Einzelbild herunterladen
 

Zr. 73. 26. Jahrgang. 1. AciilM ilks Jumitlä" ßftlinn ßolliofilatt. Sonttlibend, 27. März 1909. .eicbstag. 234. Sitzung vom Freitag, den 26. März, nachmittags 2 Uhr. Am BundeSratstisch: v. Bethmann-Hollweg , Shdow, K r a e t! e. Einige an die Budgetkommission zurückverwiesene Titel aus den Etats für das ReichSamt des Innern, für die Verwaltung des Reichs- Heeres, für die Postverwaltung werden nach den Auträgen derKom- Mission meist debattelos bewilligt. Nur beim TitelKommandanten" bemerkt Abg. Rogalla v. Bieberstein(I.): Abg. Müller-Meiningen hat be- hauptet, der Kommandant von Swinemünde habe weiter nichts zu tun, als Salut schießen zu lassen, und habe selbst dieseschwere Pflicht" bei einem Besuch der englischen Flotte versäumt und zu spät Salut schießen lassen. Die englische Flotte kam damals früher als angekündigt, außerdem war der Kommandant krank, und es herrschte großer Nebel. Als der Nebel sich verzogen hatte, wurde Salut geschossen.(Heiterkeit links und ini Zentrum.) . Abg. Dr. Miiller-Meiningen(freis. Vp.Z; Der Vorredner bestätigt also, daß Sulut erst geschossen wurde, als die englische Flotte längst vorbei war.(Große Heiterkeit links und im Zentrum.) Bei einem Titel aus dem Postetat beantragt die Kommission, zu beschließen: Verträge sind dem Bundesrat und Reichstag in geeigneter Weise vor Beschlußfassung über die angeforderten Etatssummen zur Kenntnis zu bringen." Der Antrag wird debattelos angenommen. Es folgt die Beratung der Etats über den All- Sem einen Pensionsfonds und den Reichs- Nvalidenfonds. Abg. Erzbergcr(Z.): Die Pensionierungen von Offizieren er- folgen in viel zu raschem Tempo. Bei pensionierten Ofsizieren, die sich in gutbezahlten Privatstellungen befinden, sollte das GeHall auf die Pension angerechnet werden, eventuell durch eine Aenderung des Pensionsgesetzes. Die Verwaltung des Jnvalidenfonds ist nichts als eine gut bezahlte, für das Reich kostspielige Sinekure; würden die Herren eine dreistündige Bureauzeit haben, so wüßten sie überhaupt nicht, was sie im Bureau tun sollten.(Hört! hört! im Zentrum und links.) Abg. Gothein(frs. Vg.) schließt sich den Beschwerden des Abg. Erzberger au. Diejenigen Offiziere, welchekrankheitshalber" pensioniert werden, um das väterliche Gut zu übernehmen, könnten auch ohne Pension den notleidenden Landwirt spielen.(Lebhafte Zustimmung links.) Generalleutnant v. Ballet des Barre s bestreitet, daß die O°fizierspensionen zu schnell gestiegen sind: in den letzten 20 Jahren sind sie nur um 90 Proz., dagegen die der Mannschaften um 124 Proz., die für die Hinterbliebenen sogar um 22S Proz. ge­stiegen. Damit schließt die Diskussion. Die Etats des Pension?- und Jnvalidenfonds werden bewilligt, eine von der Kommission be- antragte Resolution, welche die wesentliche Verbilligung der Ver- waltung des Reichsinvalidenfonds fordert, wird angenommen. Es folgt der Bericht der Budgetkommisfion über die vom Bundesrat festgestellte neue Fassung der Grundsätze für die Be- setzung der mittleren, Kanzlei- und Unterbeamtenstollen bei Reichs-, Staats-, Kommunalbehörden usw. mit Militäranwärtern. Die Budgetkommission schlägt dazu eine Reihe von Resolutionen vor, in welchen eine Denkschrift über die Zivilversorgung der pensionierten Offiziere, Anordnungen behufs Erwerbung einer ge- eigneten Vorbildung der Militäranwärter für den Zivildienst, eine Verkürzung deS Diätariats der Zivilanwärter gefordert werden, sowie daß bei der Anstellung die politische und religiöse Gesinnung der Anwärter nicht in Betracht kommen soll. Nach einigen befürwortenden Bemerkungen deS Abg. Nacken(Z.) und des Berichterstatters Grafen Oriola(natl.) werden die Resolutionen angenommen. Nächster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Beratung eines Gesetzes