemand daran gedacht, im vorliegenden Falle der GeichästSordnung Gewalt antun zu wollen. Abg. Hoffmaim(Soz.): Wenn ich nicht da» Vertrauen in das Präsidium gehabt hätte, daß eS die Geschäftsordnung lennt, hätte ich protestiert; so habe ich mich aber erst genauer informiert. Uebngens hat doch diese Uebung des Hauses den Zweck, zum Schutze der Minderheit zu dienen.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) Ihr Zweck war aber, mir das Wort abzuschnetden. Das haben Sie erreicht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten; Widerspruch bei der Mehrheit.) Abg. Dr. Porsch: In dem Kommentar ist seit 1883 kein einziger Fall mehr angeführt, in dem die Uebung stattgefunden hat. Also von einer Durchbrechung der Uebung kann nicht die Rede sein. Abg. Mertin<fk.): Ich habe in jener Sitzung als Schriftführer fungiert und habe selbst den Zweifel daran, ob zuerst die Mehrheit stand, angeregt und, gerade im Interesse der objektiven Gerechtigkeit, um die Gegenprobe gebeten. Die Uebung habe ich nicht gekannt. Abg. Hoffmann(Soz.): Ich will nur feststellen, daß nach dem Kommentar von Plate es in allen Parlamenten bei Schlnhanträgen ebenso gehandhabt wird. Nur zwei Parlamente machen davon eine Ausnahme. Wenn Herr Dr. Porsch jetzt von einer neueren Uebung spricht, so ist doch festgestellt, daß ein derartiger Fall seit 1383 nicht wieder vorgekommen ist, also gilt doch die alte Uebung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) Abg. Dr. Porsch: Wenn ein Fall der alten Uebung seit 1883 nicht mehr vorgekommen ist, so ist daraus doch nicht zu folgeni, daß seitdem niemals eine Gegenprobe bei einem Schlußantrag statt- gesunden hat. Abg. Hoffmann(Soz.): Ich wiederhole, daß diese Uebung fast allgemein in den Parlamenten gebräuchlich ist, eben zum Schutze der Minderheit. Solange andere Fälle nicht vorgelommen sind, müssen wir uns doch nach dem richten, was uach de« Kommentar Uebung ist. Abg. Dr. Porsch: Ich verzichte darauf, mit Herrn Hofsinann weiter zu disputieren.(Lachen bei den Sozialdemokraten. Bravo! rechts.) Ich habe nach der Geschäftsordnung gehandelt, und ledig- lich daraus kommt es an. Der Widerspruch des Abg. Hoffmann gegen die vom Präsidenten vorgeschlagene Tagesordnung wird hierauf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Schluß 6s/t Uhr.________ parlamcntarlfcbea. Die Arbritbkammerkommission des Reichstags erledigte in ihrer Mittwochsitzung den A 7 der Regierungsvorlage, der die in den Kammern zu vertretenden Pcrsonenlrcise umschreibt. Die sozialdemokratischen Vertreter beantragten, alle n der Land- und Forstwirtschaft, im Handwerk, in oer Industrie, im Handels» und Verkehrsgewerbe — einschließlich der Seeschiff- ahrt— gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen, als Arbeit. nehmcr im Sinne des Gesetzes zu bezeichnen. Der Regierungs- entwurf will nur die vom Titel VI! der Gewerbeoronung erfaßten gewerblichen Arbeiter mit Einschluß der Heimarbeiter als Arbeit- nehmer gelten lassen. Ein Antrag des Abgeordneten Potthoff geht zwar über die Bestimmungen der Regierungsvorlage hinaus,
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