Nach allen Gesetzen der politischen Logik läge nichtsNäher, als daß sich deshalb doch schließlich die Junker zurNachgiebigkeit bequemten und die N a ch l a ß st e u e rschluckten. Aber die Begehrlichkeit der Junker ist eben maßlosund wird emsig geschürt durch das Zentrum. Das Zentrumläßt sich in dieser Aufputsch ungswktik einmal von seinenagrarischen Interessen, dann aber auch von seinem Haßgegen den Block und semen Vater, den Fürsten Bülow,leiten I Es macht die krampfhaftesten Anstrengungen, denBlockkanzler zu stürzen.Und nicht nur Zentrumsblätter, sondern auch in der«ationalliberalen Presse prophezeit man ernstlich den S t u r zB ü l o w s. Wird sich aber Bülow stürzen lassen, ohne nachArt der Silvesterstrategie noch einen letzten V e r z w e i f.lungs st reich, den einer neuen Reichstags-auflösung, versucht zu haben? Freilich wäre dasExperiment ein ungeheuer gewagtes— aber einem Bülow istschließlich auch das Unglaublichste zuzutrauen!Alles läuft in der Hauptsache auf die Frage hinaus: werwird sich unterwerfen? Werden die Agrarier nach-g e b e n, obwohl sie sich bereits auf eine unerbittliche Oppo-sition gegen die Nachlatzsteuer festgelegt haben und eine Nach-gicbigkeit ihrerseits die schwerste Erschütterung des Prestigesder Landbündler bedeuten würde— oder wird Bülow aufder Strecke bleiben?Die Sozialdemokratie kann in aller Seelenruhe derEntscheidung harren. Sie hält, wessen sich.das Agrariertumwohl mit minder ehrlicher Zuversicht rühmt, ihr Pulvertrocken und ihr Schwert geschliffen!Ob Bruderkrieg, ob Koalition der Bourgeoisie: derSozialdemokratie steht auf alle Fälle ein ebenso schwerer wiedankbarer Kampf bevor!ver Umgang äer italienischen Wahlen.Rom, den S. März.(Eig. Ber.)Das itaUenischc Proletariat hat alle Ursache, mit dem Ergebnisdes ersten Wahltages zufrieden zu sein. In der aufgelösten Kammerverfügte unsere Partei über 26 Mandate, und am 7. d. MtS. hates im ersten Wahlgang schon 32 Mandate erobert, während noch27 unserer Genossen in Stichwahl stehen! Wohl hat diesozialistische Partei auch Verluste erlitten; sie hat sechsMandate eingebüßt und wird in der Stichwahl wohl nochein weiteres verlieren. Wer von diesen Verlusten waren vier längstvorausgesehen worden: die Wahlkreise von Bozzolo, Veronal,Biandrate und S c i a c c a mußten von vornherein als ver-loren gelten, so daß in Sciacca überhaupt kein Parteikandidat auf-gestellt lvorden war. Ein schwerer und unerwarteter Schlag für diePartei war dagegen der Verlust der Wahlkreise von Empoli,Macerata und O st i g l i a, die als zun» festen Partcibestandgehörig gegolten hatten. Am schmerzlichsten ist der Verlust vonOstiglia, daS seit drei Legislaturperioden vom Genossen Gatti,der diesmal durch den Genossen Zanardi ersetzt worden war,vertreten wurde; der Parteikandidat erhielt 3714 Stimmen—300 mehr als bei den vorletzten Wahlen—. der Gegner 3828.Aber diese Verluste werden reichlich und überreichlich aufgewogendurch die Zahl und Bedeutung der Siege, die die Partei am vorigenSonntag errang. Den sieben verlorenen stehen 13 neu eroberteWahlkreise gegenüber, ungerechnet der 27 Stichwahlen, an denenunsere Partei beteiligt ist. Unter diesen Siegen sind solche vonbesonderem Werte, wie die Verdrängung des Klerikalen Santiniin Rom II durch B i s s o l a t i. der Sieg ThiesaS in Genua I,die Wahl des Maurers O u a g l i n o in B i e l I a. die Wieder-eroberung von