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ihnen verhaßte Syndikatsbetvegung der Stavtsangestelltm aller möglichen Sünden und Verbrechen zu zeihen. Dabei kann eZ doch keinem Zweifel unterliegen, daß die taktlose Ungeschicklichkeit des Unterstaatssekretär Simyan einfach das Maß des Zornes zum Ueberlaufen brachte, der in den zurückgesetzten und verärgerten Subalternbeamten seit langer Zeit gärte und kochte. Die Scharfmacherei der reaktionären Presse ist um so läppischer, aks die Bewegung sich bisher von geringen und geringfügigen Ausnahmen abgesehen in ruhigen Bahnen bewegt hat; be- rücksichtigt man dazu, daß die Arbeiterschaft ihren Leidensgenosscn im Veamtenrock die größten Sympathien entgegenbringt und daß französisches Temperament zum Ueberschäumen neigt, so ist die Ruhe, mit der sich der Konflikt abgewickelt hat und seinen weiteren Verlaus nehmen zu wollen scheint, doppelt und dreifach be- wundernSwert. Die Telegramme über die Situation in Paris   sind zum größten Teil zuungunsten der Ausständigen dermaßen gefärbt, daß es sich nicht lohnt, sie zu beachten. Wir registrieren für heute noch die folgenden: I Paris, 15. März. Heute Nachmittag schein! in den Bureaus des Haupttelegraphenamts die Ruhe wieder eingekehrt zu sein, aber infolge von Störungen, die durch Witterungsein- flüsse hervorgerufen sind, ist die telegraphische Verbindung, be- fonders mit Deutschland  , Dänemark   und England schwierig. Alle von den ausständigen Beamten verursachten Zerstörungen an den Tclegraphcnapparaten sind behoben. Paris  , 15. März. Das Polizeigericht hat heute sieben Post» b e a in t e, die bei den Kundgebungen am Freitag beleidigende Rufe gegen den Unterstaatssekrctär Simyan ausgestoßen haben, zu je sechs Tagen Gefängnis verurteilt. Paris  , 15. März. Heute nachmittag veranstalteten Angestellte der Hauptpost, als sie von der Verurteilung mehrerer Postbeamten erfuhren, neuerdings Kundgebungen gegen die Verwaltung. Um -P/2 Uhr erschienen Unterstaatssekretär Simyan und Polizeiprä fckt Lepine mit fünfzig Gardisten, die die Kundgebungen vor dem Hauptpostamt unterdrückten und vier Beamte verhafteten. Nach. her begab sich Lepine zum Ministerpräsidenten Clemenceau   zu einer Konferenz. Paris  , 15. März. Neue ernste Zwischenfälle erfolgten heute im Zcntralamt der Telcgraphenvcrwaltung in der Rue de Grenelle  . Eine Anzahl Telegraphcnbeamte weigerten sich, die Arbeit wieder aufzunehmen und richtete lebhafte Vorwürfe an die Kameraden, welche nachts über gearbeitet hatten und die rückständigen Tele- gramme beförderten. Eine Truppenabteilung mußte requiriert werden, um die Ordnung wiederherzustellen, was jedoch nicht ge» lang. Schließlich forderte der Unterstaatssekretär die Ausständigen auf, entweder die Arbeit aufzunehmen oder den Saal zu verlassen. Die Ausständigen zogen sich hierauf zurück. Paris  , 15. März. Nachdem die Postbeamten gestern abend in einer Verfammlung den Generalausstand verkündet hatten, berief Clemenceau   die Minister Barthou   und Briand   zu sich, um mit ihnen Matznahmen zu beraten, welche zu treffen sind, falls die Be- amten ihre Drohungen wahrmachen. In der Konferenz wurde beschlossen, daß alle Beamte, welche an dem Ausstand« teilnehmen, suspendiert werden sollen, eine Maßregel, welche der Vorbote einer endgültigen Amtsentlassung ist. Ferner wurde beschlossen, zur Sicherung des öffentlichen Dienstes das Militär in Anspruch zu nehmen. Paris  , 15. März. Wie aus der Provinz berichtet toird, dehnt sich die Streikbewegung der Postbeamten auch dort aus, namentlich in Lyon  , wo die Postbeamten be» schlössen haben, sich mit den Pariser   Kollegen solidarisch zu erklären, ebenso in Marseille  , wo Mittwoch eine große Versammlung der Postbeamten abgehalten wird, um zu der Streikbewegung Stellung zu nehmen. VmMches aus Oesterreich  . Die österreichische Presse hat vor der reichsdeutschcn eins voraus. Solche harten Verurteilungen wegen Preßvergehens, wie sie in Deutschland   alle Tage vorkommen, gehören in Oesterreich   zu den unerhörten Dingen. Leider hat diese er- freuliche Tatsache eine bedenkliche Kehrseite die K o n f i s- kationspraxis. Der Staatsanwalt hat es in der Hand, alle Prcßerzeugnisse, die ihm nicht gefallen, kurzerhand zu konfiszieren. Im objektiven Verfahren spricht dann das Ge- richt sein Urfeil über die beanstandeten Stellen. Bestätigt eS die Konfiskation, so sind die angeblichen verbrecherischen Stellen»mterdrückt, sofern nicht das OberlaudeSgericht als höhere Instanz die Entscheidung aufhebt. Der Verfasser oder der verantwortliche Redakteur geht bei dieser Konfiskationsprapis frei aus, die Gedanken aber werden gemordet. Die Opfer, die die Personen zu bringen haben, sind geringer alS in Teutschland, die Schädigung der Sache aber schlimmer, da diese bequeme Praxis natürlich die Willkür der Justizbehörden großzieht. In ruhigen Zeiten ruht die Waffe der Konfiskation, sobald aber nationale oder soziale Erregungen den Staat durchzittern, so wird sie hervorgeholt und rücksichtslos angewendet. Daß sie nicht nur der politischen Presse, sondern auch der Wissenschaft gefährlich werden kann, zeigt die schon in der Sonntagsnummer kurz gemeldete Konfiskation der tschechischen Ucbersctzung des K a u t s k y schen WerkesEntstehung des Christentum?" zu Pra g. Die Konfiskation ist ein Abkönimling der vormärzlichen Zensur und sie verleugnet ihren Ursprung nicht. Die Zensur war berüchtigt wegen der Verständnislc'ig'eit und Rück- ständigkeit, mit der ihre Träger daS verächtliche Handwerk übten, wegen der lächerlichen Anmaßung, mit der diese subalternen Geister über Dinge zu Gericht saßen, zu deren Beurteilung ihnen jedes Wissen fehlte. Die Konstskations- Praxis zeigt dieselben tvohlbekanntcn Züge. Man weiß nicht, was man an der Konfiskation, die die Prager Staatsanwalt- schaft an dem Buche KautSkyS verübt hat, mehr bewundern soll, die geistige Beschränktheit, aus der heraus hier eine ernste wisfenschastliche Arbeit verstümmelt wird, weil etwas darinnen steht, was mit der Lehre der Kirche nicht im Einklang steht, oder die jammervolle Unwissenheit darüber, daß der gefähr- liche Sozialift gerade in diesen beanstandeten Stellen nichts Eigenes gibt, sondern nur die Ergebnisse bürgerlicher Wissen- schaft darstellt, daß jeder wissenschaftliche Former, der nicht in die Dogmen der katholischen Kirche   eingezwängt ist, auch vom staatlichen Lehrstuhle verkünden muß. was die Prager Staatsanwaltschaft als für Staat und Kirche gefährlich glaubt unterdrücken zu müssen. Doch wir brauchen uns nicht lange um eine Charakteristik der Prager Konfiskation bemühen. Beredter als alle Worte, die wir finden können, sind die Taten der Prager Staats- anwaltschast selbst, sind die Stellen aus dem verstümmelten Heft, die der Konfiskation verfielen. Einige Proben. Es wurde konfisziert: .Wohl gilt Jesuö, wenigstens in den Kreisen der«Auf- geklärten" undGebildeten", nicht mehr als Gott, aber immerhin als eine außerordentliche Persönlichkeit, die auftrat mit der Absicht, eine neue Religion zu stiften, und dies auch mit dem bekannten ungeheueren Erfolg auch bewirkte.