Nr. 99.4
Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando! Bierteljährl. 3,30 Mt., monatl. 1,10 M., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntagsnummer mit illustrierter Sonntags Beilage„ Die Neue Welt" 10 Pfg. PostAbonnement: 1,10 Mark pro Monat. Eingetragen in die Post- ZeitungsPreisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien , Dänemart, Holland , Italien , Luxemburg , Portugal , Rumänien , Schweden und die Schweiz .
Ericheint täglich außer Montags.
26. Jahrg.
Die Infertions- Gebühr Geträgt für die sechsgespaltene Kolonel zeile oder deren Raum 50 fg., für politische und gewerkschaftliche Vereinsund Versammlungs- Anzeigen 30 Pig. ,, Kleine Anzeigen", das erste( fettgedruckte) Wort 20 Pfg., jedes weitere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlafstellen- Anzeigen das erste Wort 10 Bfg., jebes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 1hr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.
Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin"
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Mittwoch, den 21. April 1909.
Die Abdankung vollzogen?
Wien , 20. April. Wie der„ Neuen Freien Presse" aus Kon stantinopel gemeldet wird, soll der Sultan gestern abend auf dringende Vorstellungen des gesamten Kabinetts nach anfänglicher Weigerung schließlich in die Abdankung eingewilligt Die Jungtürfen siegen wie sie wollen, und was vor haben, wenn sein Leben garantiert werde. Die aus Salowenigen Tagen ohne blutige Rämpfe, ohne die Schrecken des niki erwartete Antwort dürfte bereits eingetroffen sein und„ beBürgerkrieges unvollendbar schien, scheint ohne nennenswerte bingung 310 3" lauten. Um eine etwaige Flucht des Sultans Opfer Erfüllung zu finden. Die Wiederherstellung der Kon- auf seiner Jacht zu verhindern und um das Leben des Sultans zu stitution ist gesichert und was die Revolution des Juni ver- beschüßen, verbleibt die Flotte vor Beschiktasch. Gestern um säumte, wird jetzt nachgeholt werden: die Männer des 9½ Uhr abends hatte der Großwefir eine 1½stündige Audienz beim alten Regimes, von denen die Jungtürken nur die Ver- Sultan in Anwesenheit des Palastsekretärs. Die Abdankung haßtesten und Storruptesten vertrieben hatten, sollen Abdul Hamids und die Thronbesteigung Reschad nun gänzlich verschwinden. Schien es aber bis in die letzten Effendis dürfte zwischen heute und morgen amtlich verlautbart Stunden sicher, daß an der Spike der zu Beseitigenden der werden. Gefährlichste, Tückischeste und Schuldigste von allen, der„ rote Sultan " Abdul Haniid stehen werde, so machen die letzten
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
sei, allen Verrätern des Vaterlandes, die mit der Verfassung unzufrieden seien, eine endgültige Lektion zu geben. Es seien alle Maßnahmen getroffen worden, um während des Vorgehens der Truppen die öffentliche Ordnung und Sicherbeit zu wahren. Der Aufruf versichert schließlich, daß niemand außer den an den letzten Vorgängen Beteiligten etwas von den Truppen zu fürchten hätte, und fordert die Bevölkerung auf, sich nicht in Schrecken versehen zu lassen. Beide Aufrufe sind in den Straßen als Extrablatt verteilt worden und werden von der Bevölkerung lebhaft besprochen.
Die Haltung der Kammer. der geheimen Sizung soll sich das Haus fhsbesondere mit Konstantinopel , 19. April. Deputiertenkammer. Jn der Frage beschäftigt haben, welche Haltung es dem neuen
Kabinett gegenüber einzunehmen habe. Es herrschte die AnVersöhnlichere Stimmung? sicht vor, das Kabinett aufzufordern, sich zu einem späteren ZeitKonstantinopel, 20. April. Der Salonifier Korpspunkte vorzustellen. In der öffentlichen Sihung wurden weiter Nachrichten seine Abdankung doch wieder zweifelhaft. Wohl kommandeur verhandelt sehr eifrig mit Konstantinopel . Die 35 Telegramme verlesen, in denen erklärt wird, daß das neue ist seine Absehung die Forderung des Heeres wie der Kammer, Stimmung ist seit gestern versöhnlicher, was hauptsächlich Kabinett nicht anerkannt sei, und daß die Truppen und dem alten Ränkeschmied geschähe nur sein Recht, darauf zurückzuführen ist, daß man ein Blutvergießen in bereit seien, nach Konstantinopel zu marschieren. Die Kammer wenn, was ihm die Wiederherstellung seiner unumschränkten Sonstantinopel fürchtet, da dies eine europäische beschloß, die Telegramme dahin zu beantworten, daß kein An= Machtstellung zu sein schien, zum längst verdienten Ver- Intervention herbeiführen könnte. Auch die Idee sofortiger I aß zur Beunruhigung vorliege. Trotz der gegenteiligen hängnis würde. Der grausame Unterdrücker und Verfolger Represalien scheint fallen gelassen zu sein. Dafür besteht man Anregung der Kammer erschienen die Mitglieder des Kabinetts um der nationalen und tonftitutionellen Bewegung müßte unbedingt auf dem Wechsel der ganzen hiesigen 4 Uhr nachmittags im Hause. Die Sibung wurde nunmehr wieder schon zufrieden sein, wenn er als Gefangener der Jungtürfen Garnison . Wahrscheinlich wird man die Wiedereinsehung des für geheim erklärt, damit darüber entschieden werde, ob das das längst verwirkte Leben retten dürfte.. Aber fast scheint Großwesirs Hilmi Bascha und anderer Minister sowie des Programm der Regierung heute entgegengenommen es, daß die Jungtürken vor dem entscheidenden Schritt, der Kammerpräsidenten Ach med Riza und als Satisfattion irgend werden solle. Nach Wiederaufnahme der öffentlichen Sigung wurde vielleicht in der asiatischen Türkei ihrem Regime neue Wider- ein demonstratives Ginrücken der Salonikier und das Regierungsprogramm berlesen. Es besagt, das stände schüfe, selbst jetzt noch zurückschrecken und sich mit Adrianopeler Truppen verlangen. Der Sultan dürfte den Thron Ziel des neuen Kabinetts werde sein, das Scheriagese einem Rompromiß begnügten, das die Macht des Sultans weiter innehaben. Jedoch dürfte seine Stellung noch überall durchzuführen und die Verfassung unbedingt zu weiter einschränkt und ihn zu einem Gefangenen der jung mehr eingeschränkt werden, so daß er ganz unter den wahren. Infolge von Parteitämpfen und Zeitungspolemiken türkischen Regimenter macht. Einfluß des jungtürkischen Komitees und der habe sich die Lage verschlechtert. Schließlich wird dem tiefen Salonifier und Adrianopeler Truppen tommen Bedauern über die Ereignisse in Adana Ausdruck gegeben. Die Kammer beschloß sodann, die Debatte über das Grposé am Sonnabend zu beginnen. Im Senate gab die Regierung dieselbe Erklärung ab.
würde.
Die jungtürkische Armee hat, ohne den geringsten Widerstand zu finden, Konstantinopel auf allen Seiten eingeschlossen, und wenn sie die Stadt selbst noch nicht besezt hat, so nur um abzuwarten, bis ihre Streitmacht groß genug ist, um jeden Versuch eines Widerstandes von vornherein als ganz aussichtslos erscheinen zu lassen. Und alle Anzeichen lassen erