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spezielles NgiiationSgebiet für unsere Genossinnen.... Das geht .... zu weit, mag man schon aus Grünpen der Zweckmäßigkeit einige Sonderrechte der weiblichen Mitglieder, wie z. B. die obligatorische Vertretung im Vorstande und die möglichste Be- teiligung an Delegationen für praktikabel halten. Hiermit sind wir bei der Frage der Delegation zum Parteitage angelangt.... Es soll... eine Art Proportional- system eingesührt werden, womit man sich im Grunde natürlich einverstanden erklären kann. Ueber die Abstufung selbst dagegen wird man verschiedener Ansicht sein dürfen. Vereine, die bis 1600 Mitglieder zählen, sollen nur einen Delegierten entsenden, während Wahlkreise mit 16003000 zwei, solche mit 30006000 drei. Ver- eine mit 6000 12000 vier, bis 18 000 fünf und über 18 000 sechs Delegierte zu schicken haben. Es scheint, als wären diese Zahlen als bindende Norm gedacht, so daß ein Verzicht auf die volle Zahl der zu Delegierenden nicht statthaben kann. Demgegenüber halten wir die an sich zwar berechtigte Steigerung der Vertretung größerer Kreise für übertrieben. Ein sechsfaches Uebergewicht über kleinere, an sich jedoch immerhin gleichberechtigte Äreisorgani- sationcn ist keineswegs vonnöten und widerspricht gar zu sehr den Interessen der Minderheit. .... Jedenfalls schiene uns eine Minderung der Teilnehmer auf diese Weise gerechtfertigter als durch die schon vielfach und auch wieder imVorwärts" vorgeschlagene, im Entwurf aber nicht sanktionierte AusschlictzungderReichstragsfraktion vom Parteitag. Man kann doch unmöglich davon reden, daß der Besitz eines Rcichstagsmandats eine Sache des Zufalls sei. DieLeipziger Volkszeitung" aber tut es und macht sich dadurch einer Verkennung der tatsächlichen Lage schuldig. Wir wissen uns im allgemeinen mit unserem Leipziger Bruderblatt von einer U c b e r s ch ä tz u n g des Parlamentarismus völlig frei. Aber wie die Verhältnisse nun einmal liegen, sind wir in fast allen Dingen mit dem Parlamentarismus so verwachsen, daß wir die Zulassung der NeichStagsabgeordneten als vollberechtigte Teilnehmer durch- aus billigen.(EineVertretung" der Fraktion läßt sich schon ganz und gar nicht einheitlich und präzise zustande bringen.) Jeder Reichstagsabgeordnete steht wie im politischen so auch mitten im Parteileben und solange sich nicht das Gegenteil erwiesen hat (wofür sein Verhalten auf dem Parteitag eine gute Probe ist), muß angenommen werden, daß er mit seinen Wählern auch in allen wichtigen Parteifragen einer Meinung ist. Zudem spielen ja auch auf den Parteitagen politische und parlamentarische Fragen eine eminente Rolle, bei denen die Abwesenheit der Reichstags- abgeordneten geradezu vom Uebel wäre. Ließen sie sich aber von ihrem Kreise eigens delegieren, was wohl in den meisten Fällen geschehen würde, so würden gerade dadurch den übrigen Genossen diese Mandate entzogen. Es handelt sich hier ebensowenig um ein undemokratisches Vorrecht" wie bei der jetzt ganz selbstverständ- lichen Teilnahme der Landtagsabgeordneten bei den Landespartei- tagen usw. Viel eher könnte man sich fragen, warum denn das neue Statut die vom Parteivorstand berufenen Referenten bei allen Abstimmungen als vollberechtigte Teilnehmer gelten lassen will, wo es sich bei der Auswahl bisweilen doch nur um seine Kenntnisse auf einem ganz speziellen Gebiet zu handeln braucht. Eher sollte man, solange derVorwärts" Zentralorgon ist, ihm als politischen und vielleicht auch derNeuen Zeit" als Wissenschaft- lichen Mittelpunkt durch je einen Vertreter offiziell Sitz und Stimme gewähren..," Volksblatt für Halle": ...... Im vorigen Jahre hatten noch 2 Kreise nur 15 Pf. Wonatsbeitrag. 