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mit den für 1910 neu au leistenden Vorschüssen zusammenfallen. Zur Milderung der Härte, die hierin liegen«vürde, soll für die alte Schuld eine zwanzigjährige Tilgungsperiode vor- gesehen werden. Zur Tilgung und Verzinsung sind jährlich 11,6 Millionen Mark erforder- lich. Aus der gegenwärtig dem Reiche obliegenden ge- setzlichen Verpflichtung zur vorschustweisen Zahlung der Ent- fchädigungSrenten ist in den Jahren 190t bis 1906 eme Ausgabe von durchschnittlich 4,4 Millionen Mark für das Jahr entstanden. Diese Ausgabe würde bei dem fortgesetzten Steigen der Unfall- reuten von Jahr zu Jahr wachsen. Um nun den Berufs- geno ffen schatte n dieStü ckz ah lung der alten Schuld imganzen also dieHälfte der Jahresquote zur Tilgung und Verzinsung der alten Schuld bei- zutragen, während die Berufsgenossenschasten die andere Hälfte der erforderlichen Mittel mitebenfallSS, 8 Millionen Mark zu tragen Habel». Durch die geplante Regelung wird die Vorschußleistung allmählich herabgemindert, die übermäßige Begebung der Schatzanweisungen entsprechend eingeschränkt, auch der Allgemeinheit ein erheblicher wirtschaftlicher Dienst geleistet werden, ohne daß eine unbillige Belastung der Berufsgenossen schaften eintritt. Dem Sinne nach ist das genau dasselbe, was wir gemeldet Hatten. Wir find neugierig, wie die großinduftriellen Blätter, die noch vor wenigen Tagen über das Projekt höhnten, sich nun zu diesem stellen werden. Wundern sollte uns nicht, wenn sie jetzt im Dienst ihrer Gönner den sauberen Plan für ganz vortrefflich erklärten. Zs Bauer, das ist ganz was andres...! Der Eifer und der Scharfsinn der deutschen Staats- anwälte und Richter ist, kein billig Denkender wird es be- streiten, bewunderungswürdig. Welche halsbrecherischen Kunststücke hat nicht die Rechtsauslegung schon geleistet, um die mangelhafte Gesetzgebung zu ergänzen, um jene Böse- Wichte doch zu fassen, die sich in Sicherheit glaubten, wenn sie nicht gegen den Sinn der Gesetze verstießen, den der un- geschulte Blick des Nichtjuristen darin zu finden weiß. Was hat nicht der Spürsinn erleuchteter Juristen an verborgenem Geist in dem starren Buchstaben des Gesetzes alles entdeckt I Die Ausforderung zum Streik ohne Kündigung, die dem Laien als erlaubte Handlung erschien, wurde als Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze entlarvt, die Ankündigung des Streiks als Versuch der Erpressung, der Boykott als grober Unfug, das Streikpostenstehen als Gefährdung des Verkehrs, öffentliche Versammlungen als Vereinsversammlungen und Vereinsversammlungen als öffentliche Versammlungen, ganz nach Bedarf. Und schaudernd mußten die Bösewichte, die den Arm des Richters durch die starren Paragraphen gefesselt glaubten, erkennen, daß die Auslegung des Rechts unbe- grenzte Möglichkeiten zur Vermehrung des Komplexes der strafbaren Handlungen eröffnet. Wenigstens haben die wegen Ausübung des Koalitions- rechtes angeklagten Arbeiter diese Erfahrung machen müssen. Von einer ganz anderen Seite allerdings zeigt sich die deutsche Rechtsprechung in einer Entscheidung, die über Unternehmer ergangen ist, die auf ähnliche Weise ge- sündigt haben sollten. Die ZeitschriftDas Recht" veröffent- licht eine Entscheidung des 6. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 8. Februar in dem Prozeß eines Kieler Schuhmacher- meisters Hamer, der die Schuhmachermeistervereinigungen von Kiel auf Schadenersatz verklagt hatte. Die Vereinigungen hatten ihm die Liundschaft für Marinebetriebe und Marine- angehörige abgetrieben, weil er entgegen ihrer Forderung und einem ursprünglichen Versprechen die Forderungen der im Lohnkampf stehenden Schuhmachergesellen bewilligt hatte. Das Versprechen hatten die Vereinigungen durch die Drohung erlangt, daß die Namen der Meister, die sich nicht zur Ab- lehnung der Gesellenforderungen verpflichten wollten, ver- öffentlicht würden. Später schickten sie dem abtrünnigen Meister Hamer eine Vorladung zu einer ihrer Versamm- lungen mit der Drohung, daß sie rücksichtslos gegen ihn vor- gehen würden. Da Hamer darauf nicht reagierte, machten sie eine Eingabe an die drei Marinekommandos von Kiel , worin sie Hamer und einen zweiten Meister beschuldigten, daß siemitderSozialdemokratiegemeinsame Sache" machten, denn unter den Forderungen der Gesellen befinde sich auch die sozialdemokratische Forde- rung, den 1. Mai freizugeben. Die Eingaben gip- selten in der Hoffnung,daß die Behörden uns unterstützen und ihren Einfluß dahin geltend machen werden, daß nur solche Meister würdig sind, die Lieferungen für die kaiserliche Marine zu beschaffen, welche keine Verräter an dem gemein- schaftlichen Kampf gegen die Sozialdemokratie sind...." Selbswerständlich konnten die Marinekommandos bei einem Kampfe gegen die Sozialdemokratie" nicht ungerührt bleiben. Herr Hamer hatte Grund, sich geschädigt zu fühlen und klagte auf Schadenersatz. Die Entscheidung, die das höchste deutsche Gericht m dieser knifflichen Angelegenheit gefällt hat, ist ein glänzendes Beispiel der Betätigung des juristischen Scharfsinns, den wir zu Eingang geschildert haben. Nur ist sein Effekt hier ein ganz anderer, als in den oben angeführten Beispielen und ganz neue ungewohnte Töne werden in den Ausführungen des Reichsgerichts angeschlagen. Wir bekommen nichts zu hören vongemeingefährlichem Terrorismus", gegen den mit den schärfsten Mitteln vorgegangen werden muß, wie es sonst wohl in den Begründungen von Urteilen heißt, wenn ein Arbeiter angeklagt ist, einen Streikbrecher Streikbrecher genannt oder schief angeschaut zu haben. Nein, wir be- kommen eine warme Verteidigung des Rechts der Berufs- genossen zu lesen, auf den Abtrünnigen im wirtschaftlichen Kampf energisch einzuwirken, ihn mit scharfen Maßregeln zu bekämpfen. Ausführungen, die im schneidensten Widerspruch zu der sonst beliebten Ausdrucksweije unserer Richter stehen, die die Streikbrecher gern alswertvolle Elemente", als die ruhigen und ordentlichen Arbeiter usw. bezeichnen. Es heißt in der Begründung: Ohne Rechtsirrtum hat den Beklagten der Schutz des § 193 des Strafgesetzbuchs zugebilligt werden müssen, da sie das Schreiben an die Marinebehörden zur Wahrung berech- tigter Interessen abgesandt hatten. In den wirtschaftlichen Kämpfen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist der Erfolg einer Partei wesentlich bedingt durch die Einigkeit und Geschlossenheit der Standesgenossen. Wer durch ein Sonderabkommen mit dem Gegner die Einigkeit zerstört. schädigtdieJnteressenseinerStandeSgenossen aufs schwer st e. Hier kommt hinzu, daß der Kläger sein schriftliches Versprechen, zu seinen Standesgenossen zu halten, gebrochen hat, ihnen im Lohnkampf in den Rücken gefallen ist und auf die Aufforderung zur Rechtfertigung keine Antwort gegeben hat. Wenn diese ihrerseits zur Abwehr gegen den Ab- trünnigen»nd zur Verhütung weiteren Abfalles scharfe Maß- regeln ergriffen hat, so liegt darin nichts Anstößiges, solange das gewählte Mittel der Abwehr sich in den Grenzen des sittlich Er- laubten hielt. Die Mitteilung eines Namens eines solchen Ab- trünnigen an seine Kundschaft unter Darlegung des wahren Sachverhalts würde nur dann dem Anstandsgefühl eines gerecht und billig denkenden Menschen widerstreiten, wenn damit bezweckt würde, den Gekennzeichneten geschäftlich zugrunde zu richten. DaS Berufungsgericht hat aber festgestellt» daß einesolcheAbsichtnichtbe standen hat." Nach dieser Feststellung, daß derjenige, der in Wirtschaft- nchen Kämpfen zwischen Unternehmern und Arbeitern durch Sonderabkommen mit dem Gegner die Einigkeit zerstört, die Interessen seiner Standesgenosfen aufs schwerste schädigt was übrigens deutsche Richter einem Streikbrecher noch nie gesagt haben untersucht die Begründung zunächst, ob sich die Meistcrvereinigungen einer Bedrohung des Meisters Hamer schuldig gemacht und dadurch schadenersatzpflichtig geworden seien. Die Bedrohung in der Vorladung wird be- jaht. Aber durch sie sei dem Meister kein Schaden erwachsen, sondern lediglich durch das Schreiben an die Marinebehörden. Dieses Schreiben sei zwar die Ausführung der Drohung, aber es komme nicht in Betracht, denn der tz 153 der Gewerbe- ordnung, derals Strafgesetz nicht über die Grenzen seines Wortlauts ausgelegt werden dürfe(I) stelle nur die Willensbeeinflussung durch Drohung unter Strafe für seinen Tatbestand sei es bedeutungslos, ob das ange- drohte Uebel der Ankündigung folge. Der Wille des Meisters Hamer aber ist durch die Drohung nicht beeinflußt worden, denn er hat seine Gesellen ruhig weiter arbeiten lassen, auch ist ihm aus der Drohung ein Schaden nicht erwachsen. Dann wird untersucht, ob die Meistervereinisiungen sich einer Ehrverletzung des Meisters Hamer schuldlg gemacht haben. Das ist der Fall, da die Wortenicht würdig" und Verräter" in den Eingaben eine Ehrverletzung darstellen. Aber eine Schadenersatzklage kann auch darauf nicht ge- gründet werden, da die Marinekommandos den: Meister Hamer nicht wegen dieser Worte der Eingaben die Lieferungen entzogen haben, sondern wegen der Angaben über fein Ver- halten im Kampfe gegen die Sozialdemokratie. Endlich kommt die gefährlichste Stelle der Angelegenheit für die vereinigten Kieler Schichmachermeister. Das Reichs- gericht nimmt, wie oben gezeigt ist, selbst an, daß ihre Ein- gaben die Ursache sind, daß dem Meister Hamer die Liefe- rungen entzogen wurden. Also liegt Verrufs- erklärung vor?/ So mag eS dem juristischen Laien er- scheinen: dem tiefer eindringenden Auge des Juristen ent- hüllt sich ein ganz anderer Tatbestand. Es liegt keine Verrufserklärung, sondern nur eine Anregung zur Verru f s er kl ä ru n g vor! Denn die vereinigten Schuhmachcrmeister Kiels waren nicht so unbescheiden, die Entschließung der Marinekommandos von Persönlichkeiten hohen militärischen Ranges beeinflussen zu wollen. Sie hofften nur. daß diese Behörden ihren Einfluß zugunsten der vereinigten Meister, der tapferen Kämpfer gegen die Sozialdemokratie, geltend machen würden. Die Meister haben also nurangeregt", nicht selbst eine Verrufserklärung er- lassen. Und so war Meister Hamer mit seiner Klage gänzlich abzuweisen! Wer diese feine juristische Leistung nicht zu würdigen weiß, der hat keine Spur juristischen Verständnisses. Wer aber verwundert fragt, weshalb deutsche Richter hier, wo Unternehmer in Frage kommen, ihren juristischen Scharfsinn anwenden, um Handlungen, die eine Ausübung des Koalitionsrechtes darstellen, für nicht strafbar zu erklären, während sie sonst wenn Arbeiter die Objekte der Recht- sprechung sind gewöhnlich nach der entgegengesetzten Seite ihren Scharssinn spielen lassen, der mutz sich mit der Ant- wort genügen lassen:Ja, Bauer, das ist ganz was anderes!" Sie Bauernfrage in Bosnien . Die bosnische Regierung treibt eine geschickte Reklame für dasZivilisationswerk", das sie in Bosnien verrichtet haben will. In Wirklichkeit ist die Bauernbefreiung, die Serbien und namentlich Bulgarien längst in ausgezeichneter Weife durch- geführt hoben, auch heute noch nicht einmal begonnen. Erst jetzt soll die Grundablösung inS Werk gesetzt werden, doch ist sehr zu fürchten, daß dabei die armen Bauern die Betrogenen sein werden. ES handelt sich dabei um da» Geschick von ungefähr IVO 000 unfreien Bauern. Die Grundablösung soll nun nach dem Plane der bosnischen Regierung in der Weise vor sich gehen, daß diese Armen sich selbst frei kaufen, ohne jede Unterstützung des Staates. Das Geld zum Loskauf sollen sie durch Aufnahme von Hypo- theken sich verschaffen. Diese Hypothekenausgabe soll nun das Monopol einer ungarischen Bank werden, deren Ausbeutung so die börigen Gauern vollkommen aus­geliefert werden. Die bürgerlichen Parteien des österreichischen Abgeordnetenhauses begnügen sich damit, gegen das Monopol der ungarischen Bank Stellung zu nehmen und ihrerseits einen An- teil an dem Geschäft der Bauernausbeutung für das öster­reichische Banktapital zu fordern. Dem gegenüber fordert die Sozialdemokratie die rasche Durchführung der Bauern- befreiung durch den Staat. ES handelt sich dabei um folgendes: Weitaus die meisten vos» nischen Bauern fitzen nicht als fteie Eigentümer auf ihrem Grunde, sondern stehen im Erbpachtverhältnis zu einem mohammedanischen Grundherrn. Dieses Grundherrentum ist nicht durch Kauf entstanden, sondern hauptsächlich aus der Grund» läge der polittschen Machtverhältnisse. Die türkischen Eroberer be- mächtigten sich einst gewaltsam des BodenS und überließen ihn ihren An- hängern als Beute. Dieses allerdings schon 600 Jahre alte Beuterecht hat die Ollupation als Besitzrccht anerkennen müssen im Gegensatz zum benachbarten Serbien , wo nach dem Jahre 1876 die türkischen Grundherren(Spahis) schonungslos expropriiert wurden. Das war allerdings in Bosnien , wo die Mohammedaner ein volles Drittel der Bevölkerung bilden und wo jede schroffe Attion gegen die grundbesitzcnden Agas von der Gesamtheit der Mohammedaner als eine islamfeindliche empfunden worden wäre, von vornherein nicht möglich. Natürlich auch nicht im entferntesten be- absichtigt, denn die Regierung hoffte während der ganzen Olkupattons- epoche, in den Türken ein konservatives Bevölkerungselement zu gewinnen. So blieb denn das uralte Kmetenband bestehen und der bosnische Bauer mutz noch heute ein volles Drittel seines Ertrage» als.Tretina" oder.Hak' dem Grundherrn entrichten, der nicht sät, nicht erntet, sich auch um das Gedeihen der Frucht nicht im mindesten bekümmert, sondern nur alljährlich einmal mit zwei oder drei Maultieren daherkommt, um dem Bauern ein Drittel seiner Ernte wegzunehmen. Die Befreiung des Bauern aus diesem Knechtsverhältnis, von dem übrigens auch die Grundherren ihr gerüttelt Maß von Ver« drießlichleiten und Nachteilen heimtragen, erfolgt nun in Bosnien nicht, wie es noch 184S in Oesterreich der Fall war, in der Weise, daß der Staat selbst einen Teil der Lasten auf sich nimmt, sondern der Bauer muß sich selb st freikaufen; der Staat vermittelt ihm bloß Hypotheken, und zwar sehr teure Hhpotheleu. Der Bock wird zum Gärtner gemacht und die Banken befreien den Kmeten aus der Hand deS Aga, indem sie die orientalische Form der Höngkett durch die europäische ersetzen, wobei eS ja natürlich nicht so sehr auf die Hörigkeit als auf das Geschäft ankommt. Bei dieser sonderbaren Art der Bauernbefreiung gerät der Kniet buchstäblich vom Regen in die Traufe; denn wenn auch die hohen Prozente an irgend eine Agrarbank relativ nicht so viel ausmachen wie die Tretiim an den Grundherrn, so ist der Betrag absolut genommen häufig noch höher, beim bei dem heißen Drange der Kmeten. freien Bauernbesitz zu erwerben, sind die Grundpreise allenthalben rasend in die Höhe gegangen, zum Beispiel in der südlichen Herzogewina seit 1890 uin zirka 200 Proz., waS mit der Lebhaftigkeit der Nachftage durch die Mit Ersparnissen ans Amerika zurückkommenden Kmetensöhne unmittelbar zusammenhängt. Gerade diese steigenden Preise ziehen aber daS Bankkapital an und cS wird der ganzen Energie unserer Genossen bedürfen, dafür zu sorgen, daß die Pläne der bosnischen und ungarischen Regierung, die feudale Hörigkeit in eine Kapitalhörigkett zu verwandeln, ver- eitelt werden. Man sieht aber aus dieser Darlegung, was an dm gepriesenen Werk der österreichisch-ungarischen Verwaltung in Wirk­lichkeit dran ist._ Politische(Jcbcrficht. Berlin , den 7. April 1909, Adenau-Cochem-Zell« Von der Mosel wird unS geschrieben: Der Wahlausfall im Kreise Adenau «Cochem «Zell lenft die Aufmerksamkeit auf die kleine Doppelstadt Traben-Trarbach . Die beiden erst seit einigen Jahren vereinigten Gemeinden sind, be- sonderS seit Eröffnung der rechtS-moseleanischen Bahnlinie Bullay- Trier, dank dem Aufschwung des Weinhandels und der Ausnutzung deS Trarbacher WildbadeS zu kleinen Hochburgen de» Kapitalismus geworden. Mehr und mehr sind die kleinen Winzer verschwunden und zu Küfern oder Tagelöhnern proletarisiert worden. Aber kein Mensch, der die Ver- hältnisse kennt, hätte erwartet, daß so plötzlich und so imposant das Auftreten des.roten Gespenstes" in der protestantischen Oase der schwarzen Moselwüste erfolgen würde. Noch vor ein paar Jahren haben gerade die Traben- Trarbach « Proletarier, hinter denen natürlich die Honoratioren staken, nichts Besseres zu tun gewußt, als einen ganzen Sommer lang wegen eines alten, auS der Mosel herausgebaggerten Ankers blutige Schlachten auSzufechten. Die Orte waren damals noch nicht ver- einigt, und der Lokalpatriotismus einiger schwerreicher Weinguts­besitzer verlangte diesen Anker, je nach der Ansässigkeit de» be­treffenden, für Traben oder für Trarbach . ES kam zu großen Krawallen und sogar zu einem Attentat auf den Trabener Bürger- meister. Die an köstlichen Episoden reiche Geschichte diese» FeldzngeS wurde sorglich unterdrückt. Den Anker mußte man, weU die Rc- gierung auf Wiederherstellung de» Friedens drängte, wahrhaftig einschmelzen lasten, um allem Streit ein Ende zu machen. In kommunalpolitischen Dingen ist natürlich die Selbstsucht der verbündeten Mächte des Kapitals und der sogenannten Intelligenz ausschlaggebend. Bon dem Grade dieser Intelligenz gibt die Tat- fache einen Begriff, daß man die Parteien im Ptesbyierium mehrere Jahre lang ausschließlich nach ihrem Standpunkt zur Frage des Einzelkelches unterschied. Hie gemeinsamer Kelch l Hie.Einzel- dippen" l(wie die Gegner verächtlich sagten): das waren die Zeichen, unter denen sich so etwas wie eine kulturelle Bewegung in diesem Erdenwinkel abspielte. Erst zwei Jahre ist daS her, und seit dem­selben Jahre 1907 der Hottentottenwahlen scheint unter dem Einfluß der drohenden Weinsteuer, mehr aber noch infolge der fort- schreitenden Proletarisierung der Winzerschaft das polittsche Leben an der Mosel einen Aufschwung zu nehmen, Daß tatsächlich in erster Linie diesem letztere» Umstände der sozial- demokratische Erfolg zuzuschreiben ist(weniger der Unzufriedenheit der Winzer, auf die unser Kölner Bruderblatt hinwies), folgt schon au» der Tatsache, daß von den für den Genosse» Dr. David ab- gegebenen Stimmen beinahe drei Viertel, nämlich 334, in Traben-Trarbach aufgebracht wurden. Diese Gemeinde ist mit über 5000 Einwohnen» die größte Stadt zwischen Koblenz und Trier . Nicht nur ihre Unzufriedenheit mit den speziellen Schreckgespenstern des Weingesetzes und der Weinsteuer treibt diese Winzer zu uns, sondern dahinter steckt die mit der wachsenden Großwirtschaft im Weinbau gleichfalls wachsende Proletarisierung des Winzer-Mittel- standes._ Reichstagsersatzwahl in Stade -Bremervörde . Bei der gestrigen Reichstagsersatzwahl im 18. hannoverschen Wahlkreise wurden bis jetzt gezählt: für Dr. Hoppe(natl.) 6010 Stimmen, Rhein (Soz) 5721, Hauptmann a. D. Klüvemann(Bund der Landw.) 4641. Dr. Böhmert(ftf. Vg) 2296, v. d. Decken(Wrlfe) 2164 Stimmen. CS findet wahrscheinlich Stichwahl statt zwischen dem Nationalliberalen und Genossen Rhein . Das Ergebnis von 12 kleineren Orten steht noch aus. Es lassen sich also die Stimmcnzahlen der gestrigen Wahl und der Wahl am 25. Januar 1907 noch nicht vergleichen. Damals erhielten: der Rationalliberale 9701, unser Kandidat 6442, der Landbündler 4891, derWelse" 1471 Stimmen. Bei der Stichwahl siegte alsdann dcr NattonaNiberale mit 14 995 Stimmen über Rhein mit 6551 Stimmen, Beachtenswert ist, daß, während jetzt alle übrigen Parteien an Stimmen eingebüßt haben, der»Weife" rund 700 Stimmen mehr erhallen hat_ Die sächsischen Konservativen und die Finanzreform Der erweiterte Vorstand, die Krcisvertreier und Vorsitzenden der Lokalvereine des konservativen Landesvereins für das Königreich Sachsen waren- gestern in Dresden versa, mnelt und haben eine Resolution angenommen, in der es heißt: .Soweit der Mehrbedarf des Reiches von den Besitzenden getragen- werden soll, ist er, wenn eine Einigung über andere Besitzsteuern nicht erfolgt, durch Ausdehnung der Reichs» erbschaftssteuer auf Abkömmlinge und linder» lose Ehegatten aufzubringen. Hierbei ist dafiir zu sorgen, daß daS mobile Vermögen ebensowenig die Steuer hinter- ziehen kann, wie das vor aller Augen liegende immobile Lee- mögen. Außerdem müssen Kanielen geschaffen werdcu. daß daS Reich nicht ohne Zustimmung der hauptsächlichen Einzelstaaic» und der Vertretung derselben die Erbschaftssteuer willkürlich erhöhen kann... Weiber wendet sich die Resolution gegen Angriffe in die Finanz- Hoheit der Einzelstaaten und gegen die Veredelung der Matrikular- beittäge. Auch verlangt sie, daß auf allen Gebieten im Reiche Sparsamkeit geübt werde. Die Resolution wurde von der zahl­reich besuchten Versammlung fast einstimmig angenommen Auch viele Mitglieder deS Bundes der Landwirte stimmten für sie. Wie derBerk. Lokalanz." zu berichten weiß, soll diese Stellung- nähme der sächsischen Konservativen in den Dresdener volittschen