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neuesten Moden am levenden Modell zn studieren, die THeaker de- suchen. Die kürzlich veröffentlichte Preisfrage derDeutschen Theater-Zeitschrift":Wenn eine junge Schauspielerin 12t) M. Gage im Monat erhält, von der ihr 75 M. für Strafen abgezogen werden, wie macht sie es, um schuldenfrei durchzukommen und sich doch in jedem Monat für zwei Premieren je drei elegante Toiletten im Durchschnittspreise von 250 M. anzuschaffen?" ironisiert treffend die unerträgliche Zwangslage, die der ArbeitgeberegoismuS der Bühnenkünstlerin aufnötigt. Aber jetzt wollen die Schauspielerinnen Front machen gegen die so lange geduldig ertragene Willkürherrschaft des Unternehmer- tums. Ein schönes Zeichen der Solidarität ist es, daß die glänzend honorierten berühmten Bühnenkünstlerinnen Berlins die Führung in dem Kampfe um die wirtschaftliche Besserstellung der darbenden Kolleginnen in der Provinz und der jungen Anfängerinnen über- nommen haben. Frau Hedwig Mangel vom Deutschen Theater hatte für Diens- tagnachmittag nach der Schauspielschule des Deutschen Theaters eine Versammlung einberufen, der Bühnenkünstlerinnen in großer Zahl beiwohnten. In ihrem Referat wies Frau Mangel darauf hin, wie notwendig eS sei. daß gerade die Frauen, denen beim Theater die schwersten Lasten auferlegt würden, sich aus ihrer Gleichgültigkeit aufrafften und verlangen, daß ihnen dieselben Rechte zugebilligt werden wie ihren männlichen Kollegen. Ganz besonders in der Kostümfrage. In bezug auf Maske und Kostüm haben Mann und Frau sich gleicherweise den Anordnungen der Direktion zu fügen, aber die Frau hat auch die 5iosten dafür zu tragen, während dem ohnehin wirtschaftlich besser gestellten Manne da? Kostüm geliefert wird. Die bei einigen Hostheatern gebräuch- liche Lieferung der historischen Kostüme an die Künstlerinnen genüge heute längst nicht mehr, Ivo die modernen Stücke den Spielplan der Theater beherrschen. Das Kostüm gehöre mit zur Ausstattung des Stückes, und es sei unerhört, von den Künstlerinnen zu ver- langen, daß sie dem Direktor die Stücke ausstatten, während sie vielleicht eine Gage von 120 M. erhalten. Am Hoftheater in Kassel erhalte eine erste Kraft 180 M. Monatsgehalt. Davon gehen 5 Proz. für den Agenten und 5 Proz. für die Pensionskasse ab, so daß mit 182 M. nicht nur der Lebensunterhalt, sondern auch der Toiletten- aufwand bestritten werden mutz, den das Auftreten in modernen Rollen erfordert. Wir müssen dahin kommen, sagen zu können: Unsere sauer erworbene Gage gehört unSI Sie reicht oft kaum auS. daß wir uns außerhalb des Berufs anständig kleiden können, zumal wenn wir noch Angehörige zu unterstützen haben. Die ewige Sorge um die moderne Garderobe, die im nächsten Jahre unmodern ist, muß von uns genommen werden. Wir sind auch unseres Lohnes wert und nicht dazu da, um die Herren Direktoren noch fetter zu machen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Direktor ohnehin verpflichtet, alle zur Ausübung des Berufs nötigen Gegenstände zu liefern. Wir müssen auch for- dern, daß die sogenannten Respektstage, die der Sängerin und Tänzerin ohne weiteres allmonatlich zugestanden werden, auch für die Schauspielerinnen eingeführt werden, ohne daß ihnen, wie dies heute üblich ist, die Gage gekürzt wird. Die Rednerin schloß ihre mit großem Beifall aufgenommenen Ausführungen mit der Auf- forderung an die Kolleginnen, in Wort und Schrift für die eigenen Interessen einzutreten, um