(Deutsche   Ausgabe. Seite 2, letzte Zeile bis Seite S, Zeile ö von oben.) Fest steht, daß von den urchristlichen Schriften nur die wenigsten von den Autoren herrühren, denen sie zugeschrieben werden, daß sie meist in späterer Zeit als der ihrer Datierung entstanden, und daß ihr ursprünglicher Text durch spätere Ueber- arbeitungen und Zusätze vielfach aufs gröblichste entstellt wurde. Fest steht endlich, daß keines der Evangelien oder der sonstigen urchristlichen Schriftstücke von einem Zeitgenossen Jesu   her- rührt.... Als da? älteste Evangelium wird jetzt das sogenannte Markus- Evangelium   angesehen, das jedenfalls nicht vor der Zerstörung Jerusalems   entstand, die der Verfasser durch Jesus   prophezeit werde» läßt, das heißt, die schon vollzogen war, als der Verfasser zu schreiben begann. ES wurde demnach wahrscheinlich nicht früher abgefaßt, als etwa ein halbes Jahrhundert nach der Zeit, in die man den Jesu Tod verlegt. Was es verzeichnet, ist also daS Produkt einer halbhundertjährigen Legendenbildung. Auf Markus folgt LukaS, dann der sogenannte Matthäus, endlich als letzter von allen Johannis, in der Mitte deS zweiten Jahrhunderts, mindestens ein Jahrhundert nach Christi Geburt  . Je weiter wir von Ansang an weiterschreiten, desto wunderbarer werden die Evangeliengesckichten. Schon Markus erzählt uns Wunder, aber sie sind noch harmlos gegenüber den späteren.... Andererseits kommt Psieiderer wie auch andere naK ein- gehender Untersuchung zu dem Schlüsse,daß das Lukas- Evangelium   noch nicht von der übernatürlichen Erzeugung Jesu  erzählt habe, diese Erzählung vielmehr erst später aufgekommen und dann durch Einfügung der Werse 1, 31 ff. und der Worte «wie man glaubte" in 3, 23 erst nachträglich in den Text ein- getragen worden ist".(Urchristentum I, S. 108.) Angesichts alle? dessen ist eS kein Wunder, daß schon in den ersten Jahrzehnten deS neunzehnten Jahrhunderts die völlige Unbrauchbarkeit der Evangelien als Quellen zur Geschichte Jesu von manchen Forschern erkannt wurde und Bruno Bauer   sogar dahin kommen konnte, die Geschichtlichkeit Jesu  völlig zu leugnen. Daß trotzdem die Theologen von den Evangelien nicht lassen können und auch die liberalen unter ihnen alle? ausbieten, deren Autorität zu erhalten, ist begreiflich. Was bleibt vom Christentum, wenn die Person Christi   aufgegeben wird? Aber um diese zu retten, müssen sie sich gar sonderbar winden und drehen.(Deutsche   Ausgabe, Seite 11, Zeile 8 von unten usf.) Diese Zitate ließen sich noch eine ganze Weile fortsetzen alle Stellen, die der Konfiskation verfallen sind, sind von gleichem Charakter wie die hier wiedergegebenen. Keine von ihnen enthält auch nur die kleinste Beschimpfung des kirch- lichen Dogmas oder gar der Religion. Nicht der leiseste Zweifel kann darüber walten, daß eS sich bei der Konfiskation um ein freches Attentat auf die Freiheit der Wissenschast handelt, daß die Schrift Kautskys lediglich deshalb verstümmelt werden soll, weil sie an die biblischen Schriften den Maßstab der torschung legt, statt sie gläubig als das gcofsenbarte Wort ottes hinzunehmen, wie es die katholische Kirche   will! Es ist noch nicht ausgemacht, daß die bornierte Auf- faffung der Prager Staatsanwaltschaft recht behalten wird, daß sie von den Richtern gebilligt wird. Aber daß überhaupt ein Prager Staatsanwalt die Möglichkeit hat. seine Un- wiffenheit und geistige Enge an einer wissenschaftlichen Arbeit zu dokumentieren, das macht die spezielle Prager Blamage zur allgemein österreichischen. Der Fall zeigt, wie dringlich die Reinigung Oesterreichs  