Turin IV. wo Nofri 43S2 Stimmen erhielt.Ueberhaupt haben bei dieser Wahlschlacht die großen Städte, die inItalien nicht gerade zu den Hochburgen der proletarischen Organi-fation gehören, sich rehabilitiert. Wenn auch der Wahl BissolatiSin Rom mehr der Charakter einer antiklerikalen, als einer sozialisti-schen Kundgebung zukommt, so bezeichnet sie doch die Eroberungeines Mandats, das stets in klerikal-konservativen Händen gewesenwar und als uneinnehmbar galt; außerdem wurden in Rom zweiRepublikaner gewählt. Noch besser schließen Florenz und Turinab: in Florenz ist Pieraccini neugewählt. P e S c e t t iwiedergewählt und ein drittes der vier Mandate ist einemRepublikaner zugefallen. In Turin hat sich M o r g a r i fastkampflos behauptet, Nofri ist gewählt und C a s a l i n i umfünfzig Stimmen in Stichwahl gekommen. Venedig hat inallen drei Wahlkreisen Sozialisten zur Stichwahl gebracht. InMailand freilich ist lediglich der alte Bestand behauptet worden,'aber nan, entlich T u r a t i ist mit imponierender Stimmenmehrheit,ö17ü gegen 2451 Stimmen, durchgekommen.Was die übrigen Siege betrifft, so waren sie zum Teil von unsvorausgesehen worden. Daß Prampolini in Reggio Emiliagewählt werden würde, schien von vornherein sicher, aber erstaunlichist, daß er rund 5000 Stimmen erlangte. Auch die WahlBentinis in Castelmaggiore und PodreccaS inBudrio waren mit Bestimmtheit zu erwarten. Unerwartet unddaher doppelt erfreulich kommt dagegen die Wahl Merlanis inValencia, ManciniS in Pesaro, Trapaneses inOrvieto und MilanoS in Paterno(Sizilien). In diesendrei Kreisen ist freilich der Sieg mit knapper Mehrheit errungenworden.lieber den Ausfall der Stichwahlen darf man sich keinenIllusionen hingeben. Bekanntlich pflegt im zweiten Wahlgangdie Regierung alle ihre Machtmittel gegen unsere Kandidatenaufzubieten. Wesentlich für den Ausgang mehrerer Stich-wählen wird das Abkommen sein, das man mit denRepublikanern zu treffen hat. Besonderes Interesse hat dieStichwahl in Comacchio(Ferrara), wo der SyndikalistMarangoni gegen einen klerikalen Konservativen kämpfen wird;in Neapel steht Genosse Ciceotti in Stichwahl mit einemseiner neun Gegenkandidaten, ein Kampf, dem deshalb be-sondere Bedeutung zukommt, weil die sozialistische Parteidie einzige in Neapel ist, die cS bis jetzt gewagt hat'der Kamorra die Zähne zu zeigen. Da viele endgültige Resultatt»»ch fehlen, ist eine genaue Ueberstcht über die Aussicht der Stich-wähl zurzeit noch nicht möglich.Ob die Mehrheit des Ministeriums auch nur in geringein Maßedurch den Wahlausgang erschüttert wurde, läßt sich bisher nichtübersehen. Daß die Ministeriellen nicht zufrieden sind, läßt sich ausdem Verhalten der.Tribuna* entnehmen, die es nicht ver-schmäht, sieben der von der Partei eroberten Mandate ihren Leserneinfach zu unterschlagen. Bis jetzt sind den Republikanern undRadikalen 47 Mandate gesichert gegen 41, die sie in det vorigenKammer hatten; weiter sind sie an 18 Stichwahlen beteiligt. Aufalle Fälle wird w der neuen Kammer die äußerste Linke eine nichtunwesentliche Verstärkung erfahren. Wie die Klerikalen abschneiden,ist noch nicht zu übersehen. Eingebüßt haben sie keines ihrerMandate.Die Shndikalfften haben sich überall außer in Comacchio,wo auch die Partei für ihren Kandidaten stimmte, mit recht kümmer-lichen Abstimmungen begnügen müssen. So haben sie in den Mai-länder Wahlkreisen 7, 9, 