Probenummer.
Sonntag, den 30. März 1884.
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Berliner Volksblatt.
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, wöchentlich 25 f. Einzelne Nummern 5 f. Postabonnement pro Duartal 3 Mart.
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Redaktion und. Expedition Berfin SW., Bimmerftraße 44.
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Das
,, Berliner Boltsblatt"
erscheint wöchentlich 6 mal und ersuchen wir um recht zeitige Bestellung.
Außer unseren Driginal- Beitartikeln, reichhaltigen politischen und Lolal- Nachrichten bringen wir den inter effanten und spannenden Noman
,, Drei Gesellen"
aus der Feder des berühmten Schriftstellers Ernst Pasqué .
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Für das Post- Abonnement bemerken wir, daß das Berliner Volksblatt" im VIIL Nachtrag der Zeitungspreisliste unter 719 a eingetragen ist.
Als Gegenstoß auf die von dem manchesterlichen Liberalismus angerichtete Berwüftung ist der Gebante fozialer Reformen aufgetaucht. Indem man sich nach einem festen Angelpunkt. für diese Reformen umfah, mußte der Staat als ein solcher erscheinen. Jawohl, der Staat, wenn auch nicht ein jeder Staat. Der Liberalismus flagt fo fort über ,, Staatsomnipotens, wenn betont wird, daß der Staat berufen fei, in die wirthschaftlichen Verhältnisse ordnend einzugreifen und bem Schwächeren gegenüber dem Stärkeren einen Halt und Schuh zu bieten. Der wirth fchaftliche Liberalismus läugnet diefen Beruf des Staats gänzlich. Ihm ist der Staat nur dazu da, als Bolizeigewalt die Interessen der herrschenden Klassen zu schüßen. Infofern ist der manchesterliche Liberalismus nur der Vorläufer des Anarchismus, welch lekterer aus der Manchestertheorie die Konsequenz zieht, daß der Staat gänzlich abzufchaffen ei. In der That reicht die moderne Kapitalwirthschaft oft
sehr nahe an den Anarchismus heran. Wie weit ist man in Frankreich noch davon entfernt, wenn der französische Finanzminister feinen Kredit mehr finden kann, ohne daß Herr von Rothschild seine Einwilligung dazu giebt? Diese Art von Anarchismus ist entschieden gefährlicher als die Lehren einiger hirnverbrannten Individuen in New York , Anarchisten bezeichnen.
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Was wir wollen.
I.
Daß unfere sozialen und wirthschaftlichen Bustände von Nebel find, wird heute allfeitig zugegeben. Wer wollte sich auch noch darliber täuschen? Ein Rückblick auf die letzten Zahre zeigt zur Evidenz, daß unsere wirthschaftspolitische Entwicklung immer schlimmere Wendungen nimmt. Im geSchäftlichen und im Erwerbsleben herrscht die alte Unsicher heit, die uns seit Jahren quält. Die Maffenarmuth hat zugenommen, namentlich unter den industriellen Arbeitern, wo immer mehr die billige Arbeit von Frauen und Kindern die geschickter und fräftigen Hände der Männer verdrängt. Auf dem Lande ist's nicht besser. Die Arbeitslöhne find niedrig und haben nicht Schritt gehalten mit der Steigerung des Preises der nothwendigsten Lebensmittel. Vermehrte Staatslasten haben bazu beigetragen, die Preise der Lebenss mittel noch mehr zu erhöhen, während andererseits die Einführung billigster Arbeitsträfte die Tendenz hat, die Löhne noch mehr zu drücken. Die Schwächung der RonfumtionsFraft der Massen bewirkt, daß die aufgestapelten Waaren liegen bleiben, und so entsteht jene fcheinbare, leberprobuftion", während in Wahrheit die vorhandenen Waarenanaffen zu einem behaglichen Leben der Gesammtheit gar nicht ausreichen würden.
Dem gegenüber vertreten wir mit allem Nachdruck den Gedanken, daß der Staat berufen ist, ordnend und schützend in die wirthschaftlichen Verhältnisse einzugreifen. Aber auch hier ist sorgfältig zu sichten zwischen allgemeinen und Sonder- Interessen. Wenn wir es als Aufgabe des Staates betrachten, eine große, umfassende und voltsthümliche Sozialreform anzubahnen, so möchten wir damit feineswegs alles das als gefinnungsverwandt begrüßen, was heute unter der Flagge Sozialreform" segelt. Im Gegentheil erachten wir gerade in diesem Punkte die größte Vorsicht für geboten.
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In unserer halb bürgerlichen, halb noch feudalen Gefellschaft müffen die Gegenfäge zwifchen beweglichem und unbeweglichem Rapital ftets aufs Schärffte hervortreten. Diese beiben großen Interessengruppen bekämpfen sich aufs Diefe beiben großen Interessengruppen bekämpfen sich aufs Bitterste. Sie nehmen den Schein der Freisinnigkeit und Bolfsfreundlichkeit an, um dem Gegner Abbruch zu thun. In England fam diese Gegnerschaft am charakteristischsten zum Ausdruck. Der Liberalismus fegte eine Wahlreform burch, um die am Grund und Boden haftenden Borrechte der Grundeigenthümer. zu schwächen. Die confervativen Grundeigenthümer dagegen festen eine für den industriellen Liberalismus sehr unbequeme Fabrifgeschgebung durch, um fich fo für die Schmälerung ihrer politischen Borrechte zu rächen. Das Land hat dabei allerdings keinen Schaden ge
nommen.
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glieder der Linken zu zählen, einige würden eher aus des Bartei ausscheiden, und diese wenigen könnten den Ausschlag geben. Sehe, möglich erscheint es auch, daß diese Fünf bis Brölf( deren Namen der Hamb . Corr." zu wissen versichert), fich der Abstimmung enthalten. Die Kreuz Btg." erklärt, die ftimmen möchte, durch das Bedürfniß, das neue Bündnis Toleranz" der neuen Partei, insoweit diese gegen das Gesez zufammenzuleimen". Die National Big. wiederum bringt begegen eine Buschrift von fezefflonistischer Seite aus Dit preußen, worin die Befürchtung ausgesprochen wird, daß, wenn bas Sozialistengesets aufhöre, man sich von der Regierungspreffe, die feine Beibehaltung für so nöthig erklärt, die Verantwort lichkeit für eintretende Verbrechen werde in die Schuhe schieberg laffen müssen. Dagegen fagt die„ Köln . Volkszty." treffend:
Wenn ein Gesegan sich verwerflich ist, so läßt sich seine Aufrechthaltung nicht dadurch rechtfertigen, daß die Beseitigung eine gewiffe Verwirrung hervorrufen würde". Ob diese Bers wirrung jest in der That eintreffen würde, das ist noch zu bes zweifeln. He später aber das Gefey aufgehoben wird, desto
mehr Verwirrung steht in Aussicht.
Alle rheinischen Blätter der Gentrumspartei und auch die Schles. Boltsztg", in den Officeprovinzen, das erste Sozialistengefetes. Das genannte Blatt schreibt u. A.: Blatt dieser Richtung, find gegen die Beibehaltung des Sm Lande hat man die Ueberzeugung gewonnen, daß durch bas Ausnahmegejes die Verbitterung gestiegen ist, ohne daß der Umfang der Gefahr vermindert worden. Wo die Sozialis ften seit 1878 unterlagen, haben schlimme Conjuncturen, Arbeitslosigkeit und Hunger, nicht das Sozialistengeses, die Nieders lage herbeigeführt. Breslau und Hamburg find dafür vollgül tige Zeugnisse und neuestens Meiningen , wo der sozialistische Candidat Viered in die engere Wahl kommt. Des weiterer aber erkennt das Volt, daß es nicht angeht, Tausende unter folche Ausnahmebeftimmungen zu stellen, die überdies zu einer bleibenden Institution sich zu entwickeln scheinen. Es fordert barum gleiches Recht für Alle, Strafe für Vergehen und Vera brechen, aber feine Willfür und keine discretionäre Gewalt über deutsche Staatsbürger. Die Katholiken müssen zumal, eingedent ihres eigenen Looses, gegen die Ausnahmegesetzgebung prote ftiren. Diese Stimmung herrscht in allen Kreisen, auch im folchen, die aus achtungswerthen Gründen geneigt wären, der Regierung die Verlängerung zu bewilligen.
Die Versammlung füddeutscher Liberaler in Heidels berg und heinischer Fortschrittler in Frankfurt haben ergeben, nach dem Schwäbischen Merkur", deß man in Süd deutschland auf gemäßigt liberaler Seite von der neuen freifinnigen" artei unter Richter's Führung nichts wiffen will." Der füddeutsche Liberalismus ist noch schwäche licher als der norddeutsche.
Anarchisten hat, nach Mittheilung des„ Bund, der Schweizer Bundesrath unterm 22. d. Mts. beschloffen, wie folgt:„ Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft,
in Betracht:
daß die öffentliche Sicherheit in den lezten Monaten in Deutschland und Desterreich durch mehrere furz auf einander folgende Verbrechen gefährdet worden ist;
daß, gegenwärtig zwei Individuen, Hermann Stellmachen weilig in der Schweiz fich aufgehalten hatten, in Wien unter und Anton Kammerer, welche während der lesten Jahre zeit der Auflage, fene Verbrechen sämmtlich oder zum Theil verd
Die Wirtungen diefer unserer wirthschaftlichen Noth lage haben alle Geister in Bewegung gefeht, benn die damit verbundene Unbehaglichkeit reicht in alle reife hinein. Parteien bie Socialreform, zu ihrem Stichwort erhoben. übt zu haben, in Untersuchungshaft sich ausländer Stennel,
Selbst da, wo gesicherte Lebensstellung und reichliches Einkommen vorhanden, ist man nicht mehr in der Lage, den Gang der Dinge apathisch zuzusehen; denn man fühlt gar wohl heraus, daß die wirthschaftspolitische Entwicklung zu immer schlimmeren Resultaten gelangen muß, wenn sie nicht in andere gefündere Bahnen gelenkt wird.
In dem großen fojialpolitischen Kampfe, der sich barob enifponnen, stehen sich zwei Nichtungen gegenüber, und zwar so schroff, daß die eine die andere vollständig ausschließt.
Bei uns ist die Situation nicht viel anders. Während der manchesterliche Liberalismus jebe wirksame Socialreform in feinem starren Egoismus verwirft, haben die Conservativen Die großen Grundbefizer operiren mit scharfen Schlagworten gegen das bewegliche Kapital. Es wird, wie der leitende Staatsmann fagte, in der That um den armen Mann" wie um die Leiche des Patroklus gestritten." Und doch ist der wahre Gegenstand des Streites nur, wie bewegliches und unbewegliches Kapital fich am Besten gegenseitig den Boden zur Wahrung ihrer Intereffen abgewinnen können.
die in der Schulze, Fall und Liña mit Stellmacher und Kammerer fehr genaue persönliche Beziehungen unterhalten haben und mil denselben durch Gemeinschaft der Bestrebungen enge verbunden waren, ja daß zu ihren Lasten sogar eine Reihe von Thats umständen festgestellt ist, welche, wenn sie auch nicht eine eigentliche Strafrechtlich zu verfolgende Theilnahme an jenen verbrecherischen Handlungen darthun, doch einer folchen nahe fommen, und daß sie den Nachforschungen der Behörden zur Entdeckung der Urheber der Verbrechen nicht nur feinen Beis
in Irrthum zu führen;
in Anwendung
von Artikel 70 der Bundesverfassung, also lautend: Dem Bunde steht das Recht zu, Fremde, welche die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiet wegzuweisen", beschlicht:
1. Aus dem Gebiete der schweizerischen Eidgenoffenschaft werden weggewiefen:
1. Friedrich Philipp Kennel, aus Schwegenheim ( Sheins baiern), Spengler, derzeit in Bern ;
Wenn der Liberalismus jede ernsthafte Socialreform vermirft, so faßt andererseits das Junter- und GroßgrundDie eine dieser beiden Richtungen behauptet, baffelbe bestherthum die Sozialreform als eine Reihe von Bo- stand geleistet, sondern vielmehr gesucht haben, die Behörden wirthschaftliche System, welches die gegenwärtigen Ralami- lizeimaßregeln auf, die schließlich darin gipfeln, daß den täten herbeigeführt hat, fei auch berufen, fie wieder zu be arbeitenden Klassen kleine, aber sehr fleine Conceffionen, feitigen. Allein die Sage vom Speer des Achilleus, der und zwar auf Kosten der arbeitenden Klassen selbst, gemacht die Wunden wieder heilte, die er flug, scheint uns sehr werben, während als equivalent für diese kleinen Confchlecht hierher zu passen. Es ist in der That das System ceffionen die staatliche Bevormundung über die arbeitenden ber freien Konkurrenz", des wirthschaftlichen Krieges Klassen dermaßen ausgedehnt werden soll, daß von SelbstAller gegen Alle, das unser wirthschaftliches Elend verständigkeit und freier Bewegung feine Rede mehr fein tann. fchuldet hat. Und dabei erscheinen die Konzeffionen gewöhnlich in einer Es ist das Recht des Stärkeren in einer modernen Form, für die Arbeiter faum brauchbaren Form! bie aber feine Wirkungen feineswegs abschwächt. Es find Man irrt fich, wenn man glaubt, mit dieser Art von auch nur die wirthschaftlich Stärkeren, die mit allen Macht- Sozialreform fich die Sympathie der arbeitenden Klassen zu mitteln des Besites Ausgerüsteten, welche behaupten, aus diesem gefunden Durcheinander" fönne fich ein befriedigen ber Zustand von selbst entwickeln. Für fe, für die wirth schaftlich Stärkeren, mag dies fchon zutreffen. Aber wo bleiben die Anderen? Das Manchesterthum, das System wom ,, Gchenlaffen"( laisser aller) fümmert sich nicht darum. Diese wirthschaftliche Nichtung ist der Ausdruck des fraffen Egoismus und des rohen Materialismus: fie verwirft alle Steformbestrebungen aus Furcht, der Spielraum der freien Ronkurrenz möchte eingeschränkt und der Kapitalprofit ge Somälert oder belaftet werden.
Dieses öbe und wüste System, welches hauptsächlich die wirthschaftlichen Ideen des modernen Liberalismus repräfentirt, scheut man fich nicht, mit dem Namen ,, wirthschaft liche Freiheit zu belegen. Seine Anhänger gebrauchen ben Kunstgriff, jedes Anfämpfen gegen dieses Durcheinander als Beschränkung der individuellen Freiheit zu bezeichnen,
ein Kunstgriff, der nachgerade Niemanden mehr zu täuschen vermag, der von unseren wirthschaftlichen Zuständen auch nur eine schwache Ahnung hat.
erwerben. Neuerdings hat ein Staatsmann darüber gelagt, daß man keine genaue Kenntniß der eigentlichen Wünsche und Bedürfnisse der Arbeiter von diesen selbst er langen fönne. Sollte das in der That nicht möglich sein? Wir glauben boch.
Politische Uebersicht.
Bird die Deutsche frelsinnige Bartei" für oder gegen die Beibehaltung des Sozialistengesetes stimmen Es herrscht darüber unter ihren Gliedern offenbar ein Mangel an Einigung, der den neuen Bund vielleicht eben so schnell auseinanderbringt, wie er zufammengekommen. Bwar haben fic alle die Gleichheit vor dem Geset ohne Ansehen der Berson und der Partei" in ihrem Programm ausgerufen. Aber hinterher mag einigen Sezeffionisten einfallen, daß fie anno 78 als Nationalliberale und anno 80 als Sezessionisten( Lasker Gefeß Abgeord ausgenommen) für das Geist geftimmt haben. Die gesker neten Hänel, Richter und Nidert haben zwar auf ihren und reifen erklärt, ihre neue Bartet werde gefchloffen gegen das Geses stimmen; aber einer ihrer Bartelgenoffen, Korrespondent Der Breslauer Btg.", Tagt, es ici feinesroegs auf alle Mit
2, Moris Schulze, aus Rottbus( Preußen), Schriftfeger, Derzeit in Bern ; 3. Start Fall, aus Höffling( Steiermark ), Schneider, der zeit in Freiberg ; 4. Mathias Siffa, aus Celiw( Böhmen ), Schneider, derzeit Bu Paris hörte die Enquetekommission am 24. d. t. die Bijouterie Arbeiter. Sie verdienen durchschnittlich 6 r. täglich; einige 8 Fr. Ce find 5 bis 6000 Arbeiter hier, aber die Beschäftigungslosigkeit fei nicht größer als alljährlich um diese Jahreszeit. Die Delegirten befürworteten besseren Bollschus und die Förderung des Associationswesens. Auch verlautet eine Klage über nachtheiligen Einfluß der niedrigen Löhne in Deutschland . Die Metallpergolber, welche 400 Arbeiter und 300 Arbeiterinnen beschäftigen, erklärten, fie hätten nichts von der auswärtigen Sonkurrenz zu befürchten; Die auch in ihrem Geschäft eingetretene Stockung fei wohl nicht durch auswärtige Konkurrenz, sondern durch die allgemeinere Die immer mehr benußte Gefängnißarbeit drücke die Löhne herab. Die Dfenfeuer, welche sich der Spezialität des Backs steinwerts widmen, flagten darüber, daß die Prinzipale vor zugsweise die billiger arbeitenden Ausländer beschäftigten; nahezu die Hälfte der Arbeiter feien fremde, insbesondere Belgier.
politischen Wigſtände verursacht. Der Taglohn ist 5 bis 7 Fr.
Erste Nummer des„ Berliner Boltsblatt".