Ar. 71. 26. Jahrgang. I ZicilU des Jctirärts" Ctrüntt PsIksdlM«>,« Reichstag 233. Sitzung vom Mittwoch, den 24. März, nachmittags 2 Uhc. Am BundesratZtisch: v. Tirpitz.v. Schoen. Aus der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Etats siir die Verwaltung der kaiserlichen Marine. Die Beratung beginnt mit dem Titel Staatssekretär. Wortmeldungen liegen nicht vor, der Titel ist bewilligt.(Bei- fallsjubel der Freisinnigen unter Führung des Abgeordneten Eick- hoff sfrs. Vp.). Abg. Singer(Soz.) zur Geschäftsordnung: Wir waren der Meinung, daß die Angelegenheit, welche seit nnigen Tagen die öffentliche Meinung beschäftigt, die Differenzen in bezug auf die Erklärungen der englischen Regierung und des Staatssekretärs v. Schoen in der Budgelkommiffion. jetzt zur Sprache gebracht werden sollen. Inzwischen ist uns mitgeteilt worden, daß der Wunsch besteht, diese An- gelegenheit beim Etat des Reichskanzlers zu ver- handeln. Da uns ferner mitgeteilt ist, daß der Reichs- kanzler in der Lage sein wird, in der nächsten Woche seinen Etat selbst zu vertreten, so hat sich niemand von uns zum Wort gemeldet. Ich bitte dies konstatieren zu dürfen, damit keine falschen Schlüsse daraus gezogen werden und damit man weiß, daß meine Partei nicht gewillt ist, diese Angelegenheit ohne ausführliche Besprechung im Parlament vorübergehen zu lassen. lZustimmung bei den Sozial demokraten.) Eine Reihe von Kapiteln werden debattelos bewilligt. Beim Kapitel „Instandhaltung der Flotte und Werften" ergreist das Wort Abg. Scvcring(Soz.): Meine politischen Freunde hätten erwartet, daß gerade heute eine Debatte darüber gepflogen wäre, wie sich die deutsche Reichs- regierung zu den Erklärungen der englischen Regierung verhält. Mein Freund Singer hat schon hervorgehoben, daß wir bei dem Erat des Reichskanzlers diese hochwichtige Frage erörtern werden. Aber auch heute schon hätte sie erörtert werden sollen. Der Reichskanzler hätte heute hier sein sollen, um auf die Anfragen der Volksvertreter zu antworten.(Lebhaste Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn ich jetzt die Ferienftimmung, die hier im Hause herrscht störe—(Lebhafte Unruhe und Oho I rechts und bei den Freisinnigen/ Präsident Graf Stolberg, mit dem der Abg. Eickhoff eiw dringlich gesprochen: Ich bitte Sie, zu dem Titel zu sprechen. Abg. Severing(Soz.) sfortfahrendj: Zunächst eine persönliche Bemerkung: Ich würde heute nicht hier stehen, wenn es möglich wäre, die Wünsche der Arbeiter auf anderem Wege zur Sprache zu bringen als hier im hohen Hause. Ich hatte auf Ersuchen von Werft- arbcitern eine Beschwerde an den Staatssekretär gerichtet und den Arbeitern gleichzeitig geraten, sich an die zuständigen Instanzen zu wenden. Am 1. Oktober 1907 waren die Monatslühne in dem betreffenden Ressort in Stundenlöhne umgewandelt. was die Arbeiter zunächst fteudig begrüßten, weil sie glaubten, sie würden dadurch ihr Emkommen vermehren können. Dies war jedoch nicht der Fall, und ich machte dem Staatssekretär von der Beschwerde der Arbeiter Mitteilung. Ich glaubte damit der Marineverwaltung Entgegenkommen bewiesen zu haben, denn sie sollte doch ein Interesse daran haben, daß nicht jede kleine Unstimmigkeit hier breit erörtert würde. In dieser Erwartung bin ich aber getäuscht. Der Staatssekretär teilte mir unter dem 17. Dezember mit, daß nach 8 13 Absatz 2 der Arbeitsordnung die Arbeiter sich nur durch den Arbeiter- auS sch uß an die Verwaltung zu wenden hätten und daß er daher grundsätzlich auf die Beschwerde nicht eingehen könne I(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten I) Ich hätte doch mindestens erwartet, daß irgend eine sachliche Bemerkung darüber gemacht wäre, daß die Wünsche der Arbeiter, falls sie berechtigt sind, Berücksichtigung finden würden. Wenn ich als G e w e r k s ch a f t L b e a in t e r Wünsche der Arbeiter verttete, geschieht dies in der Regel, Rlemes feuilleton. Auf dem Wege zum Südpol . Der Leutnant Shackleton hat auf seiner Südpolarexpedition einen ungeahnten Erfolg errungen. Wenn er auch nicht, wie es zuerst hieß, den Südpol erreicht hat, so ergeben die ausführlichen Nachrichten, die inzwischen eingetroffen sind, doch zur Genüge, daß Shackletons Expedition nicht nur den magnetischen Südpol bestimmte, sondern auch bis zu einem Punkte vordrang, der nur noch 175 Kilometer vom Pole entfernt ist. Der südlichste Punkt, der erreicht wurde, liegt auf 88 Grad 23 Minuten südlicher Breite und 182 Grad östlicher Länge. Von hier aus erstreckt sich das Land in einer weiten schneebedeckten Hochebene von über 3000 Meter Höhe nach Süden. Die Expedition, die inzwischen wohlbehalten nach Neuseeland zurückgekehrt ist, ist auch tonst reich an Entdeckungen und Beob- achtungen. Der noch tätige Eismeerkrater, der über 4000 Meter hoch ist, wurde bestiegen? seine Oeffnung hat einen Durchmesser von 0,3 Kilometer. Die Temperatur sank bis auf 83 Grad Fahrenheit. Mit drei Begleitern unternahm Shackleton den Iveitesten Vorstoß nach Süden über mächtige vergletscherte Gebirgszüge hinweg, die bis zu 3500 Meter anstiegen. Man reiste mit Ponys und Schlitten. Die wissenschaftliche Bedeutung dieses jüngsten und erfolg- reichsten Vorstoßes— Shackleton hat die bisher größte Annäherung an den Südpol , die von ihm selbst mit auf der Expedition Scotts von 1902 erreichte Breite von 82 Grad 17 Minuten um 6 Grad überholt— läßt sich im Moment noch nicht überblicken. Sie wird jedenfalls hervorragend sein. Außer der Festlegung des magnetischen Südpoles sind Ausschlüsse über Land- und Wasserverteilung über große»euentdeckte Strecken der Anarktis zu erwarten. Auch Kohlenlager sollen gefunden sein. Da die höchste erreichte Breite am Nordpol 87 Grad 6 Minuten(Peary ) beträgt, so qar Shackleton auch diesen Rekord geschlagen. Es scheint danach, daß der Südpol eher seine Geheimnisse preisgeben wird, als der viel länger und heißer umrungene Nordpol . Alfred Messel , einer der wenigen Architekten, der mit dem Tohuwabohu Berliner Stillofigkeit und Unkultur in seinen Bauten organische Zweckmäßigkeit und gleichwohl auch seine persönliche Note geltend zu machen wußte, ist, noch nicht 56 Jahre alt. in Berlin ge- storben. Da er voriges Jahr— gegen alles Erivarten � zum Architekten der neu zu bauenden königl. Museen berufen war, ver- liert Berlin doppelt an ihm. Von Messels Berliner Bauten— in seiner Vaterstadt Darmftadt hatte er das Museum gebaut— fallen die Werrhcimschen Warenhäuser, die Landesversicherungsanstalt am Köllnischen Park, das Geschäftshaus Schulte Unter den Linden, das Haus Ed. Simon, das Leitehaus am Viktoria- Luise- Platz und das Bolksspeisehaus in der Neuen Schönhauser Straße jedem in die Augen, der Augen für architektonische Schönheit sich bewahren konnte. Vor allem wird Messels Name mit dem modernen Wnrenhause verbunden bleiben. Er hat den neuen Bedürfnissen, die hier ent- � standen waren, die neue architektonische Form gefunden. Die Zwecke des Hauses treten bei ihm auch in der Fassade, die sonst zum Tummelplatz von Reminiszenzen aus aller Herren Länder und da werde ich nicht auf die Arbeitsordnung verwiesen I Wenn ich als Abgeordneter Beschwerden vorbringe, so hätte j ein solches Entgegenkommen wohl Anerkennung finden sollen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In Zukunft werde ich derartige Beschwerden der Marineverwaltung nicht mehr unterbreiten, sondern sie stets hier im Hause zur Erörterung bringen. Im vergangenen Jahre hat der Reichstag eine Resolution an- genommen, welche eine Förderung des Tarifwesens