Einzelbild herunterladen
 
  

Nr. 80.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mr, wöchentlich 28 Pfg frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 fg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags: Beilage, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuzs band: Deutschland u. Defterretch Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgefpaltene Petitzeile oder beren Raum 40 Bfg., für Vereins- und Berfammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Bor­mittags geöffnet.

fernfprech- Anfching Amt 1, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Agitation gegen Fabrikinspekforen

-

-

Donnerstag, den 6. April 1893.

"

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

nicht besprochen, ja sogar ungünstig kritisirt werden." das sind die Unternehmerfeelen, wie sie leiben und leben! Und daran knüpft sich dann eine herrlich naive Wie sie alles zum Vorwand nehmen, um sich um ihre Schlußfolgerung: So erklärt es sich, daß Pflichten gegen die Arbeiter herumzudrücken, wie sie einen die Reihen der sozialdemokratischen Partei sich immer mehr Staat meiden", in welcher der Ausbeutung ein paar ärm­gehört seit langem zu den Lieblingsbeschäftigungen aller verstärken." Wie steht es hier überall mit der Wahrheit? liche Schranken mehr gezogen sind, als anderswo! Sie er­Schlotbarone und Fabrikantenvereine. Bismarck hat ja Wörishoffer ist in seinem Mannheimer Buche so weit davon scheinen in den Publikationen der Fabrikinspektion als seiner Zeit in dieser Beziehung auch ein berühmtes Muster entfernt, den sozialdemokratischen Organisationen ein hohes mehr oder minder verkappte Ausbeuter" ja, ist es abgegeben, als er dem Fabrikinspektor, der seine hinter- Lied" zu fingen, daß er beispielsweise S. 377 mit einer denn den Herren gelungen, bisher auch nur eine eine einzige pommersche Spiritusbrennerei revidiren wollte, einfach die Art Genugthuung feststellt, diese Organisationen umfaßten Stelle dieser Berichte als unrichtig nachzuweisen? Und wenn Thüre wies. Die Kölner Unternehmer haben voriges nur den kleinsten Theil der Arbeiter"; ihre thatsächlichen dies nicht möglich war, an wem liegt dann die Schuld, daß Jahr so lange gegen ihren Gewerbe- Inspektor Jaeger Erfolge nennt er im Ganzen bescheidene".( S. 379.) die schönen Unternehmerseelen als mehr oder minder ver­gehegt, bis er einen völlig unbegründeten Rüffel vom Seite 381 ff. zählt Wörishoffer dann auch die Vereine fappte Ausbeuter" erscheinen? Doch wohl an ihnen selbst! Regierungspräsidenten bekam, und vor kurzem sandten der Mannheimer Unternehmer auf und spricht sogar von Und nun soll der Beamte wohl den Sachverhalt fälschen, die Mannheimer Fabrikanten nach dem rühmlichst den wohlthätigen Folgen" solcher Unternehmerverbände. damit die Ausbeuter auch noch im rosigen Lichte der herr­bekannten badischen Gewerbe Aufsichts- Beamten Dr. Einen lediglich gegen die Fabritinspektion sich richtenden lichsten Menschen- und Arbeiterfreundlichkeit erstrahlen? Wörishoffer wieder einmal einen Giftpfeil. Es Unternehmerverein erwähnt er mit der größten Schonung. Eine frechere Zumuthung ist einem Staatsbeamten in einer lohnt sich, diese Angelegenheit eingehender zu erörtern. Dagegen steht im neuesten Jahresberichte des Beamten Eingabe an amtlicher Stelle noch nicht gemacht, worden! Selbstverständlich ist die neuerliche Aeußerung der bekanntlich die schon in unserem Leitartikel vom 19. Fe- Damit aber schließlich bei der Sache auch der Humor badischen Fabrikanten, die in Gestalt einer Eingabe an das bruar d. Js. zurückgewiesene und sehr überflüssige Mahnung nicht fehle, ist den Mannheimer Fabrikbaronen noch ein kost­dortige Ministerium vorliegt, ein giftgeschwollenes Mach- bezüglich der Arbeiterführer, von denen verlangt werden barer Lapsus passirt bei ihrem Hinweis auf die Dienstanweisung werk ohne jede sachliche Begründung. Keine müsse, daß auf ihrer Vergangenheit kein Makel ruht" des Inspektors, in welchen sie ihre Eingabe wirkungsvoll einzige Stelle aus den Berichten des badischen Beamten, eine Bemerkung, die bezüglich der Unternehmerverbände von ausklingen lassen. Sie zitiren die bekannte nichtssagende fein gesprochenes Wort desselben, keine amtliche oder außer Dr. Wörishoffer wohl schwerlich jemals gemacht werden wird. Stelle, nach welcher der Beamte eine wohlwollend kontrol­amtliche Handlung Wörishoffers kann angeführt werden, Dem sei nun wie es wolle- nur die blödeste Vorein- lirende, berathende und vermittelnde Thätigkeit" ausüben um die beweglichen Klagen der Unternehmer zu stüßen genommenheit kann von dem badischen Gewerbe- Inspektor soll und