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Nr.8S. 26. Jahrgang. 1. Keillim Ks ZoNllbtvd, 17. April 1009. Franz8!i!ci)er Parteitag. Dritter Tag. (Fortsetzung.) St. Etienne, 13. April.  (Eig. Ber.) Agrardedatte. Nach HerbZ ergriff I a u r s S das Wort. Er wünscht von Tompsre-Morel Aufklärungen über einige Punkte. Betrachtet er die Lage der Kleinbauern nicht etwas zu pessimistisch? Ich habe nicht den gouvernementalen Optimismus des Ackerbauministers. Wenn aber Herr Ruau zugibt, dah das Bewußtsein, für sich zu arbeiten und andererseits der Maschinismus die Produktion begünstigen, so bieten wir den Bauern beides. Ist aber Compsre- Morels An schauung von der selbstmörderischen Arbeit des Bauern physiologisch und ökonomisch richtig? Ich glaube, die durchschnittliche Lebensdauer ist auf dem Lande länger als in der Stadt. Aber darum bleibt die sozialistische Aktion auf dem Lande doch not- wendig. Die Genossenschaft kann sich der Idee des kollektiven Eigentums immer mehr nähern. Die Bauern werden dazu geführt, nicht ihr Eigentum, aber einen Teil ihrer Vcrfügungsrechte zugunsten einer gemeinsamen Aktion aufzugeben. Eine zweite Frage: Neben dem bäuerlichen Eigentum besteht noch ein anderes. Es ist eine Legende, daß Frankreich   das Land des kleinen Bauern ist. Wenigstens zwei Drittel des Bodens, und gerade der beste Teil. gehört nicht dem Kleinbauern. Soll die sozialistische Partei ihren vollständigen Sieg erwarten, um dem Großgrundbesitz zuleibe zu gehen? In England haben die Grasschaften das Recht bekommen, die großen Eigentümer zu expropriieren, um Bauernschaften zu schaffen. Hier ist eine Lücke im Bericht. Wir dürfen nicht den Großgrundbesitz in Kleiubesitze zer stückeln. Compöre-Morel will die Bauern gegen die ländlichen Kapitalisten, gegen die Zuckerfabrikanten usw. verteidigen. Gut, aber schließen Sie eine schon heute zu verwirklichende Ber- gesellschaftung aus und die Uebergabe an die Gewerkschaften Dieser Kongreß ist nicht ein Abschluß, sondern ein Ausgangs- Punkt für die Erörterung der Landsrage. Wir wollen den trennenden Graben zwischen Arbeitern und Kleinbauern nicht ver- tiefen. In Frankreich   ist die Revolution nicht nur ein Werk des Jndustrieproletariats. Wir hatten eine' Bauernbewegung schon vor der Arbeiterbewegung. Man sieht sie in den Jacquericn, während der Revolution, auch in der Agitatton Baboeufs. Wir müssen unsere Aktion auf dem Lande immer mehr erweitern. Mit den allzu ein- fachen Formeln Herdes kommen wir nicht voran. Wir wollen methodisch vorgehen, mit einer durchdachten, planvollen, in alle Tiefen der Nation eindringenden Propaganda. Der Redner verwirft den Generalstreik nicht, weil sein Hauptpropagandist ihn verraten hat. Wir brauchen handelnde Minoritäten, aber wir müssen die Massen des ganzen BolkM erfassen, durch eine Propaganda, worin sich die Ströme der städnfchcn und ländlichen Forderungen, die Wirt- schaftliche mit der politischen Aktion vereinigen. Wir führen den so oft vom Gutsherrn bedrohten Bauern zur polittschen und sozialen Freiheit.(Lebhafter Beifall.) G u e s d e: Wie kann der Sozialismus ins Landvolk ein- dringen? In bezug auf die Befitzlofen auf dem Lande sind wir ein- mütig. Zu den Arbeitern müssen wir ebenso sprechen wie zu denen der Stadt und ihnen beweisen, daß sie keine Hoffnung in einer Ge- fellschaft haben, wo die Arbeitskraft Ware ist. Dann haben wir ein zlveites Element: kleine Pächter, Teilpächter, Kolonen. Auch sie sind Besitzlose und für sie gelten dieselben Methoden der Propaganda. Der einzige Akt, der ihnen helfen kann, ist die Expropriation der Kapitalistenklasse und die Vergesellschafiung der Produktions- mittel. Das einzige schwierige Problem betrifft das kleine Eigentum. Hier sind Eigentum und Arbeit noch iu einer Person vereinigt, und der Eigentümer ist sein eigener Ausbeuter. Wie sollen wir uns gegenüber diesen 4 Millionen kleiner Besitzer verhalten? Wo das Eigentum der Arbeit nicht ent- rifsen ist, dürfen wir nicht expropriieren. Wir sind gekommen, zurückzustellen, nicht um zu stehlen. Wir müssen dem Bauern sagen: nicht die soziale Revolutton wird dich enteignen, kleines feuilleton. Der Reklamedichter. Herrliche Blüte des Kapitalismus? Der Dichter reist im Auftrag des Unternehmertums. DieBremer Nachr." schreiben: Mit dem ReichSpostdanipferLützow  " hat vergangene Woche Richard Boß die Reise nach Genua   angetreten, um von dort mit der Levante-Linie des Norddeutschen Lloyd   eine Fahrt nach Athen  , Kon- stantinopel und dem Schwarzen Meere zu machen, die er in mehreren Artikeln für dieNeue Freie Presse" in Wien   und zwei größeren Essays für RodenbergsDeutsche Rundschau" zu schildern gedenkt. Die Aufsätze sollen dem Andenken des verstorbenen Herrn General- direktor Dr. Wiegand gewidmet sein und eine Würdigung seiner Verdienste enthalten und werden sicherlich durch farbenprächtige Beschreibung, wie wir sie bei dem berühmten Dichter römischen Landes und Lebens gewohnt sind, in vielen Lesern den Wunsch er- loecken, die Küsten des östlichen Mittelmeeres aus eigener An- schauuug kennen zu lernen, wozu eben die Levante-Linie seit kurzem die beste und bequemste Gelegenheit bietet." Richard Boß, der eine Unmenge schlechter Dramen und wenig besserer Romane veröffentlicht hat, galt bisher immerhin als lite- rarisch einwandfreier Schriftsteller. Sein Uebcrgaug zum Reklamefach beweist aufs neue die skrupellose und kulturfeindliche Rücksichtslosig- keit des Kapitalismus  . Der Dichter schlägt obendrein zwei Fliegen mit einer Klappe. Die eine Fliege ist der verstorbene Scharfmacher Wiegand, der auf diese Weise eine literarische Rettung erfahren soll (er hat sie nötig 1), während zugleich der Norddeutsche Lloyd   eine saftige Reklame im redaktionellen Teil zweier verbreiteten bürger- lichen Blätter erhält.' Leo Tolstoi   über den Beruf des Schriftstellers. In den nächsten Tagen erscheint in Rußland   ein Sammelband, dessen Ertrag den vom Erdbeben in Messina   Betroffenen zugute kommen soll. Viele namhafte russische Schriftsteller haben Beiträge geliefert, und unter anderem soll auch ein Brief von Leo Tolstoi   au den Dichter L. Audrejeff, der ibni seine(imVorwärts" abgedruckte) Erzählung von de» sieben Gehenkten" gewidmet hat, veröffentlicht werden. Tolstoi läßt sich dort folgendermaßen über die Schriflstelletei aus: Ich glaube, daß man erstens nur dann schreiben soll, wenn der Gedanke, den man äußern möchte, einen so stark verfolgt, daß man nicht eher von ihm loskommt, bevor man ihn nicht nach Können und Vermögen ausgedrückt hat. Alle anderen Beweggründe aber Ehrgeiz und besonders die widerlichen materiellen Ursachen können nur die Aufrichtigkeit und den Wert des Schriftstellers beeinträchtigen. Davor soll man sich sehr in acht nehmen. Ein zweiter Unistand, den man oft antrifft und woran besonders unsere zeitgenössischen Schriftsteller oft kranken(die ganze Dekadenz beruht darauf) ist der Wunsch, originell und eigenartig zu sein und den Leser in Erstaunen zu versetzen und zu überraschen. Das hat eine noch größere Bedeutung als jene Nebengründe, die ich vorhin er- wähnte. ES schaltet die Schlichtheit aus, diese ist aber eine un- erläßliche Bedingung des Schönen. Das Schlichte und da-S Un­gekünstelte kann schlecht sein, jedoch das Nichtschlichtc und das Künst- jiche kann nicht gut fein. Ein dritter Umstand ist die Hast beim Schreiben. Sie ist auch schädlich und außerdem ein Zeichen dafür, daß das wahre Bedürfnis, seine Gedanken zu äußern, fehlt. Denn ist ein wahres Bedürfnis vorhanden, so wird der Schriftsteller weder die Mühen, noch Zeit scheuen, um seinen Gedanken bis zur vollen sondern die Konzentration des Kapitals. Wenn wir die Herren sein werden, werden wir dich im Gegenteil von deinen Lasten, den Schulden, den Steuern befreien. Du wirst allerdings, wenn du das Gedeihen des kollektivistischen Eigentums siehst, fteiwillig in den Kreis des Kollektivismus ein- treten. Der Redner glaubt nicht an einen friedlichen Uebergaug zur neuen Gesellschaft. Keine herrschende'Klasse hat freiwillig abgedankt. Je mehr wir aber von der Notwendigkeit der insurrekiionellen Lösung überzeugt sind, desto mehr müssen wir uns hüten, die kleinen Bauern gegen uns aufzubringen. Unsere Bemühungen um den Bauernschutz stehen nicht im Widerspruch zu unserer revolutionären Propaganda und nicht zur gesellschaftlichen EntWickelung. Wir wollen unS dieser nicht widersetzen. Wir glauben nicht, daß große Verstaatlichungsaktionen der Arbeiterklasse und den Kleinbauern nützen, denn diese haben die Kosten zu be- zahlen, und wir haben durchaus keinen Vorteil davon, daß die Macht des Unternehmer- Staats noch erweitert wird. Die sozialistische Partei ist nicht berufen, gefährliche Monopole zu fchaffen, sie soll das Proletariat für die neue Gesellschaft erziehen, die es haben wird, sobald es w i l l. Die zur Rettung der Bauern vorgeschlagenen Reformen halten die EntWickelung nicht auf. Der Zollschutz selbst wird eine revolutionäre Potenz. In fünf bis sechs Jahren wird Frankreich   eine Ueberproduktion von Getreide haben. Vertrauen wir nicht auf Teilreformen, die uns über die sozialen Gesetze der kapitalistischen   Gesellschaft nicht hinaus- beben können. Sonst würden wir Bankrott machen wie die Radikalen. Die Anträge zur Agrarfrage werden einer Kommission zu- gewiesen, die eine Liste von Forderungen unterbreiten soll. Die Einigkeit der Fraktion. ES entspinnt sich eine Debatte über den Fraktionsbericht. Mehrere Delegierte tadeln die Uneinigkeit bei vielen Abstimmungen und besonders, daß einzelne Mitglieder der Fraktion den Kasten mit ihren Abstimmungszetteln unabhängigen Sozialisten überlassen. Es wird eine Resolution beschlossen, die die Deputierten auffordert, die Einstimmigkeit herzustellen und nicht mehr Feinde der Partei für sich stimmen zu lassen. V a i l l a n t erstattet den Bericht über die Tätigkeit des inter  - nationalen Bureaus. Es beginnt hierauf die Verhandlung über die Wahltaktik. Sie wird von Dubreuilh eröffnet, der einen Brief der Exekutivkommission der radikalen und radikalsozialistischen Partei vor- liest, worin Abmachungen über eine gemeinsame Wahltaktik der Linksparteien und die Aufrechterhaltung derrepublikanischen Disziplin" vorgeschlagen werden.(Lärm, Protestrufe.) Breton empfiehlt, wiederholt unterbrochen, die Rückkehr zur republikanischen Disziplin", die dieStärke des Sozialismus" ge- Wesen sei. Er legt eine Resolution vor, die die republikanische Disziplin fordert. Da er sich darauf beruft, ihren Wortlaut zum Teil einem Kompromißvertrage der Nordföderation mit den Radikalen von 1906 entnommen zu haben, stellt D e l o r y fest, daß er und seine Freunde nichts dagegen haben, wenn nach dem ersten Wahlgang solche Kompromisse abgeschlossen werden. Breton wendet sich gegen das Proportionalwahlrecht, für das die meisten Reakttonäre seien. Eine Solidarität mit den Anhängern des Proporzes heißt der Reaktton helfen. Er beglückwünscht das radikale Parteikomitee zu seinem Vorschlag.(Furchtbarer Tumult.) V a r e n n e spricht sich für den Proporz aus, vorläufig aber will er eine Solidarität, wenn auch nicht im alten Sinne der Linksparteien da die Radikalen jetzt ein Kompromiß mit der de- mokrattschen Allianz haben so doch mit den fortgeschrittenen Ra« dikalen. Es bereitet sich die Konstituierung einer republikanischen Opposittonspartei außerhalb der Partei vor, mit der die Partei zu- sammenarbeiten kann. Von den Radikalen müssen wir verlangen: 1. daß sie einen einzigen Kandidaten in jedem Wahlkreis aufstellen, 2. daß sie unzweideutig erklären, wie sie sich im zweiten Wahlgang zwischen dem gemäßigten und dem sozialistischen   Kandidaten ent- scheiden wollen. Bezüglich der Stellung zu den Unabhängigen, deren Unterstützung die Resolution C a m b i e r untersagt, erklärt er, Bestimmtheit und Klarheit durchzuarbeiten. Ein vierter Umstand ist der Wunsch, dem Geschmacke und den Forderungen der Mehrheit des lesenden Publikums zur gegebenen Zeit zu entsprechen. Das ist be- sonoers schädlich und zerstört schon im voraus die ganze Bedeutung von dem, was man schreibt... Vielleicht kann all das Gesagte Ihnen von Nutzen sein. Sie schreiben, daß der Wert Ihrer Werke in der Aufrichtigkeit liegt. Ich erkenne nicht bloß das an, sondern meine auch, daß ihr Ziel gut ist, der Wunsch am Wohle der Menschen mitzuarbeiten. Ich glaube, daß Sie auch in der eigenen bescheidenen Beurteilung Ihrer Werke aufrichtig sind. DaS ist um so besser von Ihnen, weil der Erfolg, den Ihre Werke haben, Sie im Gegenteil veranlassen könnte, ihre Bedeutung zu überschätze». Ich habe Sie viel zu wenig und zu unaufmerksam gelesen, wie ich überhaupt wenig schöne Literatur lese und dafür Interesse habe. Aber nach dem. was ich von Ihren Schriften kenne und soweit ich mich dessen erinnere, würde ich Ihnen raten, mehr daran zuarbeiten und den Gedanken in ihnen bis zur letzten Genauigkeit und Klarheit durchzuführen." Streikende Schriftsteller. Norsk forfatter forening die Organisation der Schriftsteller Norwegens   hat einstimmig be- schlössen, über das im Verlage der Aktiengesellschaft Fabritius u. Söhne erscheinende WeihnachtsheftJul i Norge" die Sperre zu verhängen. So lange der bisherige Disponent, Scheibler mit Namen, die Sache in Händen hat, soll keines seiner Mitglieder Bei­träge für dieses Unternehmen liefern, noch sonstwie sich daran be- teiligen. Die Verlagsfirma behauptet, daß der Beschluß nichts anderes als eine einseitige Sympathicüußerung der Schrift- sleller für ihren Organisationsvorfitzenden Jakob Hilditch sei. der seit drei JahrenJul i Norge" redigierte und dem nun diese Arbeit entzogen worden ist. Jakob Hilditch hat dagegen eine Erklärung veröffentlicht, wonach die Ursache des Streites mit der Firma darin zu suchen sei, daß der Disponent durchaus nicht dafür zu haben war, bei der Zusamnienstellung des Heftes die nötigen literarischen und künstlerischen Rücksichten ivalten zu lassen. Auch der bekannte Maler Erik Werenskiold  , der mit der Leitung des künstlerischen Teiles be- traut war, mußte im vorigen Jahre zurücktreten, weil eS ihm un- möglich war, mit dem Disponenten zusammen zu arbeiten. Die Firma kündigte an, daßJul i Norge" wie früher auch in diesem Jahre in reicher Ausstattung erscheinen werde. Sie rechnet also offenbar mit Streikbrechcrarbeit. Neue Straßenbahnwagen. Die größte Zahl von Unfällen im Straßenbahnbetrieb ist wohl auf das Auf- und Abspringen von den in Fahxt befindlichen Wagen zurückzuführen. Bei neuen Wagen, die seit Oktober vorigen Jahres in Philadelphia   laufen, soll dies auf einfache Weise vermieden werden. Die Wagen besitzen zwei voll- kommen umschlossene Plattformen, die aber ins Wageninnere mit einbezogen sind, sodaß zwischen ihnen und dem Wagen selbst keine Türen vorhanden sind. Die vordere Plattform, auf der sich auch der Führerstand befindet, dient nur zum Aussteigen, die Hintere auf der der Schaffner seinen Platz hat, nur zum Einsteigen. Gezahlt wird nur beim Einsteigen, während man an dem Schaffner vorbeigeht. Bevor sich der Wagen in Bewegung setzt, werden nun die nach außen führenden Schiebe- tiiren beider Plattformen durch Drucklust vom'Wagenführer oder Schaffner geschloffen und gleichzeitig die zu den Plattformen führenden Stufen hochgeklappt. So lange sich nun der Wagen' in Fahrt befindet, bleiben die Türen geschlossen und die Stufen hoch- er stehe ihnen genau so wie anderen Radikalen gegenüber.(Wider« spruch.) In der Nachtsitzung wird Schluß der Debatte angenommen. 39 Redner sind noch vorgemerkt. Vaillant: Ueber den Brief des radikalen Exekutivkomitees werden wir zur Tagesordnung übergehen. Die sozialistische Partei verhandelt überhaupt mit keiner anderen Partei, mögen auch die nationalen und internationalen Kongresse Kompromiffe unter be- sonderen Umständen als Notwendigkeiten des Augenblicks zugelassen haben. Mit den Jnsurrekttonellen will sich der Redner in der Frage, die zur Verhandlung steht, nicht auseinandersetzen. Die sozialistische Partei will am Leben der Nation in allen seinen Formen teil- nehmen, also auch an der parlamentarischen Pottnr. Wie sollen«vir unserer parlamentarischen Attion die stärkste Kraft verleihen? Die eine, von einem Teil der Seine-Föderationen vorgelegte Resolution will die Aufrechterhaltung aller Kandi- daturen im zweiten Wahlgang. Das bedeutet praktisch anti- parlamentarisch handeln. Denn infolge der mangelnden Mittel würden im zweiten Wahlgang die Stimmen für unsere Kandidaten zurückgehen. Wir würden aber auf diese Weise dem politischen Schacher auch erst das Tor öffnen. Die zweite Resolution, die wir wenigstens in ihrem Sinn angenommnn' sehen wollen, fordert die Zurückziehung der Kandidaten, die nicht die relative Mehrheit er- halten haben, im zweiten Wahlgang. Sie steht zum Beschluß von Chalon, der für den zweiten Wahlgang das Interesse der Arbeiterklasse und der Republik   als maßgebend erklärt, nur der Form nach, nicht in ihrem Geist in einem gewissen Gegensatz. Wir glauben, es ist von großer Bedeutung für uns, Wahlsiege zu erringen. Nicht bloß der Zahl der Deputierten wegen. Der Erfolg eines Kandidaten befestigt die Parteiorganisation und gibt der Propaganda neue An- triebe. Wir wollen nicht die in Chalon anerkannte Autonomie der Föderationen aufheben, aber eine allgemeine politische Richtlinie geben. Unsere Resolution präzisiert nur die Idee des Beschlusses von Chalon, daß für unsere Wahltaktik das Interesse der Partei maßgebend sein soll, im ersten wie im zweiten Wahlgange. Es sprechen nun zur Verteidigung der Resolution der Mehrheit der Seine- Föderation mehrereJnsurrektionelle", darunter Frau Dr. Pelletier, die sich u. a. folgende Sätze leistet:, D i e s o« zialistische Partei ist nicht republikanisch, die Frage: Monarchie oder Republik  , ist mir gleichgültig I Wir werden niemals die Republik   verteidigen, denn damit würden wir uns wieder düpieren lassen! Rednerin appelliert an die revolutionäre Kraft der Deklassierten! Ja u r s S will diese Worte nicht ernst nehmen. Dächte die Seine-Föderation wirklich so, wäre das nicht nur eine Gefahr für die Republik  , sondern auch ein Bankrott des Sozialismus.(Leb- hafter Beifall.) Bezüglich der Taktik im zweiten Wahlgang schließt sich der Redner der Vaillantschen Argumentation an. Breton will uns schon heute binden. Das gehl aber nicht. Die politische Situation ist nicht mehr dieselbe wie 1906. Die Lösung des reli- giösen Problems hat die Mauer niedergerissen, die die bürgerliche Linke von den konservativen Parteien schied. Als das soziale Problem in seinen vielen Formen im Vordergrund erschien, wich die radikale Partei zurück. Sie sucht mehr oder minder versteckte Kom- promisse, stellt zweideuttge Kandidaten auf. Darum müssen wir uns begnügen, die einfache Zurückziehung unserer Kandidaten zu be- schließen, ohne den Föderationen das Recht zu nehmen, über die unter den besonderen Umständen erforderliche Haltung selbst zu bestimmen. Aber eine Autonomie, die den Föderationen erlaubte, die taktischen Grundsätze der Gesamtpartei zu verletzen, können wir nicht gewähren. Ueber den Borschlag der radikalen Partei müssen wir zur TageS- ordnung übergehen. In demselben Augenblick, wo diese Partei unS einen Pakt anbietet, schlägt sie ihn auch der demokrattschen Union  vor, die unS in den Bann getan hat. Wir kämpfen allein, aber wir wollen unS nicht selbst isolieren, sondern die Nation erobern. Darum müssen wir aber auch uns selbst treu bleiben und dürfen auf keine zweideutigen Anerbietungen eingehen. Wir kritisieren die radikale Partei, aber wir können unsere Waffen nicht der Reaktton ent- leihen, ohne uns der Gefahr auszusetzen, die Quellen unseres Wachs- tumS zu vergiften. Auch um die Klientel der konservattven Parteien zu gewinnen, dürfen wir keine anderen als unsere eigenen Mittel geklappt, so daß während der Fahrt ein Verlassen oder Besteigen des Wagens ausgeschlossen ist. Humor und Satire. Der Renommist. In einem Winkel, genannt die Butze, Wo allerlei Kram, Der»lichts mehr nutze, Zusammenkam; Bei alten Hüten, alten Vasen, Bei Töpfen, ohne Henkel und Nasen, Befand sich ein Reiterstiefel auch. Jetzt nur»och ein faltiger Lederschlauch. Großmächtig hat er das Wort geführt Und ganz gewaltig renommiert: Ha. damals! Ich und mein Kamerad I Immer fein gewichst von hinten und vorn, Blitzblank der Sporn, Durch die Straßen geklirrt, Alle Herzen verwirrt, ES war ein Staat! Hurra, der Krieg I Maustot oder Sieg l Unser Herr Leutnant, Schneidig, Schwert in der Hand; Doch hätt ich nicht gespornt sein Pferd, Verloren wär die Schlacht von Wörth.- In dem Moment, zu aller Schrecke, Trat plötzlich hervor aus seiner Ecke Ein stranimer Reiterbesen. Hinaus!" rief er.du alter Renommist! Was schert es uns, was du gewesen; Wir sehen, was du bist!" Ein SchubbS. Ein Schwung. Der Stiefel liegt draußen auf dem Dung. (Wilhelm Busch   in der Sammlung nachgelassener Gedichte: Schein und Sein". Verlag von L. Joachim in München  .) Notizen. Die l e i ch t e st e Münze. Aus Paris   wird berichket: Die Tage der kupfernen Sousstücke(zu 5 und 10 Centimes) sind ge- zählt. Die großen braunen Münzen werden eingezogen und an ihrer Stelle werden neue Einsous- und Zweisousstücke ausgegeben, die wohl die leichtesten Münzen der Welt sein werden. Denn die neuen Stücke werden aus Aluminium geprägt. Es fallen für 63 Millionen Fünf- und Zehncentimesstücke ausgegeben werden. Der tiefste See der Provinz Brandenburg  scheint, wie imGlobuS  " mitgeteilt wird, der G r o ß e Stechlin- s e e im Kreise Teniplin nahe der Mecklenburger Grenze zu sein. Dieser 417 Hektar große See besitzt nach den im Mai 1996 aus- geführten Lotungen der Preußischen Geologischen Landesanstalt eine Maximaltiefe von 64,S Meter, übertrifft also den bisher als tiefsten brandenburgischen See bekannten Tschetschsee im Kreise Sternberg um 11,5 Meter und den tiefsten ostpreußischen See, den Wuchsnigse'e um 0,5 Nieter. Unter den norddeutschen Seen gebührt jetzt dem Großen Stechlinsec nach dem Dratzigsee und Schaalsee die dritte Stelle.