den entscheidenden Schritt nicht tun wird, ihre Mitwirkung nicht auch jetzt versagen, wird Nußland den Ra! zur Ab- rüstung erteilen? Ist der Einfluß Frankreichs auf den Brindes- genossen groß genug, um neue Winkelzüge zu verhindern? Die nächsten Twge müssen die Antwort bringen. Denn ganz ausgeschlossen ist es noch immer nicht, daß in Serbien angesichts der drohenden Gefahr die Friedenspartei siegt. Wissen dock) auch Meldungen Londoner Blätter von einer der- söhnlicheren Stimmung zu berichten. Da ist es denn immerhin von einer gewissen Wichtigkeit, daß Oesterreich nicht durch allzu rasches Vorgehen diese wenn auch noch so schwachen Aussichten vereitelt. Und diese«! Er- folg scheint die diplomatische Aktion bereits erzielt zu haben. Die österreichische Regierung erklärt, die Absendung ihrer Note an Serbien noch um einige Tage verschieben zu wollen; sie soll statt am Sonnabend erst Montag überreicht werden. Offiziös wird die Verschiebung damit erklärt, daß dann die militärische Vorbereitung beendet und die De- nioustration der Streitkräfte auf Serbien größeren Eindruck machen werde, jedoch geht die Mobilisierung so rasch vor sich, daß dieser Grund nicht zutreffen kann. In Wien selbst behält freilich die pessimistische Stimmung, die namentlich durch das Bekanntwerden deS russischen Konfetenzprogramms außerordentlich verstärkt worden ist, die Oberhand. Die österreichische Presse bezeichnet die russische Note als einen Verrat am Frieden. Serbien , sagt z. V. die„Neue s�r. Presse", wäre längst beruhigt, wenn Nußland einen gemeinsamen Schritt der Mächte nicht der« hindert hätte. Nußland hat die Möglichkeit einer ruhigen Lösung erschwert, in dem unverkennbaren Wunsch, das Ge- schwur auf dem Balkan weiter eitern zu lassen. Rechnet man also auch mit der schreckensvollen Möglich- kelt eines Krieges, so ist doch von Kriegsbegcisterung nicht das geringste zu spüren. Viel eher herrscht das Gefühl der Er- bitter ung vor über die entsetzlichen Aussichten, die die Annexionsdummheit des Herrn v. Aehrenthal der überraschten Bevölkerung eröffnet, und die Opposition der Sozial- demokratie gegen den Wahnsinn eines solchen Krieges, gegen den unsere Genosse» im Parlament wie in der Presse den schärfsten Protesr erhoben haben, findet Zustimmung weit über die Kreise der Arbeiterklasse hinaus. Bulgarien fordert die Anerkennung. Sofia , l8. März. Wie aus NcgirrungSkreisen verlautet, hat die bulgarische Regierung die russische Regierung ersucht, den übrige» Großmächten die sofortige Anerkennung Bulgariens vorzuschlagen, nachdem die Kompcnsationsfrage bereits im Prinzip entschieden sei. Vertrauenswürdigen Nachrichten aus C e t i n j e zufolge soll eine montenegrinische Brigade mobilgemacht und gegen Spizza dirigiert worden sein. England«nd die Konferenz. London , 13. März. Unterhaus. In Beantwortung einer Anfrage betreffend die vorgeschlagene europäische Balkankonfe» r e n z erklärte der Staatssekretär des Auswärtigen Sir Edward G r e y: Die britische Regierung hat immer daran festgehalten, baß bezüglich der strittigen Fragen eine vorherige V e r- ständigung zwischen allen Mächten getroffen werden sollte, bevor die Konferenz einberufen wird. Die Verhandlungen sind noch im Gang«. Ich bin außerstande, zurzeit weitere Mit- teilungcn zu machen. Der Ashllieg der italienischen Sozialisten. Rom , Ib. März 1900. DaS Ergebnis der Stichwahlen, deren 11 von 28 zum Vorteil unserer