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Nr. 79. 26. Jahrgang.

Soziales.

2. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sadrend, 3. April 1909.

Prüfung von Automobilführern.

Um den schlimmsten Mißständen bei der Prüfung der Führer bon Kraftfahrzeugen noch vor dem Inkrafttreten des jüngst ver­abschiedeten Automobilgesezes entgegenzutreten, hat der Minister für öffentliche Arbeiten und der Minister des Innern folgende, icht veröffentlichte Borschriften für die Prüfung der Führer von Kraftfahrzeugen

erlassen:

Die Prüfung zerfällt in eine mündliche und eine prate tische. 1. Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf a) die allgemeine Kenntnis der Hauptteile des vorgeführten Fahrzeugs, genaue Kenntnis der für die Beurteilung seiner Ver­fehrssicherheit in Betracht kommenden Teile( Lenkvorrichtung, Bremsen, Geschwindigkeitswechsel, Rücklauf und Radbereifung); b) das Verhalten in besonderen Fällen( z. B. bei Schleudern des Wagens, bei Feuersgefahr am Fahrzeug, Wassermangel bei Dampferzeugern);

c) die Beurteilung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs vor Antritt der Fahrt;

d) die Kenntnis der für den Führer eines Kraftfahrzeugs maßgebenden gesetzlichen und polizeilichen Vorschriften. 2. Die praktische Prüfung umfaßt a) die Kontrolle der Bremsen und Lenkvorrichtungen, In gangseken des Motors nach vorheriger Prüfung der Zündvor­richtungen und einfache Fahrübungen auf furzer Strede( z. B. Einhaltung einer gegebenen Fahrtrichtung, Ausweichen vor mar= fierten Hindernissen, schnelles Halten mit Benutzung der ver­schiedenen Bremsen, Rückwärtsfahren, Wenden mit und ohne Benutzung der Rückwärtsfahrt);

Straffreier Falscheid.

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Uebermüdete Eisenbahnbeamte.

peln, daß man Unmögliches ihnen zumutet, statt die wahrhaft

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Getötet?

In einem Prozeß, den ein Einseher gegen die Firma Grün Schuldigen in den höheren Beamten zu suchen. Auch dieser Fall u. Hettwig führte, hatte der bei dieser Firma angestellte Einsetz- zeigt, wie notwendig die Erfüllung der von der Sozialdemokratie meister Max Riedel beschworen, daß der Kläger   nicht 14, sondern so oft erhobenen Forderung ist, eine Maximalarbeitszeit und nur 8 Türbekleidungen angebracht habe. Vier Wochen nach dem Mindestruhepausen im Interesse der Sicherheit des Verkehrs ges Termin, in dem Riedel diese Aussage beschworen hatte, teilte er feglich festzulegen. in einer Eingabe dem Gericht mit, daß er sich in seiner Aussage seirrt habe. Richtig sei, daß der Kläger 11 Türbekleidungen an­gebracht habe. Da sowohl diese Angabe als auch die eidlich ab­Einen eigenartigen und völlig unerwarteten Ausgang nahm gegebene tatsächlich falsch sind- denn es handelt sich in Wirklich eine Verhandlung, die das Schwurgericht des Landgerichts III keit um 14 Türbekleidungen wurde Riedel wegen fahrlässigen beschäftigte. Unter der Anklage der Körperverlegung mit tödlichem Falscheides angeklagt. Vor der dritten Strafkammer, die gestern Ausgange stand der 21jährige Stallschweizer Gustav Schmidt vor über diesen Fall verhandelte, vertrat der Verteidiger des An- den Geschworenen. Der Angeklagte wurde beschuldigt, in der Eifer­geklagten den Standpunkt: Nach der Rechtsprechung des Reichs- sucht seine Geliebte am Halse gewürgt zu haben, so daß diese gerichts könne der Angeklagte nicht bestraft werden, denn er habe durch Ersticung den Tod fand. Der bisher unbescholtene An­feine eidliche Aussage widerrufen, ehe durch dieselbe ein Nachteil geklagte lernte in seinem Dienst bei dem Acerbürger de Martin­eingetreten sei. Die Freisprechung müsse selbst dann erfolgen, court in Bernau   die damals erst 17jährige Dienstmagd Martha wenn die in dem Widerruf enthaltenen, nicht beeideten Angaben Dierbach   kennen. Es kam zwischen beiden zu einem intimen Liebes­über die Zahl der Bekleidungen wissentlich falsch abgegeben sein verhältnis, welches zur Ehe führen sollte. Am 31. Januar d. J. follten. Maßgebend sei, daß der Angeklagte seine eidliche Aussage suchte Schmidt in Begleitung der Dierbach   deren in Dallgow  wohnhaften Vater auf, um von diesem die Einwilligung zur Heirat vor Eintritt eines Nachteils widerrufen habe. Das Gericht erkannte, ohne erst Beweis über den Tatbestand zu erlangen. Er wurde jedoch mit Rücksicht auf die Jugend der D. zurückgewiesen. Auf dem Rückwege zum Bahnhof kam es auf zu erheben, auf Freisprechung. der Chaussee zwischen Groß- Behnik und Gohlis   zwischen dem Liebespaar zu einem Streit. Schmidt machte der D. Vorwürfe, Der Reichsanwalt und das Reichsgericht stellten am Donners- weshalb sie ihm verschwiegen habe, daß ihr Vater im Armenhause tag in einer Anklagesache gegen untere Eisenbahnbeamte, welche wohne. Die D. soll hierauf geantwortet haben, wenn ihm dies freigesprochen waren, äußerst bedenkliche und weder der Sicher- nicht passe, so könne er gehen und sich eine andere anschaffen. heit des Verkehrs noch dem Recht der Beamten entsprechende Wie der Angeklagte behauptet, habe er sich hierüber sehr geärgert und das Mädchen scharf am Halse gepadt und nach hinten zurüc Grundsäße auf. Von der Anklage der Transportgefährdung waren am 9. No- gedrückt. Zu seinem Schrecken fei die D. plöglich umgefallen, habe bember vorigen Jahres vom Landgericht Flensburg   die Lokomotiv  - ein paar heftige Schludbewegungen gemacht und sei dann tot hin­Der Angeklagte ist dann sofort zu dem nächsten Amts­führer J. Streder und Chr. Flogt freigesprochen worden. Die gefallen. Urteilsgründe lassen sich dahin aus: Beide Angeklagten sind bei vorsteher gegangen und hat gegen sich selbst Anzeige erstattet. Die der Kleinbahn des Kreises Flensburg   angestellt; Strecker ist Ab- Folge war das jezige Strafverfahren wegen Körperverlegung mit ftinent. Vom 9. August vorigen Jahres an sollte ein Sonderzug| tödlichem Ausgange. Die als Sachverständige geladenen Medizinal. fahren, dem auf einer bestimmten Station von dem ordnungs- rat Dr. Gottschalt- Rathenow und Kreisarzt Dr. Aust- Nauen   be­mäßigen Zuge auszuweichen war. Den Angeklagten war dies fundeten, daß der Tod der Dierbach   durch das Würgen am Halse einige Tage vorher mitgeteilt worden. Sie vergaßen es aber voll- eingetreten sei. Auf eine Frage des Verteidigers, Rechtsanwalt ständig und fuhren mit ihrem Zuge direkt gegen den Sonderzug. Dr. Walter Jaffe, erklärte der Kreisarzt Dr. Aust aber noch, daß Trok Bremsens erfolgte ein heftiger Zusammenstoß. Einige Per auch die Möglichkeit bestehe, daß der Tod erst reflektorisch durch c) abschließende Prüfung in freier Fahrt, auch durch beleb sonenwagen wurden ineinander geschoben, neun Personen wurden die infolge des Würgens, hervorgerufene Reizung des Kehlkopf. tere Verkehrstraßen in mindestens einstündiger Dauerfahrt getötet, zehn wurden schwer, acht leicht verletzt. Wie es möglich nervs eingetreten sein könne. Der Verteidiger hielt nach diesem unter Benuzung aller am Prüfungsort und in seiner näheren war, daß beide Angeklagten den Sonderzug vergeffen konnten, war Gutachten die Tatbestandsmerkmale der Körperverlegung mit töd­Umgebung au Gebote stehenden Geländeverhältnisse. nicht festzustellen. Allerdings waren beide übermüdet. Strecker lichem Ausgange für nicht erfüllt, da die Körperverletzung als Für die Führung von Krafträdern ist die Prüfung der Bau- hatte vier Tage hintereinander 12, 14, 13 und 15 Stunden Dienst solche nicht unmittelbar den Todeserfolg verursacht habe und so art des Fahrzeuges entsprechend zu gestalten. Nach dem Ermessen gehabt, und Flogt hatte neun Tage hintereinander durchschnittlich der fausale Zusammenhang zwischen der Störperverlegung und des Sachverständigen kann dabei die Dauer der unter 2c vorge- 11 Stunden gearbeitet. Strecker war durch die große Hiße und dem Tode nicht nachgewiesen sei. Die Geschworenen könnten die schriebenen freien Fahrt eingeschränkt werden. dadurch, daß er einen Heizer anlernen mußte, sehr angestrengt. Schuldfrage aber nur dann mit gutem Gewissen bejahen, wenn der Flogt hatte infolge eines nervösen Leidens Kopfschmerzen. Das zum Tatbestand des§ 22 des Strafgesetzbuches unbedingt erforder­Landgericht erkannte auf Freisprechung, weil nicht jedes Vergessen liche Kausalzusammenhang nachgewiesen sei. Hierauf gingen ein Schuldmoment in sich schließe. In dem Zuge befanden sich die Geschworenen auch ein und sprachen den Angeklagten nur der Die praktische Prüfung ist erst vorzunehmen, wenn der Prüf- Verwandte der Angeklagten. Da deren Leben auf dem Spiele Störperverletzung, nicht aber mit Todeserfolg, für schuldig, so daß ling die mündliche Prüfung bestanden hat. Zu der Prüfung ge- stand, hat das Gericht angenommen, daß die Angeklagten sicher nur einfache Körperverlegung vorlag. Dieser Wahrspruch hatte mäß 2c darf der Prüfling nur zugelassen werden, wenn er bei der alles aufgeboten haben werden, um sich aller ihrer Pflichten zu die Folge, daß der Angeklagte straflos ausging, da ein Strafantrag Prüfung nach 2b volle Sicherheit, Ruhe und Gewandtheit gezeigt erinnern. Die Revision des Staatsanwalts wurde vom Reichs- wegen einfacher Körperverlegung von der allein antragsberech­hat. anwalt für begründet erklärt. Die Freisprechung beruhe auf tigten Getöteten bei der Sachlage gar nicht mehr gestellt werden Bei den Fahrprüfungen für Kraftwagen( bergl. b und c) muß Rechtsirrtum. Das Landgericht sage selbst, die Möglichkeit eines fonnte. Das Verfahren mußte aus diesem Grunde eingestellt der prüfende Sachverständige auf dem Wagen Platz nehmen. Er schuldhaften Bergehens bleibe offen. Die Gefährdung brauche nicht werden. Der Angeklagte wurde sofort aus der Haft entlassen. hat bei der Fahrt von Anweisungen, soweit irgend möglich, abzu- durch eine Fahrlässigkeit bewirkt zu sein. Ein Beamter handle sehen und sein Augenmerk besonders darauf zu richten, ob der schon schuldhaft, wenn er nicht besondere Vorkehrungen treffe, daß Prüfling die nötige Ruhe und Geistesgegenwart, einen sicheren er eine wichtige Sache nicht vergessen kann. Die Angeklagten hätten Blid und Verständnis für die Bedürfnisse des öffentlichen z. B. dem Heizer entsprechende Mitteilung machen können, fie Das Verkehrs hat, sowie ob er Entfernungen richtig abzuschäßen, die hätten sich irgendwo ein Zeichen anbringen können usw. Gelände- und Verkehrsverhältnisse besonders beim Wechsel der Ge- Reichsgericht trat diesen Ausführungen bei, hob das Urteil auf schwindigkeit zu berücksichtigen und zu benußen, die Bremsen und verwies die Sache an ein anderes Landgericht, nämlich an richtig zu handhaben und Geräusch und Geruchbelästigung nach das in Kiel  Möglichkeit zu vermeiden versteht.

b) Probefahrt auf freier Strede in mäßigem Verkehr mit Begegnen und Ueberholen von Fuhrwert, Ausfahrt aus einem Grundstück, Einbiegen in Straßen, Anwendung des Warnungs­zeichens, Wechsel der Geschwindigkeit( wenn möglich auch in Stei­gungen und im Gefälle) unter Benuzung der verschiedenen zu Gebote stehenden Hilfsmittel, Handhabung der Bremsen unter verschiedenen Verhältnissen;

Zu der mündlichen Brüfung fönnen mehrere Prüflinge gleich­zeitig zugelassen werden. Der praktischen Prüfung für Kraft­wagen ist jeder Prüfling einzeln au unterziehen.

Gerichts- Zeitung.

Ansichtspostkarten und Breßgefeb.

Eine allgemeine preußische Ministerialberfügung macht in Uebereinstimmung mit fammergerichtlichen Entscheidungen darauf aufmerksam, daß gewöhnliche Ansichtspostkarten, d. h. solche, welche lediglich ihrer ausschließlichen Bestimmung, nämlich Zweden des Verkehrs, des geselligen und häuslichen Lebens dienen, ohne daß der Darstellung ein politicher, religiöser, sozialer oder unsittlicher Gedante zugrunde liegt", von der Vorschrift der Angabe des Druders, Verlegers, Verfassers oder Herausgebers nach Abs. 2§ 6 des Reichspreßgesetzes befreit sind.

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Wasserstands- Nachrichten

ber Landesanitalt für Gewäfferkunde, mitgeteilt vom Berliner Wetterbureau.

am feit

Bafferstand 1. 4. 81. 3. cm cm¹) Memel  , Tilfit 4623)+-40 Bregel, Insterburg   374+38 484-13 Weichsel  , Thorn  458+62 Dder, Ratibor  439+1 451 -12

cm

+9 115-2

96+2

am feit

Wasserstand

1. 4. 31. 3.

cm ¹)

Saale  , Grochli Havel  , Spandau  ) Spree  , Spremberg2) Beeskow Beser, Münden

282

Rathenow³) 123+5

170+14

76

+8

Minden

134-9

+92 156+-22

Raub

232+19

152+17 446 14

Rhein  , Marimiliansau 398 212-18 290-27 Redar, Heilbronn 104

Main, Wertheim  Mosel  , Trier  

Krossen Frankfurt Warthe, Schrimm 350 Landsberg 337

Die Urteilsgründe des Landgerichts legen nahe, daß das furchtbare Unglück durch die Uebermüdung und Ueberanstrengung der Beamten herbeigeführt ist. Weshalb sind nicht die höheren Beamten, die diese Uebermüdung verschuldeten und voraussehen mußten, daß eine Folge der Ueberanstrengung ein Uebersehen der Aenderung des Fahrplans sein könne, angeklagt? Weshalb ist die Anflage nicht ferner darauf begründet, daß es Pflicht der Ver­waltung gewesen wäre, am Tage der Sonderfahrt auf diese hinzube, veisen? Statt hierauf hinzuweisen, haben der Reichsanwalt und das Reichsgericht einen durchaus unhaltbaren Grundsah als ber­meintlichen Rechtssak aufgestellt. Sie nehmen an, man müſſe bahin Vorkehrungen treffen, daß man etwas nicht vergessen könne. Das ist ein Widerspruch mit dem Begriff des Vergessens, der ja auf die Unabsichtlichkeit und auf die Unabhängigkeit vom Willen des Vergessenden hinweist. So schwer das Eisenbahnunglück war, so falsch ist es, die Unterbeamten dadurch zu Schuldigen zu stem­

Zeitmeriz

Dresden Barby Magdeburg   408

+ bedeutet Buchs,

-

Köln  

-

999

5) Unterpegel. Fall. ) Eisstand. Einzelne Eisschollen, am 31. von 1 Uhr nachmittags ab Gistreiben. Nach telegraphischen Meldungen hatte die Memel bei Tilsit heute 10 bis 10 Uhr 45 vormittags startes Eisrüden. Der Wasserstand ber Dder bei Ratibor   betrug heute früh 490 cm.

02

08

Passage Kaufhaus

Friedrichstrasse 110-112 Oranienburgerst. 54-56*

Betriebsgesellschaft m. b. H.

Nach beendeter Inventur u. Uebernahme der Abteilungen

Wieder- Eröffnung

Montag, den 5. April, Nachm. 3 Uhr