Man sieht: man will nicht nur die Einführung direkter Reichssteuern ein für allemal vereiteln— wonach hie An- spannung der Schraube der indirekten, die Nicht- besitzenden treffenden Steuern die einzige Rettung aus den Finanznöten des Reichs bleiben würde I— man will nicht nur eine stärkere Erhöhung der„Besitzsteuer" so gut wie unmöglich machen, sondern man will auch das Budget- bewilligungsrecht dem Reichstag entreißen und dem Bundes- rat zuweisen! Eine so geringe Meinung wir auch vom Freisinn haben: daß er sich zu solch niederträchtigem Raube von Volkörechten bereit finden lassen würde, halten wir denn doch für aus- geschlossen, so lange uns nicht das Gegenteil bewiesen wird! »» • Die Finanzkommission des Neichstages beschäftigte sich am Mittlooch mit den in Nr. 48 des„Vorwärts" veroffent- lichten Anträgen der Reichspartei und des Zentrums. Genosse Geyer als erster Redner ist der Ansicht, daß, wenn heute nichts anderes als die beiden Anträge vorlägen, die ganze Beratung er- folglos verlaufen müsse, da durch die Annahme des einen oder des anderen die Frage der direkten Besteuerung des Besitzes nicht ge- -yst werde. Nach Ablehnung der Nachlaß- und Verm.»gensfteucr /ctrachte er diese Anträge nur als eine Fiktion. Nachdem das Zentrum damit begonnen, die von der Regierung vorgeschlagene direkte Steuer zu Fall zu bringen, seien die anderen Parteien auf diesem Wege gefolgt. Warum werde das Resultat des Kuh- Handels des Blolkkollegiums nicht veröffentlicht? Weil es für den Block blamabel fei! Die Anträge Gamp und Herold haben das eine gemein, daß sie genau so in die Finanzhoheit der Einzelstaaten eingreifen, wie der gestern abgelehnte Autrag Weber betreffend Vermögenssteuer. Auf diesem Standpunkt stehen auch die Finanz- minister sämtlicher Bundesstaaten, wie aus der gestrigen Erklärung des hessischen Finanzministers im hessischen Landtage hervorgehe. Das Ziel beider Anträge gehe dahin, den Besitz zu schonen. Wie sei es denkbar, daß die Bundesstaaten die um das Sechs- fache erhöhten Matrikularbeiträge aufbringen könnten, wo sie jetzt schon die zu zahlenden paar lumpigen Millionen nicht abzuführen in der Lage zu sein behaupteten! Welche Garantien seien vor- banden, daß die Einzelstaaten wirklich zahlen, was nach den An- trägen beschlossen werde? Feste Garantien, wie sie die Frei» sinnigen dafür fordern, daß die erhöhten Matrikularbeiträge nur dem Besitz auferlegt werden, können nicht gegeben werden, wenn nicht die Einzelstaaten gleich den Staatsbankrott ansagen wollten. Aber selbst wenn der Reichstag dementsprechende Beschlüsse fassen sollte. wer solle Exekutor sein und die Schuld beitreiben? Preußen wird sich nach dem Verhalten des preußischen Finanzministers für diese Rolle bedanken. Durch die Anträge und alle Reden dazu verwische man den Eindruck nichr, daß man nur den Besitz schonen will. DaS werde man außen ver- stehen. Das Zentrum hat durch seine ablehnende Haltung zur Nachlatz- und Vermögenssteuer seine Taktik, den Block zu sprengen, selbst durchkreuzt. Die Sprengung wäre unbedingt erfolgt, wenn daS Zentrum für die Nachlaßsteuer eingetreten wäre, da diese als« dann eine Mehrheit gegen die Konservativen gefunden hätte. Zu diesem Verhalten stehe die von Spahn gestern angebotene HilfS- bereitschaft für eine direkte Besitzsteuer im krassen Widerspruch. Verschleierung, Sand in die Augen des Volks: daS allein sei der Zweck, der damit verfolgt werde. Deshalb lehnen wir diesen, wie auch den gleichgearteten Antrag Gamp entschieden ab. Dr. Weber(natl.) polemisiert gegen Geyer, gibt ihm aber darin recht, daß die beiden Anträge ebenso in die Finanzhoheit der Einzelstaaten eingreifen, wie sein abgelehnter Antrag.'