das Material, das die Oeffentlichkeit über die Schäden im Schauspielerberufe unterrichten solle, zu ver» mehren. Außerdem gelte es, Unterschriften für eine Petition an den Reichstag wegen Schaffung eines ReichS-Theater» gesetzes zu sammeln, zu dem auch die Frauen ihren Bau- stein liesern wollen. In der Diskussion, an der sich auch Frau Breitscheid und Dr. Osterrieth, Generalsekretär der Bühnengenossenschaft, beteiligten, versuchte Fräulein Adele Schreiber, die Bühnenkünstlerinnen für die Ziele der sogenannten fortschrittlichen Frauenbewegung zu ge- winnne. Sie verwies u. a. darauf, daß ein großer Teil der Direk. toren die Gagenfrage als etwas Nebensächliches behandele und unter mehr oder weniger deutlichem Hinweis darauf, daß der Marktwert einer Frau steige, indem sie sich auf der Bühne zeige, der Prosti- tution in die Hände arbeite. Es seien unwürdige Zustände, wenn für zweitägige Gastspiele in der Provinz 50 M. gezahlt würden, für Abendrollen, in denen fünfmal die Toilette gewechselt werden müsse. 10 M. Spielhonorar und wenn Monatsgagen von SS bis 120 M. häufig seien.- Mögen die Bühnenkünstler und-künstlerinnen auf dem Wege, den sie beschritten haben, ausharren und gemeinsam am Ausbau ihrer jungen Organisation arbeiten. Versammlungen Veranstaltungen. Lichienherg-RnmmelSburg. Heute abend 8% Uhr findet ln den Prachtsälen des Ostens" eine öffentliche Frauenversammlung statt. Bortrag:Die Frau im politischen Kampf"', Referentin: Regina Friedländer. Leseabende. Versammlungen. Der sozialdemokratische Wahlverein de« 6. Berliner Reichs- tagswahlkreiseS hielt am Dienstag in denGermaniaprachtsälen" eine zahlreich besuchte Generalversammlung ab, in der als erster Punkt die Wahl des ersten Vorsitzenden auf der Tagesordnung stand, die in der vorigen Generalversammlung vertagt worden war, weil gegen den von der Kreiskonferenz vorgeschlagenen Ge- Nossen Dobrohlaw Einwendungen erhoben wurden, die erst ge- prüft werden sollten. Inzwischen hatte die Schiedskommission die Angelegenheit gründlich untersucht. Wie zunächst der zweite Vm - sitzende Genosse Mar Richter kurz berichtete und im übrcgen auch der Schiedsspruch, den Genosse Trippel verlas, besagt, ist d,e Kommission zu der Ueberzeugung gekommen, daß'- brohlaw in den Dingen, die ihm zum Vorwurf gemacht wurden, nur im Interesse der Partei seine Pflicht und Sclwldigkeit getan hat. AuS diesen Gründen schlugen auch die Kreiskonferenz und der Vorstand wiederum vor, den Genossen Dobrohlaw zum ersten Vorsitzenden zu wählen. Diesem Bericht folgte eine lebhafte Debatte, in der die früheren Einwen- düngen von neuem erhoben wurden. Die Abstimmung ergab dann 511 Stimmen für, und 650 gegen den vorgeschlagenen Kandidaten. Die Frage der Kandidatur zum ersten Vorsitzenden wurde darauf nochmals der Bezirksführerkonferenz überwiesen. Sodann kam ein Antrag auf Entschädigung der Bezirksführer und Erhebung eines Extrabeitrages von vierteljährlich 10 Pf. zur Verhandlung. Genosse Theodor Fischer berichtete über diese Angelegenheit. Ein Antrag aus Entschädigung der BezirkSfühver für die Ausgaben, die ihre Tätigkeit mit sich bringt, war bereits im März 1903 gestellt worden, wurde aber damals abgelehnt.