13, 103 und 117 Stimmen davongetragen;in Parma einige 500, in Sanpierdarena 270. Aber diese270 Stimmen haben genügt, um Genossen Chiesa in die Stichwahlzu bringen.Fast überall ist ein sehr bedeutender Stimmen-zuwachS der sozialistischen Kandidaturen zu verzeichnen.Die Arbeiterschaft Italiens hat gezeigt, daß die Lehre verletztenfünf Jahre für sie unverloren war. Die Gegner haben ihr überallnach Kräften den Sieg streitig gemacht. Was erzielt worden ist. istein Ergebnis äußersten Kraftaufwandes; die Statistik der Stimmen-zahl wird zweifellos zeigen, daß der 7. März eine weitere Stufebezeichnet jenes stetigen mühe- und kampfvollen Aufstieges, den dasitalienische Proletariat unternommen hat, auf dieselben Methodengestützt, auf dieselben Ziele gerichtet, wie die klassenbewußte Arbeiter-schaff der ganzen Kulturwell.Die Kriegsgefahr beschworen?AuS Wien wird uns vom 11. März geschrieben:Darf die Welt aufatmen, daß die Kriegsgefahr, die seitMonaten auf ganz Europa lastet, beschworen sei? Hai man inder serbischen Zirkularnote, die heute durch die serbischen Ge-sandten den Kabinetten alker Großmächte überreicht wurde,jene Wendung zu erblicken, die von der Drokxung des Kriegesfernab führt und eine Periode der Beruhigung einzuleitenbestimmt ist? Die Diplomaten und ihre Offiziösen be-haupten es, aber die Völker haben-trotzdem alle Ursache, aufder Hut zu sein und des im Osten glimmenden Feuers zuachten, das unvermutet zu einem Brande entfacht werdenkönnte, der den Frieden Europas verzehrt.Würde es auf Worte ankommen, so wäre die serbischeNote untadelig, und man würde den ganzen Konflikt zwischenSerbien und Oesterreich-Ungarn als erledigt erachten können.Denn Serbien erklärt den Mächten mit den bestimmtestenWorten, es verlange von Oesterreich-Ungarn„aus diesem An-laß" keine Entschädigungen,„weder territoriale, noch poli-tische, noch ökonomische": es übergebe vielmehr seine Sache„ohne Reserve" den Großmächten als dem„kompetenten Gc-richte". Aber damit sagt Serbien nur etwas, was selbswer-ständlich und wovon das Gegenteil zu sagen eben unmöglichwar. Denn daß Serbien„aus Anlaß" der Umwandlung derOkkupation in die Annexion keinerlei Rechtsanspruch ge-Wonnen hat, dgß es also keinen formulieren und erhebenkann, ist klar; denn Serbien gehört überhaupt nicht zu denSignatarmächten des Berliner Vertrages, und ihm ist mitder Annexion weder ein Besitz, noch irgendein rechtlicher An-spruch geschmälert worden. Nach der„Zession" der Souve-ränität durch die Türkei an Oesterreich-Ungarn erscheint dieAnnexionLfrage juristisch als bereinigt: wo ein Rechtsgrundmangelt, kann ein Rechtsanspruch natürlich nicht aufgebautwerden. Freilich ist sie nur j u r i st i s ch erledigt, und dasnimnit der serbischen Erklärung für die Frage, die dieeuropäische Welt bewegt, für die Frage der Kriegsgefahr,jeden Wert. Würde der Streit zwischen Serbien und Oester-reich-Ungarn vor einem Handelsgericht zu entscheiden sein,so würde ihn Serbien wohl verlieren, denn formell steht allesRecht auf Seite der Großmacht, und das kleine Land, dasheute von Waffen starrt, vermag sich auf keinen wie immergearteten Rechtstitel zu berufen. Aber Kriege werden nichtbloß geführt, um Rechtsansprüche durchzusetzen, gewöhnlichist ihr Beweggrund die Frage nach der Macht. Und ob miteinem Rechtstitel ausgestattet oder' nicht: Serbien sieht inder Annexion die Tatsache, die ihm die