it. 69. 26. IllhtMg.L Icilngt Ks Jotmätls"olkeMatt.Dienstag. 23. Marz 1909.Reichstag891. Sitzung vom Montag, den 22. März,nachmittags 2 Uhr.Nm Bundesratstisch: v. S ch o e n, v. Einem.Auf der Tagesordnung steht dieFortsetzung der Beratung des Etats für die Verwaltung desReichshceres.Die Beratung beginnt bei dem Titel„Offiziere in sonstigenbesonderen Stellungen", bei welchem die Kommission von den ge-forderten 400 000 TO. 100000 TO. gestrichen hat.Die Abgg. O r i o l a snatl.), v. B y e r n st.), v. L i e b e r t(Rp.),Behrens(wirtsch. Vg.) beantragen, diese 100 000 TO. wieder einzusetzen.Der Antrag wird abgelehnt, es bleibt bei dem Beschlußder Kommission. Mit der Minderheit stimmen die Abgg. Eickhoff(fteis. Vp.) und Dr. Doormann streif. Vp.).Beim Titel.Beamte und Unterzahlmeister" hat die Kommissionbeschlossen, von den 206 O b e r v e t e r i n ä r e n IS als«künftigWegsallend" zu bezeichnen.Die Abgg. v. E l e r n sl.), v. B y e r n st.), v. L i e b e r t(Rp.),Behrens(wirtsch. Vg.), v. Schubert(natl.) beantragen, diesenZusatz zu streichen.Oberst Wandel bittet namens der Militärverwaltung um An-nähme dieses Antrages.Abg. Dr. Dröscher st.) befürwortet den Antrag.Abg Erzberger(Z.) verteidigt den Standpunkt der Kommission.Oberst Wandel: Die Militärverwaltung wünschte die Reorgani-sation des BeterinärkorpS bereits zum 1. April ISOS durchzuführen,mußte diesen Wunsch aber wegen Mangels an Mitteln zurückstellen.Unterstaatssekretür im Reichsschatzamt Twele: DaS Reichsschatz.amt ist mit der Militärverwaltung einig darin, daß im nächstenJahre die Mittel für diesen Zweck flüssig gemacht werden müssen.Der Antrag v. E l e r n und Genossen wird angenommen,auch das Zentrum stimmt dafür!Den Titel.Reitendes Feldjägerkorps" beantragt die Kommission.von 31 036 M. auf 15 543 M. herabzusetzen und zuzufügen:„DasReitende Feldjägerkorps kommt am 1. Oktober ISOS in Wegfall".Der Abg. Rogalla v. Bieberstein(k.) befürwortet einen Anttagseiner Partei, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.Staatssekretär des Auswärtigen v. Echoen bittet um Wiederher-stellung des gestrichenen Titels.Abg. Frhr. v. Hertling(Z.) erklärt sich durch die Ausführungender Vorredner überzeugt und tritt ebenfalls für Wiederher-stellrmg ein.Abg. Dr. Semler(natl.) äußert sich in demselben Sinne.Der Antrag auf Wiederherstellung wird gegen Sozialdemolratenund Freisinnige angenommen.Beim Titel„Pensionierte Offiziere und Militärä r z t e" rügtAbg. Dr. Pfeiffer(Z.) unter ausführlicher Darlegung einesEinzelfalles die Nichtzulassung der Angehörigen katholischer, Duellund Mensur verwersenoer studenttscher Verbindungen und Vereinezur Beförderung zu Reserveoffizieren. Auch Angehörige der eben-falls das Duell verwerfenden protestantischen Studentenverbindung„Wingolf" werden nicht zu Reserveoffizieren befördert. �(LebhaftesHört I hört! im Zentrum und links.) Wir verlangen Aufklärung vomKriegsminister.(Lebhafter Beifall im Zentrum.)Kriegsminister v. Einem sagt Rektifizierung des oder der betreffenden Bezirkskommandeure zu.(Bravo I im Zeittrum.)Beim Titel«Mannschaften" weistAbg. Zubeil(Soz.)auf die trotz aller Klagen nicht abnehmende, sondern zunehmendeKonkurrenz hin. die die Mililärinusiker den schwer um ihre Existenzringenden Zivilmusikern bereiten. Die Zivilmusiker müssen doch auchzur Unterhaliung des Heeres beitragen, sehen sich aber durch dieKookurrenz der Militärniusiker in jeder Weise beeinträchtigt. ESgibt eine Anzahl Regimenter, deren Kommandeure geradezu dasauhexdienstliche Musizieren der Militärkapellen begünstigen.Auch in Berlin wird die Konkurrenz der Militärmusik den Zivil-musikern immer gefährlicher und schädlicher. Jetzt haben schon eineAnzahl Berliner'Nachtcafös Militärmnsik.