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(Hort! hört! bei den Sozialdemokraten� Möge eine der nächsten zivilisatorischen Maßregeln des Staatssekretärs darin bestehen, diesen Arbeitszwanz zum Verschwinden zu bringen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Daß der Staatssekretär den Gouverneur V. Rechenberg gegen die Angriffe, die gegen seine Politik der Menschlichkeit und Sauberkeit gerichtet ivurde», gedeckt bat, billigen wir, aber die Siedelungspolitik besteht lediglich in der Äerdmngung der Eingeborenen. Die An- siedler wollen fich doch nicht aus schlechtem Lande niederlassen, sondern auf dem besten, und gerade dieses benutzen die Eingeborenen oder werden cS doch bald brauchen. Ich würde eS geradezu für ein Unglück halten, wenn Herr Arendt mit seiner Prophezeiung Recht behielte, daß in zehn Jahren in Deutschsüdostafrika 100 000 Weiße leben werden. Es leben dort 10 Millionen Neger, ein solches Land muß eben ein Negerland bleiben; selbst wenn man die Neigung dazu hätte, wäre eine so massenhafte Abschlachtung der Neger doch nicht möglich. Ostafrika wird also nur als ein Neger- bauernland eine Zukunss haben, nicht als ein Land deutscher Plantagen. Man hat hier von der Gefahr von Aufständen gesprochen. Unseres Erachtens muß die Negierung jede Neibungsmöglichkeit verhindern, und der freie Neger, der als Bauer auf seiner Scholle fitzt, wird gewiß friedlich sein.(Zustimmung b. d. Sozialdem.) Herr Schwartze hat auch auf die drohende äthiopische Gefahr hingewiesen und gemeint, daß Afrika schließlich den Negern gehören wird. Dann»väre doch die logische Folge, daß wir die Finger davon lassen, damit wir sie uns in Zukunft nicht verbrennen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn wir aber das nicht tun wollen, so müßte man sich doch zum mindesten klar machen, daß Millionen besitzloser Neger ein weit stärkeres Moment zur Vergrößerung der äthiopische» Gefahr sind, als Millionen freier besitzender Neger.(Lebhaftes Sehr richtig!) Auch der frühere Gouverneur der Schutztruppe in Kamerun , General Müller. ist vor kurzem in einem Vortrage in Berlin energisch für die Freiheit der Neger eingetreten. Daß die Neger kulturfähig sind, zeigen uns die amtlichen Berichte sehr deutlich. So wird aus Kamerun berichtet, daß die Eingeborenen dort große Farmen anlegen. Wozu braucht man sie also von ihrer Scholle zu vertreiben, auf der sie selbst die Stoffe erzielen, deren die Industrie bedarf? (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzberger wünschte eine stärkere Unterstützung der Missionare. Meines Erachten» patzt für den Kuliurzustand der Neger das Christentum nicht. Im übrigen muß aber Religion Privatsache sein. Herr Erzberger weist auf die Unterstützung deS Christentums gerade auch in, Hinblick auf die äthiopische Gefahr hin. Run. die HereroS waren Christen. Bei solchen Zusammenstößen wie dem Hereroausstande kommt eS nicht auf die Religion an. sondern hier steht Rasse gegen Rasse, hier steht der christliche Neger mit dem mobammedanislben zusammen gegen den feindlichen Ein- dringling.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Vielfach ist die Unterstützung von Missionen sogar als die Hauptaufgabe unserer Kolonialpolitik hingestellt. Da ist eS interessant, daß nach en Berichten die Fortschritte der Missionen doch nur sehr gering ?. Auch gereicht es der Missionstätigkeit nicht zu besonderem hme ivenn, wie z. B. aus Togo berichtet wird, in einem Dörfchen von ein paar Kundert Einwohner» die verschiedenen Konfessionen sich Koilurrenz machen. In Südwestafrika sollte die Verwaltung es sich angelegen sein lnsieu. das schwere Unrecht, das der einheimischen Bevölkerung zugefügt ist, wieder gut zu machen. Nach der Verurteilung der Trolhaschen AuörottungLpolitik durch den Staatssekretär kann man ja wühl für die HereroS sprechen, ohne fürchten zu müffen. wie frühen bmmtergeristen zu werden. Wir Sozialdemokraten haben ouck, früher recht gehabt: ich wünschte, der Staatssekretär würde hier die Bedingungen wiederholen, unter denen die Waffennieder- leg»»» von Simon Kopper vor sich gegangen ist. Er ist MenttW dies: glänzende Rechtfertigung unserer Haltung und der des Zentrums im Dezember 1900 dun Zentrum ,z schuldig.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokratens) Auch Friedensschluß wäre cS richtig gewesen, so zu verfahren, rgcschlagen haben. 1907 ist hter eine sozialdemokratische angenommen, wonach der Reichskanzler Anordnungen Üte, daß den Eingeborenen so viel Land zurückgegeben würde, ihren Lebensunterhalt daraus gewinnen können. Der ag. der ja Millionen und Abernnllione» für die Ansiedler Händler bewilligt hat, die das Geld meist für Fusel und Bier ben. hatte ja für die Eingeborenen nicht viel übrig. die Verwaltung müßte doch bemüht sei», die zusammen- gebrochene Bevölkerung wieder aufzurichten, und der Staatssekretär hat ja in seinem Vortrag selbst davon gesprochen, daß hierfür keine Mittel gespart werden dürften. Aber ganze 50 000 M. sind zur Hebung der Eingeborenen in den Etat eingesetzt.(Hört I hört l bei »den Sozialdemokraten.) DaS ist erklärlich, denn vor allem sollen die Ansiedler nicht geschädigt werden. Um eine Reihe von An- siedlern. die sich mit genügenden Mitteln angesiedelt haben, vor dem Bankrott zu bewahren. werden die Eingeborenen ge- zwungen, unter den unmenschlichsten Verhältnissen zu arbeiten. Dabei besteht die Gefahr, daß die HereroS zugrunde gehen, wird doch auch berichtet, daß die Frauen der HereroS nicht mehr gebären wollen, weil sie keine Sklaven zur Welt bringen wolle».(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In den MissionSberichten wird zum Teil Grauenhaftes über die Lage der Eingeborenen berichtet. So berichtet die rheinische Mission, daß auch die Kinder in der schamlosesten Weise ausgebeutet und der Schule völlig entzogen werden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Windhuler Nachrichten" verlangen, die Distriltsbehörde solle ihre» Einfluß geltend machen, daß die Eingeborenen ihr Land verkaufen und dann bei den Weißen arbeiten; sie mögen für Vermehrung der Arbeiterbevölkerung sorgen, anstatt selbständig zu bleiben, sagt der Artikelschreiber. Ist ein brutalerer Egoismus möglich?(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Insofern ist ja eine Wendung ein- getreten, als man nicht mehr wagt, die brutale AuSbeutuugspolitik ganz offen zu predigen. Alle Redner haben hier gesagt, sie wollen dem Neger helfen. DaS ist eine sehr lobenSiverte Theorie. In der Praxis steht eS aber ganz anders aus.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Liebert sagte, 'daß keine Kolonialskandale mehr vorhanden find, und auch Herr Werner freute sich darüber. Ach, meine Herren, der Tag würde nicht ausreichen, um alle Kolonialskandale der letzten Tage zu be- sprechen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Aus Kamerun wird berichtet ich halte mich hier immer an amtliches Material -- daß die Händler förmliche Raubzüge organisieren, um den Negern ihr Eigentum zu nehmen. Der Staats- sekretär sprach von einer Heroenzeit. Wenn sie in Räubereien der Händler und Karawanen besteht, danken wir dafür.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Respekt vor dem Leben der Neger ist bei unserer Verwaltung noch s-hr gering. Wenn der Gouverneur in Kamerun so lange auf seinem Posten bleibt wie Herr v. Liebert, so werden wir nicht 25, sondern 50 Aufstände dort haben. Daß bei der Unterdrückung derselben bei den sogenannten Strafexpeditionen lotche Bestialitäten vorkommen. wie wir sie in den letzten Wochen gehört haben. begreife ich. nachdem ich das Bucb des Hauptmanns Dominick kennen gelernt habe, eines wirklichen Kenners von Kamerun . Er schildert, wie seine Träger, die sich während des Gefechts, während die Eingeborenen mit Maschinengewehren niedergeknallt wurden, feige versteckt hielten, nach dem Gefecht plündern wollten. Der deutsche Kulturträger hinderte sie daran nicht, sondern er schildert, wie er sein Lager sicherte und sagt damr wörtlich:So konnte ich Nachmittag einen Teil der Neger loslassen."(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Er schildert dann weiter, wie köstlich er sich amüsiert hat, als die mit Beute beladenen Neger sich im Lager herumtrieben, wie er mit seinem Kameraden, dem Leutnant v. Nülow. dabei das schöne Lied lang: 'Herr Gott, wie ist das Leven nett I" Weiter schildert er, wie sie sich bei dem Weitermarsch trennten mit dem Gruß: Waidmannshei!! (Hört! hört! bei den Sozialdemolratcn.) Daß deutsche Soldaten mit diesem Rufe auseinandergehen, um nicht Tiere, soiidern Menschen zur Strecke zu bringen, ist so schändlich, daß eS gar nicht auszudrücken ist.(Lebhaste Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Von der Selbstverwaltung hat man hier sehr viel gesprochen. In der Hiitlensteuer hat man den Regem große Bettäge abgenommen, die die Beamten im Interesse der Ein- geborenen verwenden sollten. Aber in der leichtfertigsten Weise ist das Geld im Interesse der Ansiedler und Beamten verwendet. In Zukunft sollen sie nicht mehr 50, sondern nur noch 25 Proz. der Hüttensteuer bekommen. Aber kein Pfennig dürste von dielen Erträgen ihnen gegeben werden.(Sehr richtig 1 bei den Sozial demokraten.) Wenn man schon zu einer Selbstverwaltung übergehen will, sollte man den Negern das Recht geben, mit zu bestimme» über die Verwendung des von ihnen aufgebrachten Geldes.(Leb hastes Sehr richtig! bei den Sozialdemokralen.) Der Neger ist dazu sehr wohl imstande. Ich sage ja nicht, daß ma» ihnen gleich das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht geben soll.(Heiterkeit.) Aber mitsprechen und mitbestimmen muß er bei seinen vitalsten Angelegenheiten.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraren.) Statt dessen wird er mit höheren Lasten belastet als der Weiße. Der Neger muß arbeiten, und der Weiße hat das Recht, die Aemter in der Gemeinde zu bekleiden. Für diese Art, Zivilisation zu verbreiten, danken wir.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Es ist ein einfaches Gebot der Klugheit, den Neger nicht schlechter zu stellen, als er in> englischen Gebiet steht. Die Engländer haben ihm das Wahlrecht gegeben, nicht etwa aus Humanität das traue ich den Engländer» nicht im geringsten zu, aber sie tun eS in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse. Auch in der Justizverwaltung ist eine durchgreifende Reform nötig. Die Aeußerungen des SlaatssekretärS über die Zunahme der Strafen müssen geradezu ein Gefühl der Beschämung erwecken. Auch in der Justizpflege gilt das Leben des Schwarzen nicht viel. Ein Weißer, der drei Schwarze getötet hatte, erhielt im ganzen 2'/, Jahre Gefängnis, ein Schwarzer dagegen, der einen Weiße» tötete, wurde zum Tode verurteilt und erhielt gleich noch vier Kameraden dazu. Die Prügelstrafen zeigen, daß immer von 20 erwachsenen Männer» einer geprügelt wird!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Da wundere ich mich nur, daß nicht schon längst wieder ein Aufftand ausgebrochen ist. Mit diesem Prügeln in der Rechtsprechung müßte ein Ende gemacht werden.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wir sind noch weit davon entfernt, daß die deutsche Kolonialpolitik alö eine lediglich zivilisatorische angesehen werden kann. Wir werden auch in Zukunft darauf hin- arbeiten, daß unsere Forderungen durchgeführt werden, namentlich daß die Eingeborenen auch als Menschen behandelt werden. Unsere grundsätzliche Stellung zur Kolonialpolitik kann durch unsere Erfahrungen nicht erschüttert werden. Ausbeutung, Unlerdrückung und Ausrottung sind die Folge dieser Politik für die Eingeborenen. Wie bisher lehnen wir auch in Zukunft die Verauiwortung für eine solche Kolonialpolitik ab.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemo- kraten.) Staatssekretär Dernburg : Der Vorredner hat eine Reihe Mißstände aus den Kolonien zur Sprache gebracht. Selbstredend gibt eS in den Kolonien noch viel zu verbessern. Im Mutterlande ist es aber auch nicht anders; zu diesem Zweck ist ja daS Parlament 07 Monate im Jahre vcr- sammelt.(Heiterkeit.) Der Herr Vorredner hat aber alles durch die ihm durch seine Parteistellung aufgenötigte schwarze Brille gesehen. (Zust. b. Block.) Herr Noske hat aber vergessen, daß, wenn man etwas be- weisen will, man sich vor Uebertreibungen hüten soll-(Ironische Zu- stimmung des Abg. L e d e b o u r.) Ja, Herr Ledebour , daS gilt stir mich, das gilt für Sie, das gilt aber auch für den Abg. NoSke. (Heiterkeit.) Ganz besonders hat Herr NoSke bei der Schilderung der kolonialen Rechtspflege übertrieben.(Widerspruch bei den Sozial- demokraten.) In dem einen Falle exzessiver Grausamkeit handelt es sich um GeisteSgcstörtheit deS Betreffenden.(Aha I bei den Soz.) Beim jetzt wieder vorgebrachten Fall des Hauptmanns Dominik hat früher schon einmal der Abg. Bebel zugeben müffen. daß er sich geirrt hat.(Zuruf deS Abg. Bebel.) Herrn NoSkeS Rede zeugte immerhin von einem fleißigen Studium der amtlichen Denkschristen. Die Sozialdemokraten sollten doch dankbar sein, daß »vir ihnen Material sür ihre Reichstagsreden geliefert haben. (Lachen bei den Sozialdemokraten). Redner polemisiert weiter gegen die Abgeordneten Eichhorn und Noske, wobei er eine ausführliche Jnhaltangabe des LustspielsDer zerbrochene Krug" gibt, die den Block sehr erheitert. Die Kapitalisten und Plantagen- besitzer haben keinen Vorteil von den Kolonien gehabt; die einzigen Leute, die Vorteil von den Kolonien gehabt haben, sind die deutschen Arbeiter.(Schallendes miimtenlanges Lachen bei den Sozialdemokraten. Abg. Ledebour : Und Sie behaupten, nicht zu übertreiben? Stürm. Zustimmung und erneute Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Redner gibt die Polemik auf mit dem Schluß. wort: die sozialdemokratische Partei und Fraktion seien in bezug auf Kolonialpolitik zwei verschiedene Dinge. Redner polemisiert nun- mehr gegen den Abg.Arning, dem er bedauerliche Schwäche imKöpfrechnen vorwirst. Herrn ArningS Vorschläge über die Behandlung der Jndier waren dankenswert, aber unaussührbar.(Erneute Heiterkeit.) Redner stellt aus dem Stenogramm ausdrücklich fest, daß er Liebert nicht für die bekannten 25 Aufstände unter seinem Gouverne- ment habe verantwortlich machen wollen. Die Sozialdemokraten haben geglaubt, Kapital aus den Meinungsverschiedenheiten zwischen den Herren v. Liebert und Arendt auf der einen und mir auf der anderen Seite schlagen zu schlagen. Ich konstatiere aber, daß in 90 von 100 Fällen das ganze HauS mit Ausnahme der Sozialdemokraten über die Kolonialpolitik einig ist. Alle Fortschritte, die in der Kolonialpolitik gemacht worden sind, sind gegen die Sozial- demokratie gemacht worden.(Schallende Heiterkeit bei den Sozial- demokraten.) ES gibt eigentlich nur zwei kolonialpolitische Parteien in diesem Hause: eine, die für Kolonialpolitik ist und zu der säimliche bürger­liche Parteeen gehören, und die andere, die gegen Kolonialpolitik ist. die Sozialdemokratie. In der großen kolonialpolitischen Partei sind verschiedene Schattierungen vorhanden: die einen wünschen mehr eine kommerzielle, die andere mehr eine nationale, die dritten eine mehr kulturelle Politik. In den einzelnen Fraktionen selbst sind verschiedene Schattierungen vorhanden. Es soll meine Aufgabe sein, aus- gleichend auf die Meinungsverschiedenheiten zu wirken und eine zugleich nationale, kommerzielle und kulturelle Kolonialpolitik zu treiben.(Lebhafter Beifall beim Block und Zentrum.) Abg. Storz(südd. Bp.): Die deutsche Kolonialpolitik bringt den Negern Befreiung von ihren einheimischen blutigen Tyrannen. (Große Heiterkeit bei den Soz.) Den Sozialdemokraten geht es wie den französischen Emigranten: sie haben nichts gelernt und nichts vergessen.(Erneute Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Auf der anderen Seite liegt eine gewisse Uebertreibu» darin, daß der Staatssekretär behauptete, die Arbeiter seien die einzigen, die Vor- teile auS der deutschen Kolonialpolitik gezogen haben. Redner polemisiert breit und ausführlich gegen die sozialdemo- kratischen Redner, denen er Uebertreibungen usw. vorwirft. Die Ver- hältnisse in den deutschen Kolonien sind relativ glänzende.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion. Eine' Petition, Bahnbauten in Ostafrika betreffend, wird »ach Befürwortung durch den Abg. A r n i n g(natl.) und unter Zu- stimmung des Staatssekretärs Dernburg zur Berückst ch- t i g u n g überwiesen. Eine Reihe Kapitel und Titel des Etats für O st a f r i k a werden debattelos bewilligt. Beim TitelRücklage in den Erneuerungsfonds der Usambarabahn" tadelt Abg. v. Sttombeck(Z.) die Fassung des Vertrage?, der dem Reiche Wa genügendes Nuffichtsrechk gegen» über der Gesellschaft gebe. Beim Kapitel Militärverwaltung, TitelAn- Werbung farbigen Personals außerhalb der Kolonie" warnt Abg. Dr. Arning(natl.) bor der Gefahr der äthiopischen Be- wegung und bittet um Wiederherstellung der von der Kommission bei diesem Posten gestrichenen 20 000 M. Staatssekretär Dernburg bittet um Annahme diese? Antrages. Abg. Erzberger(Z.) weist darauf hin. daß die Venvendung Kameruner Eingeborenen in Ostasrika fich nicht bewährt habe. Der Autrag Arning wird mit Blockmehrheit angenommen. (Oho!- Rufe bei den Sozialdemokraten und im Zentrum, da die Blockparteien schwach vertreten sind.) Der Rest der Ausgaben wird bewilligt, ebenso die Ein- nahmen und der außerordentliche Etat sür das ostafrikanische Schutz­gebiet nach den Beschlüssen der Kommission. Hierauf vertagt das Haus die Weiterbereitung auf Dienstag, 2 Uhr.(Außerdem RechitungSsachen.) Schluß S'/z Uhr.__ Mgeorclnetenkaus. 42, Sibung vom Montag, den 1. März, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: v. Moltke. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Ge­setzentwurfs über die Gewährung von Wohnung S- ge ld z u schü s s e n an die unmittelbaren Staats. bcamten. Da hierzu nachträglich noch zahlreiche Abänderungs- antröge eingebracht sind, geht die Vorlage an die Budgetkommission zurück. Dann wird die zweite Lesung des Etats des Ministeriums des Junerett fortgesetzt. Abg. LusenSky(natl.) bespricht den Fall Schuck ing: Wenn der Abgeordnete v. Heydebrand gesagt hat, durch sein Vorgehen gegen diesen Beamten habe der Minister die Autorität der Beamten untergraben, so muß doch auch darauf hingewiesen werden, daß die Autorität des Ministers untergraben wird, wenn er gegen Beamte, trotzdem er es für notwendig hält, nicht mehr ein» schreiten darf. Abg. Frhr. v. Zedlitz(frkons.) wendet sich gegen den sozialdemo- kratischen Antrag auf Einführung des Reichstagsivahlrechts für die Gemeindekörperschaften. Der Abg. Hirsch hat sich auf da? cmerken- nende Zeugnis des Oberbürgermeisters Fuß in Kiel berufen; da berührt es eigenartig, daß gerade jetzt der Kieler Magistrat das Wahlrecht zur Stadtverordnetenversammlung abändern will, um einer Uebcrflutung durch die Sozialdemokratie vorzubeugen. iStürmisches Hört! hört! rechts.) Und was die Bürger einer anderen Stadt gedacht haben, als die Gefahr bevorstand, durch die Sozial» demokratie vergewaltigt zu werden, daß haben Sie an Rixdorf sehen können.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Dort haben die Gc- mcindcvertreter aller bürgerlichen Parteien sich auf einen Beschluß geeinigt, der das Wahlrecht nach der Richtung verbessert, daß die Sozialdemokraten, die selbst keine Steuern zahlen, nicht über die Steuern der anderen verfügen können.(Lebhafter Beifall rechts. Zuruf b. d. Freist: Wir haben diese Maßnahme des Rixdorfer Magistrats gcmißbilligt!! DaS mag sein, ich weiß auch, daß Sie theoretisch für das Lleickstagswahlrecht auch zu den Ge» meindekörperschasten eintreten. Aber in der Praxis Handel» die Freisinnigen ganz anders. (Lebhaftes Hört! hört! bei den Soz., Sehr richtig! rechts.) Wenn es sich darum handelt, zu verhindern, daß die Sozialdemokraten die Macht über eine Stadt in die Hand bekommen, dann haben bisher immer noch die bürgerlichen Parteien zusammengestanden.(Leb- Haftes Bravo! rechts.) Die Sozialdemokraten sagen, sie wollen ge- schlich bleiben, wenn ihre Gegner es auch bleiben. Das heißt nichts anderes, als daß sie gesetzlich bleiben wollen, wenn die bürgerlichen Parteien bereit sind, ihnen die Macht in die Hand zu geben, und so dumm werden wir niemals sein.(Stürmischer Bei- fall rechts und im Zentrum.) Dann würden Sie die Gewalt an die Stelle der Gerechtigkeit treten lassen, und wir fürchten uns vor Ihnen(zu den Soz.) nicht. Wir werden alles tun, lvas wir im Interesse des Staates, im Interesse des Volkes, das wir lieben, im Interesse des gesamten deutsckien Vaterlandes für richtig halten, und wir werden danach auch unsere Maßnahmen gegen die Sozial- demokratie einrichten.(Stürmischer Beifall rechts, Zischen bei den Zozialdemokraten.) Minister des Innern v. Mottle: Der Abg. Hirsch hat am Sonnabend gesagt, die Sozialdemo- kratie wolle ihr Ziel nur mit geistigen Waffen erkämpfen. Das klingt ja außerordentlich harmlos. Aber sind die Straßendemon- strationen geistige Waffen?(Sehr gut! rechts.) Auf dem Nürn- berger Parteitag hat der Abg. Bebel gesagt, in Preußen werde eL eines Tage» um Kopf und Kragen gehen.(Stürmisches Hört! hört! bei den bürgert. Parteien. Zuruf b. d. Soz.: Das liegt an Ihnen!) Nein, das liegt an Ihnen.(Große Hefterkeit.) In derNeuen Zeit" hat der Sozialdemokrat Parvus geschrieben, er wolle 100 000 Arbeiter auf der Straße versammeln und sie lehren die Straße zu beherrschen.*)(Stürmisches Hört! hört! bei den bürgerlichen Parteien.) Wenn solche Kundgebungen vorliegen, dann ist es unsere Pflicht, das Treiben der Sozialdemokraten unter die Lupe zu nehmen.(Lebhafte Zustimmung.) Sache der Polizei ist es. diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.(Lebhafter Beifall.) Wenn sich die Polizei dabei der Geheimpolizisten bedient, so steht sie dabei nicht vor der Fraae: Ist das schön oder nicht?, sonder» vor der Frage: Ist das not- wendig oder nicht? (Lebh. Zustimmung b. d. bürgerst Parteien.) Die Sozialdemo- kratie braucht.nur aufzuhören mit ihren Umtrieben, und die unan- genehmen Geheimpolizisten werden verschwinden. Solange die Sozialdemokratie ostentativ und demonstrativ aus der Straße er- scheint, sind Geheimpolizisten nicht überflüssig.(Lebh. Zustimmung b. d. bürgerl. Parteien. Zuruf b. d. Soz.: ES macht uns Spatz!» Wenn die Geheimpolizisten Ihnen Spaß machen, brauchen Sie sich nicht zu beschweren.(Große Heiterkeit.) Daß die Geheinipoli- zisten zu Ausschreitungen provozieren, bestreite ich auf das Be- stimmteste. Denn damit würden sie gegen die Instruktion handeln. Wenn mir der Beweis dafür erbracht werden sollte, daß das ge- schehen ist, so würde ich mit aller Entschiedenheit dagegen ein­schreiten und die betreffenden Beamten zur Rechenschaft ziehen. *) A n m. der Redaktion: Um die Sorgfalt deS wahr­heitsliebenden und blutdürstigen Herrn Ministers zu illustrieren, setzen wir aus Nr. 12 derNeuen Zeit" vom 18. Dezember 1908 den betreffenden Absatz aus dem Parvusschen Artikel wörtlich hierher: Auch dürfen wir nicht außer acht lassen, daß eS Rechte gibt. die man sich dadurch erwirbt, daß man sie gebraucht. Dahin gc- hören die Straßenkundgebungen der Massen. Sic stehen jetzt in Deutschland auf der Tagesordnung. Denn die bisher üblichen Agitationsmittel der Partei reichen nicht mehr aus. Die Presse wendet sich wohl an die Massen, aber sie nimmt sich den einzelnen vor. lieber die Versammlungen ist die Partei hinausgewachsen. Wenn man in Berlin an einem Abend dreißig Versammlungen abhält, so hat man doch die Massen nicht beisammen, sondern sie sind in dreißig Teile geteilt. ES ist etwas anderes, wenn hunderttausend Personen die Straßen füllen. Die Arbeiter müssen lernen, sich als Masse zu fühlen, pe müssen lernen, die Straße zu beherrschen."