Möglichkeit, Bosnienund Herzegowina in seinen Besitz zu bringen, endgültig zuentziehen scheint. Solange die Länder von Oesterreich-Ungärn nur besetzt waren, waren sie der Großmacht noch nichteinverleibt, und wenngleich der Gedanke Serbiens, sie Oester-reich zu entreißen, damals wahrscheinlich nicht weniger aben-teuxrlich war als er es jetzt ist, so hat dennoch erst dieAnnexion, die den serbischen Hoffnungen ein so schneidendesEnde bereitet hat, die Illusionen zu Machtansprüchen er-hoben. Die Frage ist also nicht, was Serbien sagt; die Frageist, was Serbien zu tun gedenkt. Und darauf gibt dieZirkularnote, so gewandt die eigentlichen Absichten in ihrauch verschleiert werden, eine Antwort nicht. Wer erwartethat, daß Serbien erklären werde, es erkenne die Anstexionan, und wolle sich mit ihr abfinden, indem esseinen Willen auf Erwerb und Besitz des einstmals okku-Vierten, nun von Oesterreich-Ungarn einverleibten Landesaufgebe, der ist gründlich enttäuscht worden. Und wer ge-meint hat, von dem aufgewühlten Lande eine solche Er-klärung gewärtigen zu können, der hat die politische, dienationale und die wirtschaftliche Lage, in der Serbien,gleichermaßen durch eigene wie durch fremde Schuld, heutesteckt, gründlich verkannt.Die Wahrheit ist, daß Serbien seine Hand nach den zweiLändern ausstreckt, deren Besitz ihm die nationale Einheitund wirtschaftliche Entwickclung verbürgen soll, ohne die esalso nur ein staatlicher Torso bleibt. Daß cS sich in diesemStreben durch den Mangel an Rechtstiteln nicht aufhaltenlassen wird, ist selbstverständlich; findet es doch sein Recht inden Notwendigkeiten seines nationalen Lebens, die einemVolke als Grund noch immer genügt haben und jedem aus-reichender erscheinen denn Traktate und vergilbte Perga-mente. Deshalb ist es ganz klar, und daS Gegenteil zu behaupten, scheint eine Torheit: daß die Gefahr des Kriegesnur von Serbien droht; denn sie droht immer nur von demfordernden Teil. Gerade derjenige, der die Situationdes wie in einem Käfig eingcfangenen Landes unbefangen zubeurteilen vermag, gerade der muß anerkennen, daß denKrieg nur Serbien will: weil Serbien es ist, welches dieLandkarte verändern, durch den Krieg etwas durchsetzen will,was ihm ohne Krieg nicht werden kann. Daß es in seinerwilden Entschlossenheit, die das kleine, vor Jahr und Tagnoch ganz unbeachtete Land, heute zum Schrecken Europasgemacht hat— dürften doch alle Staatsmänner Europas nunjeglichen Tag Wohl zuerst fragen, was Serbien mache undwas in Serbien geschieht— auf alle Größenverhältnisse ver-gcssen kann und unter Umständen auch den Krieg mit einergroßen Militärmacht zu wagen imstande ist, kann gleichfallsnicht bezweifelt werden, wenngleich die Zirkularnote anzu-deuten scheint— und darauf beruht nun im Wesen dieFriedenshoffnung—, daß trotz aller Rüstungen und Rada-montaden Serbien einen Krieg scheuen wird, bei dem es derhelfenden Unterstützung, ja auch nur der Billigung Rußlandsentraten müßte. Aber dieses Zurückweichen wird und kannnach der Sachlage nur ein vorläufiges sein; immer wirdOesterreich-Ungarn diesen Feind im Rücken haben und jedeinternationale Verwickelung wird ihm dadurch gesteigertwerden, daß Serbien auf den Moment, der ein Losschlagenermöglicht, lauern wird. Die serbische Kriegsgefahr, die inder nationalen Leidenschaft des serbischen Volkes seineWurzeln hat, wird über Europa lange, brüten.Damit soll natürlich