fordert und die Marineverwaltung auffordert, bei Festsetzung von Neuordnungen von Arbciterverhältnissen die Arbeiterausschüffe mitwirken zu lassen. Meine Freunde hatten beantragt, daß auch die Arbeiter� organisationen mitwirken sollten. Die Herren von der freisinnigen Partei begnügten sich jedoch mit der Mitwirkung der Arbeiterausschüsse. Wir hielten es nun für selbstverständlich, daß diesem Wunsche des Reichstages Rechnung getragen würde. Es sieht mit der Erfüllung aber sehr rrübe aus. In de» Bestimmungen über das Submissionswesen, die uns überreicht sind, findet sich keine Silbe. die darauf hindeutet, daß dem Verlangen des Reichstages entsprochen ist.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) In keiner Weise wird von der Marineverwaltung den Unternehmern vorgeschrieben. daß sie bei ihren Löhnen die Tarife einzuhalten haben.' Man hat noch bis heule nicht erfahren, daß die Marineverwaltung bereit ist, dem mit der Resolution ausgesprochenen Wunsche des Reichstags nachzukommen; ihren so oft ausgesprochenen Versicherungen der sozialen Fürsorge für die Arbeiter sollte sie endlich die Tat folgen lassen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In einer Kommission unterhalten wir uns jetzt über sehr wichtige Fragen des gewerblichen Lebens, und es wird demnächst auch im Plenum geschehen. Aber alle Beschlüsse, die wir fassen, werden ledig lich auf dem Papier bleiben, wenn nicht die Reichsverwallung selbst mit der Förderung des Tarifwescns den Anfang macht (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich verstehe es aber sehr gut, daß die Marineverwaltung den in der Resolution ausgesprochenen Wünschen nicht nähergetreten ist. Als die Beschlüsse des Reichs tages bekannt wurden, liefen die Schiffsbauindustriellen Sturm gegen die Resolution, und da versicherte auf der Generalversamm- lung der Schiffsbauindustriellen Herr Admiralitätsrat Harms, die Sache wäre gar nicht so schlimm, eS feien noch Erhebungen im Gange, deren Resultat abgewartet werden müßte, vorläufig denke die Marineverwaltung noch nicht daran, die Forderungen der Rcso- lution zu erfüllen.(Hört I hört I b. d. Sozialdemokraten.) Wir haben aber das Recht, zu verlangen, daß die Wünsche de? Reichstages berücksichtigt werden. Bezüglich des anderen Teiles der Re- solution. der Mtwirkung der Arbeiterausschüsse an der Neuordnung und Festsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen auf den Werften, hatten eS doch die Freisinnigen wohl für selbstverständlich gehalten. daß der Forderung Rechnung getragen würde.(Sehr richtig! links.) Als aber der Arbeiterausschuß in Wilhelms baven an die Werftverwaltung das Ersuchen richtete, bei der Auf- stellung der Akkordtarife Mitglieder von Arbeiterausschüssen heranzuziehen, wurde das rund abgelehnt. Dabei sind die Arbeiter- Verhältnisse auf den kaiserlichen Werften keineswegs derartig, daß die Arbeiterausschüsse bei der Festsetzung der Arbeitsbedingungen nicht herangezogen zu werden brauchen. Die Marinebctriede sind keineswegs Musterbetriebe. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es finden sich in ihnen dieselben üblen Erscheinungen wie in Privatbetrieben. Zunächst ist die Fluktuation eine sehr große. Vom Oktober 1907 bis Oktober 1903 wurden in Kiel eingestellt 2853 Arbeiter, wovon wieder 1711 ausschieden; in Wilhelmshaven 2176, wovon 1314 aus- schieden; in Danzig 317, wovon 312 wieder ausschieden; in Friedrichsort 422, wovon 285 wieder ausschieden. Forscht man nach den Ursachen dieser großen Fluktuation, so ist freilich festzustellen, daß die Löhne ein wenig gestiegen sind. Aber zwischen den Ein- nahmen und Ausgaben der Arbeiter besteht immer noch ein un geheuerliches Mißverhältnis. Nach mir gewordenen Mitteilungen sind in Kiel bei den Lebensmittelpreisen 1933 M. fährlich notwendig, um die Bedürsnisse einer Arbeiterfamilie zu befriedigen. Dazu reicht aber nach den Lohnausweisungen der Marineverwaltung der Lohn bei weitem nicht aus. Ein weiterer Grund zur Fluktuatton liegt in der brutalen Behandlung der Arbeiter auf den kaiserlichen Werften. Ausdrücke kommen dort vor, gegen welche die im„Seehund" üblichen die reinen Kosenamen sind.