(Hört I hört! b. d. Soz.)Die Musiker, welche da von 8 Uhr abends bis 3 Uhr morgensmusizieren, können doch am anderen Tage keinen Dienst verrichten(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Bei den Zivilberufs-musikern liegt die Nachtarbeit im Beruf, sie müssen am Tageruhen. Wenn aber die M i l i t ä r m u s i k e r nachts für privateKleines feuilleron.Rudolf Gottschall ist am Sonntag in Leipzig gestorben. Mitihm ist der letzte Vertteter der.Jungdeutschen" aus der Vormärz-lichen Zeit dahingegangen. Er hat wie die anderen seiner Generation(er war am 30. September 1823 als Offizierssohn in Breslau ge-boren) die literarischen Vorpostengefechte des liberalen Bürgertumsmitgelämpft und für seine politische Gesinnung büßen müssen: dieTore der erstrebten akademischen Lehrtätigkeit wurden ihmvor der Nase zugemacht. Er wurde dann Dramaturg undschließlich und für immer Schriftsteller. Der radikale Dichter,der.Robespierre" und„Die Marseillaise" dramatisch be-handelte und 1848.Barrikadenlieder" sang, betätigte sich alsgemäßigt-liberaler Journalist und landete 1864 als Redakteur derin Leipzig erscheinenden.Blätter zur literarischen Unterhaltung" undder Zeitschrift„Unsere Zeit". Die neue prenßisch-deutsche Herrlichkeitbesang Gottschall_ in ebenso schwülstigen Wortprächten wie vorherdie Revolution, und es war denn auch ganz in der Ordnung,daß Wilhelm I. ihm später den erblichen A?el applizierte.Der Geheime Hofrat hatte inzwischen in Leipzig, seinerHochburg, eine regelrechte literarische Diktatur eingerichtet. Erübte souveräne Kritik und ernannte sich gleichzeitig selbst zum erstenDichter und Dramatiker seiner Zeit. Und es gab sogar Leute, dieeine Zeitlang daran glaubten. Und doch war Gottschalls ganzes,kaum übersehbares Schaffen(Dramen, Gedichte, Epen und Romane)epigonenhaft, ohne künstlerische Gestaltungskraft und echtes, tiefesEmpfinden. Mochte er pathetisch- rhetorisch einherstolzierenoder nach Skribeschen Muster Jntrigenlustspiele kalkulieren(das Lust-spiel„Pitt und Fox" hat sich am längsten behauptet), er war nie mehrals est: Könner, der von anderen übernommene Fornren'wohl zu Hand-haben, aber nicht mit neuem Leben zu erfüllen verstand. So warer denn auch alS Kritiker kein Anreger und Führer zu Neuem und»mf neuen Wegen. Als Theater- und Literaturpapst wandte er dieGesetze an, die er ein- für allemal als Aesthetiker aufgestellt hatte,und ivar nun sehr empört, als die deutsche Literatur sich nicht danachrichtete Die Naturalisten haben manchen Strauß mit ihm auszu-stchten gehabt. Denn immer noch war er in Leipzig eine Macht.Dann freilich drückte ihn die Entwickclung inrmer mehr in denHintergrund Mochte er auch fortfahren. Dramen und Romane zuschreiben(äuf dem Tisch des Toten lag ein beinahe vollendeterVierbändiger Roman), er hatte kein Echo mehr.n, Die Zusammensetzung der Sonne. Wie sehr das menschlicheWissen noch immer Stückwerk ist, beweist die Tatsache, daß trotzaller Triumphe der Photographie und insbesondere der Spektral-analyse. dieses Zaubcrstalvs für die Erforschung der Gestirne, überdie Zuiammensetzuna auch der Sonne nur unsichere und schwan-kende Vorstellungen bestehen. Im letzten Heft des„AstrophhsicalJournal hat der Physiker Hermann Schulz eutgegen anderen An-jchauungen wieder einmal die Behauptung verfochten, daß der KernZwecke arbeiten, muß man ja meinen, daß sie bei der Truppe über-Haupt nicht gebraucht werden.(Zustimmung bei den Sozialdemo-traten.) Darin wird man noch bestärkt durch die Angebole, welcheMilitärmusiker manchen Kapellmeistern machen, indein sie sich fürden ganzen Winter anbieten und versichern, daß sie hierzu Urlaubbekommen I(Hört I bört l bei den Sozialdemokraten.) Ein weitererUnfug ist, daß das Militär in der Manöverzeit bei nachtschlafenderZeit mit klingendem Spiel durch die Straßen zieht und den Bürgerndie Nachtruhe raubt. Der Arbeiter, der nachts auf der Straße nurein Liedchen pfeift, wird sofort festgestellt und mit einem Straf-mandat bedacht.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Mitwelchem Recht nimmt sich die Militärbehörde diese Störung derNachtruhe heraus? Der Kriegsmimster sollte für Abhilfe sorgen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.)Abg. Horn(Z.) dringt auf endliche Erhöhung der Mannschafts-löhne und bittet um wirksamen Schutz der Rekruten vor Mißhaud-lung durch die älteren Jahrgänge. Er bittet ferner um Ausdehnungdes Erntelirlaubs und um Amnestierung der elsaß-lothringischenFahnellflüchtigen.Das Kapitel wird bewilligt, die Resolutionen der Kom-Mission aus Ersetzung der dritten Leutnants durch Feldwebelleutnants,auf Einschränkung der Zahl der Militärmusiker und ihrer privatenTätigkett und auf Einführung von Geldstrafen statt Haftstrafen beigeringeren militärischen Vergehen des Beurlanbtenstandes werdenangenommen.Beim KapitelRatnralverpflegungweistAbg. Zubeil(Soz.) auf den zu teueren Einkauf der Lebens-und Genlißmittel durch die Militärverwaltung hin. Die Postbeamtenkönnen ihre Kantinen boykottieren, wenn ihnen, wie Abg. Kopsch hiereinmal ausgeführt hat, schlechte und teuere Waren verkauft werden.Arbeiter der Privatindustrie können meist ebenfalls ihre Kantinenboykottieren. Die Soldaten aber sind leider nicht in der-selben Lage. Umsomehr sollte es die Militärverwaltungals ihre Ehrenpflicht betrachten, den Mannschaften in denKantinen-gute und billige Waren zu bieten..Kollege Kopsch hathier schon einmal ausgeführt, wie auf Truppenübungsplätzen, zumBeispiel auf dem Schießplatz von Döberitz, Kantinen in großer An-zahl an großkapitalistische Generalpächter verpachtet werden. Diesebekümmern sich perfönlich gar nicht um den Zustand der Kantinen.Die Rationen sind knapp, die Backware alt und hart, die Flaschenund Gläser sind häufig schmutzig.(HörtI hört! bei den Sozial-demokraten.) Die Angestellten des Geiieralpächters sind auf Prozenteangewiesen, wodurch sie natürlich angereizt werden, auS den Soldaten möglichst viel herausznwirtschaflen.Vizepräsident Dr. Paasche ersucht den Redner, sich nicht zu weitvom Etat zu entfernen.Abg. Zubeil(fortfahrend): Die Zustände in den Kantinen stehendoch im engen Zusammenhang mit dem Kapitel„Naturalverpflegunng".(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Auf dem Truppenübungs-platz in Döberitz bekommt der Soldat in der Kantine die not-wendigen Genußmittel nur gegen Marken, in die er vorher sein baresGeld umsetzen muß. Wenn er später entlassen wird und für seineübriggebliebenen Marken wieder Geld haben will, findet er dieKasse geschlossen und muß die Marken, für die er bares Geld ge-zahlt hat, als Andenken mitnehmen I(Hört I hört I bei den Sozial-demokraten.) Weiter ist auch Klage darüber zu führen, daß dieReservisten bei ihrer Einziehung durch die Bezirkskommandos ge-zwangen werden, für ein Frühstück, bestehend aus zwei trockenenSchrippen, einem paar Würstchen und einem Topf Kaffee, das kaum20 Pf. wert ist, 30 Pf. zu zahlen! Der Kriegsminister sollte auchhier für Abhilfe sorgen.