L Beilage zumir. 78.Arbeiter-Sanitatskommisston.Mit bezug auf die Berichtigung des Besitzers von„M e y e r s-� o f". A ck e r st r. 132/133, haben wir inzwischen eingehende Nach-Untersuchungen vornehmen lassen. Dieselben ergaben, daß dieAnnahme unserer ersten Meldung, wonach der Haushalt zufünf Personen gerechnet wurde, in diesem Falle nicht zutrifft,so daß in Wirklichkeit aus 241 Haushaltungen nur 923 Köpfekommen und, die nicht im Hause wohnhaften Arbeiter der Werk-stätten eingerechnet, gegen tCivl) Personen sich aus die 34 KlosetZvertheilen. Auch dies« Dahlen(29—30 Personen aas1 Kloset) überschreiten um das Vielfache dasMatz des Zulässigen, um so mehr, als die Klosets keineordnungsmäßige Spülung haben, sondern nur 1—2 Mal täglichgeleert werden.Natürlich hat das wieder mal seinen guten Grund— indem Mangel an Wasser. Anschluß an die städtische Leitung be«steht nicht oder wird— der Kosten wegen— nicht benutzt; im3. Gebäude befindet sich ein Reservoir, das die Bewohner mitWasser von durchaus zweifelhafter Beschaffenheit versorgt. Wäh-rend die Klosets gespült werden, haben die Bewohner der oberenStockwerke kein Wasser.Sollle der Miethscrtrag der 12 Gebäude, die diesen Kasernen-komplex bilden, es Herrn Meyer nicht ermöglichen, mit demWasser weniger zu geizen, städtisches Leitungswasser und damitden Besuchern der Klosets die Gelegenheit zu schaffen, selbstnachzuspülen?Und da erklärt Herr Meyer, daß bei ihm„in hygienischerBeziehung soviel geschehe, als dies einem Privaten möglich sei"!Unsere Nachuntersuchungen haben aber außerdem so traurigeWohnungszustände\imb gesundheitsschädliche Mißstände gröbsterArt in Meyershos ergebe», daß auch diese zur Illustration obigerErklärung herangezogen werden müssen.Im Vorderhause und in den Quergebäuden befinden sich einegroße Anzahl 1>/s— 2 Meter unter dem Straßenniveau gelegeneGeschäftskeUer, Werkstätten, Lumpengeschäfle ec. mit dunkeln undfeuchten Kuchen, Wohn- und Schlasräumen. In die nach demHofe zu belegenen Räume läuft Regen- und Schneewaffer hinein;in der einen Kellerwohnung dringt Waffer durch die Decke undsind die Wände mit Pilzen bedeckt; in der andern wimmelt esvon Ungeziefer, ein Schlafbursche muß Lumpen und Säcke alsSchlafstelle benutzen; in die dritte scheint das ganze Jahr keinSonnenstrahl hinein, vor dem Fenster lagert Müll neben demüberfüllten Kasten u. f. iv.Weiler heißt es in den Berichten der Kontrolleure: DieWohnungen sind unmenschlich vernachlässigt, die Fußboden zumTheil verfault, Reparaturen unterbleiben, die Flure sind dunkelund schmutzig, Ungeziefer(darunter Maden bis 1>/s cm Länge)kriechen dieselben entlang, die Aufgänge sind für die große Zahlder Bewohner, namentlich bei Feuersgefahr, ungenügend. Woein zweiter Aufgang existirt, ist er vom Wirth als Verkaufs-oder Ausbewahrungsraum anderweitig vermiechet. Für alle In-saffen existirt nur eine kleine Waschküche, so daß die Miether ge-zwangen sind, in den Wohnungen zu waschen. Die Höfe sindebenso unsauber wie die Hausflure, rm Sommer ist es vor Ge-stank nicht auszuhalten u. s. s.Dem entspricht der Gesundheitszustand der Bewohner: WelkeKinder, kränkliche Frauen, bleiche Männer;«in