— Der bayerische BundeSratSvertreter v. Burkhard erklärt im Namen des bayerischen Finanzmiuisters, daß dieser die vom Schatzsckretär und dem preußischen Finanzminister geltend gemachten schweren Bodenken gegen die beiden Anträge teile, sowohl in finanzieller wie auch in staatsrechtlicher Beziehung. Wenn beide Anträge im Prinzip angenommen würden, fei die monatclange Arbeit des Bundesrats umsonst, ja nicht nur das, sondern die ganze Steuer- gesetzgebung der Einzclstaaten würde dadurch in andere Bahnen gedrangt. Mit der Erhöhung der Matrikularbeiträge werde für das Reich kein neues Geld geschaffen. Man mute den Regie- rungen zu, sich auf einen Weg zu begeben, wo sie von der Zu- stimmung der Landtage abhängig seien; das sei um so bedenklicher, als sie jetzt schon oft genug in Verlegenheit seien, die für die Staats- zwecke erforderlichen notwendigen Mittel auszubringen. Das Budget» recht der Einzelstaaten müsse unter allen Umständen gewahrt werden, in dieses aber werde mit der Annahme der Anträge eingegriffen. Er ersucht zum Schlüsse seiner Ausführungen dringend, erst darauf Bedacht zu nehmen, daß neues Geld durch eine direkte Steuer aufgebrächt werde, da die Masse mit Konsumsteuern-mehr als genug belastet werde. Das ganze Volk sehe mit Spannung auf die Arbeit der Kommission und verlange, daß endlich praktische Arbeit geleistet werde. DaS Volk könne die durch die Erfolglosigkeit der Beratungen herbeigeführte Belastungsprobe kaum länger aushalten. Trotzdem der Vorsitzende P a a s ch e in ziemlich erregter Weise dem Regierungsvertreter bemerkt, daß die Arbeit der Kommission keine unnütze, sondern eine sehr ernste gewesen sei, und daß die Herren von der Regierung eigentlich besser daran täten, neue Vor» schlage zu machen, als die Kommissionsarbeit in dieser Weise herunterzusetzen, hielten die Bundesratsvertreter von Sachsen . Württemberg. Baden und Hessen es doch für angezeigt, auch ihrerseits der Reihe nach zu erklären, daß sie auf dem- selben Standpunkt stehen wie ihr bayerischer Kollegel Darauf erklärt Spahn, daß daS Zentrum der Nnchlaßsteuer gegenüber heut noch genau denselben Standpunkt vertrete, wie die Regierung vor drei Jahrrn, wo die Steuer ja einmütig sgegen die Stimmen der Sozialoemokraten als Antragsteller) abgelehnt sei. Das Ver- halten der Bundesratsvertreter den Wünschen der Mehrheit der Kommission gegenüber sähe nach Obstruktion aus. Bezüglich einer Bemerkung Geyers über eine Aeußerung des Reichskanzlers. daß er die Steuerreform mit dem Block machen wolle, erklärt Spahn, das habe er bisher nicht gehört, aber w e n n es ihm auch bekannt gewesen wäre, würde da» Zentrum doch dieselbe Haltung eingenommen haben wie bisher und jetzt. Gamp ist empört über die ablehnende Haltung der Regierungsvertreter, die ihre Bestrebungen, die Gegner unter das Joch der Nachlaßsteuer zu treiben, sparen können, und verteidigt in längerer Rede seinen Antrag, der seiner Behauptung nach viel liberaler sei als die Nachlaß- und Vermögenssteuer.— Dr. M ü l l e r- Meiningen will bei den Bestrebungen, dem Wohle des Reiches zu dienen, nicht hinter dem Zentrum zurückstehen, kann aber tveder der Auffassung der Zentrumsmitglieder, noch denen um Gamp über der, Begriff„Besitzsteuer" zustimmen. Nach seiner Auffassulig soll die ganze jetzige Beratung nur der Schaffung eines Provisoriums dienen; er will aber unter allen Umständen an einer direkten Bcsitzfteuer im wirklichen Sinne des Wortes festgehalten wissen. Aus alle» Aeußerungen in der heutigen Sitzung hat Graf Schwerin die Ueberzeugung geschöpft, daß sich eine Einigung der bürgerlichen Parteien vollziehen werde, sobald der Grundgedanke der Besitzstener richtig formuliert sei! Diese Form werde sich finden, und damit werden die budgetrechtlichen Bedenken beseitigt werden.— Dem stimmt Raab zu. Kurz vor Schluß der Sitzung kommt Herr Spahn und weist nach, wie alle Schwierigkeiten durch einige Acnderungen im An- trage des Zentrums aus dem Wege geräumt»verde» könnten! Dem Anschein nach wurden die Konservativen und Reichsparteilcr durch die Spahnschen Vorschläge nicht in» mindesten überrascht. Die Anträge sollen zu morgen gedruckt werden und die Grundlage für die weitere Beratung bilden. 02! Sorizssstengekk in Kiel . Die Stadtverordneten haben am Dienstag nach fünf- stündiger Debatte beschlossen, die Wahlrechtsverschlechterungs- Vorlage des Magistrats zu vertagen. Es wurde eine Deputation von zwei Magistratsmitgliedem und zwei Stadt- verordneten gewählt, die noch in dieser Woche zum Minister des Innern fahren soll, um mit ihm zu verhandeln, ob eine Aenderung der Wahlverfassung auf anderer Grundlage möglich ist. Die Sozialdemokraten stimmten für oie Vertagung, weil sonst die Annahme des Magistratsantrages nicht ausgeschlossen war und weil durch die Vertagung Zeit zu einer Gegenagitatton gewonnen wird.— Die Bürgerlichen »vollen in erster Linie die direkte Magistratswahl retten und dann auch die Dreiklassenwahl abwenden, weil der Mittelstand. der jetzt in Kiel die kommunalpolitische Herrschaft hat, bei der Dreiklassenwahl zwischen Sozialdemokraten in der dritten und den paar Hundert Besitzenden in der ersten und ziveiten Klasse vollständig zerrieben wird. Jede andere Wahlrechtsverschlechterung ist ihnen recht. Die Deputation dürfte beim Minister wenig ausrichten, denn dieser hat dem Oberbürgermeister Fuß erklärt, daß nur eine Aenderung des Wahlrechtes durch die Drei- klassenwahl die Zustinimung der Regierung finden würde. Die Annahme des Magistratsantrages. ein Gesuch auf Einführung der Dreiklassenwahl an die Regierung zu richten, ist darum in der nächsten Stadtverordnetensitzung nicht ausgeschlossen, trotzdem nur 5 bürgerliche Stimme» zu den 10 sozialdemokratischen nötig sind, um den Antrag zu Fall zu bringen. Zivar sind 12 von den 18 bürgerlichen Stadtverordneten Mitglieder der frei- sinnigen Parteiorganisation und von dieser— unter Androhung des Ausschlusses— auf die Ablehnung des Antrages des Magistrats verpflichtet worden, doch ist auf diese Leute kein Verlatz. Wenn die nächste Sitzung beschließt, ein Gesuch an die Regierung zu richten, wird ein Antrag der Sozialdemokraten mit zur Verhandlung kommen, in diesem Gesuche nicht die Dreiklassenwahl, sondern das all- gemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl- recht und die Proportionalwahl zu fordern. Am Mittwochabend fanden drei große sozialdemokratische Versammlungen statt, die sich mit der Wahlrechtsfrage beschäftigten. Ueber die Rede de? sozialdemokratischen Stadtverordneten Adler in der DienStagS-Sitznng der Kieler Stadtverordneten- Versammlung meldet uns noch eine Privatdepesche: Stadtv. Adler wies darauf hin, daß gerade die Sozial- demokratie durch ihre Mitarbeit das Interesse an der Kommune bewiesen habe. Durch die Dreiklassenwahl würden lg Ovo von den jetzigen 21 000 Wählern in die dritte Klasse ver» setzt. Die indirekte Magistratswahl sei das Bestreben der Magistrats- Mitglieder nach lebenslänglicher Anstellung. Wenn erst in Kiel ein Loch in die schleswig-holsteinische Städteordnung geschlagen sei. würden andere Städte nachfolgen. Wenn man refonnieren wolle, soll man sich die Beispiele zur Reform dort holen, wo eine eine freiheitliche Kommunalverfassung herrsche. Die Magistratsinitglieder und die Stadtverordneten, die fiir die Vorlage stimmen würden, würden in absehbarer Zeit von ihren Sesseln verschwinden müssen. Ein Stadtverordneter, der für eine solche Vorlage sei, dürfe die Augen nicht aufschlagen, wenn er durch die Straßen der Stadt Kiel gehe- Redner stellt einen Eventualantrag, wenn die Stadtverordneten be« schließen sollten, ein Gesuch an die Staatsregierung zu richten, hierin anstatt der Dreiklassenwahl das allgemeine, gleiche, ge- Heime Wahlrecht für alle großjährigen Personen mit der Proportional« wähl zu fordern. Der Bürgermeister ließ während der zweieinhalbstündigen Rede AdlerS eine Pause eintreten. Beim zweiten Teil der Rede blieben die Mehrheit der MagistratSmitgliedrr und der Stadtverprd- neten demonstrativ dem Sitzungssaale fern. erneute Hiriegsgekahr. Die Hoffnung, daß der Schritt Rußlands in Belgrad die Gefahr eines gewaltsamen Konflikts beseitigen werde, hat sich nicht erfüllt. Die serbische Regierung hat auf den russischen Rat, die territorialen Forderungen fallen zu lassen, mit einer brüsken Ablehnung geantwortet. Damit ist die Situation wieder unmittelbar gefahrdrohend geworden. Der amtliche österreichische Draht meldet heute aus Belgrad : „Gestern nachmittag erschien der russische Gesandte S e r g e j e w beim Minister des Aeußern Milowanowitsch und erteilte ihm 4in Auftrage der russischen Regierung den freundschaftlichen Rat, Serbien möge von den Forderungen nach territorialen Kompensationen und nach der Autonomie für Bosnien und die Herzegowina abstehen, da diese Forderungen bei den europäischen Groß- mächten auf keine Unter st ützung zählen können. Im Laufe des Nachmittags erschienen auch die diplomatischen Ber- treter Englands. Frankreichs , Deutschlands und Italiens beim Minister des Aeußern und erteilten der serbischen Regierung einen ähnlichen Rat. Der Minister des Aeußern nahm diese Vorstellungen zur Kenntnis-, hierauf fand unter dem Vorsitze des Königs ein Ministerrat statt. Nach dreistündiger Beratung wurde einstimmig beschlossen, auf die Vorstellungen der Großmächte zu erwidern, daß Serbien die Forderungen, welche die serbische nationale Skupschtina in ihrer bekannten Resolution aufgestellt hat, nicht zurück» ziehen könne. Serbien hoffe noch immer auf die Gerechtigkeit Europas , könne aber von den territorialen Forde» rungen und von der Forderung nach der Auto» non�ie für Bosnien und die Herzegowina nicht A b st a n d nehmen." In Wien hat diese Erklärung große Erregung ver» ursacht und eine außerordentlich pessimistische B e- u r t e i l u n g gefunden. In manchen Kreisen hält man den Ausbruch des Krieges für unmittelbar be- vorstehend. In der Tat bildet die serbische Erklärung eine neue Herausforderung und eine Brüskierung nicht nur Oester- reichs, sondern aller Mächte, die den Schritt Rußlands bei der serbischen Regierung unterstützt haben. Trotzdem wäre es ein unverantwortliches Verbrechen, wegen des serbischen Krakeels einen europäischen Krieg zu entzünden und der Prestigepolitik der Herren Aehrenthal und Jswolski zu gestatten, ganz