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Hören. Dennoch wird das kleine landwirtschaftliche Eigentum durch die Konzentration des Betriebes und durch die Knnzentration des Handels aufgefressen. Der Bauer verkauft nicht mehr selbst auf dem Markt, sein Produkt ist eine Ware geworden, deren Wert ohne den Zwischenhändler nicht realisiert werden kann. Die land- wirtschaftliche Unternehmung wird zu einer Fabrik land Wirt- schaftlicher Produkte. Wir haben in Frankreich sechs Millionen Bauern, unter denen wir fünf verschiedene Kategorien unterscheiden müssen. Die erste ist die des G rosig rund- K e s i tz e r s. Gegen diesen müssen wir Stellung nehmen mit der Forderung der Bergesellschaftung und der Zuweisung seines Besitzes an Gewerkschaften, die unter staatlicher Kontrolle den Betrieb be- sorgen sollen. Wir haben zweitens den kapitalistischen Pächter, der seine Arbeiter ausbeutet wie der Fabrikant. Dagegen müssen wir uns drittens des kleinen Pächters annehmen, der sein Arbeitsinstrument nicht besitzt. Er leidet auch unter der Berteuerung, die das Werk seines eigenen FleisieS ist, denn die technischen Verbesserungen wirken verteuernd auf den Pachtzins. Die vierte Kategorie sind die Teilpächter. die infolge der bei ihnen noch fortbestehenden Naturalleistungen in wahren Mittelalter- lichen Verhältnisse» leben. Endlich sind da die kleinen Eigen- tümer. Denen stehen wir gegenüber wie den kleinen Gewerbe- treibenden und Händlern, ihnen sagen wir, dasi wir ihre Lasten erleichtern wollen wie wir dies bei der Einkommensteuer begonnen haben. Sie erhalten sich nur um den Preis selbstmörderischer Ueberarbeit und Entbehrung. Sogar Nacht- arbeit auf dem Felde finden wir bei ihnen. Denen »vollen wir nicht die Vergesellschaftung ihres Besitzes an- kündigen. Wir würden sie damit nur gegen uns aufbringen. Aber wir wären auch gar nicht ünstande, heute die Sozialisierung der Land- »virtschaft durchzuführen, weil uns die Cadres fehlen, die die In- dustrie dafür darbietet: die Gewerkschaften auf der einen Seite, die begabten technischen Beamten auf der anderen. Die sozialistische Partei soll durch Gründung von Gewerkschaften, Selbsthilfeorganisationen und Genossenschaften die Bauern vor- bereiten und erziehen. Die Aktion in der Genossenschaft ist eine wahre.revolutionäre Gymnastik". Wir müssen den Bauern namentlich auch dazu bringen, seinen Individualismus und Egoismus abzu- streifen. Schon jetzt durch die Genossenschaft die Aus- beutung aufzuheben ist nicht möglich. Durch die Er- ziehung zur Reform arbeit, nicht durch Reden über die Wer- gesellschaflung des ländlichen Eigentums, für die die Entwickelung noch nicht genug fortgeschritten ist, sollen wir den Bauern der revolutionären Idee entgegenführen. Die Praxis wird ihm schon das Nötige lehren. Bei den Landarbeitern aber müssen wir zwei Klassen unterscheiden: die Selbständigen, die nicht auf dem Gut wohnen, imd die Dienstboten. Auf diese zweite dürfen wir uns nicht viel Hoffnungen machen. Sie stehen auf einer sehr tiefen moralischen Stufe und sind durch den Klerikalismus und den Alkoholismus vergiftet. Die selbständigen Arbeiter sind gesunde Elemente. Bei dieser zahlreichen Klasse 890 000 Köpfe zählt sie möge die Konföderation arbeiten. Bisher »st noch sehr lvenig für sie getan worden. Auch unsere parlamentarische Macht müssen wir in ihrem Interesse ausnützen. Der Redner beantragt die Ausarbeitung einer Liste(l-abior") der ländlichen Bestrebungen der Partei. Die Arbeit soll von einer Kommission besorgt werden. Die Rede Compdre-Morels löst anhaltenden, allgemeinen Bei« fall aus. Der Parteitag beschliesit, sie in Druck legen zu lassen und an die Föderationen, zu versenden. V a i l l a n t, als Sprecher der Mehrheit der Seine-Föderation, erklärt, die Partei habe sich in erster Linie mit dem ländlichen Proletariat zu beschäftigen. Wir können uns nicht an eine Masse von Besitzeirden, sondern nur an die Individuen der Klasse der kleinen Besitzer wenden. Das kleine wie das grosie Eigentum soll verschwinden. Wir dürfen das nicht verheimlichen. aber wir sollen auseinandersetzen, dasi wir diesen Prozeß möglichst schmerzlos zu gestalten bestrebt sind. Der siegreiche Sozialismus wird den kleinen Eigentümer nur dann expropriieren, wenn er ihm bessere Existenzbedingungen bieten kann. Der Bauer versteht imS auch ganz gut. Die Situation ist aber lokal verschieden. Doch ist die kapitalistische Akkumulation die entscheidende Tat- fache in der Landwirtschaft. Wir müssen den kleinen Besitzern zeigen, dasi wir nicht nur die Partei des Proletariats, sondern die der sozialen Evolution überhaupt find. (Lebhafter Beifall.) Tarbourieck tadelt die Angehörigkeit von Parteigenossen bei Organisationen der Klassenharmonie, wie bei dem Winzerverband. Die Partei müsse offen sagen, dasi sie die Interessen a l l e r L o h n- arb eiter gegen alle B es itz e r, grosie wie kleine, verteidige. Sie soll auch die noch bestehenden Ueberreste des alten Kommunismus verteidigen, aber unter der Bedingung, daß nicht eine Gesamtheit von Besitzern, sondern von Produzenten den Nutzen daraus ziehe. R o l d e S: Wir müssen das Endziel betonen, dürfen aber nicht bei Allgemeinheiten bleiben. Die Richtung der Entwickelung ist nicht anders als wir gedacht haben, aber ihr Tempo ist langsamer. Die Erscheinungen sind verschiedenartig. Wir haben Dörfer ohne Landarbeiter. Eine besondere Aufgabe wäre noch. die ländliche Produktion zu regeln. Die sozialistische Partei müßte im Parlament diesbezügliche Vorschläge machen z. V. in bezug aus die gesetzliche Beschränkung des BodenS für den Weinbau und sie im Land propagieren. Die Diskussion wird in einer bis Mitternacht währenden Nacht- sitzung fortgesetzt, die besonders durch die Ausführungen sozialistischer Landleute auS verschiedenen Landesteilen interessant»st. Sie bewegt sich hauptsächlich um die Frage, ob die Partei Reformen im Sinne Compöre-Morels zugunsten der Kleinbauern anstreben oder auf die Ueberführung des gesamten Grundbesitzes in Gemeinbesitz hin- arbeiten soll. L a f a r g u e weist darauf hin, daß auch w Frank- reich die ländliche Bevölkerung relativ abnimmt. 76Proz. vor 1843, betrug sie SO Jahre später 61 Proz. und jetzt nur noch bO Proz. der Gesamtbevölkerung. Aber darum müssen w,r die Bauern doch ge- Winnen und wir können sie gewinnen. Die Bauern sind eine revolutionäre Masse. Das haben sie 1789 gezeigt, als sie die Herrenschlösser stürmten, ehe noch die Pariser die Bastille zerstört hatten. Die sieg- reichen Bourgeois von damals haben alte Bauernrechte zerstört. Die modernen wirtschaftlichen Verhältnisse werde» den Bauern von neuem zum Revolutionär machen. Wir dürfen ihn nicht mit un- klugen Redensarten vor den Kopf stosien. Wenn wir in ihm Angst um seinen Besitz erregen, wird der Sozialismus eine Vendse gegen sich erregen. Wir können Bauernschutz ebenso wie Arbeiterschutz der- langen. * Dritter Tag. St. Etienne, IS. April.(Eig. Der.) Die Agrarfrage. In der Vormittagssitzung setzt der Parteitag die Verhandlung über die Propaganda aus dem Lande fort. Rappoport spricht im Sinne Compöre-Morels. Weder dieser noch seine Freunde hätten den Bauen» jemals daS Endziel, die Vergesellschaftung der Produktions- mittel, verheimlicht: Unsere Auffassung der wirtschaftlichen Ent- Wickelung sagt uns, daß daS grosie Eigentum als Produktlvkraft überlegen und das kleine nicht zu retten ist. Vaillants Standpunkt ist der der Kongresse der Internationale vor der Kommune. Es gibt Verschiedenheiten des Verfahrens, einen pädagogischen Opportunismus. Wir müssen die Bauern durch die Ver­teidigung ihrer Interessen zu uns herüberziehen.... Lagardelle: Wir können weder Retter noch Zerstörer des kleinen Eigentums sein. Auch Engels hat erkannt, dasi wir keine Einrichtungen schaffen können, die uns gegen die antisozialistischen Empfindungen der Bauern schützen. Wir müssen uns damit ab- finden, dasi nicht alle Milieus für die sozialistische Produktion gleich günstig sind. Wir würden lügen, wenn wir an sozialistische Gefühle des Bauern appellieren wollten. Die nützlichen Reformen. die Compöre-Morel vorgeschlagen hat, wie die Verbindung der ländlichen Genossenschaften mit den Konsumvereinen, find nichts im Wesen Sozialistisches. Wir ntüssen den Bauern anders packen. Wir können es durch eine grosie politische Aktion der Partei für die Gesundung der Demokratie gegen den Parasitismus des kapitalistischen Staates. Der Post- streik hat gezeigt, wie die staatlichen Funktionen gereinigt »verden können. Marx hat von der Kommune gesagt, dasi sie eine billige Regierung sein wollte. Hier sehen»vir den Weg. der»mS zum Bauern führt. Wir müssen diese»» zeigen, daß wir eine andere Partei sind als diejenigen, die Jagd auf seinen Stimmzettel machen. Wir haben ihn davon zu überzeugen, dasi»vir da? Schmarotzertuin des Staate? beseitigen wollen. Auf diese Art können wir ihm nahekommen, nicht mit dogmatischen Auseinandersetzungen, und eZ ist nicht ein konservatives Progranun, womit wir ihn zum Sozialisten machen können. Jean Longuet hält die Agitation beim ländlichen Proletariat für die notwendigste und auch für die günstigste. Um den Landarbeiter vor allem haben wir uns bei unseren Reformaktionen zu küinmern. Von besonderer Wichtigkeit ist die Forderung, daß die Arbeiter ansierhalb deS Gutshofes wohnen. Deviras(Dep. Landes) will Bekämpfung der degenerierenden Kinderarbeit und wünscht Broschüren im Dialekt der verschiedenen Gegenden. Die Verhandlung wird durch eine Debatte über die Wahl der Administrativkommission»mterbrochen. H e r v ö fordert die Wer- tagung der Wahl bis nach den Abstimmungen über die Hauptpunkte der Tagesordnung, damit die Minoritäten ihrer Stärke entsprechend vertreten sein könnte»». Er droht unter großem Lärm seiner Freunde mit der Obsttuktion. Schließlich gibt er sich aber mit einen» Ver« mittelungsvorschlag D e l o r h S zufrieden, der allen Gruppen Ver- tretung in der die Vorstandsliste ausarbeitenden Kommission fidbert. Die Verhandlung über die Agrarftage wird in der Nachmittags- sitzung fortgesetzt. H e r v ö spricht als Vertreter einer rein ländlichen Föderation, der des Departements Aonne. für die Resolution Jobert der Minderheit des Seine-Departements: Mit Compöre-Morel sind wir darin einig, dasi wir vor allem für die Dienstboten und Tagelöhner eintreten, im Konfliktsfalle selbst gegen die kleinen Besitzer. Mit ihm halten auch wir die Kleinbauern für ausgebeutete Arbeiter und Genossenschaften für ein Mittel gegen den bäuerlichen Egoismus. Aber diese Einrichtungen sind nicht spezifisch sozialistisch, auch andere Parteien sind dafür. Compsre- Morel läßt sich zu viel von wahlpolitischen Interessen leiten. Auch Jaurös ist in diesen Fehler verfallen. Er gibt sich nicht Rechenschaft darüber, wie der Parlamentarismus durch die verräterischen Politiker diskreditiert ist. (Zwischenrufe; Und der Terrorismus I Azew!) Mit Vorschlägen wie denen Compöre-MorelS zum Schutze der Kleineigentüiner gehen wir der Schutzzöllnerei entgegen zum Schaden deS industriellen Prole- tariats. Wir sehen keine Konzentration des Grundeigen- rums; eher eine Abnahme des großen zugunsten des mittleren Be- sitzes. Wir müssen uns also an die Bauern mit anderen Argumenten »venden. Der Redner spricht nun über die Aufklärung der Jugend durch die Lehrer, über AntimilitarisnmS und AntipatriottsmuS, der eine Vorbereitung zur Insurrektion sei. Er nennt sich einen Mar- xisten, aber sein MarxisinuS sei mit BlanquiSmuS versetzt. Er sieht in den Erneuten, die jetzt an so vielen Orten ausbrechen, Anzeichen der Revolution. Auch die unaufgeklärten Massen seien imstande, notwendige Werke der Zerstörung zu vollbringen. St. Elten«, 16. April. (Privatdepesche desVorlvärts".) Der Parteitag lehnte in der Schlußsitzung den Ausschluß von Breton, Brousse und V a r e n n e wegen Formfehlers im Verfahren ab. Er ging über den Antrag, Hervh auSzu- schließen, mit dem Vorbehalt zur Tagesordnung über, Delorys weiteren Disziplinbruch zu verfolgen. Die Agrarfrage soll auf dem nächsten Parteitage weiterberaten werden. Eine Agrar- kommission wurde gewählt. Die Wahltaktik-Resolution von Chalon, die den Föderationen die Freiheit läßt, in der Stichwahl Verfügungen im Interesse des Proletariats und der sozialen Republik zu treffen, wurde bestätigt. Der Anttag der Hervoisten, alle Kandidaturen im zweiten Wahlgange aufrecht zu erhalten, wurde mit 264 gegen 61 Stimmen abgelehnt. tflttKehDter Parteitag der Soziaidemo- kratifGeo Arbeiterpartei Hollands . Rotterdam , 12. April. Der zweite Verhandlungstag ist gänzlich den im Juni statt- findenden Wahlen zur Zweiten Kammer geividmet. Der Parteivorstand beantragt, folgende Punkte in den Vordergrund der Wahlagitation zu rücken: a) Allgemeines Wahlrecht. b) Arbeiterversicherung. c) Zehnstundentag. d) Erweiterung der Unfallversicherung. e) Wohnungsfrage. Anträge verschiedener Abteilungen wünschen Erweiterung dieses Programms bezw. Beschränkung; letzteres wollen besonders Amsterdam 16, sie fordern ausschließlich:»Allgemeines Wahl- recht für Männer und Frauen". DaS Referat über das Wahlprogramm hält Troelstra . In seiner mehr als zweistündigen Rede führt er auS, daß die S. D. A. P. bei keiner einzigen Wahl so stark dagestanden habe wie jetzt, da die ökonomische Entwickelung der Gesellschaft sich in der von der Partei angenommenen Richtung bewegt habe. Davon zeuge die Krisis, die mit ihren schrecklichen Folgen die Augen der Ar- beiter geöffnet habe, die Konzentration der Betriebe und der damit Schritt haltenden Proletarisierung der Massen, das Aufblühen der Gewerkschaften und den damit parallel laufenden Unternehmer. organisationen. Die völlige Hilflosigkeit der bürgerlichen Klasse vor der Arbeitslosigkeit ließ der Massencharakter ihres Regimes in den letzten Jahren schärfer als je ans Licht treten. Nachdem er das Steigen der Arbeiterlafte»» und die Unfrucht- barkeit der Bürgerlichen aller Staaten an sozialen Reformen ge» schildert, geht Troelstra auf die Stellung der bürgerlichen Par- teien zur Sozialdemokratie über. Die Klerikalen ständen vor einem gefährlichen Zusammenbruch. Den christlichen Arbeitern gingen die Augen auf, die Forderungen der anderen Arbeiter leuchteten ihnen e»n, besonders die auf Arbeiterversicherung, die in der Kirche als unsittlich hingestellt werde. Im liberalen Lager fei es nicht besser, dort beginne der Kampf gegen die fozialdenwkratifchen Forde» rungen abzuflauen. Die Liberale Union und die Freifinnig-Deino- kraten befürworteten das allgemeine Wahlrecht, freilich mit einigen Kautelen, denen die Sozialdemokraten nicht zustimmen könnten. Auch in den Fragen der Altersversicherung»»nd des Zehnstunden- tages begönnen die Liberalen sich dem Standpunkt der Sozialdemo- kraten anzunähern, ebenso der den Bürgerlichen nachlaufende All- gemeine Arbciterbtlnd und ein Teil der Katholiken. Dies alles verstärke die Position der S. D. A. P., schwäche die der Liberalen Union und des Freisinnig-demokratiichen Bundes. Troelstra will sich zwar über diese Schwenkung ketne Illusionen machen, sie sei jedoch ein moralischer Sieg der S. D. A. P., deren Forderungen die bürgerlichen Parteien auf ihre eigenen Programme zu bringen ge- zwungen worden seien. ES komme jetzt darauf an, sie zu zwingen, diese Forderungen durchzuführen, soweit eS untcr bürgerlichem Regime möglich sei. Troelstra behandelt dann eingehend den Antrag der?lb- tcilungen Amsterdam 16, die als einzige Wahllosung beantragen: Allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen". Er hält diese Losung zwar sür sehr logisch, sie komme aber 12 Jahre zu spät. Mit dieser Losung allein wäre man Wahlrechtsfanatiker geworden, hätte aber die Altion für die Verkürzung der Arbeitszeit, für Ar- beitetversicherMg und für Unfallversicherung fallen lassen müssen, für alles das hätten dann die sozialdemokratischen Abgeordneten in der Kammer nichts tun können. Sie hätten sür die Altersbersichc- rung nicht einmal sprechen dürfen, ja hätten sagen müssen: Macht. bitte kein Gesetz, dcnn�solange kein allgemeines Wahlrecht da ist. wird es doch nur ein Wisch von einem Gesetze werde»». Wer aui diese Weise wirken wolle, verstehe nichts von der Politik.(Beifall.) Gerhard(unterbrechend): DaS Nötige steht doch in unserer Erläuterung zuin Antrage. Troelstra : Niemand liest das heraus. Aber die Portion, die ich euch zuteile, ist eigentlich nicht für euch bestimmt, sondern für die Herren von der(neuen) Sozialdemokratischen Partei, die bewiesen haben, daß sie nichts von der Politik verstehen.(Beifall.) Auch mit dem allgemeinen Wahlrecht bekomme man keine gute soziale Gesetzgebung, man brauche nur nach dem Auslände zu sehen. Die dekommt man erst, wenn die S. D. A. P. »n Holland den Sieg errungen hat. Um die Wähler mitzureißen, müsse man die sozialen Reformen in den Vordergrund stellen; dadurch eröffne man sich den Weg zur Aufklärung der Arbeiter, die die Sozial- deinokratie ihnen zu bringen verpflichtet sei. Doch müsse in der sozialdemokratischen Presse und in Versammlungen das allgemeine Wahlrecht mehr in den Vordergrund gestellt werden; das sei bisher, auch inHet Volk", nicht genug geschehen.(Beifall und Wider- spruch.) lieber einen Antrag der Abteilung Rotterdam 6 sprechend, der völlige Freiheit der Organisation der Beamten verlangt, sagt Troelstra , man wolle damit besonderen Nachdruck auf das Streik- recht der Beamten legen. Das erkenne auch er an, man könne«S aber nicht immer zum Programmpunkt machen. In 1906 sei Kuypcr dieses Streikrechts wegen zu Falle gebracht wordei», die Kaminer- abgeordneten seien verschieoentlich dafür eingetreten. Die aus der Partei weggelaufenen Freunde verglichen die Foaktion in diesem Punkte in der deutschen Parteipresse wohl einmal mit den deutschen sozialdeinokratischen Parlainentariern, und zwar zum Nachteile der holländischen. Die deutschen Freunde sollten einmal die Jnter- pellation Hugenholtz nachlesen. Dann würden sie sehen, welchen Spektakel die sozialdemokratische Kammerfraktion machte, als der Marineminister so brutal gewesen sei, eine Adresse des Verbandes der Mariner zwar zu beantworten, sie aber nicht direkt an dessen Vorstand, sondern an die Vorgesetzten zu senden. Mit dieser Jnter- pellation habe die sozialdemokratische Kammerfraktion dem Minister einen unangenehmen Augenblick bereitet. Man dürfe sich also bei den deutschen Genossen, die ja selbst nicht einmal an Organisation von Matrosen oder Marinesoldaten dächten, nicht über ihn, Troelstra. beklagen. ES sei jedoch besser, daS Streikrecht der Be- amten nicht auf das Programm der Partei zu setzen. Denn wenn es jetzt gesetzlich geregelt werden sollte, würde es eher verschlechtert als verbessert werden und in den Beamtenkreisen selber eine Rc- aktion hervorrufen: unter ihnen müsse zunächst sozialvclnokratische Propaganda getrieben werden. Ueber die Stichwahlen sagt Troelstra , die Partei habe in Hollarid ein Stück politischer Macht erobert, das sie nutzen»nüsse, um so viel wie möglich herauszuschlagen. Das sei für ihn bestim- mend. Wer unumwunden für allgemeines Wahlrecht sei, den müsse die S. D. A. P. bei den Stichlrmhlen unterstützen. Die neue Partei sage zwar, das tue die S. D. A. P., weil die neue Partei sie dazu zwinge. Aber die S. D. A. P. habe das bereits 1906 und 1907 ge- tan. Die S. D. P. sage ferner, daß die Liberale Union und der Freisinnig-dennzkratische Bund mit den» allgemeinen Wahlrecht Scheinmanöver aufführen wollen, welche die S. D. A. P. nicht durch- schaue. Daher wolle sie diese beiden Parteien ebenfalls bei den Stichtvahlen unterstützen.(Die S. D. P. will nur diejenigen Kau- didaten unterstützen, die für unbeschränktes allgeineine- Wahlrecht emtretcn. Berichterst.) Man dürfe bürgerliche Parteien nicht erst dahin bringen, einen Programmpunkt der S. D. A. P. anzunehmen und sie dann loslassen; so erziele man keine Erfolge. Nur wenn ein Alt-Liberaler»nit einem Kirchlichen in Stichwahl stehe, könne es der S. D. A. P. gleich sein, wer gewählt werde. In einer Konferenz»nit dem Parteivorstaride wurde die Frage, ob die Partei etlnaS tun oder lassen solle, um eine der bürgerlichen Gruppen ans Ruder zu bringe»», einstimmig derwor fen.(Bei- Jall.) Selbst der Schein irgend eines Bündnisses mit den Frei- innigen müsse vermieden werden und diese müßten wissen, dasi die Partei keinen Finger rühre, um sie an die Regierung zu bringen. In derselben Konferenz wurde die Frage, ob die Partei sich aus Kompromisse zur Erhaltung oder Eroberung von Kammer- sitzen einlassen solle, ebenfalls einstimmig verneinend beant- lvortet,(Beifall.) Damit sei aber die Sache noch nicht erledigt. Der Parteivorstand dürfe nicht, wie in 1005, gebunden sein, son­dern müsse freie Hand behalte,», um von Fall zu Fall zu ent- scheiden. Wenn ein kirchlich-dcmokratischcr Protektionist einem Alt- Liberalen gegenüberstehe, müsse der Parteivorstand entscheiden können, ob oer erstcre. besonders wenn er z. B. ein Arbeiter sei, zu unterstützen oder ob Stimmenthaltung zu empfehlen sei. In Wahlkreisen, wo die Liberalen bei den Gemeinderatswahlen die Sozialdemokraten mit elenden Mitteln bekämpft haben, müßte ihnen das vielleicht jetzt henngezahlt werden. Troelstra erklärt schließlich eine prinzipielle sozialdernokratische Propaganda bei den Wahlen für nötig, um den Arbeitern den Uktterschied zwischen der S. D. A. P. und den bürgerlichen Parteien klar zu machen. (Schluß folgt.) Sikbenter Verbklndstag des Zentralverbandts der SMirntklire nfio. Zweiter LerhandlungLtag. Kassel . 13. April 190V. Zunächst wurde die Debatte über die Berichte deS Haupi- Vorstandes zu Ende geführt. ES sprachen noch 21 Redner. Hagen - Leipzig spricht nochmals zur Frage des KartellvcrtrageS mit den Maurern und erinnert an einen Ausspruch Bömelburgs, nach dem die Maurer auS anderer Leute Haut Riemen schneiden wollen. Dieser habe böses Blut gemacht. H u i s e- Münster sagt. die Arbeitsverhältnisse in seinem Bezirk führten zu unhaltbaren uständen, wenn nicht bald die Verschmelzung eintreten würde. h i e l b e r g- Homburg macht längere Ausführungen zur Ver- schmelzungSfrage und zum Kartcllvertrag. Die Aussicht, nur der Schaffung eines BauarbeitervcrbandeS das Wort reden zu wolle», steht einem Ausweichen ähnlich. Wir müssen zur Verschmelzung kommen, schon der materiellen Vorteile halber. Paeplow spricht auf Gru»»d von Erkundigungen im Zentraldurcau der Maurer nochmals zu den Stuttgarter Differenzen. Die Agitation von Kleiner unter den Gipsern für den Stukkateurverband war ent­gegen den Abmachungen zwischen den Hauptvorständen. Jetzt auf die Stuttgarter Gipser verzichten zu sollen, sei dem Maurervcrband schwer. Der Stukkateurverband trage ein großes Teil Schuld. ES folgen die Schlußworte der Hauptvorstandsmitglieder. danach die Abstimmungen über die zu Punkt 1 vorliegenden An- träge usw. Die bereits mitgeteilte Resolution des Hauptvorstandes, Zlartellvertrag, Verschmelzung und Allgemeiner Banarbeiterverband betreffend, wird mit allen gegen zwei Stinrmen angenommen. Der Antrag Bonn , 1098,61 M. Schulden auS dem Streik von 1906 niederzuschlagen, wird angenommen; dagegen werden ähnliche An- träge von Frankfurt a. M. und Kolmar abgelehnt. Schließlich wird dem Gesamworstand Entlastung erteilt. Zur Beratung steht dann zunächst ein Antrag Düssel­ dorf : a) Die Vertreter de? Hauptvorstandes, Ausschusses und die Gauleiter haben auf den Verbandstagen nur beratende Stimme. b) Beitragserhöhungen, Aenderungen sowie Neuen»- führungen von UnterstützungSeinrichtungen u»»d VerschmelzungS- fragen bedürfen zur Annahme Zweidrittelmajorität. Berger begründet den Antrag; er verzichtet auf den zweiten Teil, nachdem er erste seine Erledigung findet, durch die Abgabe folgender Erklärung: