den Anschein erwecken, als ob nur die Arbeiter friedlich gesinnt find; das Bürgertum ist auch friedlich gesinnt.(Bravo ! bei den Freisinnigen.) Herr Scheideniann hat in unschöner Weise wieder auf die Novembertage hingewiesen. Diese Debatte sollten wir doch endlich schliefen, zumal da Misere auswärtige Politik in jüngster Zeit so großartige Erfolge aufzuweisen hat. Abg. Ä litis Edler z« Puttitz(I.): Die Angriffe auf den Adel im Heere, in der Verwaltung und in der Diplomatie find ver- altet; tüchtige Leute werden genommen, wo man sie findet.(Sehr richtig I links.) Staatssekretär v. Echoen erklärt nochmals, dafi bei der Anstellung im diplomatischen Dienst Standesvorurteile nicht maßgebend sind; nur auf Tüchtigkeit werde gesehen.(Bravo !) Abg. Stadthagen (Soz.): Eine der ersten Aufgaben des Auswärtigen Amts scheint mir zu sein, darauf zu sehen, daß die Verträge gehalten werden, welche das Deutsche Reich mit anderen Staaten geschlossen hat. Die Nationalliberalen haben fich sehr aufgeregt über das Unrecht, das einem deutschen Professor zugefügt sein soll. Gewiß ist auch ein solches Unrecht nicht zu billigen, was will es aber sagen gegen das Unrecht, das Tausenden von Arbeitern, entgegen den Staats» Verträgen und den Neichsgesetzen, zugefügt wird? Unsere Resolution verlangt, der ReichSkauzler soll«nf die Beseitigung der Ministemlaitweisuuge» hinwirken, die von ausländischen Arbeitern entgeltliche LegitimationSkarten verlangen und ihnen die Ausweisung androhe», falls sie nicht im Besitz solcher Karten find. Solche ministeriellen Anweisungen sind zuerst in Preußen ergangen, dann in den beiden Mecklenburg , in den beiden Lippe, in Oldenburg und einer Reihe anderer Staaten. Neuerdings sind diese ungesetz- lichen, gegen die Verfassung und die Verträge verstoßenden Anord» nungen in Preußen noch verschärft worden, indem sie aus alle ausländischen Arbeiter ausgedehnt find. Die diplomatisch» Fähigkeit der Herreu vom Auswärtigen Amt darf doch nicht so weit gehen. daß sie diese Verletzung von Staatsverträgen im Inland übersehen. Die Anordnung, welche Legitimationskarten von ausländischen Arbeitern fordert, ist ein klarer Bruch der Staatsverträge, und eine Reihe von Regierungen— Oesterreich-Ungarn, Italien , die Schweiz — haben Vorstellungen dagegen erhoben. Der Schweizer Vertreter erklärte den Schweizern, die sich an ihn wandten, daß die Forderung der Legitimationskarten „ein schroffer Bruch des Vertrages mit der Schweiz " seil Man geht sogar soweit, den ausländischen Arbeitern zu er- klären, sie dürsten nicht in industriellen Betrieben arbeiten, sondern nur in landwirtschaftlichen! Ist das Auswärtige Amt dazu da, die Augen absichtlich zu verschließen bei einem derartigen Bruch der Staatsverträge? In allen in Betracht kommenden Ver- trägen ist den Ausländern zugesichert, daß sie keine anderen Gebühren und Steuern zu zahlen haben, als die Deutschen . Wenn der preußische Minister nun für solche Legitimationskarten von den ausländischen Arbeitern 2 resp. o M. verlangt, so steht daS damit in schroffem Widerspruch, ganz abgesehen davon, daß eS geradezu ein wucherisches Verlangen ist, für einen wertlosen Wisch, der keineswegs Arbeit verbürgt, 2 resp. 5 M. zu bezahlen. Preußen hat kein Recht, die Verträge, die das Reich geschaffen hat, außer Kraft zu setzen, und das Auswärtige Amt hat die Pflicht, gegen diese Mißachtung der Staatsverträge Front zu machen. Der Reichskanzler muß darauf dringen, daß solche widerrechtlichen Anordnungen beseitigt werden. Diese widerrechtlichen Anordnungen wenden sehr erhebliche Vorteile gerade besonders reichen Leuten zu. Zunächst erhält die Feldarveiterzentrale für jede dieser Karten 5 bezw. 2 M. Sogar von Leuten, die seit 20, 30, 40 Jahren in Deutschland sind, werden jetzt diese Gebühren gefordert! Die Polizei sagt: Weil du kein Müssiggänger, kein Faulenzer, sondern weil du ein Arbeiter bist, verlangen wir von dir diese 2 M. Rechnen wir im Durchschnitt 500 000 Arbeiter, von denen jedem 5 M. bezahlt wird, so werden der Feldarbeiter- zentrale auf diese Weise zirka eine halbe Million Mark zugeschanzt.