99 hatten 20, 45 25, 106 30, 1 35 und 24 40 Pf.. während 82 Wahlkreise abgestufte Beiträge von 10 bis 40 Pf. erhoben. Einen Wochenbeitrag von 5 Pf. hatten 2, von 10 Pf. 42 Wahlkreise. Die Kommission wünscht, daß der Min» destbeitrag für männliche Mitglieder 30 Pf., für weibliche Mitglieder 20 Pf. betragen soll. Dem Vorschlage kann man an- gesichts der großen Aus- und Aufgaben der Organisationen un- eingeschränkt zustimmen, obgleich freilich der beste Modus der Wochenbeitrag bleibt. Selbst in Kreisen mit der ärmlichsten Bevölkerung hat sich ein W o ch e n b e i t r a g von 10 Pf. be­währt und wird gern gezahlt, wie mehrere Kreise in Sachsen , wo er jetzt allgemein eingeführt wird, und andere Kreise beweisen. So notwendig eine Proportionalvertrctung(auf dem Partei- tage) ist, so sehr wird sich über die Art der Steigerung reden lassen. Die Demokratie erfordert wohl eine gerechte Vertretung aller Mitglieder, doch ist eine freiwillige Organisation kein Zwangsstaat mit Klassen und entgegengesetzten Interessen der Klassenangehörigen. Deshalb liegt keine Notwendigkeit vor, die absolute Zahl hier entscheiden zu lassen. DoS hat die Kommission auch nicht getan und konnte es nicht tun. Allein ihre Steigerung der Vertretung erscheint trotzdem noch zu stark, da kein Anlaß vorliegt, einem Kreise ein sechsfaches Uebergewicht gegenüber einem anderen auf dem Parteitage zu verleihen. Mancherlei Be- denken sprechen gegen den Vorschlag der Kommission. Es wird völlig genügen und keinerlei Interessen der großen Kreise ver- letzen, wenn die Höchstzahl der Vertreter eines Kreises auf drei, im äußersten Fall vielleicht auf vier gesteigert wird. Praktisch würde das wohl zur Folge haben, daß die Parteitage in der gleichen Stärke wie bisher zusammentreten, nur wäre die Zu- sammensetzung eine gerechtere, indem schwache, aber in der Nähe des Parteiortes gelegene Kreise verhindert würden, mehrere De- legierte zu stelle». Die Parteitage sind heute schon umfangreich gnug in Nürnberg tagten 369 Parteigenossen so daß eine Vergrößerung der Zahl nicht wünschenswert erscheint.... Die Forderung, daß die Reichtsagsfraktion nicht vollzählig zur Teilnahme berechtigt sein soll, sondern eine Delegation zu entsenden habe, ist sehr alt.... Die Abgeordneten sind als Vertreter des Volkes ins Parlament gewählt und nicht auch zu- gleich für 6 Jahre aus den Parteitag. Der Parteitag soll jeweilig die Stimmung und Anschauung der Partei widerspiegeln, was nur möglich ist. wenn die Parteiorganisationen das Recht und die Freiheit haben, jedesmal die ganze Zusammensetzung des Parteitages zu bestimmen. Die Delegierten haben sich vor- her in össentlicher Parteiversammlung zu den wichtigsten Auf- gaben des Parteitages zu erklären, und sie werden nur gewählt. wenn ihre Stellungnahme zu Partei fragen der Mehrheit der Parteigenossen entspricht. Das ist der einzig mögliche Weg, Parteitagsbeschlüsse herbeizuführen, die der Mehrheit der Par» teigenossen(und nicht etwa nur der Mehrheit der Partei- taasteilnchmer) entsprechen. Der Reichstagsabgeordnete ist aber als solcher nickt wegen seiner Stellungnahme in inneren Pavteifragen als Mitglied aus den Parteitag gewählt, er ist in dieser Beziehungunabhängig".... Wir empfinden es als einen Mangel, daß sich die Kommission nicht mit der Frage der Ur- a b st i m m u n g beschäftigt zu haben