Killerbewohnerbefand sich im vergangenen Jahr« wegen Choleraverdachtes imMoabiter Barackenlazareth.Aber— Herr Meyer erklärt, daß bei ihm in hygienischerBeziehung alles Mögliche geschehet!rokrnles.Arbeiter> BildungSschnle. Achtung! Gewerbe-gerichts-Beisitzer. Infolge mehrfacher Anfragen siehtsich der Vorstand veranlaßt, zu erklären, daß der Unterricht fürdie Gewerdegerichts-Beisitzer nicht in Form von Vorträgen, son-dern in Form eines regelrechten Unterrichts ertheilt wird.SonnkÄgsplrrudorei.K, C. Nun strahlt die Sonne vom lichtblauen Himmelhernieder. Und von den Weiden schimmern die weißlichenKätzchen, die Lerche probirt ihren jubilirenden Gesang unddie Amsel sucht eifrig hinter dem Ast ihr Notenlilatt, wosie es im vorigen Jahre liegen ließ. Es ist Frühling, undfrohen Muthes und voll Hoffming blickt der Mensch in dieZukunft.i So ist eS in jedem Jahr, und jedes Jahr löst sich Hoff-nung mit Enttäuschung, Freude mit Schmerz ab. DieOsterglocken ertönen heute friedlich und fromm über Bergund Thal, und sie erzählen die Legende vom auferstandenenChristus und die Wahrheit von der wiedererstehenden Natur.Und der Hase hat seine Ostereier prompt gelegt, und nundrückt er sich mit seinem Weibchen in das sprießende Ge-düsch,�und kichernd'erzählen sie sich von dem Dutzend jungerHäschen, welche ihnen bald Vater- und Mutterfreuden be-reiten werden. So herrscht auch bei den Menschen an Fest-tagen eine gewisse Friedensstimmung, nur bei Herrn Ahl-warbt und den übrigen zielbewußten Antisemiten will sienicht recht zum Turchbruch kommen. Wem zweiZentner Aktenmakulatur auf dem Herzen ruhen,'der hat schwerer daran zu tragen, wie Atlasan der ganzen Welt, und wäre nicht Herr Schweinhagenmit tollkühnem Opfermuth für den Rektor aller Deutschenin die Bresche gesprungen, so wäre letzterer wahrscheinlichschon unter der Last zusammengebrochen. Aber das istwirklich recht hübsch von der Natur eingerichtet, daß stets,wenn die Roth am höchsten ist, der Retter in allernächsterNähe auftaucht. Tritt Herr Ahlwardt mit dem frohenMuth naivster Unkenntnis in die Schranken, ist ihm dieGabe verliehen, beispielsweise mit einer gewissen Objektivitätüber den Jnvalidenfonds zu urtheilen, weil ihm diese Ein-richtung gänzlich unbekannt ist, so sieht die Welt in seinemGenossen Schweinhagen einen nennmal gehäuteten Charakter,der vollgesogen von allen Wandlungen, deren die mensch-liche Seele fähig ist, mit dem ganzen Mannesmuth Jhring-Mahlow'scher Provozirungskünste und ausgerüstet mit dem«subtilen Scharfsinn, wie ihn der verflossene Polizeirath Krügerseinen strebsamen Zöglingen einzuimpfen verstand, nunmehr auf!dcm Kampfplatz erscheint, um alles das, was gegen Schweine-fleisch«ine rituelle Abneigung besitzt, mit Stumpf und Stielauszurotten und vom Erdboden zu vertilgen. Die anti-semitische Sache hat eine unschätzbare Kraft an diesem ur-germanischen Kämpen gefunden.