Partei ausschlugen, gestaltet den Wahlausgang vom 7. und 11. März zu einem echten und rechten Sieg der Sozialisten. An Stelle der 26 Mandate, die wir bei der Kanunerauslösung innehatten, verfügt die Partei im neuen Parlament über 42. Es ist dies ein erfreulicher Zuwachs, der nur in dem des JahreS 1000 ein Gegenstück hat, als unsere Partcifraktion von 16 auf 33 Mandate stieg. Aber während der dainalige Fortschritt zum großen Teil dem Bündnisse der Volks- Parteien zu danken war, ist der diesmalige Wahlsieg in vielen Wahlkreisen ohne dieses Bündnis zustande gekommen. Im Piemont, in der Emilia und Romagna sowie in der Lombardei ist das Erreichte ohne Wahlbündnis gewonnen worden, nur in Vcnetien. Toskana , Ligurien und im Latium sind die sozialistischen Mawdate durch die vereinten Kräfte der Radikalen, Republikaner und Sozialisten erobert, wobei freilich die beiden bürgerlichen Partelen der äußersten Linken unS meist nur ein geringes Stimmen- kontingent zuführten. In mehreren Wahlkreisen der Romagna haben sogar die Republikaner bei der Stichwahl sich der Ab» stimmung enthalten, um nicht für einen Sozialisten zu stimmen, weshalb uns z. B. der Wahlkreis Rabeuna II verloren gegangen fft. Mit um so mehr Befriedigung kann unsere Partei auf das Er- gebnis blicken: sie hat von ihren Bundesgenossen, wo sie überhaupt deren hatte, nicht mehr Beistand erhalten, als sie als Gegenleistung bot und hat alle Kräfte der Reaktion gegen sich aufbieten sehen. DaS Mnisterium dürfte mit dem Endresultat der Wahlen nicht gerade zufrieden sein, denn dieses Endresultat ist kenn- zeichnend durch eine gleichzeitige Vermehrung der äußersten Linken und der Klerikalen. Die Republikaner steigen von 18 auf 23. die gladikalen von 31 auf 44, so daß die ganze äußerste Linke nun- mehr 100 statt 74 Sitze innehat. Gleichzeitig steigen die Klerikalen von 7 auf 24. Obwohl sie einen Teil der ministeriellen Mehrheit bilden, dürfte das Ministerium an dieser Machtverstärkung setner Freunde ebenso wenig Freude haben wie an dem Zuwachs der äußersten Linken. Giolitti hat geglaubt, ungestraft alle Kräfte der Reaktion in den Dienst seiner Politik zu stellen. Er meinte, die Klerikalen würden sich damit bescheiden, dem Ministerium gegen den Umsturz Gefolgschaft zu leisten und die Stimmenzahl der Ordnungskandidaten zu verstärken. Aber auch den Klerikalen ist der Appetit beim Essen gekommen. Nahmen sie schon einmal am Wahlkampfe teil, warum denn nicht auch als Kandidaten? So kamen die klerikalen Kandidaturen, die die Regierung nicht ab- lehnen konnte, da sie in zahllosen Wahlkreisen aus die klerikalen Stimmen Anspruch erhob. Und natürlich werden ihr jetzt die klerikalen Freunde ungemütlich werden, weil sie in hohem Maße unpopulär sind und die Negation aller Traditionen des Bürgertums dar- stellen, von denen diese» sich zwar faktisch längst losgesagt hat, an denen eS aber nominell mit einer gewissen Hartnäckigkeit fest- hält. Die 24 schwarzen Freunde werden Giolitti manche böse Stunde machen und ihn immer an die unlautere Quelle seiner Mehrheit erinnern. Sie sind der erste Kern einer klerikalen Partei und fühlen sich als solchen, obwohl der„Osservatore Romano " ihnen diesen Charakter abspricht, weil sie nicht die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes in ihr Programm auf- genommen haben. Was die Ministeriellen betrifft, so haben sie nicht unerhebliche Niederlagen erlitten. Nichts