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Die Einnahmen werden bewilligt, ebenso nach kurzer Debatte die Ausgaben. Eine Petition um Gewährung eincr� Lohnerhöhung an die Bergarbeiter auf den königlich preußischen und fürstlich Schaum- burg-Lippeschen Steinkohlenwerken in Oberkirchen beantragen die Abg. Borg mann und Genossen der königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Die Kommission beantragt Uebergang zur Tagesordnung. Abg. Leinert(Soz.): Die Petition trägt 1S6l> Unterschriften. Die Lohnverhältnisse in Schaumburg-Lippe sind die allcrschlechtesten in den fiskalischen Gruben. Der Fahrcslohn betrug dort 1305 899 M. und beträgt jetzt 995 M. Gegen das vorige Jahr soll er um 28 M. gestiegen sein, das beweist aber nur, daß er seit 1995 wiederum stark gefallen war. Im Oberbergamtsbezirk Tortmund beträgt der durchschnitt- liche Lohn der Bergarbeiter jährlich 1494 M., im Saargcbiet 1296 Mark, in Oberschlesien 1999 M. In der Kommission hat man gc- sagt, es handle sich dort um angesessene Leute; wenn sie sich nicht ant ständen, wären sie während der Hochkonjunktur weiter nach Westfalen gegangen. Eine solche Bemerkung seitens der Regierung ist doch ganz unangebracht, denn die Regierung hat doch alles Jnter- esse, angesessene Leute am Orte zu halten. Waschgclcgenheit ist in Schaumburg-Lippe überhaupt nur auf 2 Stellen vorhanden. Ein großer Teil der Bergleute muß schmutzig nach Hause gehen. Also es kann keine Rede davon sein, daß es den Bergleuten dort so außerordentlich gut geht. Der Grund, daß es sich nicht um ein rein preußisches Werk handelt, kann doch nicht gegen die Petition sprechen. Es ist auch nicht richtig, daß die Lippesche Regierung die Lohnerhöhung abgelehnt hat, höchstens der Lippesche Fürst. Von Landtagsabgeordncten aus Lippe ist mir gesagt worden, daß sie sehr gern für die Lohnerhöhung eintreten würden, sie hätten aber gar keine Gelegenheit dazu, weil die Einnahmen der Bergwerke nicht in dem Etat des Fürstentums Lippe erscheinen. Es werden dort 2 426 999 M. an Löhnen und Gehältern gezahlt. Die Forde- rungen der Bergleute würden eine Mehrausgabe von 218 399 M. bedeuten. Ich kann Sie nur dringend bitten, im Interesse der Bergleute, der am schlechtesten gestellten fiskalischen Bergleute. diesen Antrag anzunehmen. Es würde im übrigen einen außer- ordentlich schlechten Eindruck machen, über eine Lohnforderung von Arbeitern hier schlechtweg zur Tagesordnung überzugehen, zumal da wir schon in Verhandlungen stehen über Gehaltsaufbesserung für Beamte. Die Behauptung, daß tatsächlich Lohnerhöhungen in letzter Zeit stattgefunden haben, muß erst noch bewiesen werden. Mit einer früheren Lohnerhöhung von 29 Pf. war auch eine Ve r- längerung der Arbeitszeit verbunden! Der Antrag ist nur ein Akt der Gerechtigkeit. Abg. Brust sZ) wendet sich gegen den Antrag mit Rücksicht auf die zurückgehende Konjunktur, in der Lohnerhöhungen nicht am Platze wären. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird angenommen. Zum Wort gemeldet war nur noch der Abgeordnete Leinert. Der Antrag auf Ueberweisung der Petition zur Berücksichtigung wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Polen ab- gelehnt.. Damit ist die heutige Tagesordnung erledigt. Es folgt die dritte Beratung der Pfarrerbesoldungsgesetze. Abg. v. Arnim-Züsedom(k.): Herr Hoffmann hat gestern meine Behauptung bestritten, daß der Schlußantrag von vier Fraktionen unterstützt war. Ich stelle fest, daß der Antrag außer von mir von den Abgeordneten Wallenborn (Z.), Dr. Fri edberg(natl.) und Stengel(fk.) unterschrieben war. sZuruf rechts: Er kann nicht mehr bis drei zählen! Große Heiterkeit.) Abg. Hofsmann(Soz.): Ich bitte um Verzeihung, mein Irr- tum lag nicht daran, daß ich nicht zählen kann, sondern, daß ich zwischen Konservativen und Freikonscrvativen keinen Unterschied mache.(Heiterkeit.) In der allgemeinen Besprechung erhält das Wort: Mg. Hoffmaun(Soz.): Eine kleine Bemerkung zuvor: Die Presse stellt fest, daß ich in der gestrigen Sitzung einige Sprachschnitzer begangen habe. DaS kann mir auch heute, wie ich mich kenne, passieren. Wenn ich gestern über Ihr Lachen so erstaunt war, so lag das daran, weil mir das Sprüchwort einfiel: Sie spotten ihrer und wissen selbst nicht wie;.denn Sie sind es, die diese Volksschulen geschaffen haben, deren Kind ich bin.(Lachen rechts.) Hätten Sie die Millionen, die Sie für die Kirche bewilligen wollen, stets für die Volksschule hergegeben.(Zuruf rechts: Dann hätten Sie auch nicht mehr ge­konnt!) Den Zwischenrufer bitte ich. sich die Antwort in Sirach 5, Vers 14. nachzulesen.(Große Heiterkeit.) Im übrigen bitte ich die Herren, die Antwort nachzulesen, die ich seinerzeit im Reichs- tage dem Mgcordneten Beniner gegeben habe, als mir Sprach- schnitzcr vorgeworfen wurden. Unfern prinzipiellen Standpunkt zur Sache habe ich schon im vorigen Jahre dargelegt: daß wir sowohl für die evangelische wie für die katholische und jüdische Geistlichkeit jede Unterstützung auö Staats- und Gemeindemitteln ablehnen. Abgesehen von diesem prinzipiellen Standpunkt liegt aber auch heute gar kein Grund vor, die verlangten Millionen für die Kirche zu bewilligen. Interessant war die Erklärung eines Regierungs- kommissarS in der Kommission, der sagte, der Staat habe für die Aufbesserung der Psarrerbesoldungen schon so viel aufgewendet, daß man ihm nicht zumuten könne, noch mehr zu geben. Wir hörten die Botschaft wohl, allein uns fehlte der Glaube. Damals wurde auch erklärt, die Regierung habe mit dem vorliegenden Gesetz die Landeskirchen auf absehbare Zeit abgefunden. Das war im No- vcmbcr. Die absehbare Zeit dauerte bis zum 13. Februar.(Heiter- kcit.) Da hat man der evangelischen Kirche noch eine halbe Million und der katholischen etwa eine viertel Million zugegeben. Ist denn nun die Kirchs wirklich so arm. daß sie 12 Millionen mehr Unterstützung braucht? Wir sind nicht der Ansicht. Das Gehalt der Geistlichen beträgt offiziell 1899 bis 4899 M. Der Wohnungsgcldzuschuß bc- trägt in Berlin zum Beispiel 1599 M. Nach zehn Jahren steigt das Gehalt der Geistlichen auf 3999 M., mit Mictsentschädigung 4599 Mark, nach 25 Jahren auf 6399 M. In Berlin beginnt das Ein- kommen einschließlich Wohnungsgeld mit 4999 bis 4599 M. und endet nut 8599 bis 9999 M. Die Hälfte des preußischen Volkes hat ein Einkommen unter 999 M.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- traten.) In demselben Augenblick, wo Sie dieser evangelischen Kirchs 12 Millionen geben wollen, haben Sie eine Petition nicht zur Be- rücksichtigung überwiesen, die 39 Pf. mehr Lohn für die Bergleute verlangt I(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Früher tvar ihr BewilliguitgSeifer um die Kirche nicht so groß. 1889 drängte Herr v. Hammcrstein, der wohl alle Ursache hatte, um sein Seelen- heil besorgt zu sein, die Regierung, 3 799 999 M. für die evangelische Kirche zu bewilligen. Aber die Regierung erklärte sich dagegen. Jetzt wollen Sie 19 Millionen mehr bewilligen, obwohl Dr. Porsch sagte, einklagbarer Anspruch der