von dem Schutt der vormärzlichen Zeit ist. DaS Werkzeug dazu ist da, das Parlament des allgemeinen gleichen Wahl- rechtS, das das Proletariat erkämpft hat und das es zur Kulturarbeit nützen will. Aber wie auf dem Gebiete der Sozialpolitik, so stellt sich mich hier der nationale Hader der ernsten Arbeit hindernd in den Weg. In der Freitagsitzung deS Abgeordnetenhauses, in der die wüste Konfisk�tionspraxis in Böhmen   von der tschechischen bürgerlichen Fraktion und den Sozialdemokraten an den Pranger gestellt wurde der sozialdemokratische Sprecher Jarosch geißelte auch die KonfiS- katton deS Kautskyschen Büches kamen die Deutschbürger- lichen der Regierung zu Hilfe I Denn die Konfiskationen treffen in der jetzigen Situation, wo die Tschechen in der Opposition stehen, zumeist die tschechischen Blätter, und also sind die Deutschen   damit zufrieden. Wär'S umgekehrt, so würden wieder die Tschechen die Zensoren schützen l Unser Wiener   Bruderblatt, dieArbeiterzcltnng", schreibt in ihrem Artikel über die Konfiskation des Kautskyschen Werkes zu diesem erbärmlichen Spiel, das die bürgerlichen Parteien des Parla- ments treiben: «Sind die Deutschen   der Regierung böse, dann schirmen die Tschechen jede Dummheit und jeden Uebergrist der Bureaukratte. Und weil jetzt der Abwechslung halber die Tschechen der Regie« rung gram sind, ist die Verteidigung der Polizei die Sorg« des deutschen   Bürgertums. So werden freilich weder die Tschechen noch die Deutschen   den alten Polizeistaat los; aber dieses törichte Treiben, aus dem nur bureaulratische Borniertheit Gewinn zieht, nennt man nationale Politik I" Unsere lvackeren österreichischen Genossen, die die bürger­lichen Parteien klug und tapfer zur Wahlreform gezwungen haben, werden in zäher Arbeit und ununterbrochenem Kampfe diese borniertenationale Politik", die beste Schutzwchr der vielen Reste des PolizeistaatS, die im neuen Oesterreich noch bestehen, überwinden müssen. Sie Salßaukrsse. Wachsende Kriegsgefahr. Die serbische Regierung hat endlich ihre A n t- wort auf die Aufforderung der österreichischen   Regierung. in direkte Verhandlungen einzutreten, erteilt. Die Antwort erfolgte in letzter Stunde, da die österreichische Regierung bereits entschlossen war, der serbischen eine b e st i m m t e Frist zu setzen, um die weitere Verzögerung unmöglich zu machen. Die Antwort entspricht den pessimistischen Erwar- tungen, die die fortgesetzten KriegSrüstungen und die Kriegs» hetze der Belgrader   Presse erwarten ließ, und sie bedeutet eine außerordentliche Zuspitzung des Kon- fliktes. Ihr Wortlaut ist folgender: In der serbischen Zirkulardcpc,che vom lt>. b. Mts., welche auch der kaiserlichen und königlichen Regierung, wie den Regie- rungen aller übrigen Signatarrnüchi« deS Berliner   Vertrages über- reicht wurde, hat die serbische Regierung ihren Standpunkt in der bosnisch  -herzegowinischen Frage dargelegt und dabei festgestellt, daß Serbien   von der Anschauung ausgehe, daß die rechtlichen Beziehungen zwischen Serbien   und Oesterreich» Ungarn un verändert geblieben sind, sotvie daß sie die Aus- Übung der nachbarlichen Pflichten und die Pflege der Beziehungen, welch« den beiderseitigen materiellen Interessen entspringen, auf Grund der Gegenseitigkeit mit ser Nachbarmonarchie fortzusetzen wünscht. Auf Grund dessen ist die königliche Regierung der An» ficht, daß sowohl den materiellen Interessen beiderseits als auch der Lage, welche durch den im Vorjahr abgeschlossenen Vertrag, der in Serbien   bereits Gesetzeskraft erlangt hat, geschaffen wurde, am