fügen hinzu, daß durch diese Worte gerade in oder zu belegen. Kühn behaupten und anschwärzen darin behaupten, daß er einseitig für die Arbeiter Partei ergriffe Baden mehr als irgendwo im übrigen liegt das Geheimniß der hochmögenden Herren; je finn- oder gar das hohe Lied der Sozialdemokratie fänge " Deutschland " der Geist weitgehendster Versöhnlichkeit" loser, desto besser, es bleibt doch immer etwas hängen dazu ist er denn doch viel zu sehr Regierungs - dem Inspektor zur Pflicht gemacht werde. Nun sind diese nach diesem Rezepte wird auch hier verfahren. Schon aus rath, freilich einer von den wenigen Regierungs - schönen Phrasen aber gar nicht der badischen Dienstanweisung diesem Grunde sollte das badische Ministerium das Gift- räthen, die den Arbeitern unbefangen gegenüber allein eigenthümlich, sie tommen vielmehr wort produkt einfach zu den Akten legen und die Urheber der stehen. Und darauf reduzirt sich das ganze Gesalbader der wörtlich in allen Instruktionen der übrigen Eingabe demgemäß" bescheiden. Die Mannheimer Unter- Mannheimer Unternehmer: schon diese bloße Unbefangenheit deutschen Bundesstaaten vor und stammen aus nehmer sind eben in ihrem Dünkel bereits soweit gelangt, ist ihnen ein Dorn im Auge, und weil sie dies nicht sagen einem gemeinsamen bundesräthlichen Muster, das alle daß sie glauben, in Eingaben an amtliche Stellen allgemeine fönnen, ergehen sie sich in den lächerlichen Uebertreibungen, Staaten im Jahre 1879 abgeschrieben haben! Die Mann­und schwere Beschuldigungen gegen einen Fabrikinspektor so welche ihre neueste Eingabe enthält. Ihre Bornirtheit heimer Fabrikanten und ihre Berather kennen also nicht aussprechen zu können, wie am Biertische, ohne jede Ver- decken sie dann durch den herrlichen Schluß auf, daß sich das einmal die elementarste Geschichte der Fabrikinspektion in pflichtung, ihre Behauptungen auch zu erweisen. Wenn sich Anwachsen der Sozialdemokratie in Baden aus der Haltung Deutschland , und nur von solchen Ignoranten kann auch ein Mannheimer Arbeiter einmal herausnehmen wollte, des dortigen Fabrikinspektors erklärt". Daß die Sozial- eine Eingabe verfaßt werden, wie die vorliegende! Sie gegen einen Staatsbeamten ähnlich vorzugehen! Der Mann demokratie mit oder ohne Fabritinspektor aus ganz anderen wird ihr verdientes Schicksal haben. würde die Justiz sehr gründlich kennen lernen! In weltgeschichtlichen Gründen, nicht zum letzten aber auch sofern geben die Mannheimer Fabrikanten eine Art wegen des schoflen Verhaltens der Unternehmer zu ihren revolutionäres Beispiel, um dessen Folgen ihnen mit Arbeitern reißende Fortschritte macht, wird ihrem kleinen der Zeit vielleicht selbst bange wird. Da sie aber Verstande ewig unerfindlich bleiben. vorläufig doch nur für sich allein das Recht in Anspruch Nur sich selbst haben die Herren im Spiegelbilde der nehmen, einen Staatsbeamten in dieser Weise zu kritisiren, Fabrikinspektoren- Berichte richtig erkannt. In den Publi­so wird die energische Antwort von Oben, welche auf solche tationen der Fabrikinspektion erscheint der Arbeitgeber als der Die Militärvorlage. Kölnische"," Norddeutsche", Unverfrorenheit gehört, wohl auch nicht ausbleiben. mehr oder minder verkappte Ausbeuter das gesammte Zeitungsgesinde der Neaktion, ist rastlos für Unten ist man sich ja über die Tendenz des Vorstoßes seiner Arbeiter"; es herrsche eine tiefgehende Ver- die Militärvorlage thätig. Eifrig sind die offiziösen Vogel­völlig klar, auch über die Verlogenheit der Angriffe. Ueber bitterung" gegen die Fabrikaufsicht; manche Arbeiter steller dabei, ihre Leimruthen und Netze aufzustellen, hoffend, die Arbeiter soll der Fabrikinspektor stets nur mit der entlassungen finden erst deshalb statt, weil der Beamte für daß die Gimpel ihnen ins Garn fliegen. Gelogen, ges größten Nachsicht und Milde urtheilen, ganz offenbare Un- Arbeiter intervenirt sei; diese Stimmung sei sehr wenig trogen, gefälscht, entstellt wird nach Noten, alle, auch die zuträglichkeiten nicht besprechen." Er soll das hohe Lied geeignet", die Unternehmer für Wünsche der Fabrik schäbigsten Kniffe der Bismarckei werden von den gewissen­der Sozialdemokratie"( in seinem Buche über Mannheimer inspektion geneigt zu machen"; wer eine Fabrik gründen losen Vogelstellern gebraucht. Drohungen wechseln ab mit Arbeiterverhältnisse) fingen, während nicht von dieser wolle, der werde einen Staat meiden, in welchem er selbst Schmeicheleien, hinter den Kulissen aber spielt sich unaba Partei ausgehende Wohlfahrtseinrichtungen vielfach gar stets mit dem Staatsanwalt bedroht wird" u. s. w. Ja, lässig ab der Kuhhandel bes kompromisses.

