Nr. KS. 26. 3. Mme des Jaroärtf Kerlim pMIntt. litnstnj, 23. JBätj 1909. Der Zentralwaljloerein für teltow. Bceskow-StorkoW'Cfjarlottenburg hielt feine Generalversammlung am Sonntag im Volkshaufe zu Charlottenburg ab. Auf der Tagesordnung standen di- Berichte des Vorstandes und der Funktionäre, die Neuwahlen derselben so- wie Anträge zur Generalversammlung.--- Ueber die Tätigkeit des Porstandes liegt ein Kedruckter Jahresberiiyt llem wir einige der wesentlichsten Angaben entnehmen: Im Vordergrunde der Parteitätigkeit im Jahre 1903 standen, abgesehen von den Arbeiten für die Gemeindewahlen, die Land- tagswahlen und die Demonstrationen gegen das preußische Drei- klassenwahlrecht. Zur Einleitung der letzteren fanden am 9. Januar im Wahlkreise 22 Versammlungen statt, denen am darauf kommenden Sonntag 13 Versammlungen folgten. Die Nach- mittagsversammlungen am 18. März fanden in fünf Orten statt, cs folgten 9 weitere Versammlungen am Abend des 18. März und 12 Versammlungen am Sonntag darauf. Die Versammlungen waren fast durchweg gut besucht. Trotz des wirtschaftlichen Niederganges ist der Umsatz der ver- kauften Beitragsmarken ein größerer geworden. Er ist von 178 444 Marken im Jahre 1997 auf 190 453 Marten im Jahre 1903 ge- stiegen, darunter sind 5732 Beitragsmarken weiblicher Mitglieder. Weiter gibt der Bericht eine eingehende Darstellung der Be- teiligung an den Landtagswahlen im Kreise.— Ueber den Stand der Organisation sagt der Bericht unter and-rem: Dem Zentral- wahlverein gehörten zu Beginn des Jahres 44 örtliche Vereine an. Neu gegründet wurden 2 Vereine, in Senzig und in Bohnsdorf . Aufgelöst wurden die Vereine in Beeskow und Großbeeren . Somit ist ine Zahl der örtlichen Vereine am Schlüsse des Jahr-s die gleiche geblieben. Die 44 Vereine verteilen sich auf 10 Städte und 34 Landgemeinden. 32 Vereine gehören zun» Kreise Teltow , 3 Vereine zum Kreise Beeskow -Storkow. Die Mitgliederzahl des Zentralwahl- Vereins ist von 20 373 auf 22 192 gestiegen, sie hat also im Laufe des Jahres um 1819 zugenommen. Die Steigerung ist etwas ge- ringer wie im Voriahre, was seine Erklärung in den jetzigen Wirt- schaftlichen Verhältnissen findet. Die Frauenbildungsvereine, welche in den einzelnen Orten bestanden, lösten sich beim Jnkraft- treten des Reichsvereinsgesetzes auf, jedoch sind ihre Mitglieder nur zum Teil den örtlichen Wahlvereinen beigetreten. Am Schlüsse des Jahres gehörten dem Zentralwahlverein 1713 weibliche Mit- glieder an, die sich auf 31 örtliche Wahlvereine verteilen. Der Zu- wachs an weiblichen Mitgliedern ist nicht in dem Maße eingetreten, wie er hätte erwartet werden müssen. Während in 13 Orten gar keine weiblichen Mitglieder vorhanden sind, haben anders Orte nur eine ganz geringe Zahl weiblicher Mitglieder. Eine tabellarische Uebersicht über die Mitgliederzahl in den einzelnen Orten ergibt, daß 20 Vereine einen Rückgang an Mit- gliedern auszuweisen haben. Wenn für den Vergleich mit dem Vorjahre nur die Zahl der männlichen Mitglieder herangezogen wird, dann ist in 25 Vereinen ein Rückgang eingetreten, z. B. in Schöneberg 369, in Köpenick 209, in Groß-Lichterfelde 152, in Steglitz 110.— Die Fluktuation unter den Mitgliedern ist auch im verflossenen Jahre eine große gewesen. Aufgenommen wurden 7352, abgemeldet 5533 Mitglieder.— DaS Verhältnis der Mit- gliederzahl zu den bei der letzten ReichStagjswahl abgegebenen sozialdemokratischen Stimmen hat sich nur unwesentlich gehoben. Ende 1907 betrug der Prozentsatz 19,4 Proz., am Ende des Jahres 1908 dagegen 19,6 Proz.