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schließen, daß nichts, aderauch gar nichts, zu beschließen seil Wie es zu diesem schmählichen Ausgang gekommen, Haben wir gestern ausführlich berichtet. Es bedurfte dazu der Angst der Freisinnigen vor dem Uebertreten des konser - vativen Verbots, das Recht des Reichstags zu verstärken, ver- mehrt durch jene unglaubliche Ungeschicklichkeit, die immer mit tödlicher Sicherheit zu erwarten ist, wenn sich Herr Müller- Meiningen als parlamentarischer Stratege auftun darf, auf der einen Seite, und auf der anderen der perfiden Strategie des Zentrums, das schließ- lich, nachdem die Freisinnigenunter Vorbehalt" im Bunde mit Konservativen und Nationalliberalen das Recht der Minderheit auf Antragsstellung abgewürgt hatten, sich auf die Seite der Reaktion schlug und das alte Verbot, .bei Interpellationen Anträge zu stellen, wieder erneuerte. Damit ist die Arbeit dieser ehrenwerten Kommission nun glücklich resultatlos geworden. Das Ergebnis der Ver- fassungsdebatten ist die Aufrechterhaltung der Rechtlosigkeit des Reichstags. An diesem Er- gebnis tragen alle bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme die Schuld. Freisinnige, Zentrum, Konservative und Nationalliberale haben in gleicher Weise dazu beigetragen, den Willen der Junker, der alten Feinde des Reichstags, zu erfüllen und der Volksvertretung in Deutschland vorzuenthalten, was Fran- zosen, Engländer, Belgier , Ungarn , und in der Form der Dringlichkeitsanträge auch die Oesterreicher längst besitzen. Sie haben also wieder einmal echtnationale" Arbeit ver- pichtet. Es bleibt nur übrig, die Probe aufs Erempel auch im Plenum zu machen. Um ein wirkliches Jnterpellations- recht zu schaffen, dazu bedarf es keiner komplizierten Kom- missionsberatungen. Es genügt eine Abstimmung im Plenum, die das Verbot der Stellung von Anträgen bei Interpellationsdcbatten aufhebt und bestimmt, daß Anträge, die sich auf den Gegenstand der Interpellation beziehen, bei Unterstützung von 1!> Mitgliedern zugleich zur Beratung zu stegen sind._ Oesterreich und Serbien . Tenosse Kau ts ky schreibt in derNeuen Zeit":' Seit Wochen steht Europa vor der Gefahr eines Weltkrieges. Immer wieder hofft man sie zu beschivören, immer wieder taucht sie von neuem auf. dräuender als früher. So entsetzlich die Perspektive auf den Ruin der ganzen Zivili- sation für lange hinaus, die da ersteht, so lächerlich auf den ersten Blick die Ursache dieser unerträglichen Situation: die Aspirationen eines Zwergstaates mit weniger als 3 Millionen Einwohnern, der Forderungen an eine benachbarte Großmacht stellt, die ihn mit ihren bl) Millionen Menschen leicht erdrücken kann. Und diese Aspira. tionen selbst wieder erscheinen nur als das Werk einiger wahn- witzigen Abenteurer, geführt von einem Operettenkronprinzen lächerlichster Art. Man könnte also glauben, die Schicksale der Welt hingen von den Launen eines unreifen Burschen ab, der uns als Idiot ge- schildert wird. Indes so verrückt ist die bürgerliche Gesellschaft doch nicht, und auch die Serben sind weder so schamlos noch so idiotisch, wie sie jenen Politikern erscheinen, die ihr Wissen von den Balkan - Völkern bei den Gelehrten desSimplicissimus" holen. Die Serben haben ihre triftigen Gründe für ihre jetzige Haltung. Man könnte annehmen, die Haltung Serbiens sei bloß ein Ergebnis des nationalen Gedankens, der auf einer gegebenen Eni- wickelungsstufe auftaucht und in Serbien dieselbe Existenzberechti- gung hat wie in Deutschland , Italien , Polen , wo er als reaktionärer Faktor die ganze zivilisierte Welt des vorigen Jahrhunderts be- geisterte. Dieser nationale Gedanke der Zusammenfassung aller Serben in einem geschlossenen Großserbien spielt sicher in der jetzigen Situation eine Rolle; aber er erklärt nicht, warum Serbien gerade jetzt es für notwendig hält, das Aeußerste zu wagen und den Übermächtigen Nachbarn zu reizen, noch auch, warum, wie es scheint, die ganze Nation vom Kriegsfieber ergriffen ist. Auf der Entwickelungsstufe, auf der sich Serbien befindet. wird der nationale Gedanke fast nur von den Schichten der Jntelli- genz getragen, daneben noch von Kaufleuten und etwa einer an der Vergrößerung des Staates interessierten Dynastie, aber nicht von der Bauernschaft, die in Serbien die große Masse der Be- völkerung ausmacht, etwa SV Prozent. ES mußren besondere Um- stände sein, die auch den Bauern für die großserbische Idee empfänglich machten. Diese Umstände wurden durch die geo- graphische Lage des Landes und die ökonomische Entwickelung ge- geben. Wohl ist Serbien ein agrarisches Land, fast ohne alle Industrie, aber es blieb nicht unberührt vom 5topitalismus. Die Naturalwirt­schaft weicht immer mehr, der Bauer braucht Geld, braucht also einen Markt, und da er keine städtische industrielle Bevölkerung im Lande selbst findet, die ausreichend wäre, ihm seine Produkte abzukaufen, bedarf er aufs dringendste eines auswärtigen Marktes. Leichter und gesicherter Export für seine agrarischen Produkte ist «ine Lebensfrage für Serbien . Bei diesem Export ist es aber in völliger Abhängigkeit von Oesterreich , das gerade an jenen seiner Grenzen vorgelagert ist, die die nächsten und besten Ausfuhrftraßen für Serbien bilden. Etwa 30 Proz. der serbischen Ausfuhr gehen nach und durch Oester- reich. Es sind agrarische Produkte, Obst, Weizen, Hteflügel und Namentlich Schweine. Serbiens ökonomische Existenz hängt also heute gänzlich von Oesterreich ab. Ist die österreichische Handels, und Verkehrspolitik eine für Serbien wohlwollende, dann gewinnt die Habsburgische Monarchie an Serbien einen ergebenen Vasallen. Je mehr dagegen diese Politik darauf gerichtet ist, Serbiens Ausfuhr zu erschweren, desto mehr muß sie die Bevölkerung Serbiens mit äußerstem Oesterreicherhaß erfüllen, und desto populärer muß die großserbische Idee werden, die Vereinigung der in Serbien , Bosnien , der Herzegowina, Dalmatien , Montenegro lebenden Serben(vielleicht auch unter Gewinnung der südungarischen Serben und Kroaten ) zu einem selbständigen Staatswesen, das an die Adria grenzt und so für seine Ausfuhr von jedem Nachbar unabhängig ist. Mit der wechselnden Handels- und Verkehrspolitik Oesterreichs wechselt auch die Haltung Serbiens . In den letzten Jahren aber haben sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten aufs äußerste verschlechtert. Oesterreich wird ein Industrieland. Das bedeutet jedoch nicht. baß die Agrarier aufhöreck, es zu beherrschen, sondern daß sie immer unverschämter werden, daß sie sich das Monopol auf den inneren Markt immer mehr zu sichern suchen ganz wie bei uns. Immerhin ist Oesterreich noch Agrarland genug namentlich das für seine Politik so matzgebende Ungarn , um noch Agrar- Produkte in bedeutenden Mengen auszuführen. Die agrarische Politik Oesterreich-Ungarns hat daher das Streben, die geographische Position gegenüber Serbien dahin zu benützen, diesem Ländchen nicht nur die Ausfuhr nach Oesterreich ; iondcrn auch die Durchfuhr durch Oesterreich möglichst zu cp-I schweren, die serbische Konkurrenz nicht bloß auf dem inneren Markte Oesterreichs , sondern auch auf dem Weltmarkt möglichst auszuschalten. Gerade in den letzten Jahren führte das zu Zoll- kriegen, die Serbien an den Rand des Bankrotts brachten und ihm den Mut der Verzweiflung des Bankrottierers einflößten, der alles auf eine Karte setzt, weil er nur noch zu gewinnen, nichts mehr zu verlieren hat. In der Tat ist für Serbien jeder ökonomische Aufschwung aus- geschlossen, wenn es auf seine jetzigen Grenzen beschränkt bleibt und die Herrschaft der Agrarier in Oesterreich nicht gebrochen wird. Kein Wunder, daß die jüngsten politischen Umwälzungen auf der Balkanhalbinsel Serbien mehr als jedes andere der dortigen Länder in fieberhafte Erregung versetzten und ihm den leiden- schaftlichen Drang einflößten, die jetzige Situation um jeden Preis auszunutzen, um irgendwelche Konzessionen zu erringen, die seine elende Lage verbessern. Was hat es dabei zu verlieren abgesehen von den Ver- heerungen, die jeder Krieg mit sich bringt, die aber doch nur cttvas Vorübergehendes sind? Im schlimmsten Falle findet es nirgends Unterstützung, wird cs von Oesterreich annektiert. Das bedeutet aber für den serbischen Bauern keineswegs den notwendigen Ruin, es kann sogar seine Rettung werden. Er gewinnt dann den Frei- Handel mit Oesterreich und den freien Zugang zum Meere. Frei- lich bleibt er auch dann abhängig von der Eisenbahnpolitik nament- lich der ungarischen Regierung, die sich den Interessen der Süd- slawen in jeder Beziehung feindlich zeigt; aber schlechter als jetzt kann es nicht mehr werden. Im Gegenteil, die österreichischen Südslawen könnten den ungarischen Agrariern gegenüber durch den Zuwachs Serbiens nur an Kraft gewinnen. Der serbische Bauer hat also bei einer Annexion durch Oester- reich nicht so viel zu verlieren, daß er deshalb den Krieg scheuen müßte. Und den Machinationen der österreichischen Agrarier ist es gelungen, seinen Oesterreicherhaß aufS äußerste anzustacheln, so daß er der willige GesolgSmann jener Elemente Serbiens wird, denen die bestehende Situation ebenfalls unerträglich geworden ist, die aber bei einer österreichischen Annexion viel oder alles zu ver- lieren hätten, die daher keinen anderen Ausweg aus der ver­zweifelten Situation wisien als das Entflammen eines Welt- kricges. Diese Elemente sind vor allem die Dynastie und die In- telligenz. Für Oesterreich tväre es ein leichtes, der Kriegsgefahr ein Ende zu machen. ES braucht bloß den Serben Konzessionen auf dem Wege eines günstigen Handelsvertrages und Garantien für eine von Schikanen freie Durchfuhrspolitik zu gewähren, und die Volksmasse Serbiens ist befriedigt, dessen Kriegspartei aufs Trockene gesetzt. Diese Politik entspräche in jeder Weise den Interessen der In- dustrie und des Proletariats Oesterreichs , dem sie nicht nur die Kriegsgefahr bannte, alle weiteren Rüstungskosten ersparte, sondern auch billigere Lebensmittel brächte. Aber gerade deswegen hat diese Politik keine Aussicht auf An- nähme. Lieber verhängen die Agrarier die entsetzlichsten Opfer an Menschenleben und Wohlstand über ihr heißgeliebtesVater- land", als daß sie ihren proletarischen Mitbürgern billiges Brot und Fleisch gönnten! So sind die Aussichten auf friedliche Beilegung des Konfliktes äußerst geringe. Daß aber dieser Konflikt kein rein lokaler ist, sondern einen Weltkrieg zu entzünden droht, daran sind freilich die Agrarier allein nicht schuld. Das ist die Konsequenz deS Imperialismus, dessen Politik die des gesamten Kapitals aller modernen Groß- staaten ist und der sie alle in so schroffe Gegensätze zueinander bringt, daß die äußerste, ununterbrochene Klugheit und Wachsam. kcit dazu gehört, den Frieden ohne Gefährdung durch alle die Klippen und Risse hindurchzuführen, die sich immer drohender um ihn erheben. Ein einziges unbedachtes Wort, geschweige denn ein Krieg in dem europäischen Wetterwinkel, und das Friedensschiff ist gescheitert, der Weltkrieg da. Um so wichtiger für daS Proletariat aller Länder, auf der Hut zu sein und sich nickst fortreißen zu lassen zu einer freudigen Unter- stützung jener Politik seiner schlimmsten Ausbeuter und Unter- drücker, die im Völkermord gipfelt. poUtilcbe OcberHcbt- Berlin, den 10. März 1909. Abgeordnetenhaus. DaS preußische Abgeordnetenhaus versagte am Mittwoch im Gegensatz zu der wiederholt von ihm geübten Praxis die Er­mächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Redakteurs Genossen Grötzsch von derGörlitzer Volkszeitung" wegen Beleidigung. Die Beleidigung erblickt die SraatSanivaltfchaft in einem Artikel, der sich mit den Wahlrechtsdebatten beschäftigt. Die Mehrheit des Hauses mag wohl selbst einsehen, eine wie traurige Rolle sie bei diesen Debatten gespielt hat; sie fürchtet, daß eine etwaige Gerichts- Verhandlung dem Wahlrechtskampfe zugute konimt und sieht deshalb großmütig" von der Stellung eines Strafantrags ab. Nach außen verschafft sie dem Hause dadurch billigen Ruhm. Die Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Erweiterung des Stadtkreises Linden gab unserem Genossen L e i n e r t Gelegenheit, die grundsätzliche Stellung der Partei zur Ein- gemeindungSfrage zu erörtern und mit Nachdruck dafür einzutreten, daß die Eingemeindung keine Schmälerung des Wahlrechts für einzelne Klaffen der Bevölkerung zur Folge haben dürfe. Der ver- stärkten Gemeindekommisston, der die Borlage überwiesen wurde, gehört u. a. Leinert an. Nach Erledigung de« Gesetzentwurfs betr. Heranziehung der Beamten zur Gemeindeeinkonimensteuer beriet das HauS sodann in erster Lesung die Novelle zum Stempel- steuergesetz. Bekanntlich hat das Plenum bei Beratung der Be- soldungs- und Steuervorlagen der Negiernng in Form einer Resolution ersucht, zur Deckung des noch derbleibenden Mehrbedarfs von 16 Millionen einzelne geeignete Positionen des Stempelsteuertarifs zu erhöhen. Dieser Aufforderung ist die Regierung nachgekommen; sie beantragt u. a. eine Erhöhung des Stempels für Mietsverträge, nicht aber für die Pachtung von Grundstücken zu land- und forft» wirtschaftlicher Nutzung, ferner einen Stempel für Jagdpachtverträge in Höhe von 16 Prozent u. a. m. In fein abgewogener und treff- lich zugespitzter Rede nahm Genosse H e i m a n n zu der Vorlage Stellung. Entsprechend dem sozialdemokratischen Programm erklärte er sich grundsätzlich gegen jede indirekte Steuer. Als genauer Kenner der Verhältnisse geißelte er den Versuch der Regierung, die Wohnungsmieten durch eine so kolossale Erhöhung des Stempels in die Höhe zu schrauben, forderte er weiter, daß die Regierung endlich einmal mit ihren Gescheuken an die Agrarier, die auch jetzt wieder bevorzugt werden sollen, ein Ende macht. Hoffentlich gelingt es der Kommission, der die Vorlage über« wiesen wurde, ihr wenigstens die schlimmsten Giftzähne auSzn- reißen. Donnerstag: Dritte Lesungen des Gesetzentwurfs betr. die Heranziehung der Beamten zur Gemeindeeinkommensteuer, der > Steuervorlagen, de« Wohmmgsgeldzufchusses. Das ungeduldige Zentrum. DieMärkische Volkszeitung" ist höchst ungeduldig darüber, daß der Block noch immer nicht in die Brüche gegangen ist. Die Langmut des Freisinns, der sich jeder junkerlichen Zu- mutung fügt, um nur ja nicht als Beschützer der Reaktion abgedankt zu werden, raubt dem Zentrum offenbar die Besinnung. Wenigstens macht dieMark. Volksztg." den verzweifelten Versuch, den Vater des Blocks, den Fürsten Bülow, durch heftigste Angriffe und durch eine Dennnziation bei den Konservativen endlich zu stürzen. DaS Zentrumsblatt macht den Blockkcmzler dafür verantwortlich, daß die Reichsfinanzreform. deren das Reich in seinen Nöten so dringend bedürfe, schwerlich vor Ablauf eines JahreS zustande kommen werde l Die Frage der Finanzreform aber werde leicht- und natürlich im agrarisch enSinne! zn lösen sein, wenn einfach der Freisinn ausgeschaltet werde! Dieser AuS- fchalwng aber widersetze sich Fürst Bülow : DieDeutsche Tagesztg." behauptete jüngst. Fürst Bülow habe niemals die Meinung vertreten oder geäußert, daß er nur dann im Amte bleiben werde und könne. wenn die Reichsfinanzreform allein und ausschließlich durch den Block gelöst loerde. Wir können dem Blatte mitteilen, daß Fürst Bülow sich tatsächlich gegenüber liberalen Worl- führern ausgesprochen hat, er wolle das Zentrum nur dann zur Mehrheit stoßen lassen, wenn zuvor der Block schon eine solche st eile." Diese allzu unverhohlene Ungeduld ist nicht gerade sehr klug. Denn der Freisinn wird sich unter solchen Umständen nur nocki heroischer allen reaktionären Zumutungen fligen und dadurch die Erretterrolle des Zentrums überflüssig machen. Je mehr sich freilich Zentrum und Freisinn im Wettlauf um die Gunst der Agrarier diskreditieren, desto besser für uns l Freisinn und Besitzsteuerkompromisi. Ein Berliner MittagSblatt stellt die Behauptung auf, daß inner- halb der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft, die 51 Mitglieder zählt, nur 22 für daS Steuerkompromiß eingetreten sind. Der Rest war dagegen oder enthielt sich der Stimme, und 10 Abgeordnete haben in der entscheidenden Sitzung gefehlt. Als Vertreter der Minorität werden genannt: T r a e g e r, Dr. Leonhardt. Gothein. Neumann-Hofer und Haußmann, wogegen Müller- Meiningen natürlich bei der kompromißfreundliche» Mehrheit sich befindet. Abgeordneter Naumann gibt in der neuesten Nummer seinerHilfe" die Versicherung ab, daß auch er unentwegt mit der Blockmehrheit gehen werde. Gleichzeitig mehren sich aber die Stimmen aus freisinnigen Wählerkreisen, die sich entschieden gegen das Blockabkommen wenden. Sowohl in Rostock als auch in Hirschberg und Biedenkopf haben die dortigen liberalen Organisationen sich gegen die Anträge Gamp- Arendt ausgesprochen. In Hirschberg wird verlangt, daß die frei- sinnige FraltionSgemeinschast unbedingt der Selbstsucht des Bundes der Landwirte gegenüber auf der Forderung der Nachlaß- oder Reichsverinögenssteuer zu bestehen habe. Auf den Block sei dabei gar keine Rücksicht zu nehmen._ Im Kampf um die Nachlasistcuer. Zwar ist die Nachlaßsteuer in der Kommission gefallen. dieDeutsche Tageszeitung" traut aber offenbar dem Landfrieden nicht; denn sie setzt den Kampf gegen diese Steuer mit noch gesteigerter Heftigkeit fort. Sic findet dieTreiberet hinter den Kulissen", die jetzt wieder be- gönnen habe, ganz außerordentlich gefährlich und prophezeit: Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird der Kampf um die Nachlaß st euer nochmals in aller Schärfe entbrennen. Der Artikel schließt mit folgendem Appell an die Regierung: Wir erwarten von den verbündeten Regierungen, insbesondere von der Klugheit des Reichskanzlers, daß er sich nicht täuschen lasi«. Wir lassen uns keinesfalls und keineswegs täuschen." Mit ihrer Behauptung, daß die gesamte Landwirtschaft sich gegen die Nachlaßstcuer erkläre, setzt sich die«Deutsche Tageszeitung" mit der Wahrheit in Widerspruch. Dem konservativenNeichsbotcn" sind Stimmen aus Landwirtschafts- kreisen über die Nachlaßsteucr zugegangen, die ganz wesent lich anders lauten als die Ansichten, die in dem agrarischen Blatte zum Ausdruck gelangt sind. So wird z. B. aus Fries- land geschrieben: Mit Ausnahme der Mtglieder des Bundes der Landwirte bedauert man hier in konservativen Kreisen, daß die Nachlaßsteuer nicht durchgeht, weil diese Steuer wirk- lich den Besitz getroffen hätte. DaS Geschrei gegen die Nachlaßsteuer sei lediglich agrarische Mache." Ersparnisse im Heerwesen. DerStraßburger Post' wird von einem älteren Offizier geschrieben: Und dann der Luxus, den wir uns mit der reitenden Artillerie leisten. Vierzig Batterien haben wir. brauchen aber für die Kavalleriedivisionen, wenn im nächsten Kriege wieder die gleiche Anzahl wie früher formiert wird, zwölf oder nach Einführmig der Batterien zu vier Geschützen achtzehn. Wir haben also 2J reitende Batterien, die im Kriege keine andere Verwendung finden, wie die fahrenden. Da muß man doch fragen: Warum macht man sie den» nicht zu fahrenden? Zumal wie jeder Artillerist weiß, der in seine Waffe einen vonirteilssreien Blick gc- tan hat, daß die Schießleistungen der reitenden Artillerie unter der Menge der Pferde und der schweren Bekleidung der Kanoniere leiden und daher denen der fahrenden im allgemeinen nicht gleich- kommen. Die Umwandlung würde jährlich etwa eine halbe Million Ersparnis bringen, denn es find etwa 900 Pferde. die damit fortfallen. Frankreich hat auch schon damit begonnen. Früher als die Wege schlecht, das Artillerieinateriul schwer und schwerfällig war, war die größere Beweglichkeit der reitenden Batterien anch im Verband der Infanterie von Werr. Damit ist eS aber jetzt vorbei. Die fahrenden Batterien entsprochen den Anforderungen an Beweglichkeit in vollem Maße und es find infolgedessen auch im Reglement dieselben Gangarten für sie vorgeschrieben. Schon bei"den Nenfonnationen im Herbst 1866 widersetzte sich der damalige Generalinspekteur der Artillerie v. Hindersin einer Vermehrung der reitenden Batterien; doch ver- geblich. Ob die Umwandlung jetzt durchgesetzt werden könnte? Schwerlich! Würde sie doch von mancher«eite als eine Art von Degradation angesehen werden." Daß bei unserem Heerwesen allerhand Etikette- und Repräsen- taiionSrücksichten eine größere Rolle spielen, als der militärische Wert einer Waffengattung, ist ja allerdings nur zu bekannt I Wer zerstört den Mittelstand ¥ Wenn wir den Agitattonsreden auS dem Kreise der sogenannten staatserhaltenden Parteien glauben dürfen, dann hat der Mittelstand leinen gefährlicheren und schlimmeren Feind als die Sozialdemo- kratie. Großindustrielle und Großagrarier im Bunde Ichren die bedrängten Krämer und Handwerker, daß es die Sozialdemolratie auf ihren Ruin abgesehen habe und daß sich ihre Rettung um so sicherer voll- ziehen würde, je energischer sie sich der Bekämpfung der Sozial­demokratie widmen. Wo in Wirklichkeit die Feinde de» Mittelslandes sitzen, das zeigt ein Artikel derDeutschen Volkspost", amtliches Organ der deutsche» Mittelstandsvereinigung. Darin wird hingewiesen auf die