fÖgtg, aber für gerissene Spekulanten kann die Kolonialwirtschaft immer dazu ausgenutzt werden, gläubige Leute ikrDcutfchland zur Hergabe von Geldern für Spckulationszwecke zu animieren. Dabei pflegen aber erfahrungsgemäß nicht die Geldgeber, wohl aber die Geldvermittler und Geldvcrivalter erkleckliche Profite einzustreichen.(S i ch ß o r n konnte diese Sorte von Kolonialkultur an neuerlichen Vorkommnissen erläutern, so an der Treiberei der Otawi-Aktien und an den Gründungen eines Herrn Mertens, der etwa zehn Kolonialgesellschaften aus der Erde gestampft und ihre Aktien auf den Markt ge- worfen hat. Nach kurzer Zeit aber sahen die Käufer ihre Werte auf die Hälfte sinken. Ob diese glück- lichen� Aktienbesitzer Kolonialschwäriner geblieben sind, das ist recht zweifelhaft, aber die Gründer werden nach einem so glänzenden Geschäft die Reklameposaune für Deutschlands Kolonien mit verdoppelter Lungenkraft blasen. Da auch als plnsiedlcr in den deutschen Kolonien sich nur Leute mit Kapital behaupten können, war Eichhorn berechtigt zu der Schlußfolgerung, daß das Reich Kolonialpolitik treibt für die .Kapitalisten, nicht aber für das deutsche Volk.— Was die Neger von der deutschen Kultur zu erwarten haben, zeigt warnend das traurige Schicksal der Herero, die in der heroischen Zeit der Kolonialpolitik, wie Dernburg sich beschönigend ausgedrückt hat. zur Hälfte ausgerottet wurden. Gegenüber der Kuutentaktik der Arendt und Liebert ist allerdings Dernburgs Politik, die Neger für die kapitalistische Aus- bcutnng zu erhalten, wie Eichhorn treffend sagte, immer noch das kleinere Hebel. Dann kam wieder ein Kolonialfreund zum Wort, der nationalliberale Dr. Arning, ehemals Stabsarzt in Ost- afrika . Er balanzicrte auf der mittleren Linie einher, indem er einerseits den Staatssekretär Dernburg , andererseits den Exgouverneur Liebert lobte, einerseits für die Pflanzer. andererseits für die Beamten ein gutes Wort einlegte. Als zweiter Redner des Zentrums kam Herr Erzberger zun: Wort. Er brachte auch diesmal eine Menge einzelner Mißstände zur Sprache, patronisicrte aber den Staatssekretär Dernburg , dem er daS Zeugnis ausstellte, er habe sich der christlichen Auffassung des Zentrums von der Kolonialpol�ik so sehr genähert, daß er von einem Zentrumsmann kaum noch zu unterscheiden sei. Im übrigen hatte Herr Erzberger die wunderbare Idee, auch für unsere Kolonien Mtttclstandspolitik zu empfehlen. Der„Mittel- stand" solle in den Kolonien zu Lieferungen herangezogen iverden, damit nicht nur die großen Kapitalisten die schönen Profite in die Tasche stecken. Nunmehr wäre Herr Paaschs, der nationale Vize- Präsident, zun: Wort gekommen; da ihm das aber nicht paßte, veranlaßte er die Vertagung der Debatte. Montag geht's weiter. Hoffentlich haben sich dann die Herren Arendt und Liebert von den Annehmlichkeiten des heutigen Tages— sie sind nämlich Brautführer auf der Hochzeit des Peters— genügend erholt, um wieder zur Stelle zu sein. Die Rcichstagsersatzwahl im Wahlkreise Berden-Hoya. Das Resultat der Wahl, die am Freitag stattfand, lautet: Gutsbesitzer v. Dannenberg (Welse) 6316, Präsident Dr. Heili- genstadt(Natt.) 5883, Redakteur Henke(S o z.) 3899. Hofbesitzer Harries(Freikons.) 3453, Justizrat Dr. Lewin (frs. Vpt.) 3162. Es hat also Stichwahl zwischen dem Welsen und dem Nationalliberalen stattzufinden. Am 25. Januar 1907 war das Stimmenverhältnis: Nationalliberal 13815, Sozial- denwkraten 3491, Welsen 5915 Stimmen. Die Nationalliberalen, auf deren Kandidat sich 1907 alle '„nationalen" Stimmen im ersten Wahlgang vereinigten, haben also noch mehr Stimmen verloren, als die selbständigen Kandidaten der Freikonservativcn und des Freisinns ihnen abgenommen haben. Die Sozialdemokratie hat r u n d 4 00 Stimmen gewonnen. Die G e s a m t z a h l d e r b ü r g e r- lichen Stimmen gegen 1907 aber hat rund 600 ab- genommen. Die Bevölkerung des Wahlkreises ist zu drei Vierteln ländlich. Verden ist mit etwa 10 000 Ein- wohnern die einzige Stadt. Es war unseren Genossen diesmal gelungen, in mehreren Ortschaften, wo sie früher keine Ver- sammlungen abhalten konnten, Versammlungssäle zu be- kommen._ Alzey -Bingen . ■ Nach amtlicher Feststellung erhielt bei der Reichstagsstichwahl Hebel(Zentrum) 12 027 Stimmen, Korell(Freis.) 10 877 Stimmen. Der erster« ist somit gewählt. Bei den letzten allgemeinen ReichstagSwahlen im Jahre 1907 wurde im ersten Wahlgange für den Kandidaten des Bundes der Landwirte 0589, für den Freisinnigen 0285, für den Zentrums- mann 0280, für den Sozialdemokraten 1919 Stimmen abgegeben. In der Stichwahl siegte der Bündler mit 11 841 gegen 9031 Stimmen. Bei der jetzt notwendig gewordenen Ersatzwahl er- dielten im ersten Wahlgange Pfarrer Korell 8004, Stadtrechner Uebel 0012, der nationalliberale Dr. Becker 5910, der Genosse Adelung 1558 Stimmen. Die Wahl Korells konnte demnach als gesichert gelten, wenn die Sozialdemokraten und Nationalliberalen für ihn eintraten. Das ist jedoch nicht geschehen. Wie die obige Meldung zeigt, hat in der Stichwahl jedoch der bei weitem größte Teil der National- liberalen für den Zentrmnskandidaten gestimmt, entsprechend dem Aufruf der„Vertrauensmänner der nationalliberalen Partei des Wahlkreises Alzey-Bingen". in dem es heißt: „Nationallibcrale! Nachdem das Zentrum sich bereit er- klärt hat, bei der nächsten Rcichstagswahl keinen eigenen Kandidaten aufzustellen, sondern uns im ersten Wahlgange zu unterstützen, falls wir ihm bei der diesjährigen Stichwahl ent- schiedenc Wahlhilfe leisten, handelt es sich nicht mehr um Korell oder Uebel, sondern um unsere eigene Sache. Tretet deshalb ebenso geschlossen für Uebel ein wie für Dr. Beckerl... Bc« wahrt uns vor der Wiederkehr und Verewigung der bei der letzten Reickstagswahl endlich abgeschüttelten freisinnigen Herrschaft im Wahlkreis Alzey -Bingen !... Es bleibt uns keine andere Wahl. Die Versammlung der Vertrauensmänner des gesamten Wahl- kreiscs Alzey-Bingen hat einmütig beschlossen: Wählt Uebel! Keine Stimme, die Dr. Becker bekommen, darf Uebel ent- gehen!" Das Verhalten der Nationalliberalen ist ein Beweis dafür, wie in manchen rheinischen Gegenden Zentrumsparteiler und Ratio- nalliberale einander näher und näher rücken. Die Kulturkampf- stimmung verfliegt, und die religiösen Gegensätze treten vor der Gleichartigkeit der wirtschaftlichen Interessen und Anschauungen zurück. Sowohl die Anhängerschaft der Nationalliberalen wie des Zentrums besteht in Alzey -Bingen vornehmlich aus Kleinbürgern; der Unterschied ist nur daß die einen evangelisch, die anderen katho- lisch sind. Die Sinnesart, der Gesichtskreis ist der gleiche. So sind für Zeiten, wo die religiösen Fragen zurücktreten» die nötigen Be- rührungspunkte gegeben. • Hlnter deu Kulissen. Die in der gestrigen Notiz„Neue Kompromiß ver- Handlungen" von uns geschilderten persönlichen Bemühungen des Reichskanzlers, ein Steilerkompromiß zwischen den Blockparteien zustande zu bringen, werden von verschiedenen Blättern bestätigt- So schreibt z. B. die„Deutsche Tageszeitung": „Die gestern vormittag beim Reichskanzler abgehaltenen Be- sprechungen zwischen dem Reichskanzler und einigen Führern der Block- Parteien trugei: naturgemäß einen streng vertraulichen Charakter. Dennoch sind einige Einzelheiten bereits an anderer Stelle in die Oeffentlichkeit gelangt, an denen wir, soweit sie anderweit schon mitgeteilt worden sind, nicht vorübergehen dürfen. Hierzu gehört vor allem, daß die Nachlaßsteuer als endgültig aus den Verhandlungen ausgeschieden gilt, daß die Neichserbschaftssteuer weiter ausgebaut werden soll und daß, neben der Erhöhung des Kaffeezolles, eine Reihe neuer fleinerer Steuern dem Bukett eingefügt wird. Auf dieser Grundlage versprechen die Verhandlungen einen raschen, be- fliedigenden Verlauf." Gleich interessant wie komisch ist, daß an den Verhandlungen auch Herr Sydow teilgenommen und daS Fallenlassen der Nacklaß- steuer gebilligt hat, obgleich er. als er im Oktoberheft der„Deutschen Rundschau" den Feldzug eröffnete, mit dem Brustton der lieber- zeugungStreue verkündete: i,3ch für meine Person bin fest davon über« zeugt, daß die Hinz ufügun�g einer allgemeinen Nachlaß st euer eine conditio sine qua non für das Zustandekommen der Reichsfinanzreform bildet." Heute ist bereits diese„Ueberzcugung" erledigt. Ein recht attomodationssähiger Mensch, dieser Herr Reichsschatzsekretär l Er eifert, wie eö scheint, seinem Chef nach. Sehr ergrimmt ist daS Zentrum, daß eZ bei dem schönen Kuh- Handel vorläufig ausgeschaltet worden ist. Seine Blätter gefallen sich jetzt in der Rolle des Fuchses, dein die Trauben zu hoch hingen. So schreibt beispielsweise die„Mark. VolkSztg.": „Manche unserer Freunde haben es vornherein mit einem gewissen ängstlichen Gefühle beobachtet, wie daS Zentrum bei der Aktion in der Eub- und Steuerkommission allmählich die Führung übernahm. Das konnte ja bei der Blockstimmung, die bei uns besteht, nicht gut gehen. Bülow mußte fallen, wenn auf diese Weise der Block bei dieser wichtigsten Lebensfrage des Reiches ausgeschaltet wurde, wenn die seit langen Jahren als ,un- national" iqw. verschriene Zentrumspartei hier wiederum— wie schon so oft, mehr vaterländisches Interesse und mehr Einsicht in die Notwendigkeiten zeigte, als der Block."-_ Was die christlichen Arbeiter beim Zentrum gelten. In den letzten Jahren konnte man in der katholischen Arbetterpresse vielfach Artikel über das Steuerwesen lesen, die sich übereinstimmend gegen die weitere Vermehrung und Erhöhung der indirekten Steuern aussprachen. Mangelte es den Artikeln auch an der erforderlichen Entschiedenheit— in dieser Hinsicht können die katholischen Arbeiter von den Zentrumsbauern noch viel lernen—, so zeigte sich doch mit erfreulicher Deutlichkeit, daß die verbrecherische Ungerechtigkeit, die mit den indirekten Steuern an der besitzlosen Masse geübt wird, nun doch auch in den Kreisen erkannt wird, die bisher derartigen Fragen teilnahmslos gegenüberstanden. Und auf verschiedenen katho- tischen Arbeitervereinstagungen hat mar. sich, namentlich im Westen Deutschlands , gegen eine weitere Belastung der breiten Volksmassen ausgesprochen— kurz, die latholischen Arbeiter stehen, wenn sie es auch nicht ebenso entschieden zu äußern wagen, bezüglich der Frage, ob das Arbeitcreinkommen weiter auf indirektem Wege belastet werden soll, mit der übrigen Arbeiterschaft auf demselben Standpunkte. Die chri st lichen Gewerkschaften enthalten sich im allgemeinen wegen ihrer„politischen Neutralität" der Stellungnahme in Wirtschafts- und Steuerfragen, doch ge- statten sie den einzelnen Organisationen, deren Interesse durch besondere wirtschafts» und steuerpolitische Maßnahmen bedroht sind, hiergegen vorzugehen. So hat neulich der Verband christlicher Tabakarbeiter eine Petition an den Reichstag abgehen lassen, worin gegen jede steuerliche Mehr- belastung des Tabaks Protest eingelegt wird. In der letzten Numnier des Zentralblattes der christlichen Gewerkschaften wird dieser Standpunkt des näheren begründet und nachgewiesen, daß die Tabaksteuerfrage eine Lebensfrage für die Tabakindnstrie ist, mit der das w i r t s ch a f t l i ch e und s o z i a l e W o h I von Tausenden von Arbeitern verknüpft ist. Der christliche Tabakarbeiterverband gedenkt durch Protest- Versammlungen die öffentliche Meinung im Lande zu wecken, eine weitere Petition an den Reichstag zu richten und endlich eine aus den verschiedenen Landesteilen zusammen- gesetzte Kommission nach Berlin zu senden, die mit den einzelnen Abgeordneten Rücksprache nehmen soll. Zur selben Zeit, wo in dieser Weise der Protest der latholischen Arbeiter lauter und lauter erschallt, schließt das Zentrum, um sich der Regienmg zu empfehlen und wieder zur herrschenden Partei zu werden, mit den Konservativen den schiniihlicheu Bund zur Aus- powerung des Volkes, schickt es sich an, den Massen neue Lasten aufzuerlegen, uin die Besitzenden desto wirksamer zu schonen. Was sagen die katholischen Arbeiter- vereine, was sagen die chri st lichen Gewerk- schaften zu diesem neuesten Beweis von „ausgleichender Gcrcchtigke: t", die angeblich die Grundlage aller Zentrumspolitik bildet? WaS sagen sie zu dieser neuesten Rücksichtnahme, die das Zentrum den Wünschen seines Arbeitergefolges entgegenbringt?! Der Reichsverband als Abnehmer gestohlener Briefmarken. Vor dem Landgericht Hildeshcim fand dieser Tage die Ver- Handlung über den Briesmarkendiebstahl im Postgebäude zu Burg. dorf statt, bei dem Marken im Werte von 21 000 M. entwendet wurden. Zufälligkeiten führten auf die Spur der Täter, auf deren Konto auch die Diebstähle einiger Platinakessel in Oker und Frei- verg und andere schwere Sachen kommen. Der Ausgang dieses Diebes- und Hehlerprozesses hat für uns allerdings kein Interesse, wohl aber einige Aussagen und Feststellungen während der Ver- Handlung, soweit sie. den Althättdler A. Papenberg- Hannover betreffen, der verdächtig ist, der Anstifter des Markendiebstahls zu sein, dessen Sache aber demnächst in Hannover gesondert abgeurteilt werden wird. A. Papenberg, wegen Hehlerei mit 9 Monaten vorbestraft, ist nicht nur Obmann des Reichsverbandcs zur Be- kämpfung der Sozialdemokratie, Zahlstelle Hannover , sondern hat eS auch fertig gebracht, unter irgend. einem Vorwande an diese von den gestohlenen Marken für 500 M. abzusetzen, obgleich der� Markendiebstahl das Tagesgespräch bildete. Diese Briefmarken fanden dann Verwendung bei der m echter ReichsverbandZmaince betriebenen LandlagSwahlagikafton ftft Stadt- und Landkreise Linden, in dem P. unermüdlich tätig war. Der Generalsekretär K o m o l l in Hannover , eine Leuchte des Reichsverbandcs, bestätigte seinem Kampfgenossen wider den Um- stürz, daß er in der Agitation für den Rcichsverband sich„be- sonders hervorgetan" habe und„deshalb"„als anständiger und ordentlicher Mann gegolten habe". Ein Polizei- kmnniissar aus Hannover bezeugte, daß Papenberg sich in ganz Hannover — lies in den bürgerlichen Kreisen Hannovers— de-> be st e n und unantastbarsten Rufes erfreute, und das; er durch seine Tätigkeit für den Rcichsverband zu einer berühmten Person geworden. Und diese sturmerprod'e Säule des Gegcnwartsstaates wird demnächst als„schwerer Junge" die Gerichte beschäftigten und von bürgerlichen Richtern für würdig befunden' werden, auf Jahre hinaus die unfreiwillige Staats- Pension zu genießen. Die hannoverschen Rcichsverbändler haben wirklich Pech. Trotz ihrer Fühlung mit der Polizei reiht sich Niederlage an Nicderlagi., die eine noch gründlicher wie die m:derc. Festgenagelt zu werden verdient, daß die bürgerliche Presse. soweit sie über den Prozeß in Hildesheim berichtet, zwar mitte, Ii, welche umfassenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen waren, ira: etwaige Fluchtversuche der Verbrecher zu vereiteln, aber über die Hcldenrolle Papenbergs im Reichsver bände un? über den Ankauf ge st ohlener Marken durch deu Rcichsverband in tiefes Schweigen sich hüllt.•— Eine neue Wahluechtsverschlechterttng. Ein neues Landtagswahlgesctz soll jetzt auch für Sachsen-Wei- mar geschaffen werden. Der Entwurf ist heute dem Landtage zu- gegangen. Danach wird das bestehende Gesetz durch Erweiterung der Privilegiertenwahlen verschlechtert. Bisher wählten die Großagrarier und die Höchstbesteuerten je 5 Abgeordnete;. dieses Vorrecht soll erhalten bleiben. Außerdem sollen jetzt von der Uni- Landwirtschaftsrammer und der Arbeiterlammer je ein Abgeordneter LandwictschaftSkammer und der Arbeitskammer je ein Abgeordneter gewählt werden. 23 Abgeordnete sollen auf Grund eines allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts gewählt werde. i. doch sind Zusatzstimmen in Aussicht genommen worden. Die Nationalliberalen und der Bund der Landwirte. Die„Kölnische Zeitung " rechnet in einem drei Spalten langen Artikel mit dem Bund der Landwirte ab. Zu- nächst wendet sich das Blatt gegen die„demagogische Art, wie von agrarischer Seite der Kampf gegen die Nachlaßsteuer geführt worden ist". Es heißt da: „Ob der deutsche Bauernstand durch die Agitation des Bundes der Landwirte wohl wirklich in seiner politi- sehen Urteilskraft schon so weit verwirrt ist. daß er glaubt, Herr v. Podbielski und seine ostelbischen Genossen, die niemalsein Herz für den Bauern st and ge- habt haben und von ihm politisch durch Abgründe getrennt sind, führten den Kampf gegen die Nachlaßsteuer wegen'der Existenz dcS Bauernstandes? Wir behaupten noch einmal, daß den Veranstaltern dieses Feldzuges der Bauern- stand und der Mittel st and dabei vollkommen gleichgültig gewesen ist." Die„Kölnische Zettung" legt dem Bund der Landwirie „politische Brunnenvergifrung" zur Last,„Schädigung des Staates", „Verächtlichmachung des Vaterlandes",„Verwirrung der politischen Lage" und andere schöne Dinge. Die schroffe Stellungnahme gegen jede Aenderung des preußischen Landtagswahlrechts beweise, daß im Bund der Landwirte gegenwärtig ein ausgesprochen kon- servativer Zug herrsche. Mit Anspielung auf Dr. Hahn heißt es: „Man braucht sich aber nicht darüber zu wundern, daß der Bund der Landwirte diese einseitig konservative Richtung ein- geschlagen hat, da sein regsamster Führer ein national- liberaler Renegat ist, der seine alte Partei mit dem Hasse eines Renegaten verfolgt." Wenn die Landbündler die Nationalliberalen so geringschätzig behandeln, so wird das seine Gründe darin haben, daß die um Hahn ganz genau wissen, was sie den Nationalliberalen bieten können, die man nicht umsonst als Hörige des Bundeö der Land- Wirte bezeichnet hat._ Die Arbeitslosigkeit. Die Stadtverordneten in O f f c n b a ch bewilligten für eine Zählung der Arbeitslosen von Haus zu HauS durck städtische Beamte, denen organisierte Arbeiter alc. Helfer beigegeben waren, B00 Mark. Der Antrag des Gewert- ichaftslartells, an Arbeitslose Barunterstützungen zu gewähren, wurde zurückgestellt. Die weitere Behandlung der Arbeitslosenfürsorge wurde dem städtischen Ausschuß für Arbeiter- und Meldewesen übertragen, der zu diesem Zwecke um drei ständige Mitglieder— je ein Mitglied der freien und der christlichen Gewcrlschasten. sowie der gelven Streikbrcchervcreine— ver- stärlt wurde. Zur Ausführung von Notstandsorbeiten sollen alle Arbeitslosen angenommen loerden, die sich dazu melden. An Arbeitslosenuntersliitzung sind von den Gewerkschaften Offen- bachS bisher 42000 M. verausgabt worden. Ei» sozialdeniokratischcr Wahlrechtsantrag in Hamburgs Parlament. Hamburg , 27. Februar. (Privatdepesche des„Vorwärts") Auf der Tagesordnung der BürgerschostSsitzung vom Mittwoch. den 3. März, steht ein sozialdemokratischer Autrag auf Aenderung des Wahlgesetzes._ Graf v. Westarp und sein junger Mann. Der im vorigen Herbst in Meseritz -Bomst an Stelle deS verstorbenen Abgeordneten von Ge r s d o r f gewählte konservative Graf v. Westarp ist bekanntlich am vergangenen Donnerstag bei der Polendebatte im Reichstag mit einer Anmaßung aufgetreten, die selbst seine Freunde erschreckt haben dürfte. Dieser nach recht jugendliche deutsche Graf aus Posen fühlt sich gewissermaßen schon als Führer der konservativen Partei und trifft bereits Vor- bereitungcn, um das Erbe des alternden Grafen v. K a n i tz an- zutreten. Er stürzt sich nämlich mit Feuereifer in die parla- mentarischen Arbeiten und hat sich deshalb einen Privatsekretäc mit nach Berlin gebracht. Damit er den Sekretär aber bei allen möglichen Wechselfällen seines parlamentarischen Daseins immer bei der Hand hat, hat et diesen jungen Mann entgegen allem Brauch frei und unverfroren im großen Schreibsaal des Reichstages an einem Tisch untergebracht, qn dem bisher der Zentrumsabgeordnete Dr. Pfeifer zu arbeiten pflegte. Das imponiert seinen Partei- freunden natürlich ungeheuer. Der jugendliche Herr Graf scheint sich zum konservativen Parteiführer auch sehr gut zu eignen, venu er wendet den Grundsatz seiner Klasse, andere für sich ar- bciten zu lassen, auch auf die parlamentarischen Arbeiten an. Nur eine Schwierigkeit wird sich bei diesem System doch in der ersten Zeit bemerkbar machen. Man wird nämlich manchmal nicht wissen, wie weit der Herr Graf und wie weit jener junge Mann für eine von ertterem gehaltene Rede verantwortlich zu machen ist.—_ Soldatenmisihandlnnge«. Dom Kriegsgericht der 7. Division in Magdeburg wurde am Mittwoch der Sergeant Kirchner von der siebenten Kvnchagnie des 27. Infanterie-Regiments in Halbcrstadt wegen Mißhandlung von Untergebenen in 24 Fällen und vorschriftswidriger Behandlung i» 26 Fällen z u sechs Wochen Mittelarrest verurteilt. Die Verhandlung fand wegen»Gefährdung Militär-
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