(Hört l hört! bei den Sozialdemokraten.) Dabei ver» mittelt sie die schlechtesten Arbeitskräfte, weil vernünftige Ar» beiter natürlich nicht mehr nach Deutschland kommen, wo sie so be- handelt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Ausweisung, die den Ausländern angedroht wird, ist ein strikter Bruch mit dem Reichsrecht. Die Ausweisung wird hier für den Fall angedroht, daß sich jemand eine Erpressung nicht gefallen lassen will! Dabei hat Preußen in den hier in Betracht kommenden Fällen überhaupt kein AusweisungSrecht! Die Handelsverträge stellen unsere Nachbarn den Meistbegünstigten gleich. In den Verträgen mit einer Reihe von Staaten ist aber das AufcnthaltSrecht ausdrücklich zu- gestanden, daS AusweisungSrecht an bestimmte hier nicht vorliegende Voraussetzungen geknüpft. DaS legte Redner cm der Hand der Staatsverträge des näheren dar. Ferner steht daS ReichSpaß- g e s e tz direkt dem Verlangen nach Legitimationsgebühren entgegen. Freilich hat Herr v. Bethmann- Hollweg gesagt, eS handle sich hier nicht um ReichSgebllhren und nicht um Paßgebühren, sondern um Gebühren für Arbeitsvermittelung I Das aber wieder widerspricht den Handelsverträgen, die ausdrücklich besagen, daß Ausländer keine anderen Gebühren zu zahlen haben als Inländer. Weiter widerspricht die Gebührenordnung auch dem Sinne der Reichsverfasjung. Denn wenn auch nicht nach ihrem Wortlaut, so soll doch nach ihrem G e i st e Gleichheit vor dem Gesetz bestehen, und damit ist eS nicht verträglich, daß sie verschieden gehandhabt wird, je nachdem es sich um einen Arbeiter oder um einen Unternehmer handelt. Vor vier Jahren habe ich dem Zentrum gegenüber den be- rühmten Rechtslehrer Jhering zitiert, der ausführt, welch ein Kultur- fortschritt in dem allgemeinen Aufenthaltsrecht auch der Ausländer liege. Dnsselbe hat auch während des Krieges mit Frankreich Kaiser Wilhelm I. erklärt: Als Deutsche aus Paris ausgewiesen wurden, erklärte er. es sei allgemeine Sitte, daß die Gastfreundschaft selbst im Kriege respektiert werde. Hier aber werden mitten im Frieden Arbeiter ausgewiesen. DaS widerspricht auch der ReichSgesetzszebung, denn die Fremden- Polizei ist lediglich R e i ch s s a ch e. Freilich sucht es der preußische Minister des Innern so darzustellen, als ob seine Verfügung nicht nur für Preußen, sondern für ganz Deutschland gelten solle, in- dem er sie in der Ueberschrift als eine„Verfügung für Deutsch- land" bezeichnete! Ungültig ist die Verordnung serner, weil sie die A n s w e i s u n g androht. Eine Möglichkeit der Ausweisung liegt bei gerichtlichem Urteile vor. Hier aber soll jemand ohne Be- gehung einer strafbaren Handlung lediglich von der Polizei aus- gewiesen werden dürfen! Der Polizeibeamte hat mehr Recht als der Richter, indem er völlig Unschuldige ausweisen kann.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Als seinerzeit das Reichspaßgesey beraten wurde, haben auch die National- liberalen ausdrücklich anerkannt, daß das Ausweisungsrecht Sache des Reiches, nicht der Einzelstaaten ist. Ein Teil der Staats- Verträge umgrenzt die Fülle, in denen eine Ausweisung möglich ist: Sie ist zugelassen wegen üblen Vorlebens des Ausländers, hier aber handelt eS sich nicht um solche Leute, sondern lediglich um Arbeiter, welche eine Legitimationskarte nicht bezahlen wollen oder die mit dem Arbeitgeber in Streit geraten find. In einem Falle hat man Arbeiter mit der Ausweisung bedroht, wenn sie bei einem polnischen Gutsbesitzer in Arbeit treten, sie aber hiergelassen für den Fall, daß sie beim Landrat in Arbeit treten!! Wenn eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsteht, so soll der Landrat die vorläufige Entscheidung treffen. Das ist ein Eingriff in die Rechtshoheit des Reiches, die em solches Borversahren des LandratS nicht kennt. Nach den Verttägen hat der Ausländer dasselbe Recht, die Gerichte anzurufen wie der Inländer. Zudem ist eS gar kein Vorverfahren, da der Landrat ja die Möglich- keit hat, den Arbeiter auszuweisen. Wie oft die Streitigkeiten durch Kontraktbruch der Unternehmer verursacht werden, ist ja bekannt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Da die Feld- arbeilerzentrale für jede» ausländischen Arbeiter 5 M. bekommt, so liegt für sie geradezu ein Anreiz vor, gewissenlose Agenten ins Aus» land zu senden, um ausländische Arbeiter herzulocke». Diese Gebühr bildet geradezu eine Prämie auf den Kontraktbruch, damit wieder neue ausländische Arbeiter statt der entlassenen herein- geholt werden.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Es ist Pflicht des Reichskanzlers, darauf hinzuarbeiten, daß diese klare Verletzung von Staatsverträgen endlich beseitigt wird. Die Wirkung wird sonst sein, daß im Auslande die deutschen Arbeiter, entgegen den Gesetzen, eben so schlecht behandelt werden. Die Absicht des ministeriellen Erlasses ist natürlich, in den ausländischen Arbeitern Streikbrecher für ländliche und industrielle Unternehmer zu schaffen, Arbeiter, die geduldig auf jeden Wink des Arbeitgebers hören müssen, weil sie sonst Gefahr laufen, ausgewiesen zu werden. In Preußen ist der Minister der öffentlichen Arbeiten ja sogar soweit gegangen, zu bestimmen, daß bei gewissen öffent- lichen Arbeiten, Kanalbauten»sw. in erster Linie ausländische Arbeiter beschäftigt werden müssen I(Hört! hört I bei den Sozial- demokraten.) Wie Sie heute im„Vorwärts" gelesen haben werden, sind sogar auf dem Gute eines der Herren Staatssekretäre— ich nehme an, ohne daß der Herr Staatssekretär dafür persönlich verantwort» lich gemacht werden kann— Arbeiter, die lange Jahre gedient haben, unter anderem eine Witwe, die 40 Jahre auf dem Gute beschäftigt war und sich nichts hat zuschulden kommen lassen, ent- lassen worden, damit 70 russische Arbeiter angestellt werden konnten, die die Feldarbeiterzentrale herangeschafft hatte.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Aus diesen Gründen bitte ich Sie dringend, ohne Unterschied der Partei für unsere Resolution zu stimmen. Sonst würde sich das Wort bewahrheiten, daß es nur zwei Nationen gibt: die Nation der Ausbeuter und die Nation der Arbeiter. Es würde fich zeigen, daß die Siaatsverträge nur im Interesse der Ausbeuter ge- schlössen werden. Möge der Herr Reichskanzler dafür sorgen, daß die unter klarer Verletzung von Staaisverträgen getroffene Ministerial- Verordnung aufgehoben wird.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozial» demokraten.) Ministerialdirektor Dr. v. FrantzinS bestreitet, daß ein Wider- sprnch zwischen der Verordnung und geschlossenen StaatSverträgen bestände. Beim Auswärtigen Amt seien keine Beschwerden von auS- wältigen Staaten eingegangen. Im einzelnen bleiben die Aus- sührungen des Redners auf der Tribüne unverständlich. Abg. Dr. Arning(natl.)(zuerst unverständlich) verbreitet sich unter anderem über die Schädigung deutscher Interessen durch die Staatsmonopole im Kongostaate. Abg. Graf Kanitz(k.) weist auf die bevorstehende Erhöhung zahlreicher Positionen des französischen Zolltarifs hin; das sei für die deutschen Interessen um so bedenklicher, als Frankreich laut dem Frankfurter Frieden das MeistbegünstigungSrecht in Deutschland genieße, wodurch Gegenmaßreaellr erschwert seien.— Amerika sei draus und dran, be, der Reform seines Zolltarifs das Handels- Provisorium mit Deutschland zwar nicht ausdrücklich, aber tatsächlich außer Kraft zu setzen. Staatssekretär v. Schorn erklärt, die deutsche Regierung habe von den belgischen Regierung die Zusicherung der Abstellung der Mißstünde im Konqostaat erhalten. Abg. Oertzen(Rp.) bestreitet, daß der preußische Erlaß über die ausländischen Arbeiter der Reichsverfassung und den Handels- Verträgen widerspreche. Die Gutsbesitzer würden sehr gern in» ländische statt ausländischer beschäftigen; leider finden sie keine deutschen Arbeiterl(Sehr richtig! rechts.) Zubeil habe bei der Debatte über die Koalitionsfreiheit behauptet, der General v. Podbielski habe ausländischen Arbeitern den verdienten Lohn nicht bezahlt; das sei aber nicht wahr, die Arbeiter waren kontrakt - brüchig, seien aber trotzdem bis auf die drei Rädelsführer wieder angenommen und auch voll bezahlt worden. Gewiß habe Zubeil, was er vorbrachte, in gutem Glauben gesagt, aber man müsse bei solchen Dingen doch vorsichtig sein. Im all- gemeinen werden die Arbeiter auf dem Lande gut behandelt und gut bezahlt. Deshalb soll man nicht, wie Stadthagen getan, von Ausbeutung der Landarbeiter reden; darin liege eme Ver- h e tz u n g. Vizepräsident Kaempf: Sie dürfen nicht sagen, ein Abgeordneter habe eine Hetzrede gehalten.(Große Unruhe und Zurufe.) Abg. Oertzen(Rp.): DaS habe ich auch nicht gesagt, sondern nur, daß man nicht von Ausbeutung sprechen solle, denn darin liegt eine Verhetzung, und daS werden Sie doch nicht bestreiten.(Große Heiterkeit.) Abg. Gothein(frs. Vg.); Die drohenden französischen Zoll- erhöhiingen, die Gras Kanitz beklagt, find eine Folge unserer ver- kehrten Wirtschaftspolitik, wie wir vorausgesagt haben. Wir haben eben in allen Ländern die im Niedergang begriffene Schutzzoll« bewegung wieder gefördert.(Widerspruch rechts.) Diese Tat- fache'lönnen Sie durch Ihren Widerspruch nicht aus der Welt schaffen. (Sehr richtig I bei den Freisinnigen.) Damit schließt die Diskussion. Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt. Die oben mitgeteilte Resolution des Zentrums wird zurückgezogen, die der Liberalen einstimmig aiigenoinmcn. Die Resolution Albrecht und Genossen(Soz.) wird unter Streichung der Worte„unter Verletzung der vom Reiche geschlossenen Staatsverträge', für welche nur die Sozialdemokraten stimmen, mit den Stimmen der Sozialdemokraten, Freisinnigen, des Zentrums und der Polen angenommen. Hierauf vertagt daS HauS die Weiterberatung auf 8 Uhr. Schluß 0 Uhr. "«• Abendsitzung. Am Bundes ratstisch: v. S ch o e n, Schulz, Breitenbach. Das Haus ist sehr schwach besetzt. Die zweite Lesung des Etats des Auswärtigen Amtes wird fortgesetzt. Beim Titel„Konsulat in Caracas ' rügt Abg. Dr. Görcke(natl.) den mangelnden Schutz der Deutschen in Venezuela . Der Titel wird bewilligt. Nach fast debatteloser Bewilligung von zirka 100 weiteren Titeln bespricht beim Titel„Konsulat in Saloniki' Abg. Lizentiat Everling die konfessionellen Verhältnisse der Deutschen in Saloniki und verwahrt sich gegen Eingriffe des Reichs- tagcs in die Kompetenz des evangelischen Oberkirchenrats.(Heiter- keit bei den Soz. und im Zentrum.) Abg. Liebermann v. Sonnenberg (wirtsch. Vg.) beklagt die sitt- liche Gefährdung der evangelischen Konfirmandinnen in Saloniki durch den„Simplicissimus"! Ein evangelischer Pfarrer darf nicht Mitglied in einem Klub sein, in welchem der„Simplicissimus" gehalten wird.(Bravo ! rechts.) Staatssekretär v. Echoen nimmt die Konsulatsbeamten in Saloniki gegen die Angriff« des Herrn Abg. v. Liebermann in Schutz. Mg. Liebermann v. Sonnenberg (Wirtsch. Vgg.) führt unter ständig steigender Unruhe auS> daß der Staatssekretär einseitig unterrichtet sei. Staatssekretär v. Schoen verliest ein ihm vom Konsulats» dragoman übersandtes Schreiben. Er überreicht dieses dann dem Abg. Liebermann v. Sonnenberg , der das Wort nimmt, ohne den Vizepräsidenten Kämpf gefragt zu haben!(Allgemeins Un- ruhe.) Unter allgemeinem Beifall verzichtet Staatssekretär v. Schoen auf eine nochmalige Erwiderung. Der Titel wird schließlich bewilligt. Nach unwesentlicher Debatte gelangt ein nationalliberaler An» trag zur Annahme, zur Entsendung von Sachverständigen inSAus- land für landwirtschaftliche Untersuchungen dieselbe Summ« zu bewilligen, wie die Regierungsvorlage vorgesehen hgtte> Gleichfalls angenommen wird ein freisinniger tCnftetff. der ekne von der Budgetkommission beschlossene Streichung zur Förde» rung deutscher Schul- und Unterrichtszwecke wieder aufhebt. Es folgt ein Ergänzungsetat, der Mittel zum Erwerb einiger Grundstücke für militärische Bauten in Köln , Berlin usw. fordert. Er wird dcbattelos in erster und zweiter Beratung ange» n o m m e n. Abg. Singer(Soz.) zur Geschäftsordnung): Ich beantrage, nicht mehr in die Beratung des Etats oer Eisenbahnen einzutreten, sondern uns zu vertagen. Der ver- fassungsmäßige Termin zur Fertigstellung des Etats kann doch nicht innegehalten werden, und für die nächsten Tage ist durch den Notparagraphen im Etatsgesetze gesorgt. Wenn man eine Ver- Handlung führen will, so darf es nicht nur eine Verhandlung dem Namen nach sein.(Lebhafte Zustimmung bei de» Soziawemo- traten.) Nach außen hin muß es einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn die Etatsberatung in einer Weise überhastet wird, von der auch jeder Nichtkenner des Etats sagen muß. daß eS nur geschieht, um mit dem Etat zu einem bestimmten Termin fertig zu werden. Der Etat muß uns eben so frühzeitig zugehen, daß alle, die das Wort dazu nehmen, es auch bekommen, ohne durch Un- geduld gestört zu werden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- traten.) Der Präsident läßt über den Antrag abstimmen, derselbe wird abgelehnt. Abg. Singer lSoz.) zur Geschäftsordnung: Vor der Abstimmung hätte die Unterstützungsfrage gestellt werden müssen. Wenn das geschehen wäre, so hätte ich vor der Abstimmung die Beschlußfähig- kcit des Hauses bezweifelt. Ich bedauere, daß mir nicht Gelegen- heit gegeben wurde, von diesem geschästsordnungsmäßigen Mittel Gebrauch zu machen. Ich werde das aber bei der ersten Abstim- mung, die erfolgen wird, tun. Präsident Graf Stolberg : Ich gebe zu. daß vorhin ein Ver- sehen passiert ist; eS fand gerade ein Wechsel im Präsidium stall Jetzt schlage ich vor, in der Verhandlung fortzufahren. Abg. Singer(Soz.): Nachdem der Präsident das Versehen fest- gestellt hat, hätte ich erwartet, daß die Abstimmung für u n g ü l t i g erklärt würde. Im übrigen möchte ich meinen Antrag auf Ver- tagung wiederholen. Präsident Graf Stvlberg: DaS ist nicht zulässig, Sie müssen mindestens noch einen Redner abwarten. Der Präsident erteilt das Wort dem Berichterstatter zum Etat der Reichseisenbahnen, Abg. Schwabach(natl.). Auf Zurufe von der Rechten will er zunächst verzichten, erstattet dann aber seinen Bericht. Inzwischen geht ein Vertagungsantrag der Mehr» heitsparteien ein, der unter großer Heiterkeit der Sozial- demokraten angenomnren wird. Nächste Sitzung: Donnerstag 10 Uhr.(Rest der Etatsberawng.) Schluß: 10% Uhr. _ Parlamentarisches. Die Bankgesetznovelle wurde am Mittwoch in der Reichstagskommission unverändert an« genommen. Die Abstimmung über zwei Resolutionen, die eine Be- aufsichtigung der Depositenbanken bezwecken, findet nach den Oster- ferien statt. Der Reichsbankpräsident erklärte, daß die auf Wunsch der Großbanken unterbrochene Beratung der Enquetckommissioo alsbald fortgesetzt werden soll._ Die Finanzko«Mission des Herrenhauses hat die Pfarrerbesoldungsgesetze und den Gesetzentwurf über die Abänderung des EinkommenneuergesetzeS und des Ergänzung-?- steuergesetzeS in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung angenommen. Zuni Gesetzentwurf über die evangelischen Geistliche» beantragt die Kommission: die Regierung zu ersuchen, daß sie bei der Verteilung der Mittel, die ihr aus dem Etat für Witwen von den vor dem 1. April 1895 verstorbenen Geistlichen zur Verfügung stehen, möglichst oen vollen Betrag, der den Witwen aus dem Reliktenfonds zu gewähren wäre, wenn das Gesetz zur Zeit des Ablebens der Pfarrer schon bestanden hätte, den Witwen zu» kommeir lasse._ » Hus der Partei. KantStyS Ursprung dcS Christentums abermals k-nfiSziert. Der Wiener Staatsanwalt hat die österreichische„Arbeiterinnen« Zeitung' konfisziert wegen einer Besprechung de« Buches von Karl K a u t S k y. Der Konfiskation verfallen ist folgende Stelle: „... Alles, was man brauchte, um das Volk an die gött- liche Sendung Jesu glauben zu machen, ist eben später erfunden und erdichtet worden. Jesus war ein Aufrührer, ein Unzufriedener, ein Empörer, wie sie zu allen Zeiten eiiistanden sind, wenn harter Druck das Volk belastet hat. So lesen wir bei Kautsky :„Von der Zeit, in die Jesu Tod verlegt wird, bis zur Zerstörung Jerusalems brachen dort die Unruhen nicht ab. Straßenkämpfe waren etwas ganz Gewöhnliches, ebenso wie die Hinrichtungen einzelner Insurgenten. Em solcher Stroßenkampf einer kleinen Gruppe von Prole- tarienr und die darauf folgende Kreuzigung ihres Rädelsführers, der aus dem stets rebellischen Galiläa stammte, mochte sehr wohl tiefen Eindruck ans die dabei beteiligten Ueberlebeuden machen, ohne daß die Geschichtsschreibung von einem so alltäglichen Vor- koininniS Notiz zu nehmen brauchte.' So ein Rädelsführer war Jesus . Als sich später die Zustände anders entwickelt hatten und Ruhe eingetreten war, änderte die christliche Gemeinde ihr Ideal- bild, den Rebellen Jesus, in eine andere Gestalt um. Alles Nebellische wurde entfernt und der rebellische Jesus wurde in einen leidenden verwandet...." Trotz der KonSfiskation ist der größte Teil der Auflage in die Hände der Leser und Leserinnen gelangt. Die sozialdemokratische Fraktion wird nicht versäumen, über die plötzlich ausgekrochene Konfiskationsmanie der österreichischen Staatsanwälte auch in diesew Falle zu interpellieren._ Zur Maifeier. Stuttgart , 31. März.(Privatdepeiche des.Vorwärts'.) Das GewerlschaftSkartell hat beschlossen, in Rücksicht aus die Krise und die ungünstige Position der Arbeiterschaft gegenüber den AuS» sperrungSgelüsten der Unternehmer für dies Jahr von einem Maifestzug abzusehen. Für die Feiernden finden vormittag? Versamnilmigen statt. Die Holzarbeiter haben die A r v e i t S r u h e am 1. Mai beschlossen, die Metallarbeiter haben sie abgelehnt. •.• In Frankfurt a. M- haben Partei und Gewerkschaften be- schlössen, auch in diesem Jahre die Arbeits ruhe am 1. Mai überall da durchzuführen, wo keine„ernsten Konflikte' zu befürchten sind. Vormiitagsversammlnngen werden nach Bedarf einberufen. Der Beschluß des Nürnberger Parteitags, daß die Genossen, die am 1. Mai feiern und keinen Lohnausfall erleiden, an die Partei- und Gewerkschaftökasse einen Tagesverdienst abgeben sollen, wird durch» geführt. Die eingehenden Beträge werden, soweit sie nicht für sofort verwandt werden müssen, als besonderer Fonds angelegt. *.' Eine gemeinsame Sitzung des WahlvereinSvorstandeS, deS Gewerkschaftskartells und der Vorstände der verschiedenen Gewcrk- schaften zu Rostock lehnte eine vom Kartellvorstand eingebrachte Resolution ab, die besagt, daß für die diesjährige Maifeier eine Propaganda für Arbeitsruhe nicht erfolgen könne. Anstatt deS bisher üblichen AnSmarscheS am Morgen soll eine Versammlung abgehalten
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