über den Bcrkchr mit Kraftfahrzeugen. Auf Antrag Prinz Schönaich-Carolath wird zunächst über die allgemeinen Verkehrsvorschriften debattiert. Abg Schönaich-Carolath(natl.) bezeichnet unter Zurückstellung weitergehender Wünsche die im Gesetz enthaltenen VerkehrSvorschristen als bedeutenden Fortschritt. Abg. Graf Carmer-Zieserwitz(k.) schließt sich dem Vorredner an und wünscht moralische Chauffeure. Die 8§ 1416 des Gesetzes werden angenommen. Zu§ 17 beantragen idie Abgg. Albrccht und Genossen(Soz.) einen Zusatz, wonach der Bundesrat über die Dauer der zulässigen täglichen Arbeitszeit und die Ruhezeit der Chauffeure im Interesse Silcler vom pariser Post-Streik. M ä r z f e i e r. Feier zur Erinnerung an die Kommune. Wie? Den 18. März schreiben wir heute? Und keine Briefe, keine ausländischen Zeitungen, keine Telegramme, kein telephonisches Gewimmer? Ist so ein Glückszustand denn noch möglich? Diese breite, behagliche Ruhe und diese Frühjahrssonnc. Zu wissen, daß die Welt um mich her nicht mehr existiert, weil ich nichts mehr von ihr weiß. Um wieviel freundlicher ich heute dem Garonn zulache: im sicheren Bewußtsein, daß er mir weder Geschriebenes noch Ge° drucktes übergeben kann, das mir Freude oder Aerger, Leid oder Lachen bringen könnte. Die Postbeamten streiken. Die Tele- praphendrähte hängen zwecklos, überflüssig, unschön im Land: der Wind singt durch ihre Leere und lauscht erstaunt, ob er nicht wie sonst irgend eine welterschütternde Meldung erhaschen kann. Um- sonst. Sie hängen stumm und leer.... Diese Ruhe: kein nervöses Klingeln des Telephons, kein tolles Bruhaha im Echo der Wclt- creignisse. Paris atmet auf und feiert am 13. März Nachfastnacht: Mi-Careme.... Groß und würdig schreitet die Ratlosigkeit durchs Ministerium des Aeußern. Keine Balkankrffe gibt es mehr, keine persische Frage, keine internationale Diplomatie, keine hundert Depeschen: Ruhe, Ruhe. Die Sekretäre lächeln sich zu und heute abend reist einer nach Brüssel zur Verständigung mit Berlin . Frankreich ist isoliert. Frankreich erlebt im Jahre 1999 Tage aus vergangenen Jahrhunderten. Die Bürger schütteln die Köpfe, die Börse berechnet tobend ihre Verluste zu Hundcrttausenden liegen die Telegramme in stummen Haufen. So feiern die Pariser Post- bcamten den 18. März, den Jahrestag der Kommune.... DieVersammlunginderManögevonSt. Paul. 6660 waren es, die am Montagabend sich im Tivoli-Vaux-Hall ver- sammelt hatten 8000 kamen am Mittwochabend in der Manege von St. Paul zusammen. Auf allen Gesichtern prägte sich der feste Wille aus, den Kampf zum Sieg zu führen: den ersten Klassen- kämpf einer Berufsschicht, die bisher nicht recht wußte, auf welche Seite sie gehöre. Ein Kamerad aus der Provinz, der gerade an- wesend war, erhielt den Vorsitz. Er brachte gute Nachrichten. Thibaut, der die am Montag zu einer Woche Gefängnis Ver- urteilten verteidigte, erzählte, daß die Gefangenen noch am Morgen gesagt hätten, daß sie nur einen Wunsch hätten: der Kampf möge ausdauernd geführt werden. Begeisterter Beifall lohnte den Wunsch. Lamarque spricht:Laßt euch durch keinerlei Manöver über- rumpeln durch keinerlei Versprechungen, daß mau sich um eure Forderungen kümmern wolle, wenn Ihr nur erst den Dienst wieder aufgenommen habt. In diese Falle werden wir nicht gehen.. In diesem Augenblick kommt eine Delgation der Beamten der der Sicherheit des Verkehrs Anordnungen zu treffen hat. Die An- ordnungen des Bundesrats sind durch dasReichsgesetzblatt" zu veröffentlichen und dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnisnahme vorzulegen. Abg. Stadthagen (Soz.): Uebermäßig ausgedehnte Arbeitszeit der Chauffeure bedeutet eine außerordentliche Steigerung der Automobilgefahr.