„Man muß den Feindvernichten, wo man ihn findet," das ist der glorreicheVorwärts"Sonntag, den 2. April 1893.In der diesbezüglichen Verhandlung des Vorstandes mit denHerren Rechtsanwälten Heine, Freudenthal und Stadthagen,haben diese ausdrücklich erklärt, nur in einem regelrechten Unter-richt, an der Hand von praktischen Beispielen, den in Fragekommenden Stoff behandeln zu können.Der Vorstand hofft, daß dieser Hinweis genügen wird, umeine recht rege Betheiligung zu veranlassen. Die Dauer desUnterrichts ist auf ein Vierteljahr festgesetzt und beginnt amSonntag, den 9. April er.(Näheres siehe Lehrplan.) Anmel-düngen werden noch von dem Kassirer der Arbeiter- Bildungs-schule. H. Gumpel, Barnimstr. 42, entgegen genommen. Schrift-liche Meldungen wolle man mit dem Vermerk:.Gewerbegerichts-Beisitzer" versehen.Bezüglich des Unterrichts für Vereinsvorständ« ist zu be-merken, daß die Betheiligung an diesem Unterricht auch Nicht-Vorstandsmitgliedern freisteht, nur ist auch hier eine recht zeitigeAnmeldung erforderlich.Außerdem verweist der Vorstand auf die für jeden Arbeiterso wichtigen Fächer: Geschichte, Nationalökonomie und Phy-siologie.Der Unterricht im letzteren Fache ist leider bisher von denArbeitern sehr stark vernachlässigt worden. Es scheint, als obüber die Bedeutung dessen, was man unter Physiologie versteht,große Unklarheit vorhanden ist.Die Physiologie ist im allgemeinen die Lehre vom mensch.lichen Körper. Sie untersucht die Lebensbedingungen desselbenund erklärt die Funktionen der einzelnen Organe, ihre Zu-sammenwirkung. Die Physiologie hat nicht nur theoretischen,sondern auch einen hohen praktischen Werth für den Arbeiter.Sie verschafft ihm die Kenntniß von sich selbst; sie lehrt: denKörper vor Krankheit behüten und zeigt, was es heißt, Vernunft-gemäß leben. Da dies dem Arbeiter, infolge der Heuligen Pro-duklionsverhältnisse, in den wenigsten Fällen möglich ist, so hatdie Physiologie auch einen bedeutenden agitatorischen Werth.Namentlich tritt dies bei der Ernährungsfrage, Gesundheitspflegeu. s. w. zu Tage.Der Unterricht ist deshalb nach jeder Richtung von hoherBedeutung, und zu wünschen, daß eine recht rege Betheiligungstattfindet. Namentlich wäre es gut, wenn sich grade an diesemUnterricht mehr Frauen betheiligen würden, als dies bisher derFall war.Tie Dauer eines Kursus beträgt ein Jahr, jedoch können,da in bestimmten Abschnitten unterrichtet wird, auch währenddieser Zeit neue Schüler und Schülerinnen eintreten.Um Jedem Gelegenheit zu geben, sich über die Art desUnterrichts Kenntniß zu verschaffen, weisen wir darauf hin. daßder Besuch für sämmllicho Fächer, in der ersten Woche desSemesters Jedem, auch Nichtmirgliedern, unentgestlich freiueht.Der Vorstand.Zur gest. Beachtung. Am Dienstag, den 4. April(dritterFeierlag), Nachmittags 2 Uhr, findet für die Schüler und Mit-glieder der Schule eine Besichtigung der Glasfabrik von Evertund Neumann, Stralau, Dorfstraße, neben der Reischach'schenBrauerei, statt. Die Theilnehmer versammeln sich am Eingangedaselbst.Szene au» de« Schneiderstreik. Getreu«ach dem Leben.Der Geschäftsinhaber hat, nachdem der Ring aufgehoben, seineArbeiter zur Verhandlung herbeiholen lassen, die in dem ge-räumigen Laden stattfindet. Es entspinnt sich folgendes Gespräch.Arbeitgeber: Also Sie verlangen 25 Prozent Lohnerhöhung;begreifen Sie denn nicht, daß ich bei dieser Forderung bankrottgehe? Arbeiter: Wir müssen auf diese Forderung bestehen,weil wir mit