genommen? Läßt etwa Herr v. Einem die Leute dcZ ersten und zweiten Jahrgangs zu Hause? Diese Fragen mag der Kriegsminister sich selbst beantworten. Schwierig ist es ja incht. Und wenn er die Antwort gefunden hat, mag er mit seinen Verstandeskräften darüber nachdenken, ob der Gedanke, die Präsenzzeit der Kavallerie auf zwei Jahre zu reduzieren, wirklich so blödsinnig ist, wie er ihn hinzustellen versuchte._ IMchstagsichluß. • Der deutsche Reichstag ist heute vertagt worden, und mehr ttlS je kann man von dieser Session sagen, eZ war: Viel Lärm um Nichts. Tas Plenum erledigte neben einigen noch un- bedeutenderen Dingen das Weingesetz, das Automobilhaftpflicht- gesetz und als einzige für die Arbeiterklasse in Betracht kommende Reform das Zehnstundcngesetz für die Arbeiterinnen. Im übrigen nahmen die Kommissionsverhandlungen mehr das politische Jnter- esse in Anspruch als das Plenum. Zieht man die Bilanz der Tagung, so kann man nur sagen, daß das Spektakelstück des Blockkrachs, mit dem die Session abschloß, zugleich den Beweis lieferte, daß auch jene anderen Debatten vom November des vorigen Jahres ein leeres Spektakelstück gewesen sind, das ohne alle politischen Folgen bleiben wird. Als die Session begann, mag es noch Optimisten gegeben haben, die erwarteten, daß der deutsche Reichstag fähig sein werde, aus der schweren Niederlage de? persönlichen Regiments und aus der Erschütterung des bureau- kratischen Absolutismus einigen Nutzen für die Mehrung seiner Mticht zu ziehen. Aber diese Erwartungen sind völlig getäuscht wor den. Die Geschäftsordnungskommission, die beauftragt war, ein wirksames Jnterpellationsrecht auszuarbeiten und ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz vorzubereiten, hat die zweite' Aufgabe nicht einmal begonnen und bei der ersten eine Unfähigkeit bewiesen, so lächerlich� und schmählich, wie sie nur die Bereinigung konservativer Tücke und' liberaler Dummheit mit klerikaler Perfidie erzeugen konnte. Wenn die Natur das Leere haßt, so.ist die Erzeugung von Leere die Konsequenz der politischen Unnatur, Jne in der Kommission jedes positive Resultat vereitelte und nach t.aochenlangem Geschwätz zu dem glorreichen Resultat des Vakuums' führte, zu dem Geständnis: wir können nichts fertig bringen. Es»war— wie immer seit der Blockära— der vollständige Sieg der Konservativen, dieser Feinde des Reichstags, die von Anfang cm der Machterweiterung des Reichstags ihr Veto entgegengesetzt hatten. Es war die lächerlichste Selbstverhöhnung der Liberalen, die tn der Person der Herren Junck und Müller- Meiningen dann auch noch daö Tipfelchen auf das i setzten und bei dem Fürsten Bülow vorsprachen, um zu erfahren, ob nicht der Träger des bureaukratiscben Absolutismus am Ende doch noch aus purem Mitleid einigen kleinen Reförmchen der Geschäftsordnung seinen Segen geben wollte. Natürlich vervollständigte dieser Vitt- gang nur die liberale Blamage. Unter demselben Zeichen der Diktatur der Konservativen stand auch die übrige Politik. In der Finanzreform hatten die Liberalen von vornherein ihr Programm preisgegeben und ihre Zustimmung dazu erteilt, daß% der halben Milliarde neuer Steuern wieder auf die Schultern der Armen abgewälzt werde. Die Forderung, die aus ihren eigenen Reihen erhoben lourde, daß kein Pfennig neuer Steuern bewilligt werden dürfe. bevor nicht die konstitutionellen �Garantien im Reiche und die Wahlreform in Preußen gesichert sei. hatten die Wiemer und Kopsch als„Erpresserpolitik" erschreckt abgewehrt. um sich nicht die gefürchirte Ungnade der Konservativen zuzu- ziehen. Erst diese glorreiche Taktik der Liberalen