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Als wir daher Bestimmungen in dieser Richtung in das Gesetz einzufügen beantragten, erklärten die bürgerlichen Parteien, dahingehende Bestimmungen seien in die Gewerbeordnung, nicht in das Auto- mobilgesetz einzufügen. In der Gewerbeordnungskommission hieß es umgekehrt: da es sich hier nicht oder doch nicht in erster Linie um Schutz der Arbeiter also hier der Chauffeure handle, sondern um die Sicherung des Publikums, so gehöre die Re- gelung dieser Frage in das A u t o m o b i l g e s e tz, nicht in die Gewerbeordnung. So wurde Fangball gespielt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mehr als einmal wurde in Gerichts- Verhandlungen festgestellt, daß die intensive Aufmerksamkeit, die vom Chauffeur im Interesse der Verkehrssicherheit zu fordern ist, nach Stunden angestrengten Fahrens nachließ und nachlassen mußte. Die Chauffeure haben denn auch ohne Unterschied der Parteirichtung auf ihrem letzten Kongreß Bestimmungen gegen die Ueberarbeit ver- langt. Es ist dort ausgeführt worden, daß Chauffeuren Fahrzeiten von 16, ja von 19 Stunden täglich zugemutet worden sind.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten, Widerspruch rechts.) Es mag ja merkwürdig erscheinen, daß wir Sozialdemokraten dem Bundesrat die Machtbefugnis zum Erlaß solcher Schutzbestimmungen geben wollen; wir gehen aber dabei von der Erwartung aus, daß der Bundesrat sich mit den Organisationen der Chauffeure in Verbindung setzen und das Gutachten von Sach- verständigen hören wird. Wir bitten dringend, im Interesse der Chauffeure wie der allgemeinen Sicherheit unseren Antrag annehmen zu wollen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Prinz Schönaich-Carolath(natl.) bittet, das Gesetz nicht mit Schutzbestimmungen, wie der Vorredner sie fordere, zu be- schweren. Es sei ganz undenkbar, daß die Chauffeure sich Fahrzeiten von 1619 Stunden gefallen lassen. Abg. v. Ocrtzen(Rp.) spricht sich in demselben Sinne aus und bittet ebenfalls um Ablehnung. Abg. Stadthagen (Soz.): Nicht grauer Theorie ist unser Antrag entsprungen. WaS wir fordern, ist von den Praktikern gefordert worden, allerdings nicht von den Automobilbesitzern, sondern von den Fahrern, und zwar, wie ich schon ausgeführt habe, ohne Unterschied der Parteirichtung. Daß die Automobilbesitzer sich dagegen erklärt haben, stimmt allerdings. Am richtigsten wäre es, durch Gesetz die Ueberarbeit der Chauffeure zu ver- bieten, wir haben aber Entgegenkommen bewiesen»md uns mit dem milderen Antrage begnügt, dem Bundesrat die Festsetzung zu überlassen. Wir erleben es oft genug, daß infolge der Uebermüdung von Bahnbeamten Eisenbahnunfälle sich ereignen; die armen Ueber- arbeiteten werden dann dafür verantwortlich gemacht und vor Gericht geschleppt. Genau dasselbe trifft bei den Automobilfahrern zu. Dadurch, daß der Bundesrat die Bestimmungen erlassen soll, wird die Gefahr schcmatischer Regulierung vermieden. Hier darf doch nicht das Interesse der Automobilfexe ausschlaggebend sein. Erweisen sich die Bestimmungen des Bundesrats als unpraktisch, so können wir sie ja hier im Reichstag durch Gesetz abändern. Bedenken Sie, welche ungeheuren Ansprüche z. B. hier in Berlin an die ge- spaimteste Aufmerksamkeit der Chauffeure gestellt werden, welch' ein Aufgebot von Geistesgegenwart dazu gehört, durch das Straßen- gewühl zu fahren, ohne ein Leben zu gefährden! Schon dem Publikunr sind Sie es schuldig, unseren Antrag anzunehmen.