Kirche" sei nicht vorhanden. Unsere Forderung der Trennung der Kirche vom Staat ist keine fozialdeniokratischs, sondern ist zum Beispiel in Frankreich vom Bürgertum durchgeführt worden. TicNationalzeitung" hat vor kurzem geschrieben:Die preußische Kirche ist schon viel zu sehr Staatskirche geworden; was hat der Staat für eine Verpflich- tung, immer tiefer für die Kirche in den Beutel zu greifen/Die Kirche scheint nicht zu überlegen, daß Geld verpflichtet. Der Ein- fluß des Staates auf die Kirche ist ein Krebsschaden. Er erschwert ihre Wirkung im Volke außerordentlich.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Kirch« sollte streben, vom Staate los- zukommen. Sollen die Geistlichen sich denn immer mehr zur schwarzen Polizei herabwürdigen?" Die 5Vtrche kann die Summen, die sie zur Besoldung ihrer Geistliche» braucht, sehr gut s e l b st ausbringen. Auch dafür gibt dieNationalzcitung" ein Beispiel: Sie schreibt:Pfründen mit 1912 999 M. Einkommen sind vor- banden in Gemeinden mit kaum 1999 Seelen. Es gibt Kirchenkasscn, die im Gelde Mühlen " das sagt kein sozialdemokratifcheS Blatt. sondern ein bürgerliches und sehr wenig für die Gesamtheit leisten. Nach dem Pfarreralmanach gibt eS in der Probinz Sachsen' 1577 Pfarrstellen, von denen 384 nur eine Seelenzahl von 699 um- fassen(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.), 386 eine Seelen- zahl von 699 bis 1999 usw. Es gibt sogar Stellen mit unter 399 Seelen. Solche Stellen begünstigen ein Drohnendasein. Der Pastor weiß nicht, wie er die Zeit durchbringen soll." So schreibt ein bürgsr- lichcZ Blatt! Und da nehmen Sie uns übel, wenn wir in einer Zeit, wo der Dalles im Staat und Reich chronisch geworden ist, dagegen protestieren, daß so Hände voll Millionen hinausgeworfen werden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Die Aufstellung, die wir in der ersten Lesung über die Pfarrer- gehälter verlangt haben, ist uns leider nicht gegeben. Die Neben- einkünfte der Geistlichen übersteigen häusig das. eigentliche Gehält. In der Provinz Sachsen gibt es 372 Geistliche, die ein Gehalt von mehr alS 5999 M. beziehen, insgesamt 2 445 827 M., durchschnittlich also 6699 M. Unter diesen gibt es 229, die ein Gehalt von mehr als 6909 M. beziehen, durchschnittlich 7299 M. 'S? haben mehr als 8990 M., 28 mehr als 9090 und 10 mehr als 10 909 M. 276 999 At. würden gespart werden können, wenn man das Höchstgehalt der Geistlichen hier auf 6999 M. festsetzen würde. In den Gemeinden der Pfarrer, die so glänzend bezahlt werden, kommen hänsig das ganze Jahr über nur ein Dutzend Todesfälle, Hochzeiten und Kindtaufen vor. Ein Geistlicher in einer Gemeinde mit 15 999 Seelen erhält ein Gchält von 14999 M., einer mit über 19 999 M. ist an einem Orte mit 759 Seelen. (Hört! hört! bei de» Sozialdemokraten.) Gegen diese Pfrnndenwirtschaft protestieren wir, zumal angesichts der Arbeitslosigkeit und des AtassenelendS im Volke.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Mit den hier zu ersparenden Summen könnten die niederen Geistlichen höher besoldet werden. In Pommern und Schleswig-Holstein sieht es ebenso aus wie in Sachsen ; hier wäre Gelegenheit, Millionen zu sparen. Die Mehrzahl der Pfarrer- gehälter übertrifft die Lehrergehälter um das Doppelte; bei de» Lehrern aber haben Sie eine Höchstgrenze festgesetzt, bei den Geist- lichen wagen Sie das nicht. Auch an den ReoeneinnaHmen der Geistlichen könnte gespart werden. DieNational-Zeitung" hat mit Recht aus die Ueberflüssigkeit der Domherrengehälter hingewiesen. Der Finanzministcr könnte Ihnen die beste Auskunft geben, wie überfliistig das Gehalt des Merseburger Domherrn ist.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Von den evangelischeu Geistlichen erreichen 51ll3 Proz. das 70. Lebensjahr, 18 Proz. das 80. Von den Arm­geborenen erreichen dagegen nur 93 von 1999 das 79. Lebensjahr. Da sehen Sie, daß der Kamps um daS Diesseits doch aus­reibender ist, als der Kampf um das Jenseits.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Von einem Theologen aus Königsberg ist mir ein Schreiben zugegangen, in dem es heißt: Viel leichter aufzubringen wären die Gehälter, wenn die Einkommen der ersten Geistlichen an den Kirchen einer genauen Prüfung unterzogen würden. Es würde sich dann zeigen, daß die meisten derselben das Doppelte und sehr oft noch mehr Ein- konimen haben, als für diese Stellung angegeben ist.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die ersten Geistlichen in Königsberg haben 15 bis 29 099 M. Einkommen, während ihr offizielles Ein- kommen mit 6- bis 8999 M. angegeben ist. Umso notwendiger ist die von uns verlangte Ausstellung über die Höchstgehälter der Geist- lichen. Der Konsistorialpräsideut in Berlin erhält 12 999 M., in Hannover 11 990 usw. Das sind alles Summen, die die Kirche allein aufbringen müßte. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg empfahl den nationalen Arbeitern auf ihrem Kongresse: Fleiß, Gottesfurcht. Nüchternheit und Zufriedenheit! Diese Mahnung sollte er lieber an die Geistlichen richten. Da tut es sehr not. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Pastor Schädler aus Berdeu hat die Erhöhung der Gehälter der Geistlichen sehr gering gesunden, der Staat könne dafür nur einen höflichen Dank der Geistlichkeit verlangen. Wir wollen die Kirche aus der Botmäfiigkeit des Staates und der herrschenden Klassen befreien. Eine Kirche, die sich ohne Staatszuschuß nicht halte» kann, hat sich überlebt und hat keine Existenzberechtigung mehr.(Sehr gut l bei den Sozialdemokraten.) Zu den Einnahmen der Kirche kommt dann noch die Kirchensteuer. Diese betrug schon 1997 43 Millionen Mark für die evangelische Kirche in Preußen. Diese Steuer müssen auch die zahlen, die nicht mehr zur Kirche gehören wollen, aber nicht ausscheiden können, weil sie sich in abhängigen Stellungen befinden, wie das z. B. bei den Beamten der Fall ist. In der Politik duldet man nicht Sozial- demokraten, im Glauben nicht Glaubenslose unter den Beamten. Sie brauchen nicht zu glauben, aber sie müssen heucheln, daß sie etwa» glauben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemolraten.) Bei den Beamten war der Landtag nicht so freigebig mit den Millionen. Als ich bei der ersten Lesung darauf hinwies, welche Unsummen die Synoden aus den Gesangbüchern verdiene», erregte das Widerspruch. DieSchlesische Zeitung" hat aber erst in letzter Zeit festgestellt, daß die Synode in Breslau bei der Ueberiiahme des Pröviuzialgesangbuches in eigene Regie einen Gewinn von 42 697 M. gemacht hat.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Ich erinnere auch an die Kirchhofspolitik. Der Abg. Schräder hat in der Berliner Stadtsynode kritisiert, daß man über 4'/z Millionen für drei Friedhöfe ausgegeben habe, die für lange Zeit"nicht in Benutzung genommen werden können. Die Friedhofsspekulation bringt ungeheuere Summen ein. Ich weiß nicht, ob Sie es billigen, daß die Diener des NazarcnerS sich mit Terrainspekulation abgeben. Präs. v. Kröcher: Ich verbitte mir, daß Sic i» diesem Tone von unserem Herrn und Heiland sprechen.