nicht gesagt fem, die Macht-haber in Oesterreich-Ungarn unter Umständen an den Ausbruch eines Krieges nicht schuld werden könnten, und�ichougar nicht, daß sie an der Gefahr des Krieges keine Schuldtragen. Alle diplomatischen Finessen beiseite gesetzt, handeltes sich darum, daß die Militärmonarchie, vor die Möglichkeiteines Krieges gestellt, den frevlerischen Entschluß fassenkönnte, ihn selbst herbeizuführen: wie es innerhalb der letztenMonate wohl mehr als einmal der Fall gewesen ist, und wiees, wenn seine Feinde Oesterreich nicht abschrecken und seineFreunde es nicht zurückhalten, wieder geschehen kann. FürOesterreich-Ungarn kann es aber, wenn es die Kriegsgefahrbannen und den Krieg vermeiden will, heute keine anderePolitik geben, als die des ruhigen Abwartens— desAbWartens, bis sich in Serbien die Besonnenheit einstellt, dieeinen Krieg mit einer zehnfachen Uebermacht als einen aus-sichtslosen und darum unsinnigen erkennt. Die Machthaberin Oesterreich-Unggrn in diesem Abwarten festzuhalten undvor jedem militärischen Uebermut zu bewahren, ist also dieAufgabe, die denen obliegt, die den Krieg hindern wollen.also vornehmlich der Sozialdemokratie. Aber die Erkenntnisdieser Aufgabe schließt auch jede Ermutigung der serbischenAnsprüche aus, woran sich gar nichts ändert, wie das Urteilüber ihre Berechtigung beschaffen sein mag.politische(ledersicbt.Berlin, den 12. März 1909.Die Beratung des Fforstetats.Die Beratung des Forstetats, die im Abgeordnetenhauss amFreitag begann und am Sonnabend fortgesetzt wird, bewegte sichdiesmal auf höhrrem Niveau als in früheren Jahren. GenosseBorgmann regte eine Frage von prinzipieller Bedeutung, dieFrage der Verpachtung der Staatsforsten, an. Gestützt auf ein reich-haltigeS Material, namentlich auf Zuschriften aus Försterkreisen,konnte er nachweisen, daß dabei nicht nur der FiskuS selbst eingutes Geschäft machen, sondern daß auch die Lage der Förster, diesich heute weit schlechter als die Oberförster stehen und oft zu unter-geordneten Diensten mißbraucht werden, dadurch gebessert würde.Der LandwirtschastSminister v. Arnim verhielt sich dieser An-regung gegenüber genau so ablehnend wie die Mehrheit»-Parteien. Allgemeine» Erstaunen erregte e», als Borgmann einenBrief vorzeigte, der ihm offenbar von einem Mitg liebe de»HauseS zugegangen ist,— er war auf einem amtlichen Bogen ge-schrieben— worin diese» Mitglied, allerdings ohne Nennung seine»Namens, die sozialdemokratische Fraktion bat. die Frage der Forst-Verpachtungen zur Sprache zu bringen. Den Herren von derBourgeoisie war die Mitteilung BorgmannS recht unangenehm, aberall ihr Reden und ihre umstrickten Verdächtigungen können die Tat-fache, daß der Brief nun einmal existiert, nicht aus der Welt schaffen.Der Brief ist nicht weniger echt als die Zuschriften der Förster.mögen sie nun dem Minister und seinen Freunden angenehm seinoder nicht. Selbst unter diesen Beamten bricht sich allmählich dieUeberzeugung Bahn, daß allein die Sozialdemokratie die wahre Ver-treterin ihrer Interessen ist._Professor Delbrück über die Stcuerhinterziehungcu.In der letzten Nummer der„Täglichen Rundschau"setzt Professor Delbrück seine Polemik gegen die bündlerischen Gegnerder Nachlaßsteuer mit ebenso viel Eifer als gewichtigen Gründen fort.Er schreibt unter anderem:„Ich habe in den.Preußischen Jahrbüchern"(Märzheft) nachgewiesen und diesen Nachweis