dem bisherigen Lohne nicht mehr auskommen.Arbeitgeber: Ich kann nichts bewilligen, das Geschäft ver-trägt es nicht, meine Kundschaft zahlt nicht, nehmen Sie dochVernunft an. Arbeiter: Wenn die Kundschaft wüßte, unterwelchen Verhältnissen wir leben, sie würde gerne den Betrag,welchen der Arbeitslohn mehr ausmacht, bezahlen.Es tritt ein Stunde in den Laden. Die Arbeiter gehen aufden Wink ihres Chefs in den Nedenraum.Kunde: Bekomme ich bald meinen, vor acht Tagen be-Grundsatz des glorreichen Vorkämpfers für die gute Sache,und sind erst alle Juden in derselben gründlichen Weiseum ihre Ersparnisse gebracht, wie jene arme Erzieherinsemitischen Ursprungs, so wird in naher Zeit auch in allenSynagogen ein brausendes„Deutschland, Deutschland überAlles" ertönen, und wider seinen Willen wird sich HerrEugen Richter im antisemitischen Zukunftsstaat befinden.Entweder hat Herr Schweinhagen den Stein derWeisen entdeckt oder ein zweites Et des Kolumbus ge-funden. Keins seiner vieler Vorbilder hat in jener grund-legenden Weise verstanden, praktische Politik zu treibenwie er. Hebt er m einer antisemitischen Volksversammlung drohend die eine Faust empor, um jeden Schwarz-haarigen niederzustrecken, so befinden sich die schlanken Fingerseiner anderen Hand in dem Portemonnaie seiner jüdischenGeliebten— eine treffliche Illustration des Bibelwortes,welches sagt, daß die Rechte niemals wissen soll, was dieLinke thut. So macht man den verhaßten Feind unschädlichund übt zugleich praktisches Christenthnm. Aber solcherMänner bedarf es in der heutigen schweren Zeit, um dasgefährdete Gemeinwesen zu retten, und wem ein wahrhaftdeutsches Herz im patriotischen Busen schlägt, der lege seinHaupt vertrauensvoll in Schweinhagen's Schooß, er darfüberzeugt sein, daß er in der geschicktesten und schmerzlosestenWeise gefledert werden wird...Und Osterfriede und Osterfrende überzieht heute dieganze Menschheit. Ist unsere Zeit vorwiegend eine waffen-klirrende und waffenstarrenve, tobt der Streit der Parteienhauptsächlich um vermehrte oder verminderte Kriegsbereitschaft,so dars der Friedensfreund doch nicht verzweifeln, denn auchin dieser Frage gehen wir einer baldigen Lösung entgegen.Der Miluärmoloch ist bisher vor nichts zurückgeschreckt, amliebsten hätte er gesehen, wenn heut zu Tage die Säuglingegleich mit dem erforderlichen Militärmaß zur Welt kämen,damit man mit ihrer Einstellung nicht erst bis zum zwanzig-sten Lebensjahre zu warten hätte. Man ist sogar soweitgegangen, im Ernstfalle national gefilmte Hunde anzustellen,die darauf dressirt sind, dem Erbfeind in die Waden zubeißen, und Kriegsmaschinen und Mordwerkzeuge besitzenwir soviel, wie der Esel graue Haare sein eigen nennt.Und nun kommt der Mannheimer Schneider Dave undwirft mit seiner kugelsicheren Erfindung nnser ganzes bis-heriges System über den Haufen. Urplötzlich sind wir indie Sagen des grauen Allerthums versetzt. Siegfried, derteld der Nibelungen, ging daran zu Grunde, daß derchneider Dave damals noch nicht geboren war. Hätte sichder blonde Heros zwischen seinen Schulterblättern statt desmer Vollsblatt.19. Jahrg.stellten Paletot. Geschäftsinhaber: So bald wie derStreik meiner Arbeiter beendet ist. Kunde: Bewilligen Siedoch, ich habe mich überzeugt, daß die Leute nichts Unvernünftigesverlangen. Geschäftsinhaber: Da sind Sie falsch unter«richtet; bei den ausgezeichneten Löhnen, die ich schon jetzt zahle,verlangen meine Arbeiter trotzdem noch 30—35 pCt. Ist dasnicht unverschämt? 