(Bravo I rechts.) Abg. Hoffmann(Soz.) sfortfahrendj: Wenn die Kirchenverwalwng diese Spekulation für richtig hält, so ist das ihr gutes Recht, aber dann soll sie auch die Kosten für die Gehälter der Geistlichen auf- bringen.(Sehr wahr! b. d. Soz.) In Rosenthal-Wilhelmsruh bei Berlin werden Pfarrwiescn, die eine Million Wert repräsentieren, nickt verkauft, und die Kirchenbehörde hat offenherzig erklärt, sie müsse bedacht darauf sein, daß dos Land nicht so billig verkaust werde. (Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso hat man in Steglitz es abgelehnt, einen Kirchenackcr zu verkaufen, trotzdem 899 999 M. geboten waren, mit der Motivierung, es sei nicht angebracht, de» Grund und Boden gegenwärtig, wo das GrundstückSgcschäst gänzlich still liege, billig zu veräußern!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch die Sporteln verstehen die Geist- lichen sehr gut einzuteilen. In Heidekrug wurde ein Lehrer an- geklagt, weil er am Grabe einen Vers aus einem Gesangbuch ver­lesen hatte und nur deshalb, weil dadurch dem Geistlichen 9 Mark Sportein entgingen.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Bei der Bcamtenbesoldung wurde anerkannt, daß unsere Anträge die Ausgabe von 17 Millionen verlangen. Man behauptete, dafür sei keine Deckung zu finden. Mit den Millionen, die Sie der ÄiMhe jetzt geben, hätten Sie unsere Forderungen leicht erfüllen können. Interessant wäre auch eine Statistik über den Kirchenbesuch. In Stuttgart ist festgestellt, daß von 179 999 Evangelischen 159 999 den sonntäglichen Gottesdienst nicht besuchen.(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten) ES gibt sogar Geistliche, die vor Drohungen nicht zurückschrecken, um Leute zur Kirchensteuer zu veranlassen. Ein Pfarrer Stubbe aus Hamburg hat an ein Ehepaar unter dem 11. November 1998 geschrieben:Unter dem 1. November haben Sie Ihren Austritt aus der evangelischen Kirche angezeigt. Den Gang zum Amtsgericht können Sie sich sparen, da eine Be- sreiung von der Kirchensteuer mit dem AuStrittt nicht verbunden ist." Das ist unwahr, der Mann hat nur noch ein Jahr Kirchensteuer zu zahlen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Charakteristisch ist, daß der Geistliche ivcitcr schreibt:Sodann wird im Falle des Todes kein freundliches Wort am Grabe gesprochen, noch wird die Glocke geläutet.(Hört I hört!) bei den Sozialdemokraten.) Der vollzogene Austritt wird der Gewerkschaft(hier im Sinne von Bergwerksgesellschaft, also dem Arbestgeber) angezeigt. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Diesem Geistlichen tut es not, daS Wort ins Gedächtnis zurückzurufen:Liebet Eure Feinde l" In einem Flugblatt schreibt der Geistliche:Eine Kirche, die sich so frei hält von jeglicher Bevormundung, kann nur von Buben verlassen werden.(Sehr richtig! rechts.) Ich erinnere Sie daran, daß auch eine deutscke Prinzessin die Religion ihrer Bäter verlassen hast um auf den russischen Zarenthron zu kommen.(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Ein evangelffcker Geistlicher hat in einem Buche:Kirche, Sozialdemokratie und Christentum" dar- gelegt, daß infolge der Staaisaussicht die Geistlichen sich der Nöte des vierten Standes nicht mit dem gebotenen Eiser annehmen können. Präs. v. Kröchcr bittet den Redner, zum Gesetzentwurf zu sprechen. Abg. Hoffwan«(fortfahrend): Ich wollte beweisen, daß die Ab- hängigkeit vom Staate infolge StaatsziischnsseS von den Geistlichen selbst zugegeben wird. Der betreffende Geistliche sagte:Die Kirche ist im Banne des Kapitals, sie steht auf feiten der besitzenden Klassen, niemand kann zween Herren dienen". Die Abhängigkeit der Geistlichen beweist auch eine Heiratsannonce imLokal-Anzcigcr": Ich suche für meinen Freund eine Lebensgefährtin. Derselbe ist ein hochangesehener Geistlicher, leidet schwer unter seinem Beruf und wünscht sehnsüchiig, ihn mit einer freien Tängkeit zu vertauschen. Er ist künstlerisch veranlagt, gemütvoll, feinfühlig."