scheint..... Die Mög- lichkeit einer Urabstimmung der Gesamtpartei über wichtige Par- teifragen muß endlich vorgesehen werde». Die Urabstiininung ist in jeder Beziehung ein belebendes Moment für die Partei. Eine Anzahl Kreise hat bereits in ihrem Gebiete die Urabstimmung über wichtige lokale oder den Kreis betreffende Parteifragen, De- legiertenwahlen, Aufstellung des Reichstagskandidatcn usw. ein- geführt. Damit sind wohl überall gute Erfahrungen gemacht worden. Heute hat der alljährlich stattfindende Parteitag allein in allen Fragen zu entscheiden, die die Partei aufs tiefste erregen und Lebensfragen sein können. Hier muß die Partei die Mög- lichkeit haben, die Beschlüsse vor sämtliche Parteigenossen zu bringen und sie in einer Urabstimmung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, zumal wir gerade beim letzten Parteitage erlebt Hecken, daß seine rechtmäßige Zusammensetzung planmäßig bezweifelt wurde. Die Partei braucht in großen Fragen völlige Klarheit über die Anschauungen ihrer Mitglieder, was einwandfrei nur durch eine Urabstimmung zu erreichen ist. Nichts ist gefährlicher für uns, als wenn wir uns irgendwie über uns selbst und unsere eigenen Reihen täuschen? Eine Urabstimmung erweckt aber auch das Interesse jener Genossen, die leider vielfach abseits vom Versanlmlungsbesuch und sonstiger Pnrteitätigkeit stehen, ebenso jener, die sich gewohnheitS - mäßig nicht viek um Parteifragen kümmern mögen. Eine Ur» abstimmung im kleinen Wahlkreise wirkt hier schon in jeder Weise anregend und fördernd ein, wieviel mehr erst eine solche der Ge- samtpartei. Da unsere Parteiorganisation jetzt so vorzüglich, ja fast bureaukratisch genau, durch die deutschen Vaterländer funktioniert, ist eine Urabstimmung durch das ganze Reich, technisch betrachtet, ohne jede Schwierigkeit durchzuführen... Cnnoniimg der Frau ßucfcholz bei Grünau. Am gestrigen Sitzungstage verlangte der Staatsanwalt T o l! i von dem Angeklagten Aufklärung darüber, was er denn mit dem Umlegen der Peitjchenschnur um den Hals der Leiche bezweckte. Ihm wurde vorgehalten, daß der Anschein eines Selbstmordes hierdurch doch unmöglich erweckt werden konnte. Der Angeklagte blieb dabei, daß er geglaubt habe, durch das Umlegen der Schnur die Tat zu verdunkeln. Der Borsihende ließ sich noch einmal von dem Angeklagten im einzelnen den Vorgang schildern, wie er sich abgespielt haben soll und stellte fest, daß der Angeklagte den Kopf der am Boden liegenden Frau mit der einen Hand hochgehoben und dann die Peitschenschnur, die am hinteren Teile des Halses fest zugeknüpft war, umgelegt haben müßte. Dazu würde doch ein hoher Grad von Ruhe und Kaltblütigkeit gehören, während man dcch annehmen müßte, daß ein Mensch, der plötzlich sieht, was er mit einem unglücklichen Handgriff angerichtet, vor Schreck und Entsetzen eines ruhigen Gedankens gar nicht fähig wäre. Wie der Zeuge Herzog , der Schwager der Getöteten, bekundete, bat der Angeklagte Frau Buchholz am Tage vor der fluchtähnliche, i Abreise nach Breslau Lorhaltungen über diesen ihren Schritt ge- macht und sie gefragt:Wollenberg will wohl zu viel Geld von. Dir haben?" Darauf hat sie geantwortet:Ach, wenn es Iveiter nichts wäre! Meinetwegen könnte er alles bekommen, was ich Habel" Zeuge Herzog hat ihr dann weiter vorgehalten, daß sie doch bei ihrem Manne bleiben solle, der doch ein solider, arbeit- samer Mann se-, während, wenn sie mit Wollcnberg zusammen. zöge, ihr das Schicksal blühen würde, schließlich durch Unzucht