Europa in Flammen zn setzen. Dies darf unter keinen Umständen, geschehen und Sache der Diplomatie ist es, endlich jene Energie zu ent- wickeln, die die Wiener und Petersburger Herreu zur Ver- nunft bringt. Von der deutschen Regierung muß verlangt werden�, daß sie den osterreMschen Bundesgenossen vor nicht ivieder gut zu machenden Schritten zurückhält und keinen Zweifel darüber läßt, daß die Stimmung des deut- scheu Volkes ihr jede andere als die rein diplomatische Beteiligung ganz unmöglich macht. Es ist nicht nur das deutlck)e Proletariat, das sich gegen den Wahnsinn, Deutschland in einen Krieg für völlig fremde Interessen hineinzerren zu lassen, mit all seiner Kraft zur W e h re setzen würde; es gibt in Deutschland überhaupt keine Parrei und keine Klasse,, die einen solchen Krieg dulden könnte. Dieselbe Pflicht aber, die Deutschland Oesterreich gegenüber erfüllen muß, muß Frankreich in Petersburg ausüben. Daß der Zarismus seine traditionelle Rolle der Provokation auf dem Balkan bis zu einem Punkte treibt, an dem der Ausbruch eines Krieges unvermeidlich wird, ist eine unerträgliche Vorstellung, die unter keinen Um» ständen Wirklichkeit werden darf. Und noch ist es Zeit für energisches und zielbewußtes Handeln. Die serbische Regierung hält zwar ihre über- spannten Forderungen aufrecht und setzt ihre Kriegsrüstungcn fort. Aber darüber hinaus ist es noch zu keinen gewaltsamen Schritten gekommen. Auch in ihrer letzten Antwort wie in allen ihren früheren Erklärungen wendet sich die serbisch Regierung an die Entscheidung Europas , appelliert sie an die europäische Konferenz. Hiermit ist für eine gemeinsame Aktion der Mächte die Basis gegeben. Allerdings eine Kon- ferenz, auf der Rußland aufs neue seine Provokateurrollo ausnähme und das alte Frevelspiel des„Beschützers aller Slawen" fortsetzen könnte, wäre nur eine neue B c- drohung des Friedens und überdies eine Unmöglich- keit, da Oesterreich nicht auf einer solchen Konferenz erschiene. Wenn aber die Konferenzmächte das Programm dieser Kon- ferenz von vomhereiir begrenzten und Rußland , das ohne die Unterstützung Frankreichs und England völlig ohnmächtig ist, zum Anschluß an die gemeinsame Aktion zwängen, wenn Oesterreich so die Garantie gewönne, daß nach Erfüllung der berechtigten wirtschaftlichen Ansprüche die territorialen For- derungen Serbiens zurückgewiesen würden, dann könnte eine solche Konferenz, gegen deren Entscheidung das isolierte Serbien machtlos wäre, allerdings der Aufrechterhal- tung des Friedens gute Dienste leisten. Unterdessen aber muß die Aktion der Diplomatie verhindern, daß die Flinten vorzeitig losgehen und nirgends Zweifel darüber lassen, daß der Friedensstörer, sei er, wer er sei, auf keine UnterstützungeinerandernMachtzu rechnen habe. Die Haltung der serbischen Regierung ist übrigens nicht ganz klar. Der kategorischen Wiener Meldung steht nämlich eine nicht weniger bestimmt lautende Nachricht des Reuterschen Bureaus gegenüber. Das amtliche englische Telegraphen- bureau erklärt, von amtlicher Seite erfahren zu haben, daß entgegen der Erklärung des in Wien eingetroffenen Belgrader Telegramms, die s e r b i s ch e N e g i e r u n g ihre Forderung nach territorialen Konzessionen zurückgezogen hat. �, Das ist ein offenkundiger Widerspruch, der vielleicht nur so erklärt werden kann, daß die serbische Regierung ein doppeltesSpiel treibt, um die Lösung zu verschleppen. damit die aufgeregten Leidenschaften des serbischen Volkes sich nicht in der