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Weiter ist für die Fluktuation anzuführen die Zeiten geworden war, klar und deutlich zutage. Da wurde keine Theaterkulisse herumgebaut, sondern die Form aus der Konstruktion hergeleitet. Wieviel neue SchönheitSmöglichkeiten sich dabei ergeben, wie das Ornament dabei natürlich herauswächst, das kann man täglich an Messels Bauten, vor allem am Wertheimschen Hause in der Leipziger Straße schauen. Diesem ehrlichen, wahren und auS- ausdrucksvollen Stil unserer Zeit zum Durchbruch verholfen zu haben, rst Messels großes Verdienst. Theater. Neues Theater:„Die Wahrheitsschule" von Paul Gutmann. Der Titel dieser„Komödie" läßt an Sheridans klassisches Lustspiel„Die Lästerschule" denken und weckte einige Er- Wartungen. Der Verfasser unternahm den Versuch, eine alte Gassen- Weisheit: daß es keine Wahrheit gäbe, sondern nur. Wahrheiten", und daß die Wahrheit nur allenfalls ein unschädlicher Sport für reiche Leute sei, in eine dramatische Bühncnhandlung umzusetzen. Ihre treibende Kraft ist eine Art Agent für alles. Dieser Mann„macht" in allem und jedem. Ja er hat, unter Mitwirkung von entgleisten Theologen und ehemaligen Zuchthauskandidaten, sogar— eine„Wahrhetts- schule" gegründet. Alles ist ihm�erade gut genug— wenn es sich in Geld verwandeln � läßt.„Liebe" zum Beispiel und weibliche Schönheit, zumal diese, sind Handelsartikel, Kapital, das hohe Wucherzinsen trägt, sobald es auf den Marft kommt. Jetzt hat dieser Spekulant ein junges Mädel aus ärmlichem Stande einem alten Grafen auf sofortige Scheidung angeheiratet. Der Blaubllltler hat nichts wie seinen Namen. Tut nichts. Als nunmehrige„Gräfin " wird eS Jenny leicht fein, Millionäre zu kapern. Der Agent hält solche Heiratskandidaten paarweis auf Lager. Jenny ist aber des Schwindels überdrüssig. Ihr Herzchen liebt einen blutjunge» Studenten. Und jetzt— nachdem sie Mitglied jener famosen„Wahrheitsschule" geworden ist. entschleiert sie rücksichtslos vor allen ihre Vergangenheit. Zum Beweise für ihre niedere bürgerliche Herkunft stellt sie den Freundinnen und Ver- chrcrn ihre Mutter vor:— eine ehemalige Köchin oder so etwas. Natürlich nimmt nun die ganze Sippe, mit Einschluß des Studenten. ReißauS. Der Agent kommt mit neuen glänzenden Geschäfts- anträgen; da er aber von Jenny abgewiesen wird, läßt er die zanze luxuriöse Wohnungseinrichtung wegholen, um Jenny doch noch ür seine Pläne einzusangen. Inzwischen hat sich jedoch ein Be- Werber für Jenny aufgeworfen, dem sie ihre Liebe schenken wird; denn er ist Fanatiker der Wahrhaftigkeit wie sie selber.... Manches an dieser„Komödie" ist ja recht nett. Sie trägt aber doch alle Mängel eines ErftlingSstückeS an sich. Neben guten Ansätzen zur Charakterzeichuung laufen skizzenhafte Unmöglichkeiten und unzählige Trivialitäten. Um Konttastwirkungen herbeizusühren, bedient sich der Verfasser abgeschmackter Possentricks. Die Pfändung ist nichts weiter als ein robuster Gelegenheitseffekt, dazu bestimmt, die dünne Handlung überflüssigerweise auf drei Akte zu verlängern. Immerhin zeigt der Schlußakt, daß von dem jungen Autor noch besseres zu erwarten fein dürfte, sofern er mehr Lebens- und Bühnenerfahrungen gesammelt haben wird. Von der Aufführung laßt sich nur wenig Lobenswertes sagen. Die Regie war mangelhaft. Von den Darstellern sind Hans Werckmeister . Termine Neichenbach und Meta I ä a e r zu nenne». q. t bis ins kleinste gehende Spionage über die einzustellenden Arbeiter. Diese Bespitzelung erstreckt sich nicht nur auf die Qualifikation der Arbeiter, sondern es wird festgestellt, wie sie sich in bezug auf ihre politische Gesinnung betätigt haben!(Hört! hört I � bei den Sozialdemokraten.) lieber die Einstellung entscheidet die Werft- Verwaltung nach den Mitteilungen der Polizeibehörde, die zuweilen ein Interesse daran hat, mißliebige Arbeiter anzuschwärzen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nach den Einstellungsbedingnngen sollen nur Arbeiter beschäftigt werden, die„einen achtbaren Lebens- wände! geführt haben". Deshalb ist ein bedingt verurteilter Jugend- sicher, der nur einen Tag Gefängnis bekommen hatte, wieder ent- lassen worden, nachdem er schon probeweise eingestellt war! Militäranwärter aber sind ohne weiteres einge- stellt und befördert, auch wenn sie eine längere Frciheits- strafe erlitten haben. Die Bezahlung entspricht keineswegs der Leistung. Auf den Baggern ist am 12. März d. I. die Arbeit wieder aufgenommen, den Arbeitern lvird aber in Zukunft kein Verpflegungszuschuß mehr gezahlt, die Offiziere und höheren Beamten dagegen �bleiben im Genuß ihrer Taselgelder! Auch bezüglich der Bettwäsche wird bei diesen Baggern gespart. Während früher alle Monat die Wäsche gewechselt wurde, geschieht es jetzt nur alle drei Monate! Eine solche —„Sparsamkeit" halte» wir für sehr unangebracht.(Lebhafte Zu« stimmung bei den Sozialdemokraten.) Während man an den Arbeitern spart, verwendet man Aufsichts- beamte in einem Prozentsatz, der weit höher ist als bei Privat« werften. Während z. B. auf der Werft Flensburg auf 17 Arbeiter ein Beamter kommt, fallen in Kiel auf 7700 Arbeiter 34 Offiziere und 961 Beamte, also est» Beamter auf etwa sieben Arbeiter. (Hört! hört I b. d. Soz.). In England kommt auf 30 Arbeiter der Staatswerften erst ein Beamter, denn die Mitteilung der Reichs- marinebeamten, daß das Verhältnis wie 1: 11 sei, ist unrichtig. In der Tat ist das Verhältnis aui den deutschen Werften noch un« günstiger, da eine Menge Schreiberstellen von Leuten versehe» werden, die nicht als Beamte geführt werden, In den vereinbarten Akkordpreiseu wird sogar ein gewisser Betrag für die Entlohnung derartiger Schreiber mitberechnet. Das große Beamtenhecr erschwert die Abwickelung der Geschäfte und die Schwierigkeiten der Kontrolle. Vor Weihnachten des letzten Jahres wurden Witwen ehemaliger Werft- arbeiter mit Schreibarbeiten beschäftigt. In der ersten Januarwoche hatten sie noch keine Bezahlung erhalten. Das wäre in einem nicht an sehr großen Zahlungsschwierigkeiten leidenden Privatgeschäft einfach unmöglich. Befördert werden nicht die intelligentesten, sondern die g e f ü g i g st e n Arbeiter. So ist es vorgekommen, daß in Danzig Arbeiter zu Schreiberstellen befördert worden sind, die nicht rechnen und nicht schreiben können.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ob das gerade im Interesse des Dienstes ist? Die Aushilfsarbeiter werden so schlecht bezahlt, daß Leute, die, wenn die Aushilfsarbeiten mit demselben Stundenlohn be- zahlt worden wären wie die gewöhnlichen, 140 Mark zu fordern hätten, mit 17 Mark abgefunden worden sind I(Lautes (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich selbst habe oft genug die Werftarbeiter aufgefordert, ihre Beschwerden lieber durch die Arbeiterausschüsse statt durch mich vorbringen zu lassen, aber mir sind Beispiele über Beispiele borgetragen worden, daß die Mitglieder der Arbeiterausschüsse, wenn sie die Interessen ihrer Mitarbeiter einigernraßen energisch wahrnehmen, in ihrem Fortkommen schwer geschädigt werden.