besten entsprochen würde, wenn die Regierungen Oesterreichs   und Ungarns   den Parlamenten in Wien   und Budapest  diesen Handelsvertrag zur Annahme unter- breiten würden, obgleich der vorgesehene Termin für dessen Ratifikation abgelaufen ist. Durch die Annahme diese? Vertrages in den Parlamenten würde auch eine Unterbrechung in den Ver- tragsbeziehungen am sichersten vermiede» Nerven, Durch Ktu tverfussg dieses Vertrages würde cnliveder ein verläßlicher Aus­gangspunkt für eventuell« neue HandelsvertragSver- Handlungen erlangt werden, oder man würde sich im Gegen- teil auf Grund der Dispositionen der Parlament« und deren agra- rischen Strömungen überzeugen, daß man die Idee d e s A b» schlusses eines Tarifvertrages zwischen �Serbien   und Oesterreich-Ungarn   überhaupt aufgeben müsse. Für den Fall, daß Oesterreich-Ungarn   wegen der Kürze der Zeit oder wegen seiner parlamentarischen Verhältnisse den abgeschlossenen Handels- vertrag in den Parlamenten bis zum 31. März nicht erledigen könnte, ist die königliche Regierung bereit, dem Antrag zuzustimmen, daß die Gültigkeit dieses Vertrages provisorisch bis zum 81. De­zember des laufenden Jahres verlängert tverde." Die Antwort klingt wie Hohn. Statt Aufklärung bringt sie die Berufung aus jene andere Note, deren Zwei- deutigkeit und Hinterhältigkeit nichts weniger als den Willen zum Frieden erkennen ließ. Die serbische Regierung ist so gütig, der österreichischen   Regierung den Rat zu geben, den Handelsvertrag in den Parlamenten annehmen zu lassen, aber sie selbst lehnt alle direkten Bexhandlungen ab und fügt ihren Zweideutigkeiten auch nicht ein Wort der Erklärung oder des Entgegenkommens hinzu. Und dies, obwohl die Kriegsrüstungen in Serbien   und Montenegro mit ffieberhaftem Eifer betrieben werden und die serbische Presse unausgesetzt den Krieg mit Oesterreich als nationale Pflicht predigt. In O e st e r r e i ch hat das Bekanntwerden der ablehnen- den Antwort die pessimistische Stimmung der letzten Tage noch außerordentlich vertieft. Die österreichische Regierung er- klärt, zwar auch fernerhin die größtmöglichste Zurückhaltung bewahren zu wollen, aber doch auf einer raschen K l ä- rung der Lage bestehen zu müssen. Die serbische Regierung müsse sich entscheiden und der österreichische Gesandte in Bei- grad werde neue Vorstellungen erheben, für deren Beant- wortung der serbischen   Regierung eine kurz bemessene Frist gestellt sein werde. Gleichzeitig aber sollen jene Ar- meekorps, die für den Einmarsch in Serbien  bestimmt sind, an der Drina  , Sawe und Donau z u- sam mengezog en werden. Als Vorbereitung für einen eventuellen Krieg muß auch die Einteilung der Truppen in zwei Armeekorps betrachtet werden, deren Kommandierender der Thronfolger Franz Ferdinand   wäre. Generalstabschef wird Feldzeugmeister Langer. Führer des ersten Armeekorps wird Feldzeugmeister Albori, des zweiten Armeekorps General der Kavallerie Hlobucer. In der Tat betrachtet man in Wien   den Krieg mit Serbien   für wahrscheinlich. Der neuen Vorstellung werde das U l t i m a t u m folgen. Eine nochmalige I n t e r'- vention der Mächte böte nicht allzuviel Aussichten, da in Serbien   die Erregung zu groß sei und das serbische Volk mit der Unterstützung Rußlands   rechne. Aber nicht nur in dem von der Kriegsgefahr zunächst bedrshten Oesterreich, auch in London   und Paris   sieht man die Situation im Gegensatz zu dem Optimismus, der bis jetzt die Oberhand hatte, als außerordentlich ge- f a h r d r o h e n d an. Die französische   Regierung will noch einmal