(Zu- stimmunz bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Oertzen(Rp.) wirft den Sozialdemokraten vor, daß sie alles von ihrem städtischen Gesichtswinkel aus ansehen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Hiermit schließt die Diskussion. Unter Ablehnung des Zusatzantrages Albrecht wird§ 17 in der K o m nr i s s i o n s f a s s u n g angenommen. Es folgt die Beratung der Bestimmungen über Haftpflicht (§ 1-13). Abg. Stolle(Soz.) begründet die sozialdemokratischen Anträge, den 8 2 zu streichen, welcher die Haftpflicht ausschließen will, wenn der Verletzte oder die beschädigte Sache durch das Kraftfahrzeug befördert oder der Verletzte bei dem Betriebs des Fahrzeuges tätig war. Der nächste Absatz dieses Paragraphen will die Haftpflicht ausschließen. wenn der Unfall durch ein Fahrzeug verursacht wurde, das nur zur Beförderung von Lasten dient und auf ebener Bahn eine Geschwindig- Borsentelcgraphenzentrale, um den Anschluß der Börsentele- graphisten zu verkündigen. Eine Beifallssalve. Eine neue Dele- gation kommt: die Abgesandten der Unteragenten. Sie geben fol- gende Erklärung ab:Heute abend um 6 Uhr haben die Unter- agenten ebenfalls beschlossen, zu streiken. Die Austräger der Druck- fachen werden sich auch anschließen. Es gibt in diesem Augenblick keine Agenten und Unteragenten mehr: es gibt nur noch eine Masse Ausgebeuteter, die sich gegen diese Ausbeutung erheben. Morgen werden wir den Sieg, haben und es wird der Sieg aller sein." Theater. Deutsches Theater:Faust", erster Teil, von Goethe. Die lang erwartete Faustaufführung Reinhardts bot mancherlei Interessantes, Gutes, ja Vortreffliches, aber die hochgespannten Hoff- nungen, die man gehegt hatte, vermochte sie nicht zu erfüllen. Die dichterische Stimmung, um die es denr feinfühligen Jnszenator stets in erster Reihe zu tun war, kam nur in einigen Gretchenszenen ungebrochen und voll heraus. Den Geisterstimmen fehlte der er- habene Schauer. Die herrlichen Strophen, in denen im Prolog im Himniel die drei Erzengel die Herrlichkeit und Pracht der Welten preisen, flössen, nach dem feierlichen Auftakt der Weingartnerschen Faust-Musik, in lang gezogenen Tönen deklamatorisch wirkungslos vorüber. Drei breite mattschimmernde Lichtstreifen. strahlenförmig aus der Tiefe nach oben strebend, zerteilen die schwarze Finsternis und lassen in der nnttleren Höhe des Bühnenraumes auf einen Felien gekauert, Mephisto sehen, der, das Haupt aufwärts gewendet, mit dem un- sichtbarenHerrn" Zwiesprache hält. Ein Bild, das in seiner phantastisch eigenartigen Unbestimmtheit an Dantesche Visionen mahnt und durch den' Eindruck auf das Auge, das, was das Ohr vermißte, zum Teil ersetzen mag. Doch leider wird das Mittel der Verdunkelung dann auch an anderen Stellen, wo eS die Wirkung des gesprochenen Wortes nur schädigen kann, angewendet. Ein winziges Oellämpchen flackerte in der Zelle Fausts . Nur bei besonderer Stellung des Gesichtes ließ sich das Mienenspiel deS Darstellers, der körperliche Widerschein der Siede, verfolgen. Eine kleine Wendung und die Züge verschatteten sich. Die Störung, die das brachte, überwog natürlich weit den malerischen Reiz. Die Stimme des Erdgeistes, in der die wunderbare Gedankenpoesie dieser Szenen sich zur höchsten Höhe erhebt, vermochte in der Wiedergabe so wenig wie die der Erzengel und später die deS bösen Geistes im Don,(Adele Sandrock ) eine lebendige Resonanz in dem Gemüt die Illusion von übermenschlichen Gewalten auszulösen. Die Gemessenheit des Tempos ermüdete, statt zu ergreifen; und dazu kam, daß ein überflüssiges Flammen- spiel, das Symbol für das Wallen und Weben des Erdgeistes, ein keit von 20 Kilometern pro Stunde nicht überschreiten kann. Auch diesen Absatz beantragen wir zu streichen, geradeso wie den ersten, der geradezu ein Ausnahmegesetz gegen Chauffeure und Fahrgäste bedeutet.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bei der ersten Lesung hier im Hause herrschte fast einmütige Erbitterung über die Ausschreitungen der Automobilisten. Aber diese Stimmung hat kaum vier Wochen angehalten und war schon in der Kommission ver- flogen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Zwar in der ersten Kommissionslesung lag auch noch ein Zentrumsantrag auf Streichung des zweiten Teiles des 8 2 vor, dann ließ sich aber auch das Zentrum umstimmen. Die Unistimmung ist durch mächtige Einflüsse außerhalb des Hauses herbeigeführt worden(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten); namentlich war der kaiserliche Automobilklub an der Arbeit.(Hört! hört!) Auch Herr Träger ließ sich schließlich um- stimmen, wenn auch mit dem bekanntenschweren Herzen". Auch Du, mein Sohn Brutus, bist umgefallen.(Große Heiterkeit.) Wenn die Haftpflicht in der Weise, wie die Kommission es leider vor- schlägt, eingeengt wird, dann wird manche arme Gemeinde Krüppel zu ernähre» haben, die der Fahrwut der Automobilisten zum Opfer gefallen sind.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Irgend welche sachlichen Gründe für Beibehaltung des 8 2 konnten im ganzen Verlauf der Kommissionsverhandlung nicht bei» gebracht werden. Man brachte bloß Redensarten vor, wie zum Beispiel: Lähmung der Industrie! Ach, solche Redensarten kennen wir. Damit kam man auch angerückt, als es sich um den Kinderschutz handelte.(Sehr wahr I bei den Sozial- demokraten.) Was bedeutet eine Maximalgeschwindigkeitsgrenze von 20 Kilometern, noch dazu für ein Lastautomobil? Wenn das die allgemeine Geschwindigkeit der Fahrzeuge werden sollte, dann werden Fußgänger den Fahrdamm nicht mehr überschreiten können.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Lehnen Sie im Interesse der Gerechtigkeit den 8 2 ab.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Bitter(Z.): Den 8 2 halten wir auch heute noch nicht für schön; wir haben ihn zwar akzeptiert, um nicht das Gute, was das Gesetz bringt, fahren zu lassen, zumal es uns im 8 1 gelungen ist, das Gefährdungsprinzip statt des Verschuldungsprinzips zur Geltung zu bringen. Auch für den 8 6, welcher eine Höchstgrenze der Haftpflicht festsetzt, werden wir aus sozialpolitischen Gründen stimmen. Abg. Graf v. Carmer-Zieserwitz(k.) erklärt das Einverständnis seiner Freunde mit den Beschlüssen der Kommission, die zwar in den§§ 2 und 6 einige Bedenken erregen können, im ganzen aber gegenüber dem gegenwärtigen Zustande sehr erhebliche Verbesserungen bringen. Eine notwendige Ergänzung des Gesetzes muß die Zwangs» Versicherung der Automobilhalter sein, und wir erwarten von der Regierung möglichst bald die Vorlegung eines entsprechenden Gesetz- entwurfs.(Beifall rechts.) Abg. Traeger(frs. Vp.): Der Umfall, den mir der Abg. Stolle vorgeworfen hat, ist bei mir durch keine Einflüsse von außen her- vorgerufen, ich habe keine Beziehungen zum kaiserlichen Automobil- klub(Heiterkeit.) und auch die Rücksicht auf den verewigten Block (Schallende Heiterkeit) hat mich nicht geleitet. Umgefallen bin ich nicht mit schwerem, sondern mit blutendem Herzen(Heiterkeit), denn das blutende Herz ist ein absolut unentbehrlicher Körper- teil.(Große Heiterkeit.) In Rücksicht auf die Verbesserungen im 8 1 bitte ich, den 8 2 anzunehmen, denn wer weiß, ob nicht bald wieder ein Zusammenstoß erfolgt.(Große Heiterkeit.) Abg. Dr. Delbrück(frs. Vg.) verwahrt sich gegen den Vorwurf des UmfallS: sein persönlicher Standpunkt sei derselbe geblieben. aber man dürfe doch das Gesetz angesichts der Verbesserungen, die es bringt, nicht scheitern lassen.(Zustimmung bei den Freisinnigen.) Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath(natl.): Wie notwendig das Gesetz ist. zeigt allein schon der Umstand, daß sich vom 1. Oktober 1907 bis zum 1. Oktober 1908 5312 Unfälle ereignet haben, daß 2630 Personen verletzt, 143 Personen getötet wurden. Das Gesetz bringt eine solche Fülle von Verbesserungen, daß es trotz der Be- denken, die gegen einzelne Bestimmungen vorgebracht werden können, angenommen werden sollte. Abg. Stolle(Soz.): Die Entschuldigungsgründe, die von den einzelnen Rednern für ihren Umfall vorgebracht sind, laufen darauf hinaus, daß im 8 1 ausreichende Verbesserungen eingefügt sind, was jedoch keineswegs der Fall ist. Weiter sagen die Herren, sie wollen das Gesetz nicht scheitern lassen, und die Regierung habe doch erklärt, sie würde das Gesetz ohne den 8 2 und den 8 6 scheitern lassen. So etwas hat die Regierung hundertmal gesagt; wollten wir darauf etwas geben, so würden wir nur wenig Gesetze machen können. Wir sagen: Bange machen gilt nicht!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der 8 6 setzt eine Höchstgrenze für die Haftpflicht fest; das ist eine Bestimmung, die in der gesamten Gesetz- gebung nicht ihres Gleichen hat. Wenn ein Millionär einen Menschen tot- laut fauchendes Geräusch verursachte, mit der daS Geisterorgan in Konkurrenz zu treten hatte. Nicht fördernd, sondern hemmend wirkte an einigen Stellen auch das allzu reichliche Hinzuziehen musikalischer Arabesken: die lange Unterbrechung des Spiels bei Fausts Traum. Einige wenige andeutende Töne hätten auch genügt. Ganz unver« ständlich aber war es, wie man darauf verfallen konnte, am Schlüsse die erlösende von oben her schallende Stimme:Ist gerettet", musi- kalisch in schmelzenden Klängen umschreiben z« lassen. Daß im übrigen der Ostermorgen mit dem farbigen Gewoge der Burschen und Mädchen, die Straßen der Stadt, Frau Warthes kleiner Garten und die im Domgewölbe dem Chorgesange lauschende Menge Anlaß zu einer Reihe künstlerisch intimer Bühnenbilder boten, bedarf im Deutschen Theater nicht erst besonderer Erwähnung. K a y ß l e r, der ausgezeichnete Darsteller herb männlicher Charaktere, mühte sich in der Rolle des Faust im ganzen ohne rechtes Gelingen. Die ersten Worte, mit einem Ton und einer Stimme grenzenlos müder Zerfallenheit hervorgemurmelt, machten einen packenden Eindruck; indes die Spannung hielt nicht an. Man spürte überall die Selbständigkeit und das nachdenkliche Ringen eines ernsten Künstlers. Aber vielleicht lag es gerade an der Fülle der hineingearbeiteten Einfälle, daß die einheitliche Zusammen- schließung ausblieb. daß das Auf und Ab der Gedanken und Einpfindungen etwas unruhig Springendes erhielt, die Plastik einfacher Grundlinien sich verwischte. Der majestätisch große Fluß der Monologe verschwand den Blicken, und die stoßweise Leidenschaft, die Kahßler an die einzelnen Momente setzte, konnte dafür nicht entschädigen. Als ob der wechselnden Affekte nicht genug wären, überfrachtete er noch die Fracht. Geistreiches mischte sich dabei mit ganz Willkürlichem. In der Liebesszene fand er manchen warmen, einfach schlichten Ton. Auch Schildkraut konnte man. so glücklich er vielerlei Nuancen des Details traf, den Mephisto nicht wohl glauben. Sein Teufel wurde einen Unterton der Nafsefärbung nicht los und schien mehr ein witziger Liebhaber des Spaßes als der spöttisch kalte Menschenfeind zu sein. Der Erfolg des Abends war das Gretchen, des Fräulein Lucie Höflich eine Leistung, die sich den besten, was diese Schauspielerin im Reuen Theater unter Reinhardt früher erreichte, ebenbürtig zur Seite stellt. Die zarte, glockenhelle Stimme strömt noch denselben seelenvollen Zauber aus. Die Gartenszene und der MonologMeine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer" bildeten wohl die Höhepunkte ihres Spiels. Un- gemein lebendig trotz karikierender Uebertreibung wirkte die Frau Warthe Hedwig Wangels. In den Szenen der Hexenküche und von Auerbachs Keller unterstrich man das Drastische noch mehr wie sonst. Wegener figurierte als Hexe, D i e g e Im a n n und Biens» f e l d t als Siebe! und Brander. W a ß m a n n ergötzte in der Rolle des Schülers. Die Vorstellung, die um 7 Uhr begonnen hatte, endigte um Mitternacht. dt,