(Heiterkeit reckis.) Sie lachen über die Zustände, die Sie selbst geschaffen haben. In Bremen wurden die Taufen eines Geistlichen durch Einfluß von Preußen für ungültig erklärt, weil er aus Gewissens- bedenken dem.Dreieinigen Gatt",den die Kirche bekennt" hinzugefügt hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Da- gegen waren die Taufen eines Pastors in Oldenburg gültig, der sich nachher als Betrüger entpuppte, nicht einmal evangelisch war und auch kein theologisches Examen gemacht hatte! Nicht der Dogmenglaube tut not, sondern die Weckung wahrer Religiosität, wahrer Sittlichkeit und Menschlichkeit. Sorge der Staat vor allem für Wissen und Erkenntnis. Das ist der Kulturhebel, der nnS vorwärts bringt. Geben Sie dem Volke für die Millionen, die Sie der Kirche opfern. Bildung und Erkenntnis und natürlich auch körperliche Nahrung, dann werden wir die Todesstrafe und die Prügelstrafe entbehren können. Es ist ein Tiefstand der Kultur, daß im 20. Jahrhundert in diesem Hause noch die Prügelstrafe gefordert werden kann,(Sehr wahr! bei den Sozialdem.) Sie werden ja trotz aller Vernunftgründe die Millionen für die Kirche beivilligen, weil Sie von der Kirche hoffen, daß sie Ihnen als Bundesgenosse Ihre Vorrechte erhält. Wundern Sie sich nicht, wenn das Volk daraus seine Konsequenzen zieht, nicht bloß die Nichtgläubigen, die mit dem Dogma fertig sind, sondern auch die Frommen, luelche eine wahre und freie Kirche haben wollen. Das Volk hat die Selbsthilfe in der Hand: de» Austritt aus der Kirche. Wenn es dazu kommt, daß die Massen der Kirche nicht mehr angehören, dann denken Sie an das Wort, daß Sie d i e Totengräber Ihrer eigenen Kirche sind.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemolraten.) Damit schließt die allgemeine Besprechung. Eine Spezialdebatte entspinnt sich nicht. Das Besoldungsgesetz für die evangelischen Pfarrer wird angenommen. Auf Anfrage des Abg. Dr. Porsch(Z.) teilt Präsident v. Kröchcr mit, daß er vom Minister Nachricht erhalten habe, daß Berichte über die Hochwasserkatastrophe noch nicht genügend eingelaufen sind, um die betreffende Interpellation in diesen Tagen beantworten zu können. Nächste Sitzung: Freitag 12 Uhr: S t e u e r g e s e tz e. v Schluß: 6 Uhr.,' Stadwerordneten Oeriamninig. 7. Sitzung vom Donnerstag, den 13. Februar 1999 nachmittags 6 Uhr. Der Vorsteher M i ch e l e t eröffnet die Sitzung nach 5'/» Uhr. Der niedergesetzte Sonderausschuß hat den Ankauf eines Dampffluges für 99 999 Mk. und den Bau von 4 Feld- b a h n e u für 231 999 Mk. aus Anleihemitteln, sowie die Errichtung von Baulichkeiten auf den städtischen Rieselfeldern für insgesamt 1 192 239 lvt. einstimmig gutgeheißen. Referent ist Stadtv. Herz- berg(Fr. Fr.). Dieser macht Mitteilung von den neuen Plänen der Verwaltung hinsichtlich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung der Nieselfeldergelände. Zur Schaffung und Erhaltung eines guten Arbeiterstammes sollen vor allem die zu erbauenden Familienhäuser dienen. Ohne Debatte werden die