Feuilleton.

Nadruk verboten.]

( 36

Die Laufbahn eines Nihilisten.

Von S. Stepniat.

Politische Lebersicht.

Berlin , den 5. April.

welches die Folge eines freundschaftlichen Verkehrs von vielen mit ihr über das Diskussionsthema für die folgende Vers Monaten war, zerstörte Andrej in wenigen Tagen. Wenn er sammlung zu sprechen.

allein war, frei von diesen beunruhigenden Einflüssen, Dies war in wenigen Minuten abgemacht und er hatte dann sah er mit Schrecken, wie schnell ihre Entfremdung nichts mehr zu sagen. Zum ersten Mal konnte er keinen wuchs. Er versuchte den verlorenen Boden wieder zu ge- Stoff für die Unterhaltung mit Tanja finden. Er bedauerte, winnen, indem er Entschuldigungen vorbrachte. Und im seinem Entschlusse untreu geworden und so früh gekommen nächsten Moment begann er von neuem seine Quälereien. zu sein, um sich selbst zum besten zu haben. Dies versetzte Tanja fühlte fich nicht weniger elend als Andrej. ihn sofort in schlechte Stimmung. Eines Morgens, als er unerwartet fam, sab er an ihren Seit wann haben Sie Lisa nicht gesehen?" fragte er, Augen, daß sie gemeint hatte. Er klagte sich an, der größte um die unangenehme Pause auszufüllen. Bösewicht zu sein, und war im Begriff alles zu bekennen. Das Mädchen nahm aber seine ersten Worte so schlecht auf, daß sie ungeschickter ausfielen, als je.

Er that es nicht absichtlich, konnte aber sicherlich kein ihm unangenehmeres Thema wählen.

Autorisirte Uebersehung. Frei ins Deutsche übertragen von Bertha Braun. Er zählte die Stunden und Minuten, die er zu warten hatte, bevor er sie schicklicher Weise wieder sehen konnte. Lisa war eine sehr aristokratische Kousine Tanja's. Ana Sobald er sich aber dieses Glück gesichert hatte, tauchte die Sie wollten einen steilen Abhang hinab und mußten sich drej kannte sie ein wenig, doch hatte er kein besonderes Erinnerung an sein Unrecht aus der Tiefe seines Herzens selbst in die Tiefe schleudern, ohne jede Möglichkeit anzuhalten. Intereffe für sie. Ueberdies stand ihr Name mit der un­empor und unterdrückte all' das, was an seinen Gefühlen Ein vollständiger unwiderruflicher Bruch war mit Be- glückseligen Moskauer Reise in Verbindung. Denn in Lisa's für das Mädchen gut und wohlwollend war. Selbst der stimmtheit binnen kurzem vorauszusehen. Andrej wünschte, Hause gedachte sich Tanja bei ihrer Ankunft in der Stadt Genuß ihrer Gegenwart wurde ihm zu Gift. Das tiefe daß er bald eintreten möge; dies würde einer unerträg- aufzuhalten. durchdringende Bergnügen, sich dem schönen Kinde an- lichen Situation ein Ende machen. Er wäre dann durch Seit dem letzten Winter nicht, als sie in St. Peters zuschmiegen und zu unterwerfen, war dahin. Er fühlte die Verhältnisse gezwungen, sie zu verlassen, wozu ihm die burg zu Besuch war," antwortete sie kurz und ernst. fich gedemüthigt, so sehr in ihrer Gewalt zu stehen, Kraft fehlte, es aus eigener Initiative zu thun. Dennoch Tanja hatte eine Handarbeit in der Hand und nähte empörte sich gegen ihre Macht, ihn nach Belieben fürchtete er den Schlag und machte ungeschickte Anstrengungen, emfig daran, das Haupt im Profil Andrej zuwendend. glücklich und elend zu machen. Durch diesen inneren den verhängnißvollen Moment in die Ferne zu rücken. Es trat wieder Stille ein eine drückende, peinliche Kampf war er in beständiger Erbitterung. Er wurde Er faßte den energischen Entschluß, sie außer den Ar- Stille, welche gleich der erstickenden Schwüle vor dem Auss launisch und tadelsüchtig, suchte an ihr auszusehen, zankte beitsstunden nicht zu sehen. Am Freitag hielt er sich stand- bruche eines Gewitters die Nerven mit Unruhe erfüllt. über alles; und er schämte sich nicht, die Ueberlegenheit haft in seinem Zimmer. Freitag war Andrej's bester Tag; Um die unerträgliche Spannung zu brechen, versuchte seiner größeren logischen Geschicklichkeit und Erfahrung zu sie hatten keiner Versammlung beizuwohnen und pflegten Tanja etwas vorzubringen, das mit ihrer gemeinsamen benügen, um sie um so wirksamer zu quälen. entweder einen Besuch in der Stadt zu machen, oder ihn Thätigkeit in Verbindung stand und ihnen früher eine so Tanja nahm die ersten Verweise auf, ohne sich zu ver- lesend und plaudernd in Tanja's Wohnung zu und plaudernd in Tanja's Wohnung zu ver- unerschöpfliche Quelle zum Austausche von Gedanken und theidigen; sie schmerzten sie zu sehr, als daß sie's thun bringen. Jetzt beschloß er ste gar nicht zu Empfindungen gegeben hatte. tannte. Bald verlor sie aber das Vertrauen zu seiner besuchen. Es fiel ihm aber so schwer, an Aber Andrej ging darauf nicht ein, dazu war er nicht Billigkeit und begann seine unverantwortliche üble Laune seinem Entschlusse festzuhalten, daß er am nächsten Tage gekommen. Denn als das Mädchen ihre Anstrengungen schmerzlich zu empfinden. Das gegenseitige Verständniß, lange vor der festgesetzten Zeit kam, unter dem Vorwande, gereizt erneuerte, wurde er böse, weil sie versuchte die Untera