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.)Das Kapitel wird bewilligt.Beim Kapitel„Bekleidung und Ausrüstung der Truppen' bringtAbg. Irl(Z.) Klagen der Handwerker vor: Die Bekleidungs-ämter bereiten den selbständigen Schneidermeistern drückende Kon-kurrenz. Dadurch wird die Uuzusriedenheit vermehrt.Abg. GanS Edler zu Putlitz(k.) verteidigt die Bekleidungsämter,wünscht aber, daß sie den selbständigen Handwerkergenossenschaftenmöglichst viel Arbeit zuweisen.Abg. Gothein(srs. Vg.): Wir schwärmen nicht für die Bekleidungsämter; da sie aber niln einmal da sind, sollte wenigstens daraufgesehen werden, daß die in ihnen beschäftigten Handwerker nicht zueinseitigen Maschinellarbeitern degradiert werden, die zum Beispielausschließlich Achselklappen verfertigen. An der Spitze der Bekleidungsämter stehen Offiziere, die doch zunächst keine Sachverstäudigen sind.Man sollte die Vorstände tvenigstens, wenn sie sich eingearbeitethaben, möglichst lange in ihrer Stellung lassen.der Sonne sich in flüssigem Zustande befinde. Diese Theorie wurdevon dem berühmten Kirchhoff aufgestellt und dann von dem Astto-nomen Zöllner mit einigen Abänderungen vertreten. Seitdem sindnamentlich die Untersuchungen über die Temperatur der Sonneweiter fortgeschritten und haben zu neuen Zweifeln geführt. Ge-rade aus ihren Ergebnissen, wonach die mittlere Temperatur derSonne ungefähr 5400 Grad wäre, zieht Hermann Schulz denSchluß, daß ein flüssiger Sonnenkern alle Eigenschaften unseresMuttergestirns am besten erklärt. Er folgert auch, daß nach man-cherlei Erscheinungen der Fixsternwelt auch viele andere Sternenicht lediglich aus glühenden Gasen bestehen mögen. Fast gleich-zeitig haben die„Astronomischen Nachrichten" noch eine weitereSonnentheorie veröffentlicht, die den russifchen Astronomen Amaf-tunsky zum Urheber hat. Dieser will die Beobachtungen an denSonnenslecken, den von� diesen gebildeten Zonen, den Ausbrüchenvon glühenden Metalldämpfen und Gasen usw. dadurch erklären,daß die Sonenflecken durch das Entweichen erhitzten Dampfes ausden niederen Schichten der Sonnenatmosphäre verursacht und daßdie dadurch entstehenden trichterförmigen Löcher mit Wolken derPhotosphäre ausgefüllt werden.Die Bcrfälschnng des Hackfleisches. Es besteht vielfach dieSitte oder, richtiger gesagt, die Unsitte, gehacktes Fleisch von Rin-dern und Schweinen roh und unznbereitet zu verzehren. Um nundiesem Fleisch eine einladende rote Farbe zu geben, setzen manchetleischer schwefligsaures Natron hinzu, das eine nur dem geübtenuge verdächtige intensive Rotfärbnng bewirkt, die von denKäufern gewöhnlich als ein Zeichen besonderer Frische angesehenwird. Da gehacktes Fleisch nur dann seine rote Farbe beibehält,wenn es ans frischem Fleisch hergestellt wird, und die gewöhnlichekäufliche Ware, wenn sie aus Resten und Abfällen besteht, schnellmißfarbig wird, ist jener Kunstgriff in seiner Entstehung wohl be-greiflich. Jedenfalls aber ist es die Pflicht der zuständigen Organe,ihr entgegenzutreten, da nach gerichtlicher Entscheidung zweifelloseine irreführende Nahrungsmittelfälschung vorliegt. Leider istjedoch die Unsitte, wie aus einem Bericht des klinischen Jahrbucheshervorgeht, verbreitet, und die Aufsicht ist lange nicht stark genug.um sie zu verhindern, da von 150 Proben von Hackfleisch, die vonebenso viel Fleischern in Halle a. S. entnommen wurden, nur 15frei von schwefliger Säure