— In 17 Orten ist dieser Durchschnitts- satz des Kreises nicht erreicht, in 19 Orten sind mehr als 25 Proz. der sozialdemokratischen Reichstagswähttr organisiert.— Von den 44 örtlichen Vereinen haben 22 weniger als 100 Mitglieder, 14 eine Mitgliederzahl von 100—500 und 8 Vereine haben mehr als 500 Mitglieder. Die Rückwirkungen des wirtschaftlichen Niederganges sind auf die Leserzahl unserer Parteiprcsse nicht ohne Einfluß geblieben. Während die vorhergehenden Jahre eine stete Steigerung aufwiesen, ist die Leserzahl, abgesehen von der„Neuen Zeit" und der„Gleich- heit", zurückgegangen. Sie betrug für den„Vorwärts" 1907 23 355, im Jahre 1908 27 084,„Neue Zeit" 255 bezw. 253,„Gleichheit" 895 bezw. 921,„Wahrer Jakob" 5505 bezw. 5403. Von der„Märkischen Voltsstimme" werden in 8 Orten 213, von der„Brandenburger Zeitung" in 7 Orten 481 Exemplare gehalten. Insgesamt sind 431 Mitglieder- und 257 öffentliche Ver- sammlungen abgehalten worden.— Bei den allgemeinen Flug- blattverbreitungen. die fünfmal im Jahre stattfanden, wurden im ganzen 1270800 Flugblätter verteilt, außerdem in den ländlichen Agitationsbezirken 113 500 Broschüren, 36 000 Kalender, 77 500 Flugblätter. Umfangreiche Arbeiten brachten die Gemeindewahlen. In 41 Orten waren wir an diesen beteiligt. Insgesamt standen in diesen Orten 73 Mandate der dritten Abteilung zur Wahl. Davon waren 22 in unserem Besitz gewesen. Von den 73 Mandaten er- oberten wir 39. Neu gewonnen haben wir 21 Mandate, während uns 4 Mandate verloren gingen, und zwar je eins in vier Orten. In 3 Orten eroberten wir außerdem noch Mandate der zweiten Abteilung: in Nixdorf 3, in Krausnick 1, in Langewahl 1.— Im allgemeinen zeigte sich wieder, daß unsere Genossen in den West- liehen Vororten Berlins durch den großen Zuzug einer wohl- habenden Bevölkerung in eine immer ungünstiger werdende Po- sition gedrängt worden sind. Wo aber Aussichten bestehen, daß Sozialdemokraten gewählt werden können, griff man zu besonderen Mitteln, um diese„Gefahr" von den Gemeinden abzuwenden. Das zeigte sich besonders in Wilmersdorf und in Rirdorf.— Das Ergebnis der stattgefundenen Gemeindewahlen ist: Wir haben in 6 Städten des Kreises 68 sozialdemokratische Stadtverordnete und in 30 Landgemeinden 69 sozialdemokratische Gemeindevertreter. Der Kampf um Erringung weiterer Versammlungslokale hat im abgelaufenen Jahre keine nennenswerten Erfolge gebracht. Am Schluß des Jahres standen uns in 63 Orten des Kreises etwa 195 Lokale zur Abhaltung von Versammlungen zur Verfügung. Wenn es auch den Parteigenossen gelungen ist, in einer Reihe von Orten die Anzahl der uns zur Verfügung stehenden Lokale zu vermehren, so muß doch bedauert werden, daß selbst in den Orten, wo wir Organ'sationen haben, die Genossen nicht in der Lage waren, die Versammlungslokale zu halten. Oft trägt unsolidarisches und gleichgültiges Verhalten der Genossen daran schuld. Eine Konferenz der Lokalkommissionen des Kreises hat deshalb beschlossen, sich in einem Flugblatt an die Partei- und Gewerkschaftsgenossen zu wenden, um mehr wie bisher durch einmütiges Vorgehen Sem Terro- riSmuS der Gegner entgegenzutreten. Der Kassenbericht zeigt eine Einnahme von 73 518,62 M., eine Ausgabe von 64 469 M.. so daß ein Bestand von 9049,62 M. bleibt. An die Verbandskasse sind abgeliefert 19 390 M. für Beitrags- marken, 3100 M. für Monatsbeiträge, 179,43 M. für Tellersamm- lungen. Ehe die Generalversammlung am Sonntag eröffnet wurde, trug di«„Charlottenburger Liedertafel" zwei Lieder vor. welche ein stimistungsvolleS Präludium zu den nachfolgenden VerHand-. lungen bildeten. Nach Eröffnung der Versammlung erstattete Wollermann den Bericht des Vorstandes. Er gab einige Ergänzungen zu dem gedruckten Bericht. Die Zahl der örtlichen Wahlvereine ist neuer- dings auf 45 gestiegen, weil in Lichtenrade in diesem Jahre ein neuer Wahlverem"gegründet ist. Die Mitgliederzunahme des Zentralwahlvereins, welche im gedruckten Bericht angegeben ist, kommt in der Hauptsache durch den Eintritt der weiblichen Mit- glieder. Die Zahl der männlichen Mitglieder hat sich nur um 206 vermehrt.»- Die Statistik über den Austritt aus der Landeskirche ist nur aus 32 Orten eingegangen. In diesen sind 3654 Genossen aus der Kirche ausgetreten. Pag eis ergänzte den Kassenbericht durch Angaben über die finanziellen Verhältnisse der einzelnen Wahlvereine und schloß mit der Bemerkung, daß man mit den Kassenverhältnissen zufrieden sein könne, namentlich wenn man Rücksicht nehme auf die gegen- wältige schlechte wirtschaftliche Konjunktur. Die Diskussion brachte nur einige Anfragen und Anregungen aus einzelnen Orten. �Der Kassierer Pagels wurde einstimmig entlastet. Die Mandatsprüfungskommission hat festgestellt, daß aus 43 Orten 115 Delegierte sowie 16 Vorstandsvertreter und der Reichstagsabgeordnete des Kreises anwesend sind. Aus 5 Orten sind 6 weibliche Delegierte erschienen. Die Kreise Krausnick und Markgrafpieske sind nicht vertreten. Frau Thiel gibt einen kurzen Bericht über die Frauenbewegung im Kreise bor dem Eintritt der Frauen in den Wahlverein. Sie sagte unter anderem: Wenn die früheren Mitglieder der Frauenvereine nicht alle in den Wahlverein eingetreten seien, so liege das daran, daß sich der Anschluß solange verzögerte und daß auch einige Frauen in den Vereinen waren die nicht unseren Kreisen angehörten und deshalb den Uebertritt in den Wahlverein nicht mitmachten. Heinrichs gab eine Uebersicht über die Tätigkeit der Preß- kommission, deren Einzelheiten aus der Berichterstattung in anderen Kreisen bereits bekannt sind. Weiter machte Redner Mitteilungen über den Abonnentenstand und die finanziellen Verhältnisse des „Vorwärts". In der Diskussion beklagte sich G e h r k e- Charlottenburg über verspäteten Abdruck und zu starke Kürzung von aus Charlottcntburg an dmi„Vorwärts" gesandten Berichten.— Hoff mann- Nvwawes bemerkte dazu: Derartige allgemein gehaltene Beschwerden könnten doch nicht nach- geprüft werden; wer Beschwerden habe, der solle sie in jedem Einzelfalle mit Begründung an die Pretzkommission senden, damit eine Prüfung und erforderlichenfalls Abhilfe erfolgen könne.— Hirsch sagt« hierauf: Es handele sich nicht darum, ob im Einzel- falle ein Bericht gekürzt werde, wozu selbstverständlich die Redaktion berechtigt fei. Der Kernpunkt der Charlottenburger Beschwerde sei der, daß die Interessen der Vororte im„Vorwärts" nicht genügend berücksichtigt werden, und, wie die Dinge jetzt lägen, auch nicht so berücksichtigt werden könnten, wie es die Genossen in den Vororten mit Recht fordern könnten. Immer, wenn Wünsche um größere Berücksichtigung der Vororte vorgebracht wurden, sei ihnen ent- gegengehalten worden, der Etat des„Vorwärts" vertrage das nicht. Die Frage, wie die berechtigten Jnteressem der Vororte im„Vor- wärts" zur Geltung kommen könnten, könne hier nicht gelöst werden. Es müßte versucht werden, durch die Pretzkommission in Verbindung mit Vertretern der Vororte eine Lösung zu finden.— Zubeil bezeichnete diese Beschwerden der Vororte als begründet, dock; solle man sich nicht beklagen über die Kürzung unwesentlicher Versamm- lungsberichte. Abgesehen von Versammlungen, die sich mit wichtigen Parteiaktionen und dergleichen beschäftigen, könnten die Ver- sammlungsberichte erheblich kürzer sein wie jetzt. Aber in dieser Hinsicht müsse Parität walten. Jetzt würden die Versammlungen der Berliner Wahlkreise viel eingehender behandelt wie solche aus den Bororten. Die Versammlung nahm einen Antrag an, welcher die Preß- kommission ersucht, mit den Vorständen der größeren Vororte in kürzester Zeit eine Sitzung abzuhalten, um eine Lösung der in der Diskussion aufgeworfenen Frage herbeizuführen. Fischer- Schöneberg erstattete den Bericht der AgitationS- kommission. dessen Einzelheiten bereits früher an anderen Stellen bekannt gegeben worden sind.— In der Diskussion wurde be- sonders auf die in der Provinz eingerichteten Auskunftsbureaus verwiesen. Man wünschte einen weiteren Ausbau dieser Institution, weil sie sich auch in agitatorischer Hinsicht gut bewährt hätte. Riedel erstattete den Bericht der Lokalkommission, der ohne Debatte entgegengenommen wurde. Die Wahl de« Vorstandes und der Funktionäre hatte folgendes Ergebnis: 1. Vorsitzender Hirsch, 2. Vorsitzender B ö s k e, angestellter Sekretär Wollermann, Beisitzer: Groger, Stiefenhofer. Frau Thiel. Revisoren: Thurow, Wein mann, Riedel, Wenzel, Rosen- kränz. Aktionsausschuß: W o I l er m a n n und G r og e r. Preß- kommission: Heinrichs. Hoffmann, Ulm. Agitations. kommission: Fischer und Küter. Lokalkommission: Rohr. Revisor für Groß-Berlin: Weinmann. Vertreterin der Frauen im Verbandsvorftandc: Frau Thiel. Preßkommission für die „Brandenburger Zeitung': G ruhl- Nowawes, der„Märkischen Volksstimme": K ö p k e- Ketschendorf. Für die Verbandsgeneralversammlung wurden folgende An- träge angenommen: 1. Den Wahlvereinsbeitrag für weibliche Mit- glieder auf monatlich 20 Pf. festzusetzen. 2. Zu beschließen, daß das Lokal„Neue Welt" zur Maifeier schon in diesem Jahre den Rixdorfer Genossen überlassen werde. Hierauf wurden noch verschiedene Anregungen und Mitteilungen entgegengenommen und dann die Generalversammlung geschlossen. partei-Hngelegenbeiten. Zweiter Wahlkreis. Heute, Dienstag, den 23. März, ovends pünktlich 8>/z Uhr. findet im großen Saale von Kliem, Hasenheide 13/15, ein Bortag mit Lichtbildern über:„Die bodische Re- Volution' statt. Vortragender: Reichstagsabgeordneter Adolf Geck . Eintrittskarten a 10 Pf. sind bei den AbteilungS- und Bezirks- führern zu haben. Offene Kaffe findet nicht statt. Da etwas Gutes geboten wird, ersuchen wir um zahlreiche Beteiligung. Der Vorstand. Achtung! Fünfter Wahlkreis. Volksversammlung heute, Dienstag. den2 3. März, 8'/z Uhrabends, im Alten Schützenhause. Linieustraße 5. Referentin: Genossin Mathilde Wurm . Zahlreiches Erscheinen der Genossen und Genossinnen erwartet Die Einberuferin. Charlottendurg. Heute abend 8 Uhr findet im großen Saale des„VolkhauseS", Rosinenstraße 3, eine Versammlung statt. Vor- trag des Genossen Ed. Bernstein über:„Revisionismus und unser Programm". Alle Parteigenossen, die sich als solche legitimieren, haben Zutritt. Der Vorstand. Lichtenberg . Heute DienStag abend findet von den bekannten Stellen aus eine Handzettelverbreitung statt. Der Vorstand. Köpenick . Heute, Dienstag, den 23. März, abends 81/» Uhr, findet beim Genossen Zippau, Grünauer Str. 31, die Wahlbereins- Versammlung statt. Die reichhaltige Tagesordnung macht das Er- scheinen der Mitglieder nötig. Der Vorstand. FriedrichShagen . Heute abend 8'/, Uhr findet im Restaurant Wwe. Lerche die Wahlvereinsversammlung statt. Tagesordnung: 1. Vortrag des Genossen Köhn über:.Weltanschauung und Lebens- ziele". 2. Diskussion. 3. Bericht der Delegierten von der Kreis- generalversammlung. 4. Maifeier. 5. Vereinsangelegenheiten. 6. Verschiedenes. Gäste willkommen. Reinickendorf - Ost. Heute abend 8 Uhr bei Schaller,„Borussia« Park", Provinzstr. 69: Mitgliederversammlung des WahlvereinS. Tagesordnung: 1. Bortrag:.Assyrien und Babylon". Referent: Genosse Lewinfohn. 2. Bericht von der KreiSgeneralverfammlung. 3. Vereinsangelegenheiten. 4. Verschiedenes.— Zahlreichen Besuch erwartet Der Vorstand. KönigS-Wusterhausen und Umgegend. Die Parteigenossen werden hierdurch aus die am Mittwoch, den 24. d. M., abends 8 Uhr, im Lokale des Genossen Schumann in Wildau stattfindende Wahlvereins- Versammlung aufmerksam gemacht. Tagesordnung: Vortrag über „Konsum- und Genossenschaftswesen". Außerdem werden verschiedene Berichte gegeben. Die Parteigenossen werden ersucht, zu dieser Ver« sammlung ihre Frauen mitzubringen. Lerlmer I�acbricdten. Im Kampf«m die Jugend. Die Bemühungen der bürgerlichen Gesellschaft, den Nachwuchs der Arbeiterklasse auch nach Boll- endung der Schulpflicht möglichst in Denkfesseln zu schlagen, haben durch die sozialdemokratischen Jugend- organisationen ihr wirksames Gegengewicht erhalten. Aber jenen bürgerlichen„Freunden" der Jugend ist das ein Anlaß geworden, einstweilen ihren Eiser nur noch zu steigern. Viel versprechen sie sich jetzt von der Ausführung des Gedankens, die Fortbildungsschule noch mehr als bisher zur Teilnahme an dem Kampf um die Jugend heranzuziehen. Im Sommer vorigen Jahres wurde in einem Erlaß des Handelsministers dringend gemahnt, die Fortbildungsschule als einen Unterbau der Fürsorgeeinrich- tungen für die schulentlassene Jugend zu benutzen. Ueber dasselbe Thema verhandelte am Sonnabend voriger Woche die„Vereinigung zur Förderung des Fort- bildungsschulweseus", die bei dem„Berliner Lehrerverein" besteht. Herr Direktor Th. Sander, der über„D i e Organisation der Jugendfürsorge in der Fortbildungsschule" referierte, entwickelte einen voll- ständigen Plan für die Agitation, die da unter der fort- bildungsschulpflichtigen Jugend betrieben werden soll. Selbst- verständlich gilt ihm alles, was er vorschlägt, als eine rein erziehliche Maßregel. Er betonte sogar ausdrücklich, daß man dabei über den Parteien stehen müsse. Aber für die Veranstaltungen, mit denen die bürgerliche Gesellschaft an die Arbeiterklasse oder an deren Nachwuchs heranzukommen sucht, bedeutet dieses„über den Parteien stehe n" immer nur eine gemeinsame Arbeit aller bürgerlichen Parteien, immer nur einen Kampf gegen die Sozial- demokratie. Das ist denn auch für die Arbeiterklasse Grund genug, alle„Fürsorge" bürgerlicher„Volksfreunde" nur mit Vorsicht zu genießen. Es ist beinahe lustig zu sehen, wie man jetzt—„der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb"— sich dazu bequemt, endlich die Psyche des Jüng- lings verstehen zu wollen.„Nur kein Z w a n g". das ist jetzt die Parole derselben Kreise, die bisher nicht laut genug hatten fordern können, daß man die heranwachsende Jugend mit eiserner Faust in ihre Schranken zwinge. Zwanglos soll alles sein, was man der fortbildungsschulpflichtigen Jugend außerhalb des Unterrichts bieten will, die Spiele und Ausflüge, mit denen man im Sommer sie fesseln zu können glaubt, die Vorträge und geselligen Zusammenkünfte, zu denen man im Winter sie zu versammeln gedenkt. Möglichst zwanglos soll es auch zugehen in dem Jugendklubhaus(oder wie man es sonst nennen will), das als räumlicher Mittelpunkt für die fort- bildungsschulpflichtige Jugend gedacht ist, als Verkchrslokal, in dem sie sich wohlfühlen soll. Es müßte da, meinte Herr Sander, sogar so etwas wie eine Selb st Verwaltung geben, die man den jungen Leuten getrost zutrauen dürfe. Der Plan, einen solchen Mittelpunkt für die Jugend zu schaffen, wurde auch in der Diskussion als sehr cmpfehlens- wert und wohl durchführbar bezeichnet. Zum Kriegführen gehört bekanntlich viel Geld, und auch dieser Kampf um die Jugend läßt sich selbstverständlich nicht ohne bedeutende Geldmittel ausfechten. Herr San- der meinte, die müsse der Staat oder die Gemeinde hergeben, und in der Diskussion stimmte man ihm hierin bei. Staat und Gemeinde Pflegen nun allerdings nicht so rasch in den Beutel zu greifen. Aber vielleicht machen sie mal eine Aus- nähme und leisten sich das nicht billige Vergnügen. Daß cs ihnen nichts einbringt, dafür ist schon gesorgt. Die Ar- beiterjugend besitzt heute die erforderliche Einsicht in ihre Klassenlage, um solche Bestrebungen richtig würdigen zu können._ „Bund für Allgemeinbildung". Wenn zwei Deutsche zusammenkommen und nichts Ver- nünftiges mit ihrer Zeit anzufangen wissen, so gründen sie flugs einen— Verein. Es kommt dabei weniger auf bestimmte Ziele und Bestrebungen als auf Befriedigung der Vercius- meierei an. Und so hat sich denn wieder im Beginn des neuen Jahres ein solches Vereinchcn gebildet, das sich den vielversprechenden und pompösen Titel:„Bund für Allgemeinbildung" zugelegt hat und an dessen Spitze als Begründer und Organisatoren junge Kaufleute und dergleichen im Alter von etwa 18 bis 20 Jahren fungieren. Diese unternebmendcn Leutchen wollen, um einem„tiefgefühlten Bedürfnis"-*!) abzuhelfen, sich der mühevollen und weltbewegende» Aufgabe unterziehen.„Mgcmeinbildung" zu verbreiten. Der„Bund" blickt schon, wie einer der jungen Herren mit sichtlicher Genugtuung in einem am 17, März in den„Arminhallen" veranstalteten„Heineabend" erklärte, auf ein Quartal von ersprießlicher und erfolgreicher Tätigkeit zurück. Es wurden alle 14 Tage ivissenschaftliche und belehrende Vorträge gehalten und in jedem Vierteljahr soll ein Abend der„Kunst" gewidmet werden, wovon der betreffende„Heineabend" schon eine eigenartige Probe gab. Obgleich Freibillette reichlich „abgesetzt" waren, zeigte der kleine Saal erschreckende Lücken. Viel mehr als die 40 Mitglieder, die das Vereinchen umfaßt, waren auch nicht anwesend. Das Programm selbst war nicht schlecht zusammengestellt, um so dürftiger war die Vortrags- weise d er engagierten Kräfte. Nachdem der Redner, der über Heines Leben und seine Werke sprechen sollte, in letzter Stunde am Erscheinen verhindert war, las einer der jungen Männer aus einer Heine-Ausgabe dessen Biographie wörtlich und monoton, ohne Schwung und Nuancierung vor. Dann folgten Rezitationen einer Dame, die noch nicht allzu hohe Ansprüche befriedigen konnten, während der Sänger die wenigen Gäste völlig kalt ließ. Eine hinter uns sitzende humoristisch ver- anlagte Dame faßte ihr Urteil in die drastische Bemerkung
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