Forderungen bewilligt. Zur Diskussion steht dann der Entwurf betr. den Stadthaushalts- etat für 1999. Kämmerer Dr. Steiniger: Der diesmalige Etat ist als Brutto- etat vorgelegt, indem auch die Etats der Werke mit ihren Einnahmen und Ausgaben in, Etat erscheinen. Dadurch ergibt sich die Ausgabe- summe von 288 Millionen, eine Steigerung gegen das Vorjahr trotz etwas zurückgegangener Bevölkerungsziffer. Unter den einzelnen AuSgabekapiteln tritt die Steigerung fiir die Unterrichts- zwecke hervor. Eine wesentliche Neuerung wird bei dem höheren Schulwesen durch die Eingliederung der Mädchenschnleit notwendig; der etatsmäßige Ausdruck dafür wird sich aber erst im nächsten Etat finden. Der infolge des erhöhten Schulgeldes für die auswärtigen Schüler prophezeite Ausfall ist nicht eingetreten. Die Gemeinde- schulen hatten am 1. November 223 500 Schüler, 13 weniger als im Vorjahr; der Etat fordert trotzdem 119 neue Klassen. Der Zuschuß wird 22 Millionen vder 19 Prozent mehr als im Vorjahre betragen, ohne Berücksichtigung der Bauten, für die ein Aufwand von über fünf Millionen erforderlich ist; ein so ungewöhnlicher Bauauswand wie im vorigen Jahre kehrt diesmal nicht wieder. Der Zuschuß auf den Kopf des GeniemdeichüIerS steigt von 82 auf 99 Mark, bei Ausscheidung der Bauten. Für Lernmittel werden 159 990 M. ein- gestellt. DaS FortbildnngS- und Fachschulwesen tritt gegen das Vorjahr eine Kleinigkeit zurück, wir haben da anscheinend einen ge- wissen Beharrungszustaud mit zirka 39 799 Schülern erreicht. Die Aufwendungen für das A r in e n w e s e u betragen die stattliche Summe von 26 Millionen. In der offenen Armenpflege schafft daS Gesetz vom 30. Mai 1998, welches den UnterstützungSwohnsitz schon nach eine», Jahre erwerben läßt, erhebliche Neuerungen. Nun zeigt sich gerade in der letzten Zeit die rückläufige wirtschaftliche Be- weguug so stark, daß der Etat mir etwas knapp ausgestattet scheint. Aus den Zahlen für 1997 war daS noch nicht zu ersehen. Die hohe JstanSgabe für Januar an monatlichen Unterstützungen beweist, daß die Zustände doch recht schlimme sind. Beim Kranken wesen werden wir indessen den Anforderungen voll genügen können, so sehr auch die Inanspruchnahme wächst. Wir haben vorgesehen 4939 Betten, seit 1995 eine Steigerung von übcx 1199 Betten. Eine umfassende Lohnordnung ist hier zu er- wähnen, ebenso die Gleichstellung der dirigierenden Acrzte auf den äußeren und den inneren Stationen. Von dem bisherigen Grundsatz, die Beköstigung überall gleich zu bemessen, haben wir Abstand genommen; in Moabit und bei dem Birchow-Kranken- Hause finden Sie gleiche, bei de» anderen Anstalten niedrigere ver- schiedene Sätze. Erfreulicherweise ist der große Aufwand beim Virchow-Krankenhause etwas zurückgegangen. Der neue Grundsatz: Die Berliner Krankenhäuser den Berlinern l wird hoffentlich gründ- lich durchgeführt werden. Rechte Sorge macht mir das Irren- wesen, denn hier ist die Progression der Pflegebedürftigen geradezu enorm; in 11 Jahren eine Steigerung um 60 Proz. I Es kommen jetzt 8390 Irre in Betracht. Durch den Bau von Familien- Wohnungen hoffen wir ein stabileres Pflegepersonal zu gewinnen. Der Bau der IV. Irrenanstalt wird weiter gefördert. Hoch- und Ties bau sind erheblich niedriger als 1993; dennoch verbleibt noch eine stattliche Summe zun, Verbauen; trotz der schlechten Zeiten ist auch im Rathaus der Speiscnaufzug und der Umbau des Rats- kellers vorgesehen.(Heiterkeit.) Die Verwaltungskosten steigen um 600 000 M.; der Arbeit wird ja immer mehr. Bei