25 pCt. habe ich geboten, aber dafür arbeitetkein Mensch. Kunde: Das ist unerhört; dann werde ich nochwarten. Adieu!Die Arbeiter treten wieder in den Laden.Arbeiter: Wenn Sie Ihrer Kundschaft vorrede«, wirverlangen 80—35 pCt., weshalb bewilligen Sie dann nicht dieverlangten 25? Arböitgeber: Das ist Geschäftssache. Werzu den früheren Löhnen nicht weiter arbeiten will, läßt es ebensein; ich werde schon Arbeiter bekommen. Bewilligt wird keinPfennig.Ein Beitrag zur Lohndrückerei. In Berlin werde» seiteinigen Jahren jährlich 80 bis 100 000 Quadratmeter Straßenmit Asphalt belegt, diese Arbeilen werden an sieben Firmenvergeben und zwar außer Submission. Der Preis für hergestellteAsphaltfläche ist für alle sieben Firmen ein gleichmäßiger, sowieauch die den Unternehmern überwiesene herzustellende Fläche s,ziemlich die gleiche ist. Nun zahlen sechs der Firmen auch anihre Arbeiter einen gleichen Lohn(wenigstens einen gleichenMindestlohn) von 30 Pf. pro Stunde bei zehnstündiger Arbeits-zeit. Nur die Firma Berliner Asphalt-Gesellschaft Kopp u. Ko.macht eine„rühmliche" Ausnahme. Diese Firma zahlt ihrenArbeitern mit wenigen Ausnahmen 25 Pf. pro Stunde Mindestlohn,und damit der Ausfall nicht zu empfindlich erscheinen soll.hat sie die elsstündige Arbeitszeit eingeführt. Dieser„hohe" Lohn wird von der Firma auch nur noch andie bei Straßen- Betonarbeiten beschäftigten Arbeiter gezahlt.während die beim Ausstopfen und Ausgießen der Fugenim Steinpflaster(welches die Firma auch übernimmt) nur22i/s Pf. pro Stunde erhalten. Wenn man nun bedenkt, daßdiese Arbeiten nur als sogenannte Saisonarbeiten gelten, da denLeuten jede Stunde, die wegen Regen gefeiert werden muß, ab-gezogen wird(bei Regenwetter kann und darf laut Bediugungnicht gearbeitet werden), so muß man sich wundern, wie dieLeute von diesem Lohn leben, sich kleiden, Micthe und Steuernzahlen sollen. Es dürfte daher auch wohl Sache der Stadt sein,dastir zu sorgen, daß für Arbeiten, welche sie vergiebt, auch dieArbeiter einen Lohn erhallen, der ausreicht, ihre Familie zu er-nähren, daß diese nicht noch der Armenrnilerstützung versallen.Die Stadt sollte bei der Vergebung ihrer Arbeiten nicht noch dieLohndrückerei befördern Helsen und diejenigen Unternehme? vonvorn herein ausschließen, welche die Stadt dadurch schädigen,daß sie das Arbeiterelend nur noch erhöhen.Z» dem Artikel„Die Berathung des Wuchergesehei' i«Nr. 77 geht uns folgende Berichtigung zu:Die Familie Ohm, bestehend ans Mann, Frau und zweiKindern, hat in dem genannten Hause 12>/e Jahre gewohnt.Der Ehemann Tischler(Einsetzer) verdiente wöchentlich, wie ichin Erfahrung brachte, 30 bis 36 M. und bemühte sich die ersteZeit, die Wohnungsmiethe einigermaßen zu entrichten; biS zumJahre 1837 restirte der p. Ohm, der sich dem Trünke ergebenhatte, bereits für 6 Monate die Miethe. Durch die Gut-Herzigkeit des Eigentümers und infolge fortwährendenBiltenZ der Frau Ohm, welche wegen der Lüderlich-keit ihres Mannes stark arbeiten mußte, ist esderselben möglich geworden, die restirende Miethe in kleinenRatenzahlungen zum Theil zu entrichten. Sonach hat sich FrauOhm gequält, ihren dem Trünke ergebenen Mann auch noch zuernähren. Ich gebe zu, daß Frau Ohm von einer schleichendenKrankheit befallen wurde und jetzt noch nicht gesund ist— wo-durch hat sich aber dieselbe die Krankheit zugezogen? Erstens:Durch grobe körperliche Anstrengung, um den Unterhalt für sichund ihre Kinder zu gewinnen und allen Menschen gerecht zuwerden. Zweitens: Hat der p. Ohm seine Ehefrau inseinem fortwährenden trunkenen Zustande geschlagen unddie Nächte in kalten Wintertagen ans Flur undrothen Kreuzes nur ein Stückchen von dem undurchdring-lichen Mannheimer Stoff angeheftet, so wäre der Speerdes grimmen Tronje Hagen an seiner Kehrseite abgeprallt,als würfe man eine Erbse gegen eine Festungs-mauer, der Nibelungenhort wäre unter die recht-mäßigen Erben vertheilt— die große Tragödie hätte nie-mals stattfinden können.— Achilles, der strahlende Heldder Jliade, fand bekanntlich ein vorzeitiges Ende, weil ihmder Räuber der schönen Helena hinterlistig einen Pfeil inseine sprichwörtlich geworbene Ferse schoß. Was hätten einPaar Stiefel aus Dave'schem Stoff bei dem hellenischenHelden nicht Wunder gewirkt— nimmer hätte der Un-verletzliche trauernd in den Orkus fahren brauchen, erwäre vielleicht an Altersschwäche, aber niemals an einemPfeilschuß gestorben.Doch eine gute Erfindung kommt niemals»u spät.Wenn es die Helden unserer Tage bisweilen für zeitgemäßhalten sollen, der Natur durch sanfte Polsterungen vonWalte nachzuhelfen, so wird dieses Schönheitsmittel heuteeinfach ein Bedürfniß werden. Fehlen dem Lieutenant dieWaden, so tritt Herr Dave ein, wölbt sich unter derglänzenden Uniform eine auffallende Hcldenbrust, soträgt man, um sein geliebtes Leben dem' Vaterland zuerhalten, höchstens ein Korset von Dave, und Niemandwird hierin ein Zugeständniß an die Eitelkeit erblickenkönnen. Und wirkt die Davc'sche Erfindung nicht auch fürZivilisten bahnbrechend? Der Oberbürgermeister Zelle stiegneulich in die Eskarpins, wir wissen allerdings nicht, welcheFigur er spielte, dazu reicht unsere Phantasie nicht aus,aber dürfte Herr Dave nicht auch in dieser Beziehung Dankverdienen, wenn er das Haupt unseres städtischen Gemein-wesens durch ein Paar bombensichere Eskarpins vor einemFall auf dem glatten Boden unseres höfischen Parketts ge-sichert hätte?So sehen wir freudigen Blickes der Entwickelung unserermilitärischen Verhältnisse entgegen. Unser herrliches Krieges-Heer wird im Gefühl seiner Unverletzlichkeit unüberwrndlichwerden, es kann dem Steuerzahler daher auf die Bc-willigung der Militärvorlage,„voll und ganz", wie es dieRegierung will, garnicht ankommen. Der Schluß ist zwarnicht ganz logisch, aber in einer Zeit, wo das Geldjudcn-thum von seinen Vorkämpfern aufgefordert wird, aus Furchtvor dem Aiitisemitismus auch für die Militärvorlage ein-zutreten, bedarf es solcher kleinlicher Beigaben, wie logischeBeweisführung, überh pt nicht mehr.....I