%I3 der Antrag von neuem kam, wurde zunächst eine Umfrage darüber veranstaltet, wie es in den anderen Wahlircisen gehandhabt wird. Tann überwies die Kreiskonferenz vom 8. Dezember den Antrag. verbunden mit dem Zusatz über Erhebung von Extrabciträgen zur Deckung der entstehenden Unkosten, den Zahlabenden. Für die Ent- schädigung sprachen sich 285 Bezirke auS, dagegen 48; für die Extra. beitrüge 148. dagegen 138; die übrigen Bezirke haben zu der einen cter anderen Frage keine Stellung genommen. Kreiskonferenz und Vorstand stellten nun an die Generalversammlung den Au- trag, eine Entschädigung von 50 Pf. pro Sitzung zu zahlen und zur Deckung der Unkosten einen Extrabeikrag von 10 Pf. viertel­jährlich zu erheben. In seiner Begründung deS Antrages bemerkte der Redner, daß man darauf sehen müsse, die finanzielle Leistungs- fähigkeit des Wahlvereins für die Partei nicht zu schwächen und auS diesem Grunde die Erhebung deS Extrabeitrages beschließen solle. Der Antrag wurde dann auch ohne längere Diskussion in beiden Teilen anaennmraea. Schließlich beschäftigte die Versammlung sich mit einem An- trage auf Einleitung des Ausschlußverfahrens gegen den Genossen Paul Fiedler. Wie Genosse Trippel als Vertreter der Schiedskommission, die sich mit der Angelegenheit befaßt hatte, berichtete, war die Kommission einstimmig zu dem Antrage auf Ausschluß gekommen, nachdem Fiedler es ihr gegenüber nicht für nötig befunden hatte, sich zu verteidigen und unter Fluchen und Schimpfen die Sitzung verlassen habe. Vorstand und Kreis- kcnfcrenz schlössen sich dann dem Antrage an. Genosse Fiedler verteidigte sich nun der Generalversammlung gegenüber in fast Il-b stündiger Rede, und zwar mit dem Erfolg, daß der Ausschluß- antrag abgelehnt wurde. Einige andere Anträge mußten der vorgeschrittenen Zeit wegen zurückgestellt werden. Die Dachdecker nahmen in ihrer letzten Mitgliederversamm. lung Stellung zur Maifeier. Görnitz legte der Versammlung eine Resolution des Vorstandes vor, welche lautet: In Erwägung, daß es uns in diesem Jahre mit Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse in unserem Gewerbe nicht mög- lich ist, den 1. Mai durch allgemeine Arbeitsruhe zu feiern, be- schließt die heutige Versammlung: Die Begehung der Maifeier ist jedem einzelnen Kollegen nach seinem freien Ermessen zu überlassen." Görnitz gibt gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, daß die Kollegen dies Jahr sich etwas besser beteiligen, als es im ver- gangcnen Jahr der Fall war. Es hätten sich manche Werkstellcn, die sonst immer gefeiert hatten, ausgeschlossen. Die Resolution sei doch nicht so zu verstehen, daß einfach von einer Maifeier Ab- stand genommen werden solle, sondern es soll nicht gerade ver- langt werden, daß unter allen Umständen die Kollegen ver­pflichtet werden sollen, zu feiern, auch wenn sie gemaßregelt werden. W e i s k e meinte, von einer Bekämpfung dieser Resolution, wie es im vorigen Jahre sogar noch sehr energisch geschehen, könne man getrost absehen, babe es doch im vorigen Jahre nichts genutzt, wo doch die Konjunktur im Verhältnis zu jetzt noch eine viel bessere war. Clement äußerte sich dahin, es möchten entweder alle feiern oder gar keiner. Dem widersprachen deim doch einige Redner, wie'Görnitz, Althaus und Winskowski. Wenn man nicht alle heranziehen könne, brauchten doch nicht auch die übrigen zu verzichten. Die Resolution wurde schließlich gegen drei Stimmen angenommen. W e i s k e begründete einen Antrag des Vorstandes, dem angestellten Beamten die Kassengeschäfte mit zu übertragen. Wenn auch dadurch die Geschäfte des Vorsitzenden und des Kassierers in einer Hand sind, so sei es doch nötig, dies einzuführen. Der Kassierer sei gegenwärtig krank. Görnitz übt dessen Tätigkeit jetzt schon auS, wenn auch nur provisorisch. Die 200 M. jährlich, die der Kassierer bis jetzt für seine Tätigkeit er- halten hat, könnten gespart werden. In der Diskussion sprachen sich verschiedene Redner für den Antrag aus; andere sind entschieden dagegen. Der Beamte sei doch hauptsächlich der Agitation wegen angestellt. Das Statut lasse es doch gar nicht zu, dem Vorsitzenden die Kassengeschäfte mit zu übertragen. Beides in einer Person vereinigt, könnte zu unliebsamen Vorkommnissen führen. Wo bleibe da die Kontrolle, die doch anderenfalls durch'den Vor- sitzenden dem Kassierer gegenüber ausgeübt werde? W e i S k e suchte die Einwände der Gegner zu entkräften. Die Kontrolle sei doch dieselbe. ES seien außer den Revisoren zwei Bevollmächtigte, die die Quartalsabrechnungen zu unterzeichnen haben, der Vor- sitzende und der Schriftführer. Wenn nun an Stelle des ersten Vorsitzenden der zweite Vorsitzende gestellt wird, so ist die Lücke in diesem Falle ausgefüllt. Daß dieser Fall im Statut nicht gerade vorgesehen ist, spielt doch keine Rolle. Früher war auch keine Bestimmung darüber enthalten, daß eine Filiale einen Beamten anstellen kann; uns hat keine Instanz das Recht dazu abgesprochen. Der Antrag des Vorstandes wurde schließlich mit großer Majorität angenommen. A l t h a n s begründete dann eine Vorlage des Vor- standes, den durch die wirtschaftliche Krise am schwersten betroffenen Kollegen eine einmalige Unterstützung zu gewähren. Es sind zirka 225 Mitglieder von 550, die in der Zeit vom 1. Oktober bis Ende dieser Woche 13 Wochen und darüber arbeitslos sind, verschiedene sogar noch länger als 26 Wochen. UeberdieS seien noch eine ganze Anzahl vorhanden, die nur bis zu 12 Wochen arbeitslos waren. Da wir nicht in der Lage sind, für alle etwas zu tun, da die Mittel nicht ausreichen, empfiehlt der Verstand der Versammlung folgenden Antrag:. Den arbeitslosen Kollegen ist eine einmalige Unterstützung zu gewähren unter Berücksichtigung folgender Bestimmungen: 1. Die Gewährung der Unterstützung wird abhängig gemacht von einer 52wöchigcn Beitragszahlung(für Berlin ); für Hilfs- arbeiter von einer 26wöchigen Beitragszahlung. 2. Die Unter- stützung soll erhalten, wer 13 Wochen vom 1. Oktober 1908 bis 28. März 1909 arbeitslos war. 3. Die Unterstützung ist jedem, gleichviel ob verheiratet oder ledig, zu gewähren. 4. Der Unter- stützungssatz beträgt 10 M.; für jede Woche über die 13. hinaus 0,50 M. mehr. 6. Die restierenden Beiträge sind von der Unter- stützung abzuziehen." Nach kurzer Debatte findet der Antrag einstimmige Annahme. Ein Antrag G r z e g o r z>:w sk i,den arbeitslosen Kollegen, die nach außerhalb Arbeit erhalten, das Reisegeld als Darlehen zu gewähren", wurde dem Vorstand überwiesen. H ä n s e I forderte die Anwesenden auf, mehr Agitation unter den Hilfsarbeitern zu betreiben. Es sei sehr schwer, etwas zu erreichen. Es herrsche auch noch Uneinigkeit unter beiden Gruppen; das müsse aufhören. Mehrere Redner gehen auf die Verhältnisse, wie sie in einigen Werkstellen herrschen, ein. Ein Antrag W e i s k e:In allen Werkstellen sind die Werkstellensitzungen von Dachdeckern und HilfS- arbeitern gemeinsam abzuhalten", wird gegen zwei Stimmen an» genommen. Die gesetzwidrige Arbeitsnachweisordnung der Schmrebeinnung. Seit über zwei Jahren liegt die Schmiedeinnung Berlins und der Vororte mit ihrem GesellenauSschuß und den Gesellen über» Haupt in erbittertem Kampfe wegen der Ordnung oder Unordnung auf dem Arbeitsnachweis in der Jnnungsherberge. Seinerzeit hatte die Innung, ohne den Gesellenausschuß zu hören, eineAr- beitSauSgabeordnung" aufgestellt, wonach die Arbeitsausgabe über» Haupt nicht an bestimmte Stunden gebunden war und Arbeits- kräfte auch an Nichtinnungsmitglieder vermittelt werden sollten. Der Gesellenausschuß erhob Protest bei der Gewerbedeputation und hatte damit auch Erfolg. Die Innung setzte dann die Ar- beitsausgabe auf die Stunden von 8 bis 12 Uhr vormittags und von 6 bis 9 Uhr abends fest, jedoch so, daß sie auch Sonntags er- folgen und der Sprechmeister auch noch außer der festgesetzten Zeit das Recht haben sollte, einlaufende Arbeitsangebote zu vergeben. Der Sprechmeister ist der HerbergSwirt. und so bringt es die famose Arbeitsausgabeordnung mit sich, daß ein Geselle, der sich von früh bis spät, Sonntags und Wtags in der Herbergskneipe aufhält wobei man ja nicht guttrocken" dasitzen kann. die meiste Aus- ficht hat. Arbeit zu erhalten. Der GesellenauSschuß. der aus Leuten besteht, denen das Wohl ihrer Kollegenschaft weit mehr am Herzen liegt als das des Herbergswirtes, verweigerte auch zu dieser Ar- beitSauSgabeordnung seine Zustimmung. Zu dsr Jnuungsver. sammlung, die sich mit der Sache befassen sollte, war der Gesellen- ausschuß wohl geladen, man erlaubte es aber nicht, daß die Ge- sellenvertreter ihre Meinung sagten, sie durften nur mit ja oder nein antworten; damit glaubten die Meister der GesetzeSvorschrist, daß der GesellenauSschuß in solchen Dingen gehört werden muß, Genüge getan zu haben. Man sagte und glaubte wohl auch tat- sächlich auf feiten der Meister, daß die Gesellenausschußmitglieder nur die Hetzer seien, die Gesellen selbst aber mit der meisterlichen Arbeitsnachweisordnung einverstanden wären. Darum berief die Innung auf den 13. März vorigen Jahres eine Jnnungsgesellcn- Versammlung ein, wo ein Jnnungsmeister über die Angelegenheit referierte. Die Nieister erlitten aber dabei eine gründliche Nieder- läge, denn die Versammlung lehnte einstimmig die Nachweisord- nung der Innung ab und sprach sich ebenso einstimmig dafür aus. daß eS genüge, wenn die ArbcitSauSgabe täglich einmal, vielleicht von 3 bis 5 Uhe stattfinde, daß Sonntags überhaupt keine Arbeit ausgegeben und auch die übrigen Mißstände beseitigt Verden sollten. Aber das alles hatte bei der Innung keinen Erfolg, der auch der Vorschlag des Gesellenausschusses, die Arbeitsausgabe auf die Zeit von 10 bis 12 und von 7 bis 9 Uhr festzusetzen, noch zu weitgehend war. Der Gesellenausschuß wandte sich abermals an die Gewerbe- dcputation und erhielt dann auch die Antwort, daß der Innung aufgegeben sei. die Arbeitsausgabe auf zwei Stunden zu be- schränken, sie für die Sonntage überhaupt abzuschaffen, und daß die Innung selbst ihrem Sprechmeister schon strengstens untersagt habe, an Nichttnnungsmitglieder Arbeitskräfte zu vermitteln. Ueberdies erschien am 26. Mai 1903 imVorwärts" eine Notiz, wonach die Gewcrbedeputation einen Antrag des Jnnungsoorstandes. den vom Gesellenausschuß abgelehnten Bestimmungen der Arbeitsausgabe- ordnung ihre Zustimmung zu geben, abgelehnt hatte. Aber die Gc- sellen warteten vergebens, daß die Innung sich nun endlich den An» Weisungen der Aufsichtsbehörde fügen werde, und hielten im Scp- tember von neuem eine Versammlung ab, durch die die Gewerbe- dcputation ersucht wurde, mit aller Strenge gegen die Verstöße der Innung vorzugehen. Merkwürdigerweise erwiderte die Gewerbe. deputation darauf, daß sie zu der Angelegenheit selbst noch nicht prinzipiell Stellung genommen habe, und daß in dieser Hinsicht die Vorwärts"°Notiz vom 26. Mai irrtümlich sei. Auf eine Iveitere Anfrage des GesellenausschusseS, datiert vom 23. Dezember, hat die Auftichtsbehörde diesem noch keinen Bescheid zukommen lassen. Am 26. Februar 1909 fand nun eine Jnnungsmeisterver- sammlung statt, in der es auch dem GesellenauSschuß möglich wurde. seine Meinung über die Sache zu sagen. Hier verlas der Ober- meister einen an die Innung ergangenen Bescheid, der sich ganz mit der erwähntenVorwärts"-Nottz deckt. Die Aussichtsbehörde hat also tatsächlich anerkannt, daß der Gesellenausschuß im Rechte ist, ihn selbst jedoch davon noch nicht benachrichtigt. Trotz alledem hat die Innung sich noch nicht bereit gefunden, eine den An- Weisungen der Behörde entsprechende Nachweisordnung durchzu- führen. AuS diesem Grunde hatte der Gesellenausschuß am Montag eine Versammlung aller bei Jnuungsmeistcrn beschäftigten Gesellen einberufen, die den großen Saal von Wille in der Brunnenstraße füllte. Auch die Meister waren freundlichst eingeladen, aber von ihnen war keiner erschienen. Der Referent Schlinsky und der Altgeselle Köhler, die die Geschichte des Kampfes um die Ar- beitSauSgabeordnung ausführlich schilderten sowie verschiedene Dis- kussionsredner übten selbstverständlich scharfe Kritik an dem Ver- halten der Jnnungsmeister, die sich bei anderen Gelegenheiten gern als die festesten Staatsstützen aufspielen, hier in dieser Sache aber Recht und Gesetz mit Füßen treten und selbst alles tun, damit daS gedeihliche Verhältnis zwischen Meister und Gesellen, für das ja die Innung sorgen soll, auch nicht im geringsten Eingang finden kann. Es wurden auch aus allerneuester Zeit Beweise dafür an- geführt, daß der Sprechmeister in der Mulackstraße nach wie vor Arbeitskräfte an NichtinnungSmeister vermittelt, und ein Dis- kusswnSredner meinte, daß dagegen wohl nichts anderes zu tun übrig bleibe, als den Sprechmeister bei der Polizei anzuzeigen, da- mit der gewerbsmäßigen Arbeitsvermittelung, die ja in Schank- statten verboten ist, Einhalt getan werde. Die Versammlung nahm schließlich einstimmig folgende Resolution an: Die Versammlung aller bei Jnnungsmeistern beschäftigter Schmiedegesellen nimmt Kenntnis von der Stellung der Innung zum Bescheid der Gewerbedeputation betreffs der Arbeitsaus- gabcordnung. Die Versammelten bedauern, daß, obwohl seit der Entscheidung der Gewerbedeputation bereits 10 Monate ver- strichen sind, die Innung es bis jetzt noch nicht für notig befunden hat. sich dieser Entscheidung zu fugen, und sind der Auffassung, daß die Innung auch im Ernst nicht daran denkt, dieS in Zu- kunft zu tun. Die Versammlung protesftert entschieden gegen eine derartige Verschleppungstaktik, die geeignet ist, die arbeits- losen Gesellen auf das schwerste zu schadigen und ersucht die Gewerbedeputation des Magistrats, die Innung zu beauftragen, eine sofortige Erledigung der Arbeitsausgabeordnung im Sinne der Entscheidung der Deputation vom Mai 1903 vorzunehmen. In einem zweiten Punkt der Tagesordnung beschäfttgte die Versammlung sich mit der Jnnungskrankenkasse, in der die Herren Meister, ebenso wie in der Innung selbst, ihre soziale VerständniSlosigkeit leuchten lassen und die Rechte der Gesellen mißachten. Es wurde hier, wie beim vorigen Punkte, ganz be- sonders betont, daß vor allem eine starke Organisafton im Ver- bände notwendig und imstande ist, mit all den Mißständen aufzu- räumen. Dies gilt auch hinsichtlich der Absicht der JnnungSmeister, die schlechte Wirtschaftslage dazu auszunutzen, statt der vertraglich bestehenden Litündiaen Arbeitszeit die alte Ivstülldige vieds ein- zufühxen, Gmebtö- Zeitung. Ein Prozeß gegen WahlrechtSdemonstrante» spielte sich am Mittwoch vor dem Schöffengericht Spandau ab. An« geklagt waren drei Teilnehmer der Demonstrationsversammlungen, welche unsere Spandauer Genossen am Sonntag, den 31. Januar, abhielten. Die Angeklagten Hoffmann, Schubert und Wilde sollen den ß 116 des Strafgesetzbuches verletzt haben. Dieser Paragraph bedroht denjenigen mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 1500 M.. welcher bei einem Auflauf nach drei, maliger Aufforderung durch den zuständigen Beamten sich nicht ent, fernt hat. Welches waren die Vorgänge, die den Anlaß zu dieser wuch- tigen Anklage gaben? Vor dem Schöffengericht wurden sie fol- gendermaßen festgestellt: Am 31. Januar, nachmittags, fanden in Spandau mehrere Versammlungen statt, welche gegen daS preußische Dreiklassenwahlrecht demonstrierten. Die drei Angeklagten wohn. ten einer dieser Versammlungen bei, die in der Schönwalderstraße stattfand. Als die Versammlung zu Ende war und die Teilnehmer aus dem Lokal auf die Straße kamen, mutzte sich die Menge natür- lich erst ein Stück vorwärts bewegen, ehe sie an Seitenstraßen kam. durch welche sich die Einzelnen entfernen konnten. Der Polizei- kommissar Wangclin stand unter dem Eindruck, die Menge wolle nach dem Markt ziehen und dort mit den Besuchern der anderen Versammlungen zusammentreffen. Von diesem Eindruck beherrscht, sah der Polizeikommissar eine drohende Gefahr über Spandau heraufziehen, die er unter allen Umständen glaubte verhindern zu müssen. Er forderte die Menge, die sich auf dem Bürgersteige an einer Seite der Straße bewegte, dreimal hintereinander auf, aus- einanderzugehen. In der Aufregung, welche sich der Polizei in» folge der eingebildeten Gefahr bemächtigt hatte, scheinen die Be- amten recht unzweckmäßig gehandelt zu haben. Tie Polizei sperrte den Zugang nach der Altstadt und verlegte damit zugleich einem Teil der Bersammlungöbesuchcr den einzigen oder doch den nächste» Weg, auf dem sie ihre Wohnungen erreichen konnten. So ist der Angeklagte Hoffmann, als er nach Hause gehen wollte, von einem Polizeibeamten nach einer bestimmten Richtung gewiesen worden. Als er dann diese Richtung einschlagen wollte, trat ihm ein anderer Polizeibeamter entgegen und untersagte ihm, in die betreffende Straße einzubiegen. Nun wandte sich Hoffmann an den in der Nähe stehenden Polizeikommistar Wangelin mit der Frage: Was soll ich tun? Ich will nach Hause gehen, aber die Beamten lassen mich nicht durch. Darauf ordnete der Kommissar HoffmannS Sistierung an. Hoffmann wurde zur Wache gebracht und nach Fest- stellung seiner Personalien wieder entlassen. Der zweite An- geklagte, Schubert, hat nur eine Aufforderung zum Auseinander- gehen gehört und hat darauf sogleich versucht, sich zu entfernen. Er war auch schon etwa zehn Schritte in der von der Polizei ge- wiesenen Richtung fortgegangen, als ihn der Kommissar Wangclin festnehmen und zur Wache führen ließ. Ein anderer Beamter hatte den Kommissar Wangelin darauf aufmerksam gemacht, daß Schubert zweiter Vorsitzender des sozialdemokratischen Wahlvereins fei. Das gab Kommissar Wangelin als Zeuge selbst an und durch den Zusammenhang, in dem er di-ese Angabe machte, konnte man