in einem Artikel im„Tag"(2. März) ergänzt, wie außerordentlich schlecht unsere Steuer-Veranlagung ist. In Preußen hat die letzte Vermögen»-Veranlagung 9t, 6 Milliarden ergeben, während nach meinerBerechnung 155 Milliarden steuerbares Vermögen vor-Händen find. Ich gebe zu, daß in dieser Berechnung Ansätze sind,die sich anzweifeln lassen.... Zwar sind mir in der Preise nochkeine Fehler in der Rechnung nachgewiesen worden, aber ich selbsthabe bereits auf Grund neuer Informationen einige Korrekturenvorgenommen, und werde im nächsten Heft der.PreußischenJahrbücher" noch einmal das ganze Zahlenmaterial in revidierterForm vorführen. Soviel aber kann ich schon jetzt sagen, einigesgeht herunter, anderes geht heraus, eine wesentlicheVeränderung wird sich nicht ergeben. Der Unterschiedzwischen 9t, 8 und 155 Milliarden ist ja so horrende, daß,selbst wenn eS gelingen sollte, die 155 auf 150, auf 140 oder garauf 130 herunterzurechnen, der entscheidende Satz, daß die Ber-anlagungen weit unter dem wahren Wertbleiben, davon gar nicht berührt wird. Nun ist es abersicher, daß die Veranlagungen zur Einkommen st euer nochviel schlechter sind als die zur Vermögen»-st euer. Die Vermögenssteuer ist ja so gering, daß es sozusagen gar nicht der Mühe wert ist, zu gering zu deklarieren; beider Einkommensteuer aber, die mit den hohen Zuschlägen belastetist, scheffelt jede Stufe herauf oder herunter gewaltig. Einedirekte Kontrollrechnung, wie hoch tatsächlich das Volks-cinkommen im Vergleich zum versteuerten Einkommen ist. existiertleider nicht, aber da schon die Vermögenssteuer so weithinter der Wahrheit zurückbleibt, so kann man eSpsychologisch als gewiß ansehen, daß es bei derEinkommensteuer in noch viel höherem Matzeder Fall ist."Professor Delbrück betont wiederholt, daß das beste Mittelgegen eine Hinterziehung auch der Einkommensteuer die Nachlaß-steuer sei.Die Junker behaupten ja nun, daß ihnen da» mobileKapital an Virtuosität in Unterschlagung von Steuern nochweitaus überlegen und daß c» deshalb ungerecht sei, gerade denGrundbesitz in möglichster Vollständigkeit zur Steuer heran-zuziehen. Mit den Steuermogelcien des mobilen Kapitals mag c»ja nun auch seine volle Richtigkeit haben; allein wenn die Konfer-vativen sich trotzdem nicht scheuten, die Deklarationspflichtder Arbeitgeber für alle Arbeitereinkommen bis zu 3000 M.einzuführen, so ist es nur billig, daß jetzt auch sie einmal energischherangezogen werden!—_„Wildgewordene Profefsores."Die„Korrespondenz des Bundes der Land-Wirte" ist natürlich empört darüber, daß sich zu AdolfWagner auch der gleichfalls konservative Professor HansDelbrück gesellt hat, der noch schonungsloser als Wagnerdie Steuerdrückebergerei des Großgrtind-besitzes geißelt. Die bündlerischc Korrespondenz veröffentlicht zur Abivehr eine„ironisierende" Zuschrift eines Agrariers.der Herrn Delbrück bestreitet, daß er konservativ sei. DaSsei eilt„Mißbrauch deS Wortes". In der Zuschrift heißt eSdann:„Das Verständnis deS Herrn Delbrück für die Geschichteseiner Zeit, für ihre gewaltigen wirtschaftlichen Kämpfe und fürdie Täligkeit de» Bundes in diesem Kampf ist so abgrundtief,daß Herr Delbrück zweifellos sofort Professor werden müßte—wenn er eS nicht schon wäre. Wir glauben ja gern, daß derRegierung und den ihr zurzeit nahestehenden sozialenWeltbeglückern jede gesunde und kräftigeReaktion gegen den zunehmenden Staats»