ibren Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Diesen Gedanken hat Frau Buchholz mit Entrüstung und niit den Worten zurück­gewiesen:Lieber würde ich sterben, che ich mir auf solche Weise Geld verdiente!" Zwei Frauen, bei denen der Angeklagte nach- einander gewohnt hat, gaben diesem ein gutes Zeugnis. Die eine dieser Zeuginnen hat auch Frau Buchholz kennen gelernt, die der Angeklagte als seine Braut bezeichnete. Justizrat Dr. Sello suchte durch Befragen dieser Zeugin die Ansicht zu widerlegen, daß der Angeklagte eine Art Blutsauger gewesen sei, unter dessen Joch die Frau Buchholz zu leiden gehabt habe. Die Zeugin bestätigt, daß nach ihren Wahrnehmungen der Angeklagte in bestem Einver- nehmen mit Frau B. gestanden habe. Er habe gesprächsweise auch einmal geäußert, daß er diese Frau gern heiraten würde. Ein Zeuge, der mit dem Angeklagten bekannt war. hat mit ihm am Tage vor der Tat eine Radfahrt nach Lichtenberg gemacht und lvar von ihm aufgefordert worden, am nächsten Tage doch mit ihn, nach Grünau zu radeln. Er wäre dieser Aufforderung auch nachgekommen, wenn er nicht durch Unwohlsein daran gehindert worden wäre. Zwei Gastwirte, in deren Lokalen der Angeklagte verkehrte, geben ihm das Zeugnis eines im allgemeinen ruhigen, nüchternen und nicht zanksüchtigen Mannes» der aber gelegentlich auch ein- mal aufbrausen konnte. Der Angeklagte verblieb dabei, daß er die durch einen langen Bindfaden verlängerte Pertschenschnur nicht zu verbrecherischein Zwecke am Tage seiner Fahrt nach Grünau erst zu sich gesteckt, sondern unbewußt bei sich getragen habe. Justizrat Dr. Sello be- zweifelte, daß jemals bei Erdrosselungen eine so lange Schnur in Anwendung gebracht sein dürfte. Es wurden alsdann alle die Zeugen vernommen, die am kritischen 12. September in Grünau den Angeklagten entweder gesehen oder sonstige Wahrnehmungen gemacht haben. Diese Bekundnngen deckten sich mit den Aussagen derselben Zeugen in der vorigen Verhandlung. Die Zeugin Frau Müller hat am 12. September kurz vor und nach 8 Uhr von ihrer Wohnung aus gehört, lvie ein Mann und eine Fvau, die ihr nicht sichtbar waren, sich heftig zankten. Die beiden Personen be- fanden sich auf dem Wege,>vo später die Leiche gefunden worden ist. Es hat sich nach der Meinung der Zeugin so angehört, als ob die Frau mit dem Manne rang, denn die Frau habe wiederholt geschrien:«Laß mich los!" Unmittelbar darauf sei es ganz still gewesen. Ein Zeuge hat gesehen, wie der Angeklagte, der sein Rad führte, mit Frau Buchholz seines Weges ging. Der Angc- klagte hat dabei heftig auf sie eingeredet und in einem Augenblicke der Erregung sein Rad wütend aus die Erde geworfen. Die beiden sind dann weitergegangen, nach etwa 50 Schritten ist der Angeklagte zurückgegangen und hat das Rad geholt. Der Zeuge Wilhelm Kißuer wollte am 12. September abends den um 7,13 Uhr aus Grünau abgehenden Zug benutzen. Bei dem Bahnübergang bei der Viktoriastraße ist ihm der Angeklagte dadurch aufgefallen, daß er heftig aus seine Begleiterin einsprach und eS zwischen beiden zu einem lauten Disput kam. Das Paar ist dann nach dem Oeffncn der Schranke in die mit Bäumen besetzte Wilhelmstratze hinein- gegangen. Der Vorsitzende verwies darauf, daß die Zeugin Müller den von ihr gehörten Streit zweier Personen in der Nähe ibres Hauses zwischen 8 und 8)4 Uhr wahrgenommen habe, der Angeklagte also nach der Bekundung des Zeugen Kißner eine volle Stunde mit der Buchholz gesprochen haben müsse. Der Borsitzende wünschte vom Angeklagten nähere Angaben über den Inhalt des langen Gesprächs. Woldenberg erklärt hierzu: er habe mit der Frau zuerst dar- über gesprochen, warum sie sich denn vor ihm verberge und ihm gar nicht geschrieben habe. Darüber sei es zu heftigeren Worten gekommen, die Unterhaltung sei dann aber wieder friedlicher ge- worden und k-abe sich über alle möglichen Dinge, insbesondere auch über die Gestaltung der Zukunft unterhalten. Zum Schluß sei er mit Frau Buckholz wieder l)eftiger zusammengeraten und als sie dann Schimpfworte gegen ihn gebrauchte, habe er sie in der Er- regung in der schon geschilderten Weise am Halse gepackt. Erwürgung? Staatsanwalt Tolki richtete noch eins Frage über den Befund der Lunge der Verstorbenen an den Sachverständigen. Wie ihm von medizinischer Seite mitgeteilt worden, könne aus dem Befunde der Lunge ein Rückschluß gezogen werden auf die Art des Todes und namentlich darauf, ob e»ne sogenannte reflektorische Hemmung durch einen einzigen unglücklichen Handgriff oder eine richtige Würgung stattgefunden hat. Gerichtsarzt Dr. Marx: Die auf der Lunge festgestellten so- genannten Tardieuschen Flecken habe man früher für ein sicheres Zeichen fiir eine gewaltsame Erstickung angesehen. Jetzt stehe man auf dem Standpunkt, daß aus solchen Flecken allein ein absolut sicherer Schluß nach der angedeuteten Richtung hin nicht gezogen n-rrden könne. Sie haben hier aber eine gewisse Bedeutung in Verbindung mit den übrigen Blutaustritten in der Augenbinde- haut, auf der Gesichtshaut usw. Es ergebe sich daraus, daß nicht bloß ein einmaliges Zupacken in Frage gestanden haben könne, sondern es lagen die klassischen Merkmale des ErwürgungStodes vor. Ter als Zeuge vernommene Bruder des Angeklagten, Monteur Woldenberg , erklärt auf Befragen des Verteidigers, daß sein Bruder öfter von ihm Geld geborgt erhalten habe, wenn er in augenblicklicher Verlegenheit war und daß er zu jeder Zeit Geld von ihm hätte bekommen können. Er halte es für ganz ausge» schlössen, daß sein Bruder, um eine Bagatelle von 14 M. zu er- halten, die er an Miete schuldete, einen Mord begehen konnte. Sein Bruder sei nervös und leicht erregt und es habe Momente gegeben, wo man sich fragen mußte, ob es in seinem Kopfe ganz richtig sein könne. Der Angeklagte habe selbst einmal gesagt, er glaube selbst, daß es bei ihm nicht mehr ganz richtig sei. Die Sitzung wurde auf heute 9% Uhr vertagt. ES soll dami noch eine kurze Zeugenvernehmung stattfinden und die Plaidohers gehalten werden. Stadwerordueten- Versammlung. 10. Sitzung vom Donnerstag, den 11. März, nachmittags 5 Uhr'. Der Vorstehcr-Stcllvertreter Cassel eröffnet die Sitzung nach 5Va Uhr und veranlaßt zunächst die Einführung des neu- gewählten Mitgliedes, Schuldircktor Dr. Knau er, der darauf aus die Städteordnung verpflichtet wird. In seiner Einführungr- rcde widmet der Vorsteher-Stellvertretcr einen breiten Raum dem Hinweis auf den Neid und die Mißgunst, die die Stadt Berlin trotz ihrer Leistungen und ihres steten Bemühens um Fortschritte in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwickelung von den ver- schiedensten Seiten ständig erfahren müsse. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt Stadtschulrat Michaelis: Der Stadtv. Hofsmann hat in der vorigen Sitzung auf Vorkomnmiffe im bürgerkundlichcn Unter­richt in einer Pflichtfortbildungssckule hingewiesen die geeignet waren, Aufsehen zu erregen. Er hat ein Heft eines der Schüler vorgelegt, in dem sich der Satz fand:Die Berweltiing der Stadt Berlin ist die denkbar schlechteste; den Grund darin haben wir darin zu suchen, daß im Stadtparlament meist Vaterlandsverräter sitzen, welche die Antisemiten nicht zu Wort« kommen lassen." Darunter stand die ZensurFast gut". Ich habe festgestellt, daß das Heft von einem Schüler herrührt, der Ostern die Pflichtfortbilduiigs- schule verlassen hat. Die von Herrn Hosfniann behunpteten Tat- fachen sind richtig.(Hört! hört!) Der Lehrer hat jetzt angegeben, daß er den Schülern eine solche Unterweisung nicht gegeben, sondern rein sachlich auf die Steinsche Städ.teordnung und die Selbstvcr- waltung hingewiesen hat. Die Vergleichung einer ganzen Reihe von Heften der Mitschüler des Betreffenden hat diese Angabe be- stätigt, sie enthalten eine ähnliche Bemerkung �wie diese nicht. Einer der Mitschüler hat angegeben, daß der Schüler selbst er- klärt hat:Jetzt will ich noch ganz was anderes hinschreiben und nachsehen, ob der Lehrer es unkorrigiert läßt." Der Lehrer hat das unkorrigiert gelassen und unterschriebenFast gut!"(Heiter- keit.) Seinen Schülern gegenüber hat er niemals irgendeine Par- teilichkeit bewiesen; gerade diejenigen, gegen welche sie sich hätte richten müssen, bekunden das. Bezüglich der ZensurFast gut" gibt er jetzt an, er hätte die Arbeit nur auf die Orthographie hin durchgesehen; die Vergleichung der Hefte bestätigt das nicht, die Arbeiten sind nach dem Inhalt zensiert worden. Der Lehrer hat einen solchen Defekt an pädagogischem Wissen und Können be- wiesen, daß die Schuldeputation ihn nicht für geeignet hält, weiter an einer Pflichtfortbildungsschule zu wirken. Die weiteren Er- Mittelungen haben ergeben, daß der Lehrer außerhalb des Unter- richts allerdings versucht hat, in die Schiller parteipolitische Ten- dcnzen hineinzutragen(Aha!) und das bestärkt uns in unserer Meinung. Seine Unterrichtstätigkcit an der Pflichtfortbilduiigs- schule dürfte mit der Stunde ihr Ende erreicht haben.(Beifall.) Vom Stadtv. Cassel ist der dringliche Antrag ein- gebracht: Die Versammlung wolle beschließen, den Magistrat um Aus- kunft darüber zu ersuchen, ob im Virchow-Kran kenhaus wiederum zahlreiche Erkrankungen von Krankenschwestern und Wärterpersonal infolge Genusses von unzuträglichen Speisen ent- standen sind, ob die Ursachen dieser Erkrankungen bereits fest- gestellt sind. welche Maßnahmen der Magistrat zukünftig zwecks Per- Hinderung derartiger Erkrankungen zu ergreifen gedenkt. Gegen die Dringlichkeit wird Einspruch nicht erhoben; der Antrag kommt noch heute zur Verhandlung. Als Bürgerdeputierter wird in die Direktion des Märkischen Museums Prof. Dr. Schiff, Landgrafenstr. 3a, gewählt. Die Versammlung setzt hierauf zunächst die Etatberatung für 1909 fort. Das Referat über die EtatsB a d e a n st a l t e u",Des­infektionsanstalt in der Reichenberger Straße",.Heimstätten für Genesende",Zentrale Buch" undStädtisches UntersuchnngS- amt für hygienische und gewerbliche Zwecke" erstattet"Stadtv. Barth(A. L.). Eine längere Erörterung im Ausschüsse hat nur der Etat derZentrale Buch" verursacht, über deren unVerhältnis- mäßigen Heizmatcrialverbrauch lebhafte Klage geführt worden ist. Stadtv. Salinger(N. L.) bittet um baldige Errichtung einer Volköbadeanjtalt im Nordosten. Stadtrat Venzktz: Der Magistrat ist mit Erwägungen in dieser Richtung befaßt; auch die eventuelle Verwendung desOrdonnanz- Hauses" wird dabei erwogen werden. ZurZentrale Buch" bemerkt Stadtv. Gottfried Schulz(Soz.): Unserer vorjährigen Ali- regung, die abgelehnt wurde, hat sich jetzt der Magistrat angeschlos­sen, indem eine Kommission prüfen soll, ob die IV. Jrrenaiistalt