Das Resultat dieser Verhandlung war, daß eine Vereinbarungzustande lam, woraufhin die streikenden Kollegen beschlossen haben,den Streik aufzuheben.Hiermit wird die Sperre über die bisher bestreikten Firmen resp.deren Bauten aufgehoben.Die Kollegen werden auf die zum Montag einberufene Ver-sammlung der Bauanschläger(siehe heutige Annonce im„Vorwärts")aufmerksam gemacht.Deutscher Metallarbeiterverband. Ortsverwaltung Berlin.Verein der Bauanschläger zu Berlin.Die Durchführung des Tarifvertrages der Kostiimbranche.In einer zahlreich besuchten Versammlung der KostümschneiderUnd-Schneiderinnen, die am Donnerstag im großen Saale der„Arminhallen" stattfand, sprach Kunze über die Pflichten, dieder Arbeiterschaft der Branche bei der Durchführung des Tarif-Vertrages obliegen. Es sind in den letzten Tagen bei einer großenAnzahl von Firmen Beschwerden über Verstöße gegen den Tarif-vertrag vorgekommen, und bei den Arbeitgebern tauchte hier undda die Meinung auf, daß derartigen Verstößen vorgebeugt wordenwäre, wenn man länger gestreikt hätte, oder daß die Ursache indem Tarifvertrag selbst liege. Der Redner hob demgegenüberhervor, daß solche Beschwerden natürlich erst auftauchen konnten,nachdem der Tarifvertrag eingeführt wurde. Dieses geschriebeneRecht über die Lohn- und Arbeitsbedingungen ist eine Neuerungfür die Kostümbranche und es ist, wie jedes Recht, ein Ausdruckder Macht, die man auszuüben imstande war und ist.Der Redner berichtete ausführlich über die Tarifdifferenzenbei einer großen Anzahl von Firmen der Kostümbranche.In den meisten Fällen ist es durch die Verhandlungenzwischen den Organisationsbertretern beider Parteien gelungen, diebetreffenden Arbeitgeber zur Anerkennung des Tarifvertrages undder Tarifklasse, die für ihr Geschäft maßgebend sein muß, zu ver-anlassen. Ueber die Firma Herpich Söhne mußte jedoch dieSperre verhängt werden. Diese Firma verlangt zuerst, daß fürihre Werkstattarbeiter der Stücktarif gelten sollte, was jedoch nichtzugestanden werden konnte, und als sie sich schließlich zur An-erkcnnung des Wochentarifes bereit finden ließ, wollte sie unbedingtnur den zweiten Tarif zahlen, obwohl für dieses Geschäft nur dieerste Tarifklasse maßgebend sein kann. Da der Schueiderverbandschon früher wegen des Herrenmaßschneidertarifes schlechte Er�fahrungen mit Herpich Söhne gemacht hat, so daß selbst die Arbeit-gebervertreter zugeben mußten, daß diese Firma sich noch nichtzuberlässig genug für ein Tarifverhaltnis erwiesen hat, sah mansich um so mehr genötigt, sie zu sperren.— Was der Redner überdie Differenzen bei verschiedenen anderen Firmen ausführte, zeigtedeutlich, daß manche Arbeitgpber sich durch allerlei„Irrtümer" und„Mißverständnisse" um den Tarif herumzudrücken suchen, zuweilenauch meinen, daß, wenn sie ihre alten Arbeitskräfte entlassen, umandere einzustellen, sie über die Vcrtragspflichten glatt hinwegkommen würden. Das ist natürlich allemal ein verfehltes Manöver�da die Arbeiterschaft der ganzen Branche durch festes Zusammenhalten in der Organisation überall dafür sorgen wird, daß derTarifvertrag unbedingt durchgeführt wird. Im übrigen werdenjetzt durch die Organisation Fragebogen ausgegeben, um genaufestzustellen, ob. überall die festgesetzten Lohn- und Arbeitsbedingungen streng innegehalten werden.— In der Diskussionüber den Bericht wurde von Stückarbeitern Beschwerde darübererhoben, daß der Stückschneidertarif noch immer nicht fertig ist.Es wurde auch eine Firma erwähnt, bei der man versucht, denStückarbeitern den Tarifentwurl�jier Arbeitgeber aufzuzwingenund obendrein nicht einmal die darin aufgeführten Extraarbeitenzahlen will. Demgegenüber bemerkte der Referent, daß jener Stüchschneidertarifentwurf von Arbeiterseite abgelehnt wurde, also keinesWegs Gültigkeit hat. Nachdem nachgewiesen sei, daß tatsächlichschon höhere Preise gezahlt werden, hätten die Arbeitgeber auchschon eingesehen, daß Erhöhungen ihrer Vorschläge notwendig sind.Wenn der Stücktarif nicht gleich bei der Lohnbewegung mit erledigtwerden konnte, so liege das eben daran, daß die Stückarbeiter sichdamals nicht von Anfang an in dem Maße an der Bewegung be-teiligtcn, wie es in ihrem eigenen Interesse notwendig gewesenwäre. Jedenfalls aber werde mit aller Kraft dafür gesorgt werdendaß auch annehmbare Stücklöhne festgesetzt werden.Mittel wird bei der Arbeiterschaft nicht berfangett. Dcktkuör sindAngebote von der Firma Schlägel zurückzuweisen.Zentralverband der Lederarbeiter Deutschlands, Filiale Berlin IIDeutkches Reick).Die Krise im Bildhauerberuf.In unserem von der Maschine revolutionierten neuzeitlichenWirtschaftsleben sind manche Erwerbszweige neu entstanden, mancheHandtverke dagegen völlig verschwunden oder hart bedrängt worden.Auch im Kunstgewerbe machte sich diese umstiirzlerische Tendenz derMaschine mehr und mehr bemerkbar. Namentlich sind es die Bild-Hauer, die bereits seit Jahren mit ständig großer Arbeitslosigkeit zurechnen haben, eine Folge jener allgemeinen wirtschaftlichen Ent-wickeluug. Als nächstliegende Ursache der Umwälzungen im Kunst-gewerbe ist allerdings die neue Stilrichtung anzusehen. Diese aber,„der moderne Stil" benannt, wurde schon unter dem Schlagworteingeführt:„Weg mit allem Althergebrachten! Unser Zeitalter derMaschine muß seinen eigenen Stil haben I"Tatsächlich vollzog sich dann auch der stattgefundene Umschwungunter möglichster Begünstigung von Maschinenarbeiten. Ja, einegewisse Gruppe tonangebender Kunstgewerbler bevorzugte unbedingtMaschmenarbeit und reihte sie unter die dekorativen Mittel desKuiistgcaverbes ein. Mit ihren Experimenten haben dieselben durch-aus keine ungünstigen Resultate erzielt. Das Kunst gewerbebedarf also nicht mehr in gleichem Maße wie früherdes Kunst Handwerks. Der Bildhauerberuf, zu letzteremgehörig, wurde dabei leidtragender Teil. ES wurden Arbeitskräfte überflüssig. Die Arbeitslosigkeit Jiicg enorm und hieltsich auch während der letzten Hochkonjunktur in erschreckendem Um-sänge. Dies ergibt auch sofort folgender Auszug aus der im„Reichsarbeitsblatt" veröffentlichten Arbeitslosenstatistik. Es hattennach derselben Arbeitslose von je hundert beteiligten Personen imJahresdurchschnitt:---- 1904 1905 1906 1907 19081903Der Streik bei der Kirma Gebr. Schlägel.In der Lederfabrik Gebr. Schlägel, Lichtenberg, Röder-straße 25, legten am 2. April fast sämtliche dort beschäftigte Ar-beitcr die Arbeit nieder. Ein neuer Meister, Gottlieb Schuh, ver-suchte Aenderungen zum Nachteil der Arbeiter einzuführen. DieArbeiter wehrten sich dagegen. Sie hatten früher die Arbeit imFarbenhaus im Lohn verrichtet, dann wurde dieselbe im Akkordvergeben und nach der Haut bezahlt. Die Arbeiter im Farbenhaus hatten die Leder, die im Lohn hereingebracht waren, weiterzu bearbeiten, und sie bekamen unter dem alten Meister die Ar-beit nach Feierabend und in den Tagen, wo der Betrieb ruhte, imLohn bezahlt. Ter neue Meister Schuh hatte seine eigenen Ansichten darüber, was alles noch zum„Akkord" gehört. Er ließ dieArbeiter acht Tage lang arbeiten, während die Gelernten feierten,und als die Leute glaubten, einen Lohn von mindestens 24 M. ver-dient zu haben, händigte er ihnen durchschnittlich etwa 5 M. aus.Nun strengten die Arbeiter eine Klage beim GewerbegerichtLichtenberg an, das aber zu ihren Ungunsten entschied. Die Ar-beiter können sich diese Entscheidung nur damit erklären, daß keinFachmann als Beisitzer fungierte, der die Verhältnisse in einerLederfabrik zu beurteilen verstand. Die Firma selbst wollte, trotzder Gerichtsentscheidung zu ihren Gunsten, die Anerkennungder Arbeiter in dieser Sache haben und legte ihnen einenTarif zur Unterschrift vor, nach welchem sie die Arbeit im Farbenhaus nach Feierabend und zwischen den hohen Festen, wenn derBetrieb gewöhnlich 8— 14 Tage ruht, ohne Lohn verrichtensollten. Ferner wollte die Firma 4 Wochen lang vor den Festenden Leuten 5 Proz. ihres Lohnes einbehalten: dieses Geldsollten sie am ersten Zahltag nach den Feiertagen erhalten, scheinbar als Lohn für die inzwischen geleistete Arbeit. Außerdem solltenoch die Regelung der Arbeitszeit, die bisher auf 9 Stunden fest-gesetzt war, wegfallen.— Zugleich wurde der Betrieb einge-schränkt. Wenn vorher 167 bis 200 Häute verarbeitet wurden, sahatten dieselben Leute jetzt nur 100 fertig zu machen; fix verdiente»natürlich sehr wenig. Es wurde ihnen nun zugemutet, daß sie denganzen Tag, trotzdem sie nur 2,50 Mk. verdienen konnten, anwesendsein müßten, widrigenfalls sie sofort entlassen würden. Das konntensich die Arbeiter nicht alles gefallen lassen. Die 24 Leute im Far-benhauS gingen, nachdem sie ihre Arbeit fertig gestellt hatten, heimund erhielten darauf ihre Entlassung. Sie wandten sich an ihrenVerband; es folgten Verhandlungen mit der Firma, die aber resuhtatlos verliefen. Eine Kommission der übrigen Arbeiter des Be-triebes sprach noch einmal bei der Betriebsleitung vor, aber siewurde mit der Drohung abgewiesen, daß jeder, der sich nicht füge,darauf gefaßt sein könnte, in keinem Betriebe Berlins Arbeit zuerlangen. Darauf erklärten sich sämtliche Lohgerber, Zurichter undsäst sämtliche Hilfsarbeiter mit den Gemaßregelten solidarisch undlegten die Arbeit nieder. Die Streikenden erwarten, daß Zuzugvon außerhalb ferngehalten wird. Die Firma inseriert nach ge-lernten Arbeitern für 50 Pf. Stundenlohn, während vorher 55 Pf.bezahlt wurden.Der Verband erläßt noch folgende Bekanntmachung:Achtung, Lederarbeiter, Lohgerber» Zurichter, Hilfsarbeiter!Nachdem die Firma Gebr. Schlägel in Lichtenberg die falscheNachricht verbreitet, daß der Streik beendet ist, machen wir daraufaufmerksam, daß derselbe unverändert fortdauert. Bei demMangel, welcher bei der Firma Schlägel an gelernten Arbeiternbesteht, ist es ja zu verstehen, daß die Firma mit immer neuenTricks arbeitet, um die Kollegen irrezuführen; aber auch diesessämtliche an derStatistik betet-ligten BerufedarunterBildhauer..2.7 2,0 1.51,21.7 8,110,4 9,5 10,19,912,7 16,6Daraus ergibt sich, daß z. B. im Jahre der Hochkonjunktur 1906die Arbeitslosigkeit der Bildhauer achtmal größer war als beisämtlichen beteiligten Berufen im Durchschnitt. Das Jahr 1907weist ein ähnliches Verhältnis auf und auch im Krisenjahr 1908weichen die Zahlen um mehr als das Fünffache von einander ab.ES handelt sich also bei der Arbeitslosigkeit der Bildhauer um eineBerufskrise, die wohl durch die allgeineiue Wirtschaftskrise noch ver-schärft, diese aber nicht zur alleinigen Ursache hat, sondern auf ein-gangS geschilderte Wandlung im Gewerbe begründet ist.— Es ist nurzu natürlich, daß sich unter derart mißlichen Zuständen fortlaufendBerufsangehörige, zumeist nach voraufgegangener wiederholterArbeitslosigkeit von ihrem Berufe abwenden. So auch hier. Nacheiner vorlaufig abgeschlossenen Erhebung stellt die Organisation derBildhauer fest, daß in 57 BerwaltungSstellen 439 Bildhauer gezähltwurden, die sich seit dem Jahre 1907 genötigt sahen, zu einem an-deren alS dem erlernten Berufe Zuflucht zu nehmen; eS sind dies zirka10 Proz. der Mitglieder der Organisation oder zirka 6 Proz. aller Berufs-angehörigen. Und dabei ist die festgestellte Zahl sicher noch nicht voll-ständig. Diese Dezimieruug des Bildhauerberufs ist jedoch noch langenicht zum Abschluß gekommen. Ja, neuerdings wird ihr aus sinanz-politischen Motiven von Staats wegen noch weiterer Vorschub geleistet.Die Finanzklemme, in welche uusere Staatsregierungen geraten sind,ließ Bülow zum Sparen ennahnen. Und wie am besten und erfolg-reichsten gespart werden könne, zeigten die preußischen Minister fürFinaiizeu und öffentliche Arbetten in einem gemeinsam ausgefertigtenSparerlaß, der sich gegen jeden„Luxus" bei der inneren undäußeren Ausschmückung der Baulverke richtet. In Bälde dürstennun die Negierungsbauten auch äußerlich zur Schau tragen, daß ineinem unter den Lasten des Militarismus fast zusammenbrechendenStaatengebilde für das Kunstgewerbe ebensowenig Raum ist als fürVolkswohlfahrt und sonstige kulturelle Aufgaben.Oberschlesssche Vergterroristen.Auf dem Gebiete des Knappschaftswesens spielen sich im ober-schlesischen Industriegebiet Vorkommnisse ab, die die Erregung derBergleute mächtig steigern. Wie die„Breslauer Volksmacht" mit-teilt, wählten die Arbeiter der„Neue Abwehrgrube" in Mikult-schütz den Hauer Janus zum Knappschaftsältesten. Der Mannwurde jedoch schon nach ein paar Tagen entlassen. Auf der„Kar-naltsfreudegrube" bei Beuthen wurde der Hauer Podzinski alsKandidat zur Wahl aufgestellt. Ihm wurde jedoch ein Tag vor derWahl gekündigt, obwohl der Mann bereits fünfzehn Jahre bei derVerwaltung arbeitete. Und da wundern sich die Grubenprotzen,wenn es unter den Arbeitern gärt.Anmaßung über Anmaßung!Wie weit sich die H e r r ena n m a ß u n g versteigt, zeigt eineBekanntmachung auf der Saar- und Moselgrube von Schacht V(Merlenbach). Sie lautet:Bekanntmachung.Der Hauer Weisdörfer, Mathias. M. Nr. 101, und derSchlepper Tyscher, Josef II, M. Nr. 750, sind mit je 2 M. be-straft, weil sie trotz fester Zusage heute von der Arbeit fern-geblieben sind. Ich sehe dieses Versprechen als eine gemeineLüge an.Schacht V, 14. März 1909. Hornberg.Vollzogen: Schmidt.Hier handelte es sich um eine Sonntagsarbeit bezw.Schicht, die zu verfahren die Arbeiter nicht verpflichtet waren. Siehatten nur auf Drängen des Steigers hin zugesagt, konnten aberdann doch die Sonntagsschicht nicht verfahren. Das hatte zur Folge,daß sie mit 2 M. bestraft und durch öffentliche Bekanntmachungals gemeine Lügner bezeichnet wurden. Weiter kann es dreisteHerrenanmaßung wohl nicht mehr bringen. Vielleicht wird mandemnächst auch noch die Prügelstrafe für Arbeiter einführen.JahreZeinkommM eingeschätzt war. Nun haben alle Steuerzahler,die mindestens 800 Kronen Einkommen versteuern, und auch dieFrauen, das Wahlrecht erhalten. Bedingung ist aber, daß dieSteuern auch entrichtet sind. Die Steuerbelastung des Ehemannswird auch der Frau angerechnet. Bisher hatte es dabei zur Aus-Übung des Wahlrechts genügt, daß man zu dem oben angeführtenEinkommen eingeschätzt war, ob man die Steuer wirklich gezahlthotte, danach wurde bei der Wahl nicht gefragt. Die Steuer-zahlungsklausel bringt es natürlich mit sich, daß viele Arbeiter undArbeiterftauen in Zeiten der Wirtschaftskrise und auch infolge vonKrankheit und anderem Mißgeschick ihr Wahlrecht einbüßen. Siehat ferner zur Folge, daß Tausende von Arbeiterinnen und wohlalle Dienstmädchen sowie armen Witwen nicht wahlberechtigt sind,so daß also von einem allgeme'nen Frauenwahlrecht garnicht die Rede sein kann. Für die Provinzgemeinden brachte dieWahlrechtsreform den Fortschritt, daß das geltende Zweiklassen-Wahlrecht im allgemeinen beseitigt wurde, jedoch hat man für dieden Landgemeinderäten übergeordneten Amtsräte ein Privi-legiertenwahlrecht der reichsten Grundbesitzer geschaffen. Außerdemist das Steuerfestsetzungsrecht der Gemeindevertretungen derProvinz eingeschränkt worden. Sodann enthält die Wahlrechts-reform noch eine Verschlechterung: ein mindestens zweijährigerAufenthalt in der Gemeinde ist notwendig, um wahlberechtigt zusein, während bisher ein Jahr ausreichte. Alle die reaktionärenund undemokratischen Bestimmungen des neuen Wahlgesetzes sindlediglich darauf berechnet, das Wahlrecht und den Einfluß desParlaments soviel wie nur irgend möglich einzuschränken.Die Sozialdemokratie hatte trotz aller dieser Einschränkungengar keine Ursache, das Frauenwahlrecht zu fürchten oder gar ab-zulehnen. Ihre Erfolge bei den Kommunalwahlen haben das jaauch deutlich genug bewiesen. Trotz der traurigen Wirtschaftslage,die es so manchem Proletarier unmöglich machte, seine Steuernzu zahlen, und manchen veranlasste, seinen Wohnort zu wechseln,was ja auch den Verlust des Wahlrechts mit sich brachte, hat dieSozialdemokratie in Kopenhagen ihre alte Machtstellung glänzendbehauptet, obwohl sie nun allein und mit rein sozialdemokratischerKandidatenliste in den Wahlkampf zog und das alte Wahlbündnismit den Radikalen, das früher bei den Majoritätswahlen für eineNotwendigkeit erachtet wurde, aufgegeben hatte. In den Provinz-städten wurden auf die sozialdemokratischen Kandidaten nichtweniger als 54 328 Stimmen abgegeben und 265 Sozialdemokratengewählt, womit die Zahl der sozialdemokratischen Mandate sichum 110 vermehrte. Da die Wahlrechtsreform auch das Propor-tionalshstem mit sich gebracht hat, ist das Wahlresultat um somehr ein Beweis für den außerordentlichen Einfluß, den unserePartei in Dänemark gewonnen hat. Die Proletarierinnen habentapfer mitgeholfen, dieses Resultat zu erzielen.Die dänische Sozialdemokratie, weit entfernt davon, dasFrauenwahlrecht zu fürchten oder abzulehnen, hat, als die Regie-rung vor einigen Jahren ihren kommunalen Wahlrechtsreform-entwarf ohne Frauenwahlrecht einbrachte, das Frauenwahlrechtgefordert und das Folkething dafür gewonnen. Das Frauenwahl-recht ist also, wie die„Gleichheit" mit Recht hervorhebt, dankder Initiative der Sozialdemokratie ein-geführt worden. Aber freilich, den Antisozialisten paßt dasnicht in den Kram, daß es just die Sozialdemokratie ist, die überall,ihrem internationalen Grundsatz entsprechend, an der Spitze mar-schiert in dem Kampf für die Gleichberechtigung der Frau, unddarum sucht man immer wieder das Märchen zu verbreiten.unsere Genossen seien Gegner des Frauenwahlrechts.Die Schoßschuhmacher in Würzburg sind in eine Bewegung ein-getreten. Sie haben einen Lohntarif nebst Arbeitsordnung eingereicht. Eine Anzahl Meister sind bereits bemüht, von auswärts Arbeitswillige heranzuziehen, weshalb vor Zuzug gewarnt wird,£liis der Frauenbewegung.Das Kommnnalwahlrecht der Frauen und die Sozial-demokratie Dänemarks.Die„Zeitschrift für Fxauenstimmrecht" brachte in ihrerNummer vom 1. März einen Bericht aus Dänemark, der allerleiunsinniges Zeug über die Stellung der dänischen Sozialdemokratiezum Frauenwahlrecht enthielt. Es wurde darin unter anderembehauptet, die Sozialdemokraten hätten seinerzeit bei der Reformdes Kommunalwahlrechts im dänischen Reichstag geschlossen gegendas Frauenwahlrecht gestimmt, und zwar unter dem Vorgeben,ie könnten nur dann dafür sein, wenn den Frauen zugleich auchdas politische Wahlrecht zuteil werde. Der eigentliche Grund ihrerGegnerschaft sei die Befürchtung gewesen, daß die Wählerinnenantisozialistisch stimmen würden. Die„Gleichheit" hat bereits inihrer Nr. 14 auf diese wie auf andere Torheiten, die jener Berichtenthält, ausführlich geantwortet. Der„Vorwärts" hat schon seiner-zeit ausführlich die Gründe dargelegt, die unsere Genoffen imdänischen Reichstag zwangen, nicht etwa gegen die Einführungdes kommunalen Frauenwahlrechts, sondern gegen eine Wahlrechts-reform zu stimmen, die neben annehmbaren und sehr Wünschens-werten Fortschritten soviel Mängel und selbst Verschlechterungendes Bestehenden enthielt, daß sich ein Sozialdemokrat und ehrlicherDemokrat unmöglich damit einverstanden erklären konnte.In Kopenhagen war das Kommunalwahlrecht bisher darangeknüpft, daß man zu einem Steuersatz für mindestens 1000 KronenHeimarbeiterinnenelcnd in England.In allen Ländern mit kapitalistischer Produktionsweise findenwir in der Hausindustrie die gleiche schrankenlose Ausbeutung vonFrauenkraft.„The Woman Worker" zitierte kürzlich Miß GertrudeTuckwell, die von dem Elend der englischen Heimarbeiterinnenfolgendes erschütternde Bild entwarf:„Ein Gemach dient ihnenals Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Küche, Hospital und Toten-kammer. Dort arbeiten sie Tag und Nacht. Kinder, die spielensollten, arbeiten. Die Krüppel und Idioten werden in das Jochder Heimarbeit gespannt, und Greise, die der wohlverdienten Ruhegenießen sollten, arbeiten. Arbeit liegt auf der Wiege, oft sogarauf dem Bette einer Frau, die erst vor vierundzwanzig Stundengeboren und nun schon wieder nach Nadel und Faden greift; Arbeitliegt auf dem Sarge als Bahrtuch. So arbeiten sie tatsächlich Tagund Nacht für den Bettellohn von 1 Penny(8xh Pf.) per Stunde."Man höre nur: Fertigmacherinnen von Kinderhosen erhalten2 Penny per Paar, wofür alle Nähte fertigzustellen und Taschenund Knöpfe einzunähen sind; für Nadeln und Garn haben dieFrauen selbst zu sorgen. Eine flinke Arbeiterin kann in zweiStunden ein Paar anfertigen. 3 Schilling 9 Pence(zirka 3,80 M.)1per Dutzend werden für Knabenanzüge gezahlt. Blusen, die mit2 Pfund Sterling 2 Schilling(zirka 42 M.) verkauft werden,bringen der Arbeiterin 6 Pence— 50 Pf.� für hübsche Sonnen-schirme werden 6 Pence per Dutzend oder% Penny per Stückgezahlt; Hemdennäherinnen verdienen 10 Pence_ 85 Pf. in14 Stunden, Handschuhnäherinnen 1% Pence— 13 Pf. perDutzend; für das Groß künstlerischer Veilchen werden 7 Pence_60 Pf. gezahlt, für 1 Dutzend Paar Kinderschuhe 1 Schilling6 Pence_ 1,50 M., für gut gearbeitete Kindermützen 3 Pencedas Stück. Mutter und Tochter fertigen 144 Streichholzschachtelnfür 2% Pence an. Im Birminghamer Distrikt verdienen Frauen,die Haken und Oesen auf Karten nähen, 3 Schilling 3lh Pence_3,50 M. per Woche, und hier mußten die Kinder mithelfen, denn— sagte eine Mutter—„man muß sie entweder arbeiten oderhungern lassen."_In Großbritannien und Irland beträgt der Ueberschuß anFrauen 1 070 009 über die Zahl der Männer. 34)4 Proz. allerFrauen sind erwerbstätig. Deutschland mit seinen 37 Proz. undOesterreich mit 40 Proz. erwerbstätiger Frauen haben also dasindustriell so hoch entwickelte vereinigte Königreich hierin über-flügelt._Versammlungen— Beranstaltungem.Berein für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse. Wegen Er-krankung der Schriftstellerin Klara Viebig muß die Vorlesungderselben auf Montag, den 26. April, verlegt werden. DieVersammlung am 19. April findet jedoch statt. Wally Zeplerspricht über das Thema:„Aus der modernen Romanliteratur".Gäste willkommen.Letzte JVacbricbtcn und vepescden.Die türkischen Wirren.Konstantinopel, 17. April.(W. T. B.)j Die Nachrichten überdie jüngsten Ereignisse haben in Erzerum und Trapezuntdie größte Erregung hervorgerufen und stürmische Kundgebungenveranlaßt. Es wurden verschiedene Beschlüsse gefaßt, die ein mili-tärisches Eingreifen gegen Konstantinopcl forderten. Aus Trape-zunt werden auch gegen den Sultan gerichtete Kundgebungen ge-meldet.Gewissenszwang.Frankfurt a. M., 17. April.(B. H,)' Im Vororte Bocken.heim war am 6. März eine dort wohnende Witwe Becker in Haftgenommen worden, weil sie ihre Kinder vom katholischen Re-ligiontznuterrichte fernhielt und in freireligiösen Unterricht schickte.Gestern wurde die Frau zum zweiten Male aus dem gleichenGrunde in dreitägige Hast genommen, da sie auf ihrHr.Weigerung,die Kinder zur katholischen Kirche zu schicken, beharrte. Begründetwird die Haftstrafe mit einer in Bockenheim noch«ültigeu Ber-orduung aus dem Jahre 1726.Pergytw. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Jnjeratentcil vccantw.: Zh. Glocke, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagSgnjtall Paul Singer& Eo..BerlinLVV/■ui vi j:..