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minister Säurtet üctonte, daß die Regierung entschlossen sei, ihre Pflicht als britische Untertanen zu erfüllen, daß sie sich aber weigere, sich durch die Erregung treiben und davon abbringen zu lassen, eine fcstgcsehte Bahn innezuhalten. Er sähe in den neuesten Ereignissen keinen Grund, von der Politik der Fürsorge für die örtliche Verteidigung zugunsten einer Bei- stcuer für das Reich abzuweichen, erkenne aber an, daß die Zeit gekommen sei, zu handeln und den Grund zu einer Flotte zu legen. Deutschland bereite sich durch den Vau einer grofien Flotte vielleicht vor, mit Britannien zur See das zu tun, was es mit Frankreich zu Lande tat. Kein britischer Untertan könne einem solchen Ausblick gegenüber gleich- gültig bleiben. Wenn auch die Gefahr noch nicht un» mittelbar bevorstehe, sei doch Wachsamkeit geboten. Der Premierminister brachte zum Schluß eine Resolution ein, welche die Ausgaben für die Organisation einer kanadischen Flotte, die mit der Reichsflotte zusammenwirken soll, billigte. PoUtifcbc CkberHcbt. Berlin , den 30. März 1909. Die Antwort der englischen Arbeiterpartei. Als Antwort auf die Depesche der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion an die englische Arbeiterpartei ist heute von dieser folgendes Telegramm eingetroffen: Die britische Arbeiterpartei ist von ganzem Herzen mit Euch und mit Eurem Bestreben einverstanden, ein inter- nationales Abkommen herbeizuführen, das den Ausgaben des Wettrüstens Einhalt tut und das Kaperrecht abschafft. Mit den besten Wünschen für Euren Erfolg und brüder- lichcn Grüßen von der Arbeiterpartei _ Henderson. Abgeordnetenhans. Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte am Dienstag zunächst in rascher Reihenfolge eine große Anzahl von Peti- tionen, von denen jedoch nur eine einzige Anlaß zu einer De- batte gab. Es ist dies die Petition der Frau Schmidt-Bürkly in Berlin um Abänderung der Städteordnung. Die Petition wünscht, daß den grundbesitzenden, wirtschaftlich selbständigen und st euer- zahlenden Frauen das kommunale Stimm- recht eingeräumt wird. In der Kommission gab der Regie- rungsvertreter die Erklärung ab, daß die Regierung gegen- wärtig nicht die Absicht habe, eine Abänderung der Städte- ordnung vom 30. Mai 1833 in Erwägung zu nehmen-, sollte eine Aenderung künftig in Frage kommen, so würden wich- tigere Reformen, insbesondere eine Modifizie- rung des Hausbesitzerprivilegs, vorangestellt werden müssen; alsdann werde auch Anlaß sein, die Ein- führung des kommunalen Wahlrechts für die Frauen in den Städten zum Gegenstand weiterer Erwägung zu machen. Nach dieser Erklärung hat die Kommission einstimmig den U e b e r- gang zur Tagesordnung über die Petition be- schlössen; sie ging dabei von der Erwägung aus, daß auch noch in einzelnen Provinzen nach der Landgemeindcordnung die grundbesitzenden Frauen ohne Stimmrecht sind und daß die Petition viel weiter geht als irgend eine Landgemeinde- oder Städteordnung. Zur Beratung im Plenum beantragte nun Abg. F i s ch b e ck(frs. Vp.), die Petition der Regierung als Mate- rial zu überweisen. Namens der Sozialdemokraten schloß sich Genosse Hirsch diesem Antrage an, indem er zwar nach- drücklichst die gegensätzliche Auffassung zwischen Sozialdemo- kcatie und Bourgeoisie über das Wesen der Gemeinden be- tonte, aber doch die Petition als Etappe auf dem Wege zum Frauenstimmrecht bezeichnete, vorausgesetzt allerdings, daß die Petentin nicht etwa bloß für die grundbesitzenden Frauen das Stimmrecht verlange, also ein neues Privileg ein- führen wolle. Daß unser Genosse auch das passive Wahl- recht forderte, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Obwohl auch der Nationalliberale L u s e n s k y für Ueberweisung als Material eintrat, war doch dieMehrheit von Bassermann bis Bebel" nicht ausreichend das Haus ging über die Petition zur Tagesordnung über. Dann begann die erste Lesung der Sekundärbahn- v o r l a g e. die wie alljährlich zahlreichen Rednern Ber - begossen" und das Gewissen des Genossen nochmals beruhigt: Auch die Partei habe ihre Spitzel, nur zahle sie viel nobler I So habe der Abgeordnete R. Fischer selbst Leute auf dem Polizeipräsidium gehabt; es seien Haussuchungen bei Beamten abgehalten, aber leider nichts gefunden worden! Der Bczirksführer war alsogeworben". Er lieferte auch Berichte. Doch folgte bald eine Enttäuschung. Bei der ersten Halbmonatszahlung am b. Februar erhielt er nur 10 M.: die bereits empfangenen 20 M. wurden jetzt plötzlich angerechnet! Nobel war das nicht. Aber wer kann bei dem Handwerke Noblesse verlange»! Am 10. Februar, am ö. März, am 22. März erhielt er je 30 M. als Halbmonatsgehalt. Er stellte dafür zuweilen Blanko-Quittungen aus, die er, ohne Angabe über die Höhe der empfangenen Summe, jcweilen mitPaul" unterzeichnete. Aber dieBerichte" genügten nicht, weder an Zahl noch an Inhalt. Kriminalbeamter Rudolf Rehberg, Gaudystraße 11 v. III., fragt daher in fleißiger Korrespondenz nach Verschiedenem; allein aus dem Monat-März liegen 6 Briefe vor. Und als vorsichtiger Mann schreibt er an der Spitze des ersten Briefe?:Meine Briefe an Dich werde ich alle fest verkleistern." .Wober er wohl die Angst vor dem unbefugten Ocffnen der Briefe haben mag? Dann will er in den verschiedenen Briefen wissen: Warum Meyer und Königs nicht mehr in die Preßkommission gewählt sind?Haben sie ihr Amt niedergelegt oder mußten sie niederlegen?" Auch über den Zahlabend der Hilfsarbeiter bei Meyer, in dem Abg. Fischer einen Vortrag gehalten, will er Bcrickt haben. Er kriegt einen; aber da der Genosse nicht auf dem Zahlabend war, läßt er Fischer einfach über«Agitation" reden und die Polizei heftet den Bericht zufrieden in ihre Akten. Ueber die Programmvorträge des Genossen Grundwald will er sogarein- gehenden" Bericht, auch womöglicheine Karte zu den nächsten Vorträgen". Am 1. März fragt er:Wie steht es mit dem 18. März? Ist schon was beschlossen?" Auch eine Gast karte zur Generalversammlung der Wahlvereine verlangt er wiederholt. DaS genügt alles nicht; er wünschtmehr als das Gewöhn- llchc". Sein Wunsch war unserem Genossen Befehl. Er erfährt mehr: Beim Genossen Schwemke sollen zwei Kisten ankommen, Ankunftszeit und Inhalt kennt unser Bezirksführer noch nicht. Der geschäftseifrige Kriminalbeamte dringt nach sofortiger weiterer Nachricht. Nach zwei Tagen erhält er Bescheid:Morgen gegen abend sollen die Kisten kommen." Als die Kisten abgeladen werden, kommt der eine Spitzel, ganz zufällig, bis auf den Hof nach, um zu sehen, in welchen Keller oie Kisten gebracht werden. Nur die dummen Ablader merken nichts! Natürlich! Dankerfüllt kommt anderen Tags Freund Rehberg angestürzt: anlassung gab, ihren Lokalschmerzen Ausdruck zu verleihen. Prinzipielle Fragen wurden nur ganz vereinzelt angeschnitten. Da bis jetzt nicht weniger als 85 Redner gemeldet sind, wird die Debatte kaum vor Freitag beendet sein. Ein kleiner Block. Wie einem Münchener Blatte aus Berlin gemeldet wird, haben am Sonntag Mitglieder der Reichspartei, der Nationalliberalen und der Freisinnigen eine gemeinsame Sitzung unter dem Vorsitz des Fürsten Hatzfcldt abgehalten, um ihre fernere Stellung zur Reichs- finanzreform festzulegen. Eine Bestätigung dieser Nachricht von berufener Seite ist bisher nicht erfolgt; in Anbetracht des engen Verkehrs aber, den Fürst Hatzfcldt seit einigen Tagen mit den Frei- sinnigen unterhält, spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Meldung richtig ist._ Der bayerische Finanzminister und die Finanzreform. Im Anschluß an eine Meldung derKölnischen Zeitung ", die die Demission der einzelstaatlichen Finanzminister als wirksame Kundgebung gegen das Besitzsteucrkompromiß verlangt, meldete der ultramontaneBayrische Kurier", der bayerische Finanzminister habe sich mit der Regelung der Besitzsteuerfrage nach dem Antrag Herold- Müller iFulda) ausdrücklich einverstanden erklärt. Auf eine Anfrage der.Münchener Post" teilt jedoch der bayerische Finanzminister mit, daß davon keine Rede sein könne. Die Regierung stehe noch fest auf dem Standpunkte, den der bayerische BuudeSratSbevollmächtigte in der Sitzung des Steuerausschusses vom 8. März präzisiert habe, daß die bayerische Regierung alle von dem R e i ch s s ch a tz s e kr e t ä r gegen den Kompromiß« antrag vorgetragenen Einwendungen in ganzem Umfange sich zu eigen mache und daß sie ans prinzipiellen und finanziellen Gründen gegen den Antrag die allerschwersten Bedenken hege._ Das Zentrum und die parlamentarische Regierungsform. Im Märzhest der ZeitschriftNord und Süd" schreibt der Zentrumsabgeordnete Erzberger :Der Ausgang aus der heutigen verwickelten Situation liegt nur in der reinen Durch- führung des konstitutionellen Systems, des wirk- samen Vorläufers des parlamentarischen Systems. Der Einwand, daß ein Bundesstaat, wie das Reich, für das parlamentarische System nicht geeignet sei, wird schon durch die Art der Regierung in der Schweiz wie in der Union widerlegt. Das parlamentarische System ist keinefremde Giftpflanze", die nur mit Schaden für Volk und Krone zu uns gebracht werden könnte; es ist vielmehr der beste Kugelfang für die Krone und die Errichtung der politischen Verantwortlichreit des deutschen Volkes." So schreibt Herr Matthias Erzberger , der sich in volkstümlicher und demokratischer Pose gefällt. Anders als der Benjamin des Zentrums denken jedoch die eigentlichen Machthaber, die Junker im Zentrum, Über das parlamentarische Regiment. Am letzten Sonntag redete in Jülich Gras Henckel-Donnersmarck , der zur Unterstützung der Kandidatur seines Freundes Fürsten Salm» Dyck herbeigeeilt war, in einer großen Zentrumswählerversammlung. Graf Henckel-Donnersmarck erklärte: Der Block befindet sich auf dem Wege, nichts mehr und nichts weniger(!) als die parlamentarische RegierungLsorm einzuführen, und davor wolle uns Gott schützen. Wir wollen die gegenwärtige Regierungsform unter allen Umständen erhalten I" Massenprotestversammlung gegen die Tabaksteuer- erhöhung. Vorgestern fand eine von der sozialdemokratischen Partei, dem freisinnigen Verein Waldeck, den Christlichsozialen und den National- liberalen einberufene allgemeine Nrotestversammlung gegen die Tabaksteuer auf dem Schützenhofe in Herford statt. Redner der verschiedenen Parteirichtungen sprachen von drei Tribünen aus zu den zirka 18 000 Erschienenen, die zum großen Teil mittels Extra- zügcn herbeigeströmt waren. ES wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Die heute auf dem Schützenhofe in Herford tagende Versammlung erklärt deshalb: Durch die geplante Mehrbelastung des Tabaks werden der blühenden Zigarrenindustrie unserer Gegend unverantwortliche Wunden geschlagen. Nach den trüben Erfahrungen der letzten Zollerhöhung von 1879 ist ein derartiger Konsumrückgang zu erwarten, daß die Hälfte der Arbeiter brotlos werden muß, in den Kreisen Herford , Minden und Lübbecke allein 900010000. Der Wohlstand dieser Kreise wird dadurch vernichtet werden. Auch die kleinen Fabrikanten müssen zusammenbrechen und von den mittleren Fabrikanten ein großer Teil. aber das weitere wollen wir zur gegebenen Zeit erzählen. Heute erscheint es uns nicht an- gebracht. Kriminalpolizist Rudolf Rehberg, Gaudystraße 11 v. III, glaubt nun in seiner Dankbarkeit für die wichtige Kistenmitteilung Vertrauen mit Vertrauen erwidern zu müssen; daher erzählte er: Es ist von oben Anlo eisung gekommen, daß die Beamten sich aus den Wahlvereinen zurück­ziehen sollen. Die Veröffentlichungen imVorwärts" sind so unangenehm; wir erfahren als Mitglieder Vach nicht mehr, als was imMitteilungsblatt" steht. Wenn wir Bezirksführer und A b t e i l u n g S s ü h r e r alsBerichterstatter" ge­winnen, so erfahren wir die Sachen sogar noch früher und mehr als an den Zahlabendcn. Die Sache mit den Kisten hätte ich am Zahlabend doch nicht erfahren. Wenn Du öfters solche Sachen mitteilst, kannst Du bald Gehaltserhöhung verlangen." Nun sollte Schluß gemacht �werden; bloß eine Photographie Rehbergs fehlte noch. Zum Montag wurde Rehberg daher in die Wohnung des Bezirksführers bestellt; beim Verlassen der Wohnung sollte auf der Treppe das Blitzlicht aufflammen; ein unvorherseh- lmrer Zufall trat dazwischen und beim Heraustreten aus dem Korridor sah Rehberg sich plötzlich zwei Genossen gegenüber. DaS hinderte den schlauen Kriminalisten nicht, sich nochmals an seinen Freund zu wenden, obgleich dieser den erbetenen Bericht über den Geck scheu Lichtbildervortrag nicht-gesandt hatte, weil er eben ge- dacht hatte. Rehberg habe Lunte gerochen. Rehberg bat abermals um«ine Gast karte zur Generalversammlung, erhielt sie und bestätigte noch am Sonntag früh den Empfang tn einem interessanten Briefe, aus dem wir hervorheben: ... Keiner von uns Kriminalbeamten soll morgen in die Generalversammlung gehen. Daher wirst Du so gut sein und mir morgen darüber einen ein- gehenden Bericht zukommen lassen(folgt Wunschzettel, was er melden soll.)....; ob die Angelegenheit mit Ernst zur Aus- spräche kommt und in welcher Form, weil er doch seine Aemtcr niederlegen muß bezw. dazu aufgefordert wird...." Das besondere Interesse der Polizei für die Amtsniederlegung Ernst's ist bis zu einem gewissen Grade erklärlich aus dem Aerger Über die vielen versalzrnen Suppen, die ihr Ernst schon zum Aus- löffeln gegeben hat, aber die Bestimmtheit, mit der sie behauptet, daß Ernst zur Amtsniederlegung aufgefordert werde, läßt der- schieden« Schlußfolgerungen zu. ..... Auch wer vom Partelvorstand bczS. von Lessereti Genossen anwesend war.. will diebessere" Polizei wissen und zum Schluß fragt Rehberg: Wir bitten die Reichsbehörden und die Abgeordneten, nicht auf die Ratschläge einiger Großfabrikanten zu hören, die in ver- werflichem Egoismus an die unseren Arbeitern drohende Not nicht denken. Wer will die Verantwortung übernehmen für eine Stcuer. welche in Deutschland zchntausende Arbeiterfamilie« in Not und Armut stürzen muß? Nicht der Tabak wird bluten, sondem zahllose Existenzen müssen verbluten unter dieser, nicht die Raucher, sondern die Arbeiter treffenden Steuer._ Der Kampf gegen die Wahlrechtsdemonstrationen. Am 31. Januar wurden in Wiesbaden wegen Beteiligung an der Wahlrcchtsdemonstration zwölf Personen verhaftet. Am Montag fand die Verhandlung statt. ES konnten nur zwei von den Angeklagten verurteilt werden und zwar einer zu 00 M. Geldstrafe, weil er die polizeiliche Absperrung durchbrochen hatte und eine Rede halten wollte, und ein zweiter zu 10 M. Geld« strafe, weil er sich einem Trupp angeschlossen und dadurch den Fuß- gängerverkehr gehindert haben soll. Als schlimmstes Vergehen rechnete die Polizei den Verhafteten an, daß sie Wahlrechtslieder angestimmt hätten. Auf die an einen Polizeizeugen gerichtete Frage, ob er einen Genossen hätte singen hören, sagte dieser klassiiche Zeuge, singen hätte er zwar nicht ge« hört, aber er habe gesehen, wie der Betreffende mit den Lippen ge- wackelt hätte. In B r e S l a u sind aus Anlaß der letzten Straßendemoiistrationen neunzehn Genossen unter Anklage ge st eilt tvorden. Sie lautet auf tätliche Beleidigung. Körper- Verletzung, Wider st and und groben Unfug. Zu jedem Angeklagten ist ein Polizist als Zeuge geladen. Eine Abänderung des württembergischen Briefmarkenvcrtrages wird von der Reichsposwertvaltung angestrebt. Durch den am 1. April 1902 in Kraft getretenen Vertrag gab Württemberg das Vorrecht der Führung eigener Postwertzeichen auf. Als Ausgleich für den Verlust des unbedeutenden Hoheitsrechtes gestand die Reichspostverwaltung einen günstigen AbrcchnnungsmoduS zu, infolgedcffen die Ablieferungen an die württembergische Staats­hauptkasse sich von 3 206 03b M. im Rechnungsjahr 1002/03 auf 6 619 015 M. im Jahre 1007/08 erhöht haben. Die Rcichspost- Verwaltung versucht nun, den an Württemberg zu zahlenden Be- trag zu kürzen; man spricht von einem Abzug in Höhe von einer Million Mark. Die so schon schwer belasteten Staatsfinanzen, die eine Erhöhung der Steuern um 12 Prozent notwendig machen, geraten durch das Vorgehen der Reichspostverwaltung aufs neue in Unordnung. Einen ungünstigeren Zeitpunkt zur Aenderung des Vertrages hätte die Reichsposwerwaltung gar nicht aussuchen können. DieReichsverdrossenheit" im Süden wandelt sich nach- gerade zurReichsbitterkeit"._ Der Wutschrei der Verlassenen. Die antisemitiswen ReichstagSabgeordneten G äb el und Bindewald sind jüngst aus der Reformpartei ausgetreten und zur Truppe Liebermaun v. Sonnenberg , den Deutschsozialen gestoßen. Der Führer der Reformer, Zimmermann, der sich so mit nur noch drei Getreuen allein gelassen steht, bricht darüber in seinen parteiamtlichen Mitteilung« tt. die zur vertrau- lichen Zirkulation unter den Mitgliedern der Reformpartei bestimmt sind, in helle Wut aus. Jetzt plötzlich weiß er, daß Gäbel (Vertreter für Meißen ), dem er schon zum zweiten Male ein Reichstagsmandat verschafft hat, ein total unfähiger Politiker ist, ver schon längst aus dem Reichstage hätte entfernt werden muffen. Seinem gewesenen Freund Bindetvald hielt er vor, daß er auspersönlichen MandatSrücksichten" sich derselben dettlsch-soztalen Partei anfreunde, deren Führer ihn vor Jahren als Maler Fritz Pinsel dem öffentlichen Spotte preisgegeben hatte und deren Umfall er aufs allerschärfste getadelt habe. Es ist lustig, Herrn Zininterniattn schimpfen zu hören, weil zwei Natten sein brüchiges Parteischifflein verlassen haben. Auf die Zustände in den beiden antisemitischen Fraktionen werfen der UeberzeugungSwechsel der beiden Ucberläufer und der Zimmer- mannsche Kommentar ein bezeichnendes Licht. Pleite des Rheinischen Bauernvereins. In einer Generalversammlung des klerikalen Rheinischen Bauernvereins zu Koblenz wurde mitgeteilt, daß die Unterbilanz für 1008 130000 Mark betrage. An den Druckereien in Koblenz und Köln die erstere ist mittlerweile eingegangen seien 246 000 M. zugesetzt worden. Der Verein stehe vor dem Bankerott, wenn es so weitergehe._ Ein Deutscher von Kosaken erschoffen. Aus T a r n o w i tz wird gemeldet: Der Bauer Wider attS FriedrichSwille fuhr am Donnerstag der vorigen Woche mit 2000 Mark nach Russisch-Polen, um Pferde einzukaufen. Seine Ehe- ftau wurde heute telcgraphisch davon in Kenntnis gesetzt, daß ihr Mann von Kosaken erschossen worden sei. ... Sag' mal, lieber Paul, willst Du nicht nach Schluß der Generalversammlung zu mir kommen? Dann machen wir zusammen den Kitt und stärken uns. In einer halben Stunde sind wir fertig... Diese biereifrige Naivität gab vielleicht Gelegenheit, den schlauen Buvschcn doch noch auf die Platte zu kriegen. Derliebe Paul" schrieb daher rasch eine Rohrpostkartc:Heute kann ich mich von den Genossen nicht trennen, außerdem habe ich nachher noch eine interne Sitzung. Aber kurz nach 4 Uhr komme ich rasch auf ein halbes Stündchen zu Bock, Eichendorff- und Tieckstraßen- Ecke, dort erzähle ich Dir Wichtiges." Gegen 4 Uhr patrouillierte der _____ Kriminalbeamte Rudolf Rehberg in der Chausseestraße und derliebe Paul" schleppte ihn ganz ge» mütlich in die besagte Kneipe, wo bereits zwei Genossen postiert waren, den_ Hausdiener Otto W u n i ck e" zu photographieren. Vertrauensselig und voll Erwartung nahm Rudolf den Bericht seines Freundes Paul entgegen; da flammte das Blitzlicht auf und der ahnungsvolle Engel meinte:Paul, ich glaube, sie haben uns photographier t." Und bestürzt" entgegnete Paul:Donnerwetter, da wäre ich aber schön Onkel bei det Jeschäft!" Noch immer glaubte der Alexandriner an dieTreue" seines Paul so sehr ist diesen Beamten der Begriff von Ehre und Reinheit bei ihrem Spitzelgeschäft verloren gegangen bis ihm schließlich unser Genosse ganz offen seine Meinung über die Infamie ins Gesicht sagte, die er ihm zugemutet habe. Und als jetzt auch noch Genosse Schwemke auf der Bildfläche erschien, da wußte der vor Aufregung oder Angst zitternd« Held vom Alexandcrplatz seine Verlegenheit nur noch hinter dem Zynis- mus zu verbergen:Brot schmeckt süß, Brot schmeckt W Den Judaslohn von 120 M. stellt unser Genosse dem betrübten Lohgerber tvieder zur Verfügung. Unter Legitimierung seiner Person und nach Vorlveis der Berechtigung seitens seiner Vorgesetzten, kann Kriminalbeamter Rudolf Rehberg Gaudystraße 11 V. III 120 Mark ausgelegte Jndasgelder im Kontor desVorwärts", Lindenstraße 69, 2. Hof II, gegen entsprechende Quittung wieder abholen.