an die Zentrale angeschlossen worden oder eine eigene Zentrale er- halten soll. Wir hatten damals ausgeführt, daß durch den An- schluß gewaltige 51osten entstehen würden. Wird die IV. Irren- anstatt angeschlossen, so liegt die Zentrale nicht mehr zentral. Wir haben also mit unseren Einwänden recht behalten. Es wurde nun vom Kollegen Gelpcke ausgeführt, daß die Zentrale Buch unver» hältnismäßig viel Kohlen verbraucht und daß also dort z. B. im Vergleich zu den Wasserwerken irrationell gewirtschaftet werde. Der Magistrat hat nuil bereits die Anstellung eines besonderen Heizinspektors beantragt. In unserer Kämmereiverwaltung wer- den nach einer von mir aufgestellten Berechnung jährlich über 2 Mill. Mark Kahlen verbraucht; 5 Proz. Ersparnis würden hier schon 100 000 M. bedeuten. Für 86 000 M. werden wir nun wohl schwerlich einen tüchtigen Mann bekommen, dieses Gehalt ist zu niedrig. Wir brauchen eine wirklich erste fachmännische Kraft. Im Friedrüh-Wilhelm-Hospital habe ich festgestellt, daß über 300 Zentner Kohlen in diesem Jahre geliefert worden sind, die als reine Schieferkohle gar nicht zu verwerten waren. Daß tzuiidert- taufende in Buch gespart werden könnten, ist allerdings eine Ueber- treibung, denn es sind nur 413 000 M. eingestellt und davon für Kohlen wirklich verbraucht nur 297 000 M. Man darf dabei auch nur ähnliche Anstalten in Vergleich ziehen, wie das Virchow- Krankenhaus oder Herzberge, nicht aber ein Kraftwerk, wie die Wasserwerke, wo keine Wärmeeinheiten erzeugt werden. In Buch werden 20 Millionen Wärmeeinheiten erzeugt, 1 Million kostet also bei 12 Stunden Heizzeit rund 12 375 M., beim Virchoiu- Krankenhaus dagegen rund 20 000 M. bei 24 Stunden Heizzeit. Bei Wuhlgarteu und Herzberge ist die Heizung als Blockheizung bereits teurer. In Buch kostet die Stunde zirka 6 M., in Wühl- garten 7,20 M. Diese Verhältnisse muß sich jeder, der an den Zuständen in Buch Kritik üben will, gegenwärtig halten. Stadtv. Herzberg(Fr. Fr.): Die Meinung, daß man nicht zu sehr zentralisieren dürfe, ist durch die neueren Erfahrungen durch- aus uberholt. Der Etat der Zentrale Buch ist ein papierner Etat, der an sich nicht erkennen läßt, daß da eigentlich mit Verlust ge- arbeitet wird. Man operiert da vielfach mit fiktiven Werten. Der Ansatz von 17 Pfennigen als Selbstkosten der Förderung des Passers ist unweigerlich zu hoch; ein warmes Wannenbald kommt aus 13 Pfennig, die Wäsche auf 26 Pf. pro Kilo zu stehen. Der Preis für elektrische Energie, für Dainpflieferung ist enorm hoch angesetzt. Ein Gutachten des Dampfkesselrevisionsvereins läßt die in Buch verwertete Steinkohle als minderwertig, aber nicht als die erstklassige Kohle erscheinen, die hier verwendet werden müßte. Notwendig wäre die Anstellung eines hochbesoldeten Beamten ledig­lich zur Ueberlyachung sämtlicher städtischen Betriebe. Der müßte ganz selbständig und unabhängig sein. Stadtv. G. SÄulz: Daß 13 Pf. für daS Bad in Buch zu teuer ist, ebenso die Wäsche mit 26 Pf. pro Kilo, liegt daran, daß Buch noch nicht völlig ausgebaut ist. Nkan sollte etwas rascher an den Ausbau emeS Tuberkulosenheims in Buch hcrangeheli; dann kann auch die Zentrale besser ausgenutzt werden. Beim Kohleiicinkauf muß der Gehalt und die Heizkraft durch chemische Analyse fest­gestellt werden. Stadtrat Mielenh: Die Zentrale Buch befindet sich noch in unfertigem Zustande und kann noch nicht normal arbeiten. Immerhin gehen nicht unbedeutende Mengen von Wärme zurzeit verloren. Für die Beschaffung guter Kohle haben wir uns stetig