versuchen, durch eine neue Intervention den Kriegs- ausbruch abzuwehren. Es ist klar, daß dieser Versuch, soll er irgendeine Aussicht auf Erfolg versprechen, die volle Unter- stutzung der deutschen   Regierung wird finden müssen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden liegt selbst heute noch, nachdem das gefährliche Spiel mit dem Feuer, das Oesterreich begonnen, Rußland   und England so erfolg- reich fortgesetzt haben, den serbischen   KriegSfuror entzündet hat. weniger in Belgrad  , als in W i e n und Petersburg  . Hier muß die Entscheidung für den Frieden erzwungen werden, und sie kann vielleicht noch erzwungen werden, wenn Deutschland   und Frankreich   gemeinsam vorgehen und ihre Bundesgenossen zur Raison bringen. Die deutsche Regierung würde unverantwortlich handeln, wenn sie nicht ein vollständiges EinvernehmenmitFrank- reich zur Aufrechterhaltung des Friedens herzustellen ver- stände. Kriegerische Stimmung. Belgrad  , 15. März. Die Skupschtina nahm heut« den Gesetzentwurf über den Mini maltarif in erster Lesung an. In der Debatte führte der Finanzminister auS, die Skupschtina habe den im vorigen Jahre abgeschlossenen österreichisch. serbischen Handelsvertrag angenommen, die Parka- mente Oesterreich-Ungarns hätten daS bisher nicht getan, obwohl das Provisorium am 31. dieses Monats ablaufe. Der Jungradikale Simitsch billigte das Vorgehen der Regierung; der Nationalist R i v n i t s ch erklärte, die Skupschtina würde niemals eine Regierung unterstützen, die versuche, für wirtschaftliche Vorteile die nationalen Interessen zu verkaufen, für die alle Serben Hab und Gut, jaselbstihrLebenopfern würden. Der Fortschrittler Pawlowitsch betonte, Oesterreich- Ungarn   wolle wirtschaftliche Fragen mit politischen ver- quicken, aber kein Serbe werde für momentane wirtschaftliche Vorteile nationale Interessen preisgeben. Optimisten. Wien  , 15. März. Das«Neue Wiener Tagblatt" veröffentlicht ein Interview mit dem hiesigen serbischen Gesandten, welcher erklärt haben soll, er glaube, daß eS nichtzum Kriege kommen werde. Er kenne die Jniensionen der serbischen Regie­rung wie die der leitenden österreichischen Kreise. Weder dort noch hier wolle man den Krieg. Daher iverde es möglich sein, die strittigen Fragen, wie immer geartet sie auch seien, auszugleichen und friedlich zu lösen. Frankfurt   a. M., 15. März. Der Wiener   Korrespondent der «Frankfurter Zeitung  " erfährt zuverlässig, daß der Kaiser, der Thronfolger, Aehrenthal  , die beiden Regierungen und selbst der Generalstabschef das Acußerfte aufbieten wollen, den Krieg zu verhüten, der nach allgemeiner hiesiger Auffassung eine Vergeudung von Gut und Blut wäre. Türkische Vorkehrungen. Konstantinopel  , 14. März. Der heutige Ministerrat soll mit Bezug auf die Haltung Serbiens   und die Kriegs- gefahr darüber beraten, welche militärischen Vor- sichtSmaßregeln seitens der Türkei   nötig seien. Belgrad  , 15. März. Wie amtlich gemeldet wird, hat der Minister deS Aeußern den serbischen   Gesandten in Konstantinopel  beauftragt, aufs allerenlschiedenstt bei der Pforte des dort ver- breitete Gerücht, Serbien   beabsichtige, den Sandschak zu be- besetzen, zu widerlegen, denn Serbien   denke gar nicht an ein derartiges Abenteuer. Die bulgarisch  -türklsche Einigung. Sofia  , 15. März. Die bulgarische Regierung erhielt auS Petersburg   die offizielle Verständigung, daß mit Rifaat Pascha eine volle Einigung über die bulgarische Frage in folgendem Sinne erzielt worden ist: Erstens: die Türkei   akzeptiert 185 Millionen als Entschädigung von