waren, während alle übrigen mehr oderminder große Mengen davon enthielten. Diese Proben wurdenheimlich durch Angestellte des hygienischen Instituts der UniversitätHalle eingesammelt. Bei der amtlichen Kontrolle, wo Polizeibeamtein Zivil 20 Proben nahmen, enthielten nur 4 davon schwefligeSäure. Dies beweist, abgesehen von der zu kleinen Zahl der Probennur, daß es von großem Belang ist, wenn diese von besonders ge-eigneten und sachkundigen Organen ciligcsammclt werden. GleicheErfahrungen wurden auch in Frankfurt a. O. gemacht, wo nur8,60 v. H. der von Polizeibeamten, dagegen 18,4 v. H. der vonNahrungsmittelchemikern genommenen Proben zu beanstandenwaren-Generalmajor v. Lochow: Die Offiziere, die an der Spitze derBekleidnngsämter stehen, erhalten gute fachmännische Ausbildung.Abg. Irl(Z.) wirft dem Freisinn Feindschaft gegen das Hand-werk vor.Abg. Dave(fcs. Vg.): Wir Freisinnigen sind keine Feinde desHandwerks; wir verschmähen es aber, im Handwerk unerfüllbareIllusionen zu erwecken.Das Kapitel wird bewilligt und die KommissionS- R e s o-l u t i o n, welche die Heeresverwaltung zur Nachachtung der beianderen Ressorts geltenden Regeln für Vergebung von Arbeiten inSubmiision auffordert, ein st immig angenommen.Beim Kapitel„Garnisonverwaltung" bittet Abg. Siebenbürger(k.),die kleinen Städte mehr mit Garnisonen zu bedenken. Im Namender Stadt Gollnow habe ich die Erklärung abzugeben(Große Heiter-keit), daß die Stadt gern bereit ist, einen Platz zum Bau einerKaserne unentgeltlich abzutreten.Das Kapitel wird bewilligt.Beim Kapitel„Militärmedizinalwesen" klagt Abg. Dr. Arning(natl.) über den Mangel an Assistenzärzten.Beim Kapitel„Reisegebührnisse, Umzugskosten usw." bewerktAbg. Stücklcn(Soz.):Bei diesem Kapitel, welches mehr als 12 Millionen erfordert,könnte sehr erheblich gespart werden. In der„Franks. Ztg." hat einOffizier erzählt, er kenne einen General, der seinen ganze» Haushaltaus ersparten Tage- und Reisegeldern bestritten habe! Es solltebei den Fahrtgeldern nicht mehr erhoben werden dürfen, als wirk-lich verausgabt ist. Auch könnte man sehr erheblich sparen, wennman die Offiziere nicht von einer Grenze des Reiches nach deranderen versetzen würde; selbst bei den Bezirkskommandos werdendie Offiziere versetzt, wozu gewiß kein Bedürfnis vorliegt. Besonderskraß ist der Fall eines Brigadegenerals, der nach Döberitzging und um Tagegelder erheben zu können, eine Ordonnanzund einen Schreiber in Berlin ließ, wodurch der An-schein erweckt werden sollte, als sei der Sitz der Brigade nochBerlin, während tatsächlich das gesamte Personal bis aufzwei Personen in D ö b e r i tz war, wo auch die Geschäfte derBrigade erledigt wurden!(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.)Sehr kraß ist auch der Fall eines Obersten in Charlottenburg, derinnerhalb der Stadt umzog und dafür 5 0 0 Mark erhob l(Hört Ihört! bei den Sozialdemokraten.) Eine eingehende Reform wärebei diesem Kapitel sehr angebracht.(Sehr richtig l bei den Sozial-demokraten.)Generalmajor v. Lochow: Ich kann mir nicht denken, daß dieFälle sich so verhalten, wie vorgetragen; vielleicht übergibt HerrStückten uns sein Material.Das Lkapitel wird bewilligt.Beim Kapitel„Militärerziehungs- und BildungSwesen' wünschtedie Regierungsvorlage die Verlegung der UnteroffizierSschule vonBiebrich nach Wetzlar. Die Kommisston hatte sich dagegen aus-gesprochen.Abg. v. Ekern(k.) und Wg. Behrens(Wirtsch. Vg.) sprechen sichfür die Verlegung aus.Abg. Gothein(srs. Vg.)(von der Rechten mit grunzender Unruheempfangen): Auch wir haben gegen die Verlegung nichts einzu-wenden.(Schallende Heiterkeit.)Die Verlegung wird beschlossen.Beim Titel„Turnanstalten" ergreift das WortAbg. Wieland(südd. Vp.): Ich muß die Kriegervereine gegendie vielen Angriffe bei der Generaldebatte in Schutz nehmen. Ichbin selbst alter Kriegervereinler.(Ironisches Hurra! im Zentrumund bei den Sozialdemokraten.)Vizepräsident Paasche: Das gehört jetzt nicht hierher.Abg. Wieland: Ich will nur sagen(Große Heiterkeit.), daß it.den Knegervereinen die brüderliche Kameradschaftlichkeit gepflegtwird. Daß sie kein Feld für die Sozialdemokratie sind, ist selbst-verständlich.(Lebhafter ironischer Beifall im Zentrum und bei denSozialdemokraten.)Beim Kapitel„TOilitär-Gefängniswesen" ergreift das WortAbg. Zubeil:Ein Musiker, der bereits fünf Jahre gedient hatte, wurde wegeneiner Verfehlung, die er sich im Zivilleben zuschulden hatte koinmenlassen, in Untersuchungshaft genommen, und zwar im Januar. Währenddes ganzen Winters bat er den Aufseher unausgesetzt, seine Zelleetwas besser zu heizen. Dieser erklärte jedoch, er habevon der Garnisonverwaltung nicht mehr Kohlen zur Verfügung. DerMann, der nicht in Strashaft, sondern in Untersuchungshaftsaß. erkrankte infolgedessen und ist vollkommen unbrauchbargeworden! Er bezieht jetzt eine Jnvalidenpension von monatlich 9 M.,(Hört l hört I) also jedenfalls zu wenig zum Leben,(Sehr wahr I beiTheater.?r e t e Volksbühne(im Neuen Schauspielhaus): Nacht«von Maxim G o r k i. An dieser Aufführung der erschütterndenBarsllßertragödie werden die Vereinsmitglieder ihr wahrhaftes Ge-nügen haben. Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn wrr sie an dieSpitze aller im laufenden Spieljahr dargebotenen Veranstaltungenstellen: so vortrefflich hat hier die Regie ihres schwierigen AmteSgewaltet, und so recht mit sattem künstlerischem Behagen sind alledie Elendsgestalten aus seelischer Tiefe herausgehoben und charakte«ristisch herausgearbeitet worden. Fast jede Rolle, auch die kleinste,hat ihre beste Vertretung gefunden; und wie im einzelnen, man darfsagen, vollendete darstellerische Leistungen zutage traten, so be-eiferten sich sämtliche Mitwirkende, ihr Können zu zeigen. DaSMilieu war echt, das szenische Znsammenspiel sukzessiv bis zu wuch-tiger dramatischer Schlagkraft gesteigert. Es waren Menschen, dieda. befreit von jeglicher Lebenslüge, in aller ihrer sozialen, aberauch seelischen Nacktheit vor uns hingestellt wurden. Und hinterallen Schicksalen dieser Enterbten, zwischen alles zynische oder ver»zweifelte Anflachen schluchzten laut und leise bitterste Tränen. Mansteht unter dem Banne dieser Tragik und geht erschüttert, doch nichtabgestoßen, aber nachdenklich aus dem Theaterraum... o. k.Humor«nd Satire.Lied der Ehrenmänner.Hurra, man schränkt die Wahrheit esttznun mutz sich alles ändern!O welche Lust, ein Schuft zu sei»in deutschen Vaterländern!Nun dürfen wir doch ungeniertjedwedes Schäflein scheren,und wenn uns jemand denunziert,so woll'n wir uns beschweren.Was hilft ihm dann sein lautes Schrei'N ikein Zeuge darf mehr sprechen lMan sperrt ihn wohl zwei Jahre einund läßt ihn Buße blechen.Die Buße fließt in unfern Sack,sie geht bis zwanzigtausend...So leben wir, wir Lumpenpack,kutschierend, trinkend, schmausend.Und wir, die wir uns amüsier'nlaut hundertfünfundsiebzig,wir werden gleichfalls profitier'n,denn als Effekt ergibt sich:Des Urteils ganze Schwere fälltauf die Verleumderstirnen.Wir kriegen zu dem Spaß noch Geld,ganz so wie richt'ge Dirnen.Ära«»■%