ist aber schwieriger als eine Statistik der italienischen Ordnungsparteien, weil deren Grenzen verschlvimmen und sich je nach der politischen Opportunität des Moments verschieben. Die konstitutionelle Opposition, deren Kern die Gruppe S o n n i n i bildet, büßt 2 Mandate cm und wird also 50 Sitze in der neuen Kammer haben. Die Konservativen fModerati) behaupten mit 26 Mandaten ihren alten Bestand. So bleibt zu Lasten des Ministeriums ein Verlust von rund 60 Mandaten, wodurch seine Mehrheit auf 300 zusammenschrumpft. Das sieht nicht gerade aus wie ein Sieg des„Programms" GiolittiS. In der Praxis freilich stimmen die Klerikalen für das Kabinett und die Konservativen aiich, aber sie nageln dafür das Kabinett auch immtt mehr auf die Notwendigkeit einer reaktionären Politik fest und hemmen jene schier unbegrenzte Anpassungsfähigkeit, die der erste Grund feiner Macht war. Natürlich kann das Ministerium mit der Mehrheit, die ihm bleibt, noch lange fort- wursteln, wenn die Sache Giolitti selbst nicht zum Ekel wird, aber es wird seine politische Ohnmacht und Greisenhaftigkeit gerade den Umständen danken, die es auf die Höhe seiner unheilvollen Diktatur geführt haben. Unserer Parteifraktion erwächst aus dem Siege neue und schwere Verantwortlichkeit. Wollte sie im neuen Parka- ment nur dieselbe Rolle schläfriger und sprungweiser Opposition fortführen wie im alten, so wäre der Sieg den Kraftaufwand wahrlich nicht wert gewesen. Aber es ist zu erwarten, daß die jungen Elemente sowie die allgemeine Verstärkung der äußersten Linken zu einer größeren Energie und Stetigkeit des parlamenta« tischen Kampfes unserer Partei führen werden. An Aufgaben, an denen sich die neue Kraft unserer Fraktion messen kann, wird cS dieser Legislatur nicht fehlen. Die SolidsritSt de; Proletariat! gegen de» Üiiiitungüvshniin». Mit allem Nachdruck sind unsere Genossen im Parlament, ist die sozialdemokratische Presse seit Jahren für die Notwendigkeit ein« getreten, mit England zu einem Uebereinkommen über die Beschränkung d e S Flottenbaues zu gelangen. Un» ausgesetzt haben wir gewarnt, durch die brüske und sinnlose Ab- lchnung der englischen Vorschläge, die radikale Fraktion der liberalen englischen Regierungspartei, durch die Vereitelung ihrer auf die Beschränkung der Rüstungen gehenden Pläne, die nur im Einverständnis mit Deutschland verwirklichdar waren, zur Kapitulation vor dem imperialistischen Flügel zu zwingen. Denn damit wurde England zu einem Wettrüstengedrängt, das den deutschen Flotten- bau selbst vom Standpunkt d«S Flottenenthusiasten sinnlos macht und den Gegensatz beider Länder auf das äußerste steigern muß. Unsere War- nungen haben nichts gefruchtet, Blllow, der Verderber der deutschen Politik im Jimern wie nach außen, hat auch diesen schlimmsten und folgenschwersten aller seiner Fehler zu begehen sich nicht enthalten können. In seinem völligen Unvermögen, kompliziertere internationale Zusammenhänge zu begreifen, hat er für die Vorschläge der eng« lischen Regierung nur schroffe, oft an Hohn grenzende Abweisung gehabt. Dir Folgen dieser verblendeten Politik sind nun eingetreten. Eine Privatdepesche unseres Londoner Korrespondenten schildert die Panik, die die englische bürgerliche Welt bei dem Gedanken erfaßt hat. daß Deutschland imstande sei, ebenso schnell DreadnoughtS zu bauen wie England. Ein wahrer Angstzustand scheint die Parteien erfaßt zu haben. Die Presse bringt aufs neue Leitartikel über die„Deutsche Gefahr". Die bürgerlichen Friedensfreunde gehen in das Lager der Armee« und Flottenenthusiasten über. Rur eine Partei steht fest in diesem Sturme der nationalen Leidenschaft: die Partei der englischen Arbeiter. In der Debatte über das Marine- budget erklärte ihr Sprecher Macpherfen: Die Arbeite rpartet wird das Budget mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln be- kämpfen. Weder das englische noch da« deutsche Prole« tariat wollen den Krieg, den sie beide verabscheuen und hassen. Die britische Arbeiterpartei steht Seite an Seite mit der deutschen Sozialdemokratie. Der einzig« Feind .de? englischen wie des deutschen Proletariats ist das Kapital, gegen da» sie, beide vereint, einen unerbittlichen Kampf führen. Die Arbeiterpartei stimmte geschlossen gegen die Spezial- beratung, die mit 322 gegen 83 Stimmen angenommen wurde. Mit der Arbeiterpartei stimmten kaum zwei Dutzend irischer Nationalisten und Radikaler. Die Erklärung der Arbeiterpartei wird von dem deutschen Proletariat mit warmer Sympathie begrüßt. Unsere nächste Aufgabe ist e», die Situation zu benutzen, um der deutschen Regierung den Bankrott ihrer Politik vor Augen zu führen. Schon beginnt es selbst den deutschen bürger- lichcn Parteien vor den Folgen ihres sinnlosen Thun « zu bangen. Sie wissen, daß der Sieg des Imperialismus in der Armee- und Marinefrag« auch seinen Sieg in der g ollfrage herbeiführen muß, ein Sieg, der für die deutsche Industrie und damit für da» deutsche Proletariat«ine Katastrophe bedeuten kann. In den Beratungen des Martneetat» in der Budget- kommiffion ist von dem blöden Hurrapatriotismus und der „nationalen" Schwindelbegeisterung denn doch schon etwa» weniger zu spüren und die Stimme der Vernunft spricht sogar schon aus manchem bürgerlichen Abgeordneten, wenn auch von solchen Worten bis zur Tat noch ein weiter Weg ist. Die Kommission hat heute beschlossen, die Herren B ü l o w und Schorn zu laden. um Aufklärungen über die Verhandlungen mit England zu verlangen. Wären die Abgeordneten nicht selbst Mitschuldig«, die Politik des Fürsten Bülow müßte morgen strenge Richter finden. Aber wie immer die bürgerlichen Parteien sich verhalte» mögen, die Sozialdemokratie wird mit dieser Politik der un- ausgesetzten Schädigung des deutschen Volke« genaue Abrechnung zu halten wissen. politifcke acbcrficbt. Berlin , den 18. März 1909. Die Gcfinnungsschnüffelei im Heere. Nu» de mßR e i ch s t a g e!(18. März.) Die Rede des Genossen Stückten am Mittwoch hat verschiedene Gemüter staatserhaltendcn Kalibers in Erregung versetzt. Zunächst machte der antisemitische Paulenschläger Liebermann von Sonnenberg seinem Ingrimm über unsere Partei in oft gehörten Anschuldigungen wegen ihrer vaterlandslosen Gesinnung und dergleichen Eigenschaften Luft. Zu einer Hauptattacke hatte sich aber der Herr Kriegs- minister selbst überrascht mit dem erforderlichen rhetorischen Rüstzeug versehen. Er ließ aber vorher erst ein paar liberale Herren sprechen, den Freisinnigen Schräder und den Volks- parteiler Storz, die beide die stets fruchtlos vorgebrachten Klagen über Bevorzugung des Adels in der Armee und gänz- liche Nichtberücksichttgung der Juden bei Reserveoffiziersstcllen wiederholten. Herr Schräder hatte seine Beschwerde er- weitert zu der Forderung, daß die Kluft zwischen Bürgertum und Armee überbrückt werden müsse. Das war aber alles in so väterlich wohlwollendem Tone vorgebracht, daß es die Herren in Uniform nur angenehm kitzelte. Ein bestimmter Fall von Gesinnungsschnüffelei, den Schräder vorgebracht hatte, wurde dann von dem Kriegs- minister v. E i n e m zum Anlaß zu prinzipiellen Erklärungen gegen die Sozialdemokratie genommen. Es handelte sich da um einen Rechtsanwalt Braban d in Hamburg , der. selbst zur liberalen Partei gehörig, bei einer Stichwahl zwischen einem Konservativen und einem Sozialdemokraten. sich nach Schräders Darstellung für W a h l e n t h a l t u n g der Liberalen, nach der des Kriegsmtnisters direkt für die Wahl eines Sozialdemokraten entschieden habe. Jedenfalls war er deshalb als Reserveoffizier verabschiedet worden. Der Kriegs- minister erklärte nun, er sei zwar gegen Maßregelung von Reserveoffizieren, wenn sie sich im Interesse irgend einer staatserbaltenden Partei betätigten, wenn aber ein Offizier oder Reserveoffizier im Sinne der Sozialdemokratie wirke oder ihr nur Vorschub leiste, wie Herr Braband, dann müsse er aus dem Heercsverband ausscheiden. Er leistete sich dabei den lapidaren Satz, ein solcher Offizier habe zu wählen zwischen dem König und seiner Ueberzeugung. Der Herr v. Einem, der selbst sich für den König entschieden hat, ließ eS leider unerürtert. wie er es mit solchen Gesinnungen vereinbaren kann, Hunderttausende von jungen Männern mit sozialdemokratischer Gesinnung hineinzuzwingen in die Armee. Bezeick nend für die Gesiunungstüchtigkeit der bürgerlichen Parteien war es, wie sie sich zu dieser ministeriellen Proklamierung der Gesinnungsschnüffelei stellten. Die junkerliche Rechte, aber auch die Nationalliberalcn, die eigentliche Partei der Bourgeoisie, war rückhaltslos fürGesinnungsschnüffelei. Die Frcisilmigen murrten, »veil sie ja auch nicht ganz unberührt geblieben sind von diesem Verfahren, obgleich das Murren ihrer Bewilligungs- lust nicht Abbruch tun wird. Eine schärfere Gegnerschaft hatte der Pole Brandys gegen dieses Verfahren bekundet und Herr Erzberger brachte für das Zentrum Klagen vor. aus denen hervorging, daß besonders in den Krtegervereinen auch gegen Zentrums- anhängcr ein ähnliches Verfahren eingeschlagen wird, wie es Herr v. Einen» den Sozialdemokraten gegenüber ausdrücklich für erlaubt erklärt hat. Von Kaiholikcnverfolgnngen will der K r i e g S m i n i st e r natürlich nichts wissen. Er gab sich nur große Mühe, durch Auskramung von allerhand Reminiszenzen und unverdauten Leiefrüchten aus den Pamphleten des Reichsverbandes Stimmung gegen die Sozialdemokratie zu machen. Dabei operierte er immer mit dem Begriffe„Armee " und tat, als ob die Sozialdemokratie allen Angehörigen der Armee feindlich gegenüberstehe. Run hat Herr v. Einem gar nicht das Recht, im Namen der gesamten Armeeangehörigen zu sprechen, sondern höchstens im Namen der Offiziere und Unteroffiziere. Ein Plebiszit der Soldaten über die Sozialdemokratie und ihre Auffassung vom Heerwesen würde wahrscheinlich Resultate ergeben, die für die höfischen Leiter der Armee eine höchst unangenehme Ueberraschung bedeuten würde. Zu später Stunde wurde vertagt. Morgen geht die Debatte weiter. Drucksehlerberichtitzun». In dem gestrigen Artikel.Für u n v wider den Militarismus" haben sich einige sinnentstellende Druckfehler eingeschlichen. So muß eS im ersten Absatz heißen in Zeile 2 statt:. Er erläßt..: Er v e r l i e st... und in Zeile 10 statt:„den Vogel auf den Kopf geschossen" t den Nagel auf den Kopf getroffen._ Eisenbahnfinanzen. Das Abgeordnetenhaus begann am Donnerstag die zwei.e Beratung de« Etats der Eisenbahnverwaltung, die mit einer all- gemeinen Besprechung über die finanztcchnische und wirtschaftliche Seite des Etats einsetzte. Bekanntlich ist dt« Gestaltung de» Eisen- bahnetat» von großem Einfluß auf die Gestaltung des Gesamt- etatS. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil der allgemeinen Staatseinnahmen wird durch direkte Steuern aufgebracht, der weitaus größte Teil dagegen durch die Ueberschüsse aus den Betriebsverwaltungen, unter denen wieder die Etsenbahnüberschüsse die Hauptrolle spielen. Nur so erklärt es sich, daß die Eisenbahnen im Laufe der Zeit in erster Linie ergiebige Einnahmequellen für den Staat geworden sind, daß der Finanzmtnister ängstlich darüber wacht, daß die Einnahmen nicht geschmälert werden, selbst auf die Gefahr hin, daß dringend notwendige Reformen unterbleiben. Bon besonderer ftnanztechnischer Beziehung ist der Ausgleichs- fonds, dem einer Resolution der Budgctkommission entsprechend in Zukunft nicht nur die rechnungsmäßigen Ueberschüsse de« Etats, sondern auch ein Betrag des Rcinüberschusscs der Eisenbahnver- waltung durch den Etat zugeführt werden soll, welcher einen bc- stimmten Prozentsatz de» jeweiligen statistischen Anlagekapital» der preußischen EtaatSbahnen übersteigt. Die Redner aller bürger- lichcn Parteien erklärten sich hiermit einverstanden. Ebenso waren sie einig darin, daß eine materielle und ziffernmäßige Begrenzung des ExtraordinariumS in Aussicht genommen werden muß. Für die breite Ocffcntlichkcit haben die rein finanztechnischen AuSein- andersetzungen wenig Interesse. Interessanter sind die Bcmerkun- gen, zu denen sich vereinzelte Redner etwas allzu unvorsichtig hinreihen ließen; so, wenn der konservative Graf v. d. Groebcn sich darüber aufhält, daß auch Reisende dritter Klasse die Speise- wagen der D-Züge benutzen, die doch von Gottes und Rechts wegen den Grafen und Fürsten reserviert bleiben müßten.— Der hoch- feudale Herr glaubt, diesem Uebelstand dadurch abhelfen zu können, daß Reisende dritter Klasse gehalten sein sollen, für den Auf- enthalt im Speisewagen besonderes Eintrittsgeld zu entrichten! ES ist charakteristisch, daß man solche kletnlich-schikanösen Maßnahmen im Zeitalter des Verkehrs zu empfehlen wagt, noch dazu. wo allseitig ctngestl udcn werden mußte, daß ähnliche kleinliche Maßnahmen, z. B. die Jahrkartensteuer, glänzend Fiasko gemacht haben. Wirklich durchgreifende Reformen find im preußischen Verkehrswesen vom Dreiklasscnparlament nicht zu erwarten. Die Konservativen möchten die Personentarife am liebsten noch er- höhen, und auch da» Zentrum erklärte ausdrücklich, daß e» gegen eine allgemeine Herabsetzung der Tarife ist. Konservativ» klerikal ist nicht nur aus dem Gebiete de» geistigen Lebens. sondern auch auf dem Gebiete des Verkehrswesens in Preußen Trumpf. Am Freitag wird die Debatte fortgesetzt. Herrenhaus -Geplänkel. Die pomphaft angekündigte Mirbachiade ist gestern im Herren- haus versiegt wie ein kümmerliches Sommerbächlein: Der streit - bare Graf hat seinen Antrag zurückgezogen— er hat darauf der. zichtet, mit Spatzenworten gegen die Kamme der ReichZerbschaftZ- steuer loszufeuern, weil er und feine Kumpanei de» Siege» doch
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