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) So wurde das Mitglied des Wilhelmshavener Arbeiteraus- schusses bei einer Lohnaufbesserung bloß darum übergangen, weil er im Gespräch mit seinen Mitarbeitern gesehen worden war!(Leb« Haftes Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) So etwas muß die Arbeiter zu Heuchlern machen. Daß das der Fall ist, zeigt der Ver« lauf der Prozesse, die gelegentlich der Unterschlagungen auf den Kieler Werften geführt worden sind. Dort haben bekanntlich die oberen Beamten die Verwaltung um Millionen geprellt.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Jenen hat man nicht auf die Finger gesehen, sondern lieber der politischen Betätigung oder auch nur Ge- sinnung der Arbeiter nachgeschnüffelt.(Sehr wahr I bei den Sozial- demokraten.) Die Werkmeifter sind stets bei der Hand, ArbeiterauSschuß- Mitglieder, die eS mit ihrer Pflicht ernst nehmen, zu schikanieren, und die Betriebsleiter verfahren in demselben Sinne. Neulich ist erst Hnmor und Satire. Die russische Polizei. Ein Lockspitzel bor Gericht. Der Vorsitzende:.Das Gericht verurteilt sie zum Tode.... Jetzt können Sie ruhig nach Hause zurückkehren, mein Automobil erwartet Sie vor der Türe." D u r n o w o zum neuengagierten Provokateur:„Sie können ganz Rußland zerstören, nur das kaiserliche Palais und das Ministerium des Innern müssen Sie verschonen." Der Ausweg.(Gespräch zweier hoher Polizeibeamter.) »Ich weiß nicht, was ich anfangen soll. Das Ministerium verlangt von mir die Verhaftung von 25 Mitgliedern des Zentralkomitees und ich kenne sie nicht."—„Das ist doch einfach genug: Lassen Sie 25 Passanten verhaften und erschießen.... Die können sich ja nachher beschweren." Die Probe.„Ich war Revolutionär und möchte in Polizei- dienste treten. Wie Hab ich das anzufangen?"—„Sie haben vier Proben abzulegen: 1. eine Urkundenfälschung zu begehen, 2. einen Raub, 8. einen Inden in den Sckwß der orthodoxen Kirche zu führen, 4. ein politisches Attentat aiizustiften." Unlauterer Wettbewerb.(Zwei Verbrecher.)„Seit die Polizei das Monopol aller Verbrechen sich angeeignet hat, bleibt a unsercinen nichts mehr zu tun."—„Ich sehe keinen anderen AuS« weg, als auch zur Polizei überzutreten." („L'assiette au beurre".) Die Vorbildlichen.(Im Modemagazin.)„Was tragen denn die Mädchen jetzt im Moulin rouge?"—„Bedaure, gnä' Frau, in solchen Lokalen verkehre ich nicht I"—„Sollten Sie aber I Wenn Sie nicht wissen, was die Kokotten tragen, wie wollen Sie dann jeine Damen bedienen l"(„ L u st i g e Blätter".) Notizen. — Joseph Joachims Briefe sollen gesammelt heraus» gegeben werden. Die Herausgabe liegt in den Händen seines Sohnes, Dr. Johannes Joachim in Götttngen, und seines Freundes, Prof. Andreas Moser in Berlin . Im Interesse möglichster©oll» tändigkeit werden alle, die sich im Besitze von Briefen des Meisters befinden, gebeten, dies den Herausgebern oder der Verlagshandlung Julius Bard in Berlin W. 15 mitzuteilen. — Klara Viebigs Drama„Das letzte Glück", daZ in bäuerlichen Kreisen spielt, wurde mit Erfolg im Schauspielhause zu Frankfurt a. M. aufgeführt. — Aus dem Bühnenleben. In München starb bei- nahe 80 Jahre alt die frühere Hofschauspielerin Marie Dahn« Hausmann, die Stiefmutter des Schriftstellers Felix Dahn . Ihre naturwahre, innig-schlichte Darstellungsweise hat ihr Andenken wach gehalten, obwohl sie schon vor zehn Jahren von der Bühne chied.— M a t k o w s k y soll in seinem Testament eine bedeutende Stiftung für Veteranen der Schauspielkunst gemacht haben. — Dem Dentschen Museum in München wurden von dem englischen Chemiker William R a m s a y Proben der von ihm entdeckten gasförmigen Elemente Argon , Helium, Krypton, Neon und Xenon überwiesen. Die Proben wurden von ihm selbst hergestellt und m Spektralröhren dem Museum übersandt.