ermöglichte den Konservativen, ihren Kampf gegen die lächerliche Lappalie zu kon- zentrieren, die durch die Besteuerung der großen Erbschaften auf- gebracht werden soll. Erst der Verrat des Freisinns an seinem eigenen Steuerprogramm hat den Kampf der Agrarier gegen die Nachlahsteuer und die Erhaltung der Liebesgabe ermög- licht. In der Finanzkommisfion wurde die Nachlahsteuer zu Fall gebracht und an ihre Stelle jenes berüchtigte Besitzkompromiß gesetzt, das dann an dem Widerstand der Einzelregierungen scheiterte. Es war nur dieser Widerstand, der Bülow zwang, an der Erbschaftssteuer festzuhalten, und erst auf das Kommando VülowS hin wurden die Liberalen wieder mutig und benutzten die Annahme der Liebesgabe durch eine konservativ-klerikale Majori- tat. um die Blockkomödie zu inszenieren. Tagelang beschimpften sich die Blockbrüder auf das schlimmste, indem sie einander die Wahrheit sagten, bis dann der Machtspruch BülowS Ruhe gebot. Während der Osterferien wird dann daS Kompromiß fertiggemacht werden: die Nachlaßsteuer wird beseitigt und eine Erbschaftssteuer an ihre Stelle treten, die so völlig die agrarischen Forderungen befriedigen wird, daß der größte Teil der Konservativen ruhig für sie wirb stimmen können. Der Blockreichstag wird dann seine Funktion, die Kosten für die Politik der Volksfeind- schaft aus den Taschen der arbeitenden Massen herauszuholen, rasch und gründlich erfüllen. Hat so die Blockmajorität in der vergangenen Session die Aussichten für eine Verfassungsreform auf ein Minimum reduziert, die Aussichten für das Gelingen des Raubzuges der halben Milliarde außerordentlich verbessert, so hak sie in der auS- wärtigen Politik die gefährliche und verderbliche Richtung, die die deutsche Regierung mit ihrem Widerstande gegen jede Ver- einbaruny mit England verfolgt, vorbehaltlos gebilligt. Die Block- Majorität ist geboren aus der Entfesselung aller nationalistischen Instinkte des deutschen Spießbürgers, und so lebt sie auch nur da» durch, daß sie diesen Instinkten immer aufS neue schmeichelt. Der friedliche Abschluß der Balkankrise hat diese Politik ja vor den, schlimmsten Folgen für den Moment betvahrt, aber die Erregung gegen Deutschland , die in Rußland , Frankreich und ganz besonder? in England gerade jetzt aufS neue losgebrochen ist, beweist, daß diese Politik, weit entfernt eine Bürgschaft des Friedens zu sein, eine ständige Gefahr für das deutsche Volk bedeutet. Kelchzvefticherungioi'llnulig. Gestern ist dem Bundesrat der Entwurf einer Reichsversich«- rungsordnung zugegangen. Auch uns ist der Entwurf gestern abend übermittelt. Er enthält 1793 Paragraphen, die in 6 Bücher geteilt sind. Bei dem großen Umfang des Gesetzentwurfs ist es unS in der kurzen uns zu geböte stehenden Zeit nur möglich, auf einzelne Bc» stimmungen einzugehen./ Der Entwurf nimmt von dem Plane einer Verschmelzung der gesanfte» Arbeiterversicherungsgesetzgebung Abstand. Er sucht nur eine Annäherung der verschiedenen Versicherungszweige durch Gleichartigkeit deS JnstanzenzugeS herbeizuführen. Als unterste Instanz � soll das Vers icherungsamt gelten. Dieser lokale Unterbau soll für die Krankenversicherung die Aufsichtsinstanz, für die Unfall-, die Invaliden- und die Hinterbliebenenversicherung den gemeinsamen Unterbau abgeben. Ms obere Instanz(auch an Stelle der bisherigen Schiedsgerichte) soll ein OberversicherungS- a m t, als höchste Instanz das Neichsversicherungsamt sbeziehentlich daS LandeSversicheru ngSamt) fungieren. Dem Ver- ficherungsamt und dem Oberversicherungsamt soll ein beamteter Vorsitzender vorstehen: diese beiden Instanzen sollen entweder vor- handenen Behörden angegliedert oder als besondere Behörden er- richtet werden. Beiden Instanzen sollen paritätisch Arbeitgeber und Versicherte angehören. Tie Wählbarkeit der Frauen, die bisher nur für die Versicherungsträger der Krankenversicherung zugelassen ist, ist end- lich infolge des starken Vordringens d-r weiblichen Erwerbstätig- keit und mit Rücksicht auf die Hinterbliebenenversicherung auf alle Versicherungsträger erweitert worden. Die Einzelheiten über die Organisation enthält das 196 Para- graphen umfassende erste Buch, das zweite regelt die Kranken- Versicherung. Der Unfall Versicherung ist das dritte Buch gewidmet. DaS vierte Buch befaßt sich mit der Jnvalidenver- s i ch e r u n g und der neu einzuführenden Hinterbliebenen- Versicherung. Das fünfte Buch regelt die Beziehungen der Versicherungsträger zu einander und zu anderen Verpflichteten, das sechste Buch das Verfahren. Die Krankcnversichcruug (Z 197 bis 631) bringt zunächst eine Ausdehnung des Kreises der versicherten Personen. Die rcichsgesctzliche Krankenversicherung wird- auf die in land- und forstwirtschaftlichen Be- trieben beschäftigten Personen, sowie auf die Dienst- boten, ferner auf Personen, die als Bühnen- oder Or-- che st ermitglieder beschäftigt werden(jedoch nur, wenn ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 2909 M. nicht übersteigt) und auf Hausgewerbetreibende ausgedehnt. Die Wöchnerinnen Unterstützung wird auf die Dauer von im ganzen acht Wochen, von denen mindestens sechs Wochen auf die Zeit nach der Niederkunft fallen, gewährt. Der Zersplitterung der Krankentassenorga- n i s a t i o n e n wird leider nicht durch den Ausbau einer Einheits- Krankenkasse entgegengetreten. Es werden nur schwache Ansätze zu einer Beseitigung der verschiedenen Arten der Krankenversicherung gemacht. Die Gemeindekrankenversicherung soll nun endlich völlig und ausnahmslos beseitigt werden, so daß die Kranken- Versicherung sich für die Folge durchweg in organisierten Kassen vollziehen würde. Die Baukrankenkasse n werden den Ae- triebskrankenkassen eingereiht. Betriebskrankcnkassen sollen in der Regel nicht mehr bei einer Zahl von 59, sondern bei einer solchen von 59 9, in Ausnahmefällen von 259 Arbeitern zu- gelassen werden. Die Jnnungskrankenkassen und die Knappschastskassen sollen trotz der lebhaften Gründe, die gegen das Weiterbestehen dieser Organisation sprechen, unver- ändert bestehen bleiben: die Knappschaftskassen als landesrechtliche Kassen. Neu geschaffen werden Landkrankenkassen. � Deren Mitglieder sollen werden: Die in der Landwirtschaft beschäftigten Personen, die Dienstboten, die im Wandergewerbe beschäftigten Per- sonen und die Hausgewerbetreibenden sowie die in ihren Betrieben beschäftigten Personen. Die Zentralisierung von Orts- krankenkassen wird etwas erleichtert. Aufs schärfste wird in die innere Verwaltung der Ortskrankenkassen eingegriffen. Während die Betriebs- krankenkassen, die Jnnungskrankenkassen und die Knappschafts- krankenkassen mit allen ihren Mängeln bestehen bleiben sollen, wird eine ganz erhebliche Beschränkung der Selbst- Verwaltung der Ortskrankenkassen geplant. Es soll künftighin der Beitrag der Arbeitgeber und der Versicherten der gleiche sein, aber auch im Vor st and Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl zusammenwirken. Der Vorsitzende der Ortskrankenkassen soll durch überein- stimmende Wahl beider Teile gewählt werden. Wenn und auf solange als sich die Gruppen der Arbeitgeber und der Arbeiter über die Person des Vorsitzenden nicht einigen, soll der Vorsitzende durch den Kommunalverband bestellt werden können. Die Ver- hältniswahl soll für alle Angelegenheiten der Krankenkassen obli- gatorisch eingeführt werden. Für die Beziehungen der Ortskrankenkassen zu ihren Beamten und Angestellten sowie deren Rechts- Verhältnisse ist der Erlaß von Dienstordnungen vorgeschrieben, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Die Genehmigung soll nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes versagt werden. Für die Angestellten der Betriebs- und Jnnungskrankenkassen ist eine gleiche Vorschrift nicht vorgesehen. Für die Beziehungen zwischen Aerzten, Apothekern und Kissen sind zwei besonders paritätisch zusammengesetzte Schiedsinstanzen vorgesehen. Ein bestimmtes Arztsystem schlägt der Entwurf nicht vor. Er sieht auch von der Einführung einer Pflicht der Aerzte zur Gewährung ärztlicher Hilfe ab. Für den Fall, daß die Aerzte entgegen dem Spruch der Schiedskammer die Behandlung der Kassenmitglieder nickt aufnehmen sollten, wird der.Kasse, der ja die Pflicht zur Beschaffung ärztlicher Hilfe im Gesetz auferlegt ist, nur der Ausweg gegeben, daß sie ihren Mitgliedern statt der Gewährung ärztlicher Hilfe einen angemessenen Barbetrag zur Selbstbeschaffung der erforderlichen Behandlung zahlen kann. Aus dem die Unfallversicherung umfassenden dritten Buch(632— 1283) sei folgendes hervorgehoben: Die Versicherungspflicht von Handelsbetrieben ist durch folgende Ziffer 19 des§ 632 neu geregelt: Betriebe, die der Behandlung und Handhabung der Waren oder der Beförde- rung von Personen oder Güter dienen, unterliegen der Versiche- rungspflicht, falls sie mit einem kaufmännischen Unternehmen verbunden sind, das über den Umfang deö Kleinbetriebes hinaus- geht, sowie unter gleicher Voraussetzung Holzfällungsbetriebe. Hierdurch sind nicht nur die eigentlichen LagecungSarbeitcn wie bisher, sondern auch ähnliche Arbeiten in kaufmännischen Unter- nehmen der Versicherung unterstellt und auch eine Ausdehnung der Unfallversicherung auf Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften gegeben. Eine beachtenswerte Ausdehnung der Versicherungspflicht enthält der Entwurf auch nach der Richtung, daß das Halten von Reittieren und von solchen Fahrzeugen, die durch elementare oder tierische Kraft bewegt werden, der Unfallversicherung unterstellt ist. Dadurch fällt das Fahr- und Stallpersonal künftig unter die Bestimmungen deS Unfallgesetzes. Eine auffallende Ver- schlechterung enthält die neue Vorschrift, daß Renten bis 29 Proz. zeitlich beschränkt werden können. Den Berufsgenossen- schasten ist in ihrem unberechtigten Kampf gegen den heutigen ß 84 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes durch Bestimmungen in§ 815 und folgenden über die Bildung eines Reservefonds weit entgegengekommen und ein erheblicher finanzieller Borteil ge- währt. Die schmalen Renten sind weder bei der Unfall- noch bei der Invalidenrente erhöht. Aus dem Abschnitt über Invalidenversicherung sei erwähnt, daß der Entwurf eine freiwillige Zusatzversicherung zuläßt. Von der Herabsetzung der MterSgrenze von 79 Jahren für den Bezug der Altersrente ist Abstand genommen. Die Hinterbliebenenversicherung soll bekanntlich nach dem Zolltarifgesek zum 1. Januar 1919 in Kraft treten. Wie von sozialdemokratischer Seite, entgegen den Behauptungen aus Zentrumskreisen, seinerzeit vorausgesagt wurde, reichen die Einbehaltungen aus den Getreide- und Viebzöllen bei weitem nicht für eine noch so schmale Rente auS. Tic Hinter- bliebrnenvcrsicherung soll deshalb im wesentlichen auf Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber gestellt werden. Die Hinterbliebenenfürsorgc soll für die eintreten, die auf Grund der VersicherungSpflicht, der Selbstversicherung oder der Weiter- Versicherung der JnvalidenbersicherungSpflicht unterstellt sind. Die Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten sollen gegenüber den bisherigen Beitragsmarken um durchschnittlich ein Viertel erhöht werden. Sind bislang in Lohnklasie I— V 14, 20, 24, 30 und 86 Pfennige zu kleben, so'oll künstig auf 29, 24. 39, 38 und 46 Pfennige der Beitrag erhöht werden. Die Rente der Invaliden- witwe soll drei Zehntel, die Waisenrente bei Vorhandensein einer Waise drei Zwanzigstel der Invalidenrente des verstorbenen Mannes betragen. Hierzu tritt der Reichszuschuß mit je 59 M. zu jeder Witwen- und je 25 M. zu jeder Waisenrente. Wenn ein Arbeiter aus Lohntlajse IV volle 39 Jahre lang bei cineni Einkommen von 1999 M. wöchentlich 38 Pf. zahlt, so würde seine invalide Witwe ganze— 122,40 M., sein Kind 61,29 M., beide zusammen 1 8 3, 6 V M. jährlich an Rente oder 59 Pfennig täglich erhalten! Auf die Einzelheiten des umfangreichen Entwurfs, der in Hey- manns Verlag, Mauerstr. 44, erhältlich ist, wird Noch näher einzugehen sein._ politifcbc Qcberftcbt Berlin, den 2, April 1909. Vertagung für die Osterferien. A u S d e Nl N e i ch s t a g.(2. April.)??ur kurze Zeit noch verwandte der Ncichstag heute auf die Abwickelung der rcstierenden Budgetgeschäfte, aber doch waren dazu zwei Sitzungen nötig. Der Militäretat und der Marinectat wurden ohne wesentliche Debatte erledigt. Nur beim Kolonialamt gab es ein-- Debatte über S a m o a. Der Abg. Erzbcrger hatte Informationen erhalten, daß die Verhältnisse in Samoa weit beunnihigender seien, als amtlich bisher zugegeben wurde. Er fragte an, ob sich dort etwa ein Aufstand vorbereite'. Der Staatssekretär Dernburg gab Auskunft, daß es sich nicht um einen Aufstand gegen die Negierung oder die Weißen handele, sondern um Zivistigkeiten zwischen den Eingeborenen- stämmen selbst. Trotz dieser Auskunft versuchten die Abgeordneten Arendt(freikons.) und Arning(natlib sich in Scharfmachereien gegen die Eingeborenen. Würde es nach diesen Leuten gehen, so würde uns zweifellos auch in Samoa ein Gut und Blut vertilgender Eingeborenenkrieg be- schert werden. Nach Erledigung der Einzeletats wurde in der Schluß- absttmmung das Gesamtbudget gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Bei der Abstimmung über die Resolutionen wurde dann der Abbruch der Sitzung wegen Beschlußunfähigkeit erforderlich. Es handelte sich um die Resolution des Zentrums, in der eine Aenderung des Preßgesetzes verlangt wird, um die Verknüpfung eines Zeitungsabonnements mit einer Versicherung zu verbieten. Beim Hammelsprung stellte sich die Beschlußunfähigkcit heraus. Der Präsident beraumte nunmehr eine zweite Sitzung eine halbe Stunde später an. In dieser MIttagSsitzung wurde die fragliche Resolutton mit großer Mehrheit(Zentrum, Konservative, Sozialdemo- kraten und ein Liberaler) angenommen. Dann wurden noch die anderen Resolutionen und Peti- tionen erledigt. Um 1 Uhr war Schluß. Landtagsferien. In Gegenwart von zuletzt noch neun Abgeordneten wurde am Freitag die erste Lesung der Sekundärbahnvorlage beendet und der Entwurf einer Kommission überwiesen. Sogar der Präsident v. Kröcher und der erste Vizepräsident Dr. Porsch hielten es nichi aus: sie überließen die Leitung dieser großen Sitzung dem zweiten Vizepräsidenten Dr. Krause, der sich denn auch geduldig in sein Schicksal fügte und— ein bedauernswertes Opfer seines BertiseS— stundenlang auf dem Präsidciftcnstuhl saß. Nach den anstrengenden Sitzungen der letzten Wochen haben die Vertreter deS preußischen Volkes fast drei Wochen Zeit zur Er- holung. Dann allerdings heißt es, mit Volldampf arbeiten, damit der Etat endlich fertig wird. Abgesehen von kleineren Etats muß noch der KulwSetat in zweiter Lesung beraten werden. Berück- sichtigt man, daß auch die dritte Lesung noch einige Zeit in An- spruch nimmt und daß dann erst noch daS Herrenhaus die Bc- schlüsse der ztoeiten Kammer sanktionieren muß, dann wird man einsehen, daß die definitive Verabschiedung deS Etats erst kurz vor Pfingsten erfolgen kann. Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung nach Ostern, am 21. April, steht die Beratung der Denkschrift über das Ansiedelungs- gesetz._ Die geplante industrielle Liebesgabe. In der gestrigen Numnier des„Vorwärts" berichteten wir über eine geplante„Liebesgabe an die In- dustrie". Einige liberale Blätter halten unsere Meldung für unrichtig und meinen, der Gewährsmann des„Vorwärts" müsse sich verhört haben. Sie mögen sich beruhigen, denn wir haben selbst die amtlichen Belege dafür eingesehen. Leider hat sich nur beim Druck ein dummer Fehler eingeschlichen: Der in eine Reichsschuld umgewandelte Betrag von 165 Millionen Mark soll natürlich nicht mit o'/z. sondern nur mit 3'/s Prozent verzinst werden. Schwankende„Grundsätze". Tie Deutsche ReichSpartei vollzieht in ihrer Stellung zur Nachlaßsteuerfragc eine niedliche Schwenkung— inahrscheinlich unter dem Druck der osteldischen Junker und ihrer Jntcrcssenorganisation, des Bundes der Landwirte. In der ReichStagSsitzung vom 80. März hat der Fürst Hatzfeldt die grundsätzliche Ziistimmung der Mehr- heit seiner Partei zur Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf direkte Nachkommen und kinderlose Ehegatten erklärt. Jetzt schränkt die parteioffiziöse„Freikonserv. Korr." diese Erklärung durch einen eigenartigen Kommentar wesentlich ein. „Fürst Hatzfeldt," schreibt sie,„hat mit Recht Garantien verlangt dafür, daß die Steuersätze in Zukunft nickst ins Un- gemessene gesteigert werden. Es ist dies eine Forderung, die im Interesse des Grundbesitzes gestellt werden muß. weil für diesen ohnehin die Steuer eine höhere Belastung darstellt als für das mobile Kapital. Für den Grundbesitz werden sichere Garantien geschaffen werden müssen. Hier ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, daß die der preußischen Ergänzungssteuer nicht unterworfenen Objekte außer Ansatz bleiben. Bor allem aber ist der Grundbesitz nach dem durchschnittlichen Ertragswcrt einzuschätzen, zugleich dabei aber die Anerkennung einer durch die öffentlichen Kreditinstitute— in Preußen die Landschaften— aufgestellten Taxe zur Bedingung zu niachen. ES wird ferner ein angemessenes Arbeitseinkommen des Wirtschafters, namenl- lich bei kleineren Betrieben, vor der Kapitalisierung des Rein- ertrageS von diesem in Abzug gebracht werden müssen." Dem Druck der Großagrarier haben also die ohnehin recht schlecht fundamentierten„Grundsätze" der Rcichsparteiler Vicht standgehalten.—_ Eine merkwürdige Wahl. Unser Kölner Parteiorgan, die»Rheinische Zeitung ", schreibt: Im ReichStagSwahlkreise Adenau-Kochem-Zell erhielten bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1997 das Zentrum 17 168. die Deutsche Vereinigung 3913, die Sozialdemokratie 59 Stimmen. Bei der Ersatzwahl am Dienstag dieser Woche wurde zwar der offizielle Zentrums- kandidat, Weingutsbesitzer Panlq, glatt gewählt, jedoch nur mit 13 493 Stimmen, so daß die ZeiitrumSftimnieu um säst 4999 hinter denen von 1 997 zurückblieben. Ein»wilder" Zentruniskandidat, Oberlehrer Mähser,
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