|l 76. 26. Jahrgang.5. Kilaze Ks Lsmiick" Kerlim DaldsMMittwoch. 3!. Marz 1909.Reichstag*83 7. Sitzung vom Dienstag, den 30.vormittags 11 Uhr.!Srz 19 09,Am Bundesratstische: v. Bethmann-Hollweg. Sy»Low, Dernburg, v. Schoen.Auf der Tagesordnung steht derEtat des Rdcbshanzlcrs.Abg. Bassermann(natl.):Die heutige Debatte steht unter dem Zeichen derFinanzreform,mit der ich mich ausschließlich beschäftigen werde. Ueber ihre Not-«uendigkeit und Dringlichkeit herrscht in allen Parteien undschichten der Bevölkerung Uebercinstimmung. Es zeigt sichVolke eine ungewohnte Opferwilligkeit.(!)-ze Finanzreform ist notwendig, um die Reichsfreudigkeit bei den(T.suelstaateu zu erhalten. Die Einnahmen und Ausgaben deSMlches müssen ins Gleichgewicht gebracht werden, damit dierundcsverteidigung nicht Not leidet. Gesunde Finanzen sind weiter�forderlich, um die Witwen- und Waisenversicherung zu lösen.Ein finanziell starkes Teutschland ist ein Friedenshort in einerZeit, in der leider angesichts der politischen Lage an eine Ab-rüstung nicht zu denken ist.Der Friede der Welt beruht auf den deutschen Bajonetten!lBravol bei den Natl.) Zwar keine weich«, aber eine sichere Unter-icQt*Eine zweite unerläßliche Voraussetzung der Finan�reso-m istdiegenügende Heranziehung deS Besitzes.(Bravo! bei den Freis.) Wenn der Massenkonsum belastet wirdweil es nicht anders geht, dann darf der Besitz nicht verschontbleiben. Das ist ein Gebot der Staatsklugheit und der sozialenGerechtigkeit. Der Staat würde sonst selbst das Wasser auf diesozialdemokratischen Mühlen führen.(Lebhafte Zustimmung beiden liberalen Gruppen.) Die Form der Besitzsteuer stand füruns Nationalliberale in zweiter Linie. Für uns stand nur fest,daß sie allgemeinen Charakter haben, jeden Besitz treffenund nicht den Grundbesitz freilassen müsse. Wirhabe« im Laufe der Zeit eingesehen, das) der Weg einer Reichs-einkammenfteuer, für den mancher von uns begeistert war, nichtgangbar ist!— Ten Einzclstaaten darf die Einkommensteuer nichtentzogen werden.(Sehr wahr! rechts.) Für eine Reichsein-kommensteuer ist zurzeit auch eine Mehrheit im Reichstage nichtzu finden, ebenso wenig im Bundesrat. So ist unser Vorschlageiner Reichsvermögenssteuer in der Finanzkommission abgelehntworden. Um weiter zu kommen, ist dann das Gampsche Kompro-miß abgeschlossen worden. Es hat im Lande, in den Einzelstaatenlebhaften Widerspruch gefunden.(Sehr richtig!) Unter diesenUmständen erachtet die große Mehrheit der nationalliberalen Frak-tion den Ausbau des Erbschaftssteucrgesetzes, die Heranziehungder Deszendenten zur Erbschaftssteuer, für eine Notwendigkeit.(Lebhafte Zustimmung bei den Natl.) Wir wollen, daß bei derHeranziehung der Deszendenten den besonderen Verhältnissen derLandwirtschaft Rechnung getragen wird. Wir wollen, daß alleBorsichtsmaßregeln im Gesetz getroffen werden, um Steuerschnüffe-lcien hintan zu halten. Wir wollen, daß mittlere und kleinereErbteile freibleiben über die Grenze der Regierungs-vorläge hinaus! Es ist diesder Standpunkt des Gesamtliberalismus(Sehr richtig! links), der vielleicht auch von manchen Konserva-tiven und sogar vom Zentrum geteilt wird.Welche Parteien sollen nun die Finanzreform erledigen? DieseFrage steht jetzt im Vordergründe. Die nächstliegende Antwortwäretder Block.der eine Reihe von Aufgaben wie das Vereins- und das Börsen-gesetz gelöst hat! Die Bedeutung der Finanzreform geht weithinaus über diese Fragen. Auch weit hinaus über die Streitig-Kleines f euilleton.Die„Traumtänzerin" Magdeleine(oder wie sie früher hießMadeleine) tritt nun auch in Berlin wieder auf. In den Äammer-spielen läßt sie sich von einem eigens dazu mitgebrachten Pariserhypnotisieren. Im Traumzustande werden dann wunderbarekünstlerische Qualitäten wach, über die sie im Wachzustande nichtverfügen soll. Also behaupten die Anhänger, vor allem einMünchener mondäner Nervenarzt. Da es in Berlin ja schon langezum guten Ton gehört, an geheimnisvolle Kräfte zu glauben undselbst von Spiritisten gröbster Observanz sich Wunder vortäuschenzu lassen, so wird Magdeleine(welch seltsamer Name!) sicherAdepten genug finden. Der geheimnisvolle Zauber würde unsnur unter gehöriger wissenschaftlicher Kontrolle interessieren, dieuns aber weder der Münchener Psychiater noch etwa Herr Stumpf,der wissenschaftliche Begutachter des klugen Hans, bieten könnten.So bleibt denn für uns nur die künstlerische Seite. FrauMagdeleine, deren Herkunst ebenso geheimnisvoll ist(das ist daswesentliche) wie ihr Geisteszustand, hat ein bis zur Grimasse aus-drucksvolles Mienenspiel. Rezitationen und Musikvorführungenbegleitet sie mit mimischen und pantomimischen Bewegungen.Und wie immer ihr Zustand sei. sie hat eine Gebärdensprache, diemannigfaltig und kräftig ist, besonders im Affekt. Dagegen gehenihr Grazie und was man schöne Linie nennen könnte, ab. Dafürist sie aber, wie gesagt, ungemein interessant, weil sie all ihreFähigkeiten— angeblich ohne Uebung und Vorbildung— aus derTiefe ihres Unterbewußtseins schöpft. Und daS ist die Hauptsache.Münchener Frühling. In der Landschaft, in der bildendenKunst, in der Starkbiersaison und im Theater tut er sich kund, derholde Knabe Frühling. Die Rodel- und Ski- und Bobsleighbahnberichteaus den Borbergen und auch schon im bayerischen Hochgebirge selbstlauten traurig für die Wintersportler, denn sie melden das Schwindendes Schnees. Föhnwind braust von Süden her und frißt gierigseinen weißen, weichen Feind weg. In Strömen rinnt er zu Talund beginnt das Bett des wilden KarwändelsiromeS Isar, deS Lechs,des Inns und der Donau mit grauen, gurgelnden, quirlend dahin-schießenden Massen zu füllen. Auf dem Nockherberg am hohenJsarufer fitzt im wärmenden Nachmittagsschein der Märzen-sonne der Münchener Spießbürger, knabbert die ersten Radieschenund schlürft in Strömen das schwere, schwarze, süße Salvatorbrer,die Perle oller FrühlingS-Starkbiere. Ist er nebenbei etwas poetischveranlagt, lauscht er vielleicht auf das Schlagen des Finken, der überihm im kahlen Geäst sitzt oder kaust seiner Huldin die massenhaftdargebotenen treuen Blauaugcn de» LenzeS, die duftenden Veilchen.Nur leider ist zu vermelden, daß nach der zweiten Maß schon dieschöne Frühlingsstimmung zum Teufel geht und rohere Regungen indem vom Alkohol umnebelten Himkasten sich geltend machen. ZumGlück dauert aber die Salvatorsaison nur acht Tage, dann ist Ruhebis zur Eröffnung des Maibockes in der kgl. bahr. Anstalt fürrationelle Volksverdummung, dem HofbräuhauS.In farbigen Leinwanden spiegelt sich der Frühling auch in denSälen der Sezession. Freilich von Werdetrieb und treibenderKeimkraft, geschweige denn von revolutionärem Märzengeist ist aufden brave» Bilder» unserer Jahr für Jahr zahmer werdendenSezessionisten wenig zu spüre». Sie malen wohl, wie es ihnender Geist eingibt, aber das ist ein schwacher Geist der Anpassung, der-leiten beim Kolonialctat, die seinerzeit zur Auflösung führten.(Sehr tvahr! links.) Der Wille, die Finanzreform tunlichst durchdie Blockparteien zu lösen, hat zu den Blockkonfercnzen und zuder Annahme des Kompromisses Gamp geführt. Kann der Blockdie Finanzreform nicht erledigen, so muß die Führung in derFinanzfrage auf das Zentrum übergeben, und das wäre ein Wende-Punkt in unserer inneren Politik. Man spricht von einer Finanz-reform, die mit wechselnden Mehrheiten gemacht würde. So hochich die Gutmütigkeit des Zentrums einschätze(Heiterkeit), das er-warte ich doch nicht von ihm, daß es allemal dann einspringenwird, wenn der Block nicht weiter kommt.(Lebhaftes Sehr wahr!im Zentrum.) Die Erledigung der Finanzreform mit wechselndenMehrheiten schließt die Gefahr in sich, daß im letzten Momentdas mühsam aufgebaute Werk zusammenbricht. Sollte der Schatz-sekretär wirklich seine Hoffnung auf wechselnde Mehrheiten beiden einzelnen Gesetzen aufbauen, so würde das eine sehr naiveEinschätzung der politischen Machtfaktoren sein.(Sehr richtig!bei den Liberalen.) Die„Augsburger Postzeitung" sagt heuteauch ausdrücklich, daß zum Abschluß einer Koalition zwei ge-hören. Ob man denn glaube, daß das Zentrum der Rechten ge-rührt in die Arme sinken werde, wenn die Konservativen den Blockkündigen. lHeiterkeit im Zentrum/) Wer das vermute, täuschesich gründlich.(Sehr richtig! im Zentrum.) Das Zentrum habenicht die geringste Lust, aus der gegenwärtigen Situation heraus-zutreten» es sei denn, daß ihm ernsthafte Garantien geboten würden.(Sehr richtig! im Zentrum, Hört! hört! beim Block.) Es ist ganzklar, daß wenn dos Zentrum Finanzreform macht, es in allenanderen Fragen der inneren Politik nicht mehr ausgeschaltet werdenkönnte. Gerade die Lösung der Verbindung mit dem Zentrumdurch den Reichskanzler hat aber einen grogen Teil der Nationmit Freude erfüllt. Wir wünschen nicht, daß nach so kurzer Zeitder Block zerstört wird. Geschieht es, so wird man im Boll dieSchuldigen z» finden wissen!(Sehr richtig! bei den liberalenGruppen.) Man staat, ob die Finanzreform als Blockaufgabenicht bereits geschertert ist. Die Frage ist akut gewordendurch die Stellungnahme der konservativen Partei und durch diebekannte Notiz in der„Konservativen Korrespondenz", in der sogarvon einer Vorherrschaft des Freisinns gesprochen wird.(Lachen b.d. Freis.) Ich stehe nicht an, die offene Erklärung der Konserva.tiven für einen Akt der Loyalität zu erklären. Sie mußte indiesem Moment erfolgen, weil am Freitag die Abstimmung überdie Liebesgaben in der Finanzlommisswn stattfand. Wir habenbei dieser Abstimmung eine neue Gruppierung kennen gelernt.Wäre die Erklärung nicht vorher erfolgt, so wäre die konservativeEraktion mit Recht in den Verdacht der Felonie am Block ge-mmen.(Lebhafte Zustimmung bei den Liberalen.)An die Erledigung des Blockes haben Phantasten kühne Hoff-nungen auf einen neuen Block aufgebaut.„von Bebel bis Bassermann",(Allseitige Heiterkeit.)Herr Bebel wird höchst erstaunt und belustigt gewesen sein,daß er nunmehr an Stelle der Konservativen 400 Millionen neueKonsumsteuern bewilligen soll.(Allseitige Heiterkeit.) Die Sozial-demokraten, die sogar Herrn Barth und Herrn v. Gerlach verlachen,kann ich mir nicht Arm in Arm mit uns Nationalliberalen undmit Mitgliedern der freisinnigen Parteien wie dem geschätzten Kol-legen Mugdan denken.(Erneute Heiterkeit links.) Wenn derBlock einmal vergeht, muß der Nationalliberalismus auf eigenenFüßen stehen, auf beiden Füßen, und er hat ja glücklicherweisezwei: ein rechtes und ein linkes.(Bravo! bei den Liberalen.) HerrNaumann möge an die Reichstagswahlen zurückdenken und an dieTatsache, daß bei diesen Wahlen ein gewaltiger Unwille des ge-samten deutschen Bürgertums gegen die Sozialdemokratie zutagegetreten ist, der in einer von uns unerwarteten Weise zu dergroßen Niederlage der Sozialdemokratie geführt hat. Also an einBündnis zwischen Liberalismus und Sozialdemokratie, das für unsnur todbringend sein würde, glaube ich nicht.(Lebhafte Zu-stimmung bei den Liberalen.)Die Grundsätze, die die„Norddeutsche Allgemeine" amLS. März über die Finanzreform veröffentlicht hat, worin es heißt,daß der Bedarf an neuen Einnahmen nicht bloß eine Besteuerungvon Genußmitteln der breiten Masse erfordert, sondern durch eineallgemeine Belastung des Besitzes mit aufgebracht werden mutz,Berechnung auf Verkaufschancen. Augenblicklich sind Interieurs sehrbeliebt, seitdem Meier-Gräfe Menzels„Zimmerecke mit Balkontüre"für die„Perle der Nationalgalerie" erklärt hat. So tun Nißl, EugenWolff. Joies Kühn, zum Teil auch Winternitz ein übriges undmalen fleißig Interieurs a la Menzel, versteht sich mit der obligatenBiedermeiereinrichtung. Sonst gibt es noch Fensterschilder von HansBühler(Nibelungen), wackere Landschaften von Albert Lammund Jsartalstudien von dem zur heimischen Scholle zurückgekehrtenP i e tz s ch, HochgebirgSszenen voll seltsam blitzenden Reflexlichternvon Karl Reiser. Porträistudien von Schwalbach, grünenackte Damen vorm„Toilettentisch" von Schnackenberg, geistvolle„Kleinigkeiten" von dem einst herben und kühnen Fritz Haß undeine Kollektion von dem Pariser Paul Cözenne, ein Evangeliumfür die Snobs. Innerlich vervollkommnet von den Säulen derSezession hat sich S ch r a m m- Z i t t a u. Er ist von den naturalistischen Federviecheru auf die dustige träumerische Stimmung derLandschaft der Moore gekommen, beherrscht auch die Formjetzt und versucht sich mit gutem Gelingen an der schwerenAufgabe Menschen zucharakterisieren.Anläßlich einer„Coriolan"- Ausführung hat die M ü n ch e n e rShakespeare-Bühne. die zur Vereinfachung der oft wechseln-den Shakespeareszene 1389 unter Persalls Leitung von Savits undLautenschläger konstruiert wurde, eine Verbesserung erfahren, die ihreWirksamkeit auch an anderen Theatern vielleicht ermöglicht. DieErrungenschaften des Münchener Künstlertheaters sind hierbei ver-wertet worden. Die Zweiteilung des Raumes zeigte im Vorder-gründe eine Abart dieser viel beschrienen„Reliefbllhne", auf der voreinem dunklen Vorhang sich alle die Szenen abspielen, die keinebestimmte Lokalisierung verlangen. Der Hintergrund, die Hinter-bühne blieb für die Szenen vorbehalten, die nach der Vorschrift deSDichters einen bestimmten dekorativen, malerischen Charakter ver-langen. Vieles wies hier noch auf die JllusionSbühne hin, in derHauptsache aber ist die von Maschinendirektor Klein entworfeneShakespeare- Reformbühne als ein wesentlicher Fortschritt über denlandläufigen Kulissen- und Soffittenzauber hinaus zu begrüßen.m.Der Respekt vor dem Staatsanwalt. AuS Rostock wird unsgeschrieben: Eine für daS Staatswohl sehr besorgte Stadttheater-deputatton führt hier ihr Szepter. Sollte da am letzten Sonntageine Volksvorstellung stattfinden mit dem etwas freimütigen StückSchülers:„Staatsanwalt Alexander". Die Deputation vereitelte sieindes und so konnte die Volksvorstellung nicht stattfinden. EinigeMale war da§ für daS mecklenburgische Volk so gefährliche Stückbereits aufgeführt worden, ohne absonderlichen Schaden anzurichten.Diesmal aber paßte die Deputation, der ein Senator, ein Kommerziell-rat, ein Rentier und ein Fabrikbesitzer angehören, auf undverhinderten das Unheil. Zum Ersah schlugen sie demDirektor vor,„Was ihr vollt" von Shakespeare aufzuführen.Da aber„Was ihr wollt" erst hätte einstudiert werden müssen, sowurde die billige Vorstellung für die minderbesitzende Klasse über-Haupt abgesagt. Die liberal verwaltete Stadt Rostock leistet40 000 M. Zuschuß an das Theater, offenbar, damit einige Respekts-Personen Experimente in Volksbeglückung eigener Art unternehmenkönnen. Was dabei herauskommt, sieht man: gar nichts.DaS neue Messsna. Die Freunde des alten Aicssina werdendie neue Stadt tvohl kaum wiedererkennen, wenn die Rekonstrukttons-Pläne de? italienischen Ingenieurs Eannizzari, hie jenseits dersind die des gesamten Liberalismus. Es wäre ersteulich, wen«der Herr Reichskanzler vier im Plenum diese Grundsätze bestätigte.(Sehr wahr! links.) Die feste Stellung der Regierung ist dieGarantie des Erfolges. Sie wird dem Gedanken der RegierungS-Vorlage zum Siege verhelfen,selbst wenn es nötig sein sollte, den Appell an da?Volk zu richten.(Bewegung.) Die Politik der konservativ-liberalen Paarung isteine Politik der Konzessionen, an der der Liberalismus festhaltenwill. Wir fragen nunmehr die konservative Partei, wie sie sichdazu stellt. Die Abstimmung über die Liebesgaben hateine tiefe Verstimmung in liberalen Kreisenhervorgerufen.(Sehr richtig! links.)Wenn die Steuerreform durch den Block gemacht werdensoll, must dieser Beschlust über die Liebesgabenrevidiert werden.(Sehr richtig! links; große Unruhe rechts.) Der Block bedeutetmanchen Verzicht am Parteiprogramm, bei den Konservativen wiebei den Liberalen.(Unruhe rechts.) Bis heute sind Konzessionenauf beiden Seiten in tveitem Umfange gemacht worden.(Sehrwahr! links; Unruhe rechts.) Wir bringen gern dieses Opfer,aber wir können nicht vertragen, daß bei der Finanzreform derliberale Gedanke ausgeschaltet wird. Ueber all diesen Kom-binationen und Konstellationen, die naturgemäß kein« ewigeDauer haben können, stehen„unsere großen Prinzipien"flautes Lachen bei den Sozialdemokraten), denen die Zukunft ge-bört.(Bravo! links.) Die Festigkeit und Klarheit der Politik de?Reichskanzlers(Fürst Bülow betritt den Saal) hat in den Balkan-fragen uns zu einem glänzenden Erfolge der deuffchen Staats-kunst geführt, der an die besten Zeiten der Bismarckschen Politikerinnert.(Bravo! links.) Möge der Reichskanzler in der Finanz-reform, die mit Festigkeit und sittlichem Ernste betrieben werdenmuß, den gleichen Erfolg haben, zum Heile der Nation!(LebhafterBeifall bei den liberalen Gruppen.)Abg. Bonderscheer(Eis.): Elsatz-Lothringen hat nicht dieStellung eines selbständigen Bundesstaates im Reiche. Die ver-kündeten Regierungen würden eine edle Tat tun, wenn sie denWünschen des elsässischen Volkes entsprechend ihm die staatlicheSelbständigkeit geben würden.(Bravo! im Zentrum.)Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Im vorigen Jahre hatder Reichskanzler erklärt, daß dieser Frage nähergetreten werdensoll. Das ist in der Zwischenzeit geschehen, aber eine Ueberein-stimmung innerhalb der Verbündeten Regierungen ist noch nichterreicht. Die verbündeten Regierungen sind aber entschlossen,diese Frage baldigst zum Ziele zu führen.Abg. Wiemer(frs. Vp.):Auch ich halte, wie Herr Bassermann, die Reichsfinanzreformfür eine Lebensfrage des Reiches. Die Regierung ist sich abernicht früh genug klar darüber gewesen, mit welcher Mehrheit siesie machen will.(Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) Wir habeneiner bedeutenden Erhöhung der Verbrauchssteuern zugestimmt;das war ein Ivettes Entgegenkommen unsererseits. Aber dieVoraussetzung dafür war eine kräftige Heranziehung des Besitzes.Ohne diese würden wir unsere Zustimmung zu den Verbrauchs-steuern nicht aufrecht erhalten.(Zustimmung bei den Frei-sinnigen.) Die Nachlatz- und Erbschaftssteuer steht erneut auf derTagesordnung, und ich freue mich, daß die Ratwnalliberalen auchbereit sind, für den Ausbau der Erbschaftssteuer einzutreten.Damit ist eine einheitliche Frontstellung aller Liberalen gegeben.(Lebhafter Beifall bei den Freisinnigen.) Die Freude hierüberwird auch nicht beeinträchtigt durch die Ausführungen des Abge-ordneten Basscrmann über Herrn Naumann. Auch ich teile nichtdie Anschauung Naumanns über die Notwendigkeit und Möglichkeiteines Blockes von Bassermann bis Bebel. Das ist aber belanglosgegenüber der Tatsache, daß wir alle, auch Naumann, einen Zu-sammenhalt aller Liberalen wünschen und in der Frage der Besitz-besteucrung auch haben.(Zustimmung bei den Freisinnigen.)Graf Mirbach hat die konservative Partei einen kocker cke bronre(ehernen Fels) gegen die Nachlaßsteuer genannt. Ich' gebe dieHoffnung nicht auf, daß die heutige Mehrheit der KonservativenAlpen lebhaftes Aufsehen erregen, angenommen werden. Nacheiner genauen Untersuchung der Ruinen und der Einsturzursachenhat Cannizzari den Plan enttvorfen, in der neuen Stadt nurniedrige, höchstens zweistückige Häuser zu errichten. Die neuenHäuser sollen villenartig gebaut werden, d. h. alle voneinander ge-trennt bleiben, und zwar soll der Zwischenraum von HauS zuHaus wenigstens so groß wie die doppelte Höhe des Bauwerkessein. Stach diesem Vorschlage würde jedes Haus seinen großen.umfangreichen eigenen Garten haben, in dem unter der sudlichenSonne Siziliens in kurzer Zeit schattenspendende Zitronen- undApfelsinenbäume erblühen würden. Messina aber würde vielleichtdas Vierfache der bisherigen Stadtfläche einnehmen und stunde»weit würden aus dem Grün der Gärten längs der Meeresküstedie Dächer aufleuchten.Humor und Satire.Atavismus.Der Urahn war ein Menschenfresser.Er lobte sich, was jung und zart.Er sprach:„Ein Jüngling schmeckt mir bessttAls einer mit ergrautem Bart."Wir aber sind seit lange Christen.Wir sagen:„Kindlein, liebet Euch I"Wir führen strenge Bürgerlisten,Und fehlt mal einer, merkt man'S gleich.Der Pfarrer spricht:„Du sollst nicht töten;Sonst kommst Du vor daS Schwurgericht."Kaum daß mit holdem SchamerrötenDer Mann den Floh knickt, der ihn sticht.Nur alle zehn bis zwanzig JahreGibt's einen Rückfall oornmo il kaut.Dann fahren wir uns in die HaareUnd massakrieren uns en groS.Der Urahn spukt auf unseren ZungenEr nennt sich diesmal Vater Staat.Das Blut von tausend braven Junge»Schlürft er wie Ochsenmaulsalat.DaS Christentum zerbrach in Scherben.Es brüllt daS Tier, von Wut entbrannt:„Wie schön und herrlich ist's, zu sterben,Zu sterben für das Vaterland!"(Edgar Steiger im„SimplicisstmuZ'.)Notizen.— OKleodorich, w i e hast du dich verändert! Dieväterlich wachende Polizei hat den Staat wieder einmal vor großendiplomatischen Verwickelungen bewahrt. In dem OperettenkönigKleodorich von Kongolien, der im Theater des Westens in der neuenOperette„Der Jockeyklub" tanzt, singt und den Hof macht,witterte sie einen Monarchen, der mehr in Paris als in seinerebenfalls französisch sprechenden Hauptstadt lebt. Zuerst ver-wandelte sie daher Kongolien in Mongolien, dann drang sie darauf,daß der Name Kleodorich seinen Anfangsbuchstaben wechsele, undzuletzt schnitt sie sogar dem Darsteller den langen weißen Vollbartab, den man aus so vielen Witzblättern kennt.