Wut der plötzlichen Enttäuschung gegen die Regierung und die Dynastie wende. Aber sei dem wie immer. Die Gefahr ist zu groß, die Beunruhigung zu unerträglich, als daß das Spiel mit dem Frieden noch längere Zeit fortgesetzt werden dürfte. Der Friede muß erhalten werden, weil der Krieg ein Wahnsinn und ein Verbrechen wäre. All- zulange schon hat man die Intrigen Rußlands , die Unnach- giebigkeit Oesterreichs , die Tollheiten der serbischen Politiker gewähren lassen. Es ist höchste Zeit, endlich e r n E n d e zu machen. Die Stimmung in Belgrad . Belgrad , 3. März. Die Nachricht, daß der russische Gesandte tatsächlich der serbischen Regierung Ratschläge im Sinne der von Deutschland angeregten Vorstellung erteilte, rief in Belgrad große Erbitterung gegen Rußland hervor. Die Blätter ent- halten maßlose Angriffe gegen JswolSki, der im Dienste Oesterreich-Ungarns stehe. Da die politischen Kreise die Entscheidung der serbischen Regierung mit Besorgnis erwarteten, so rief die heutige Nachricht, daß die serbische Regierung auf die Autonomie Bosniens und territorialen Kompensationen beharre, umso größere Freude hervor.„Politik«" ruft auS: Möge uns nunmehr Oefterrcich-Nngarn ein Ultimatum stellen. wenn er dies wag t. Eine neue Version. London , 3. März. Das Reutevsche Bureau berichtigt feine frühere Meldung dahin, daß eingegangenen Informationen zufolge die serbische Regierung gemäß dem von Rußland erteilten Ratschlag ihre Ansprüche auf GcbietScntschädigung zurückziehen wird. Die Haltung Oesterreichs . Wien , 3. März. Zu der Entschließung des serbischen Minister- rates, die Ratschläge der Großmächte abzulehnen und auf den bekannten Forderungen zn bestehen, wird in hiesigen informierte:'. Kreisen versichert, daß die» an der ruhigen abwartenden Haltung der österreichischen Regierung vorläufig nichts ändern locrde. Oesterreich habe die Intervention der Möchte nicht ver- anlaßt und werde abwarten, welche Haltung die einzelnen Groß- mächte gegenüber dem Verhalten Serbien » einnehmen werden. Montenegrinsche Kriegsvorbercitungen. Saloniki, 3. März. Eine amtliche Meldung aus Skutari besagt, daß Montenegro an der Grenze Borbereitungen treffe, welche als eine Bedrohung SkutariS anzusehen seien. 03! Berggesetz In der Kommlifion. Die Berggesetzkommission des Abgeordnetenhauses hielt am Mittwochabend ihre erste Sitzung ab. ES wurde beschlossen, zunächst den Artikel II betreffend die Einrichtung der Sicherheitsmänncr zu beraten. Von nationalliberaler Seite wurde zunächst die Frage des Umfanges der Geltung des Gesetzes aufgeworfen. Es sei nicht erforderlich, das Gesetz aus andere als Steinkohlenbergwerke auS- zudehnen. Dem widersprach der Handelsminister, der der Meinung Ausdruck gab, daß dann die Bestimmungen bei erneuten Unfällen in anderen als Steinkohlenbergwerken viel schärfer ausfallen würden, als die jetzt vorgeschlagenen. Ein Redner der Frei- konservativen erblickt in der vorgeschlagenen Einrichtung einen Schritt abseits der bestehenden Rechts- und Wirtschaftsordnung und erhebt Bedenken gegen die Konsequenzen bezüglich der Bau- kontrolleure. Schließlich komme man noch zu Arbeiterkontrolleurcn in der Landwirtschaft. Von dem Redner des Zentrums wird in den Vordergrund gestellt die Erhaltung der vollen Autorität der Unter- nehmcr. Es werde zu prüfen sein, ob die Einschränkung der Ent- lassungsgründe für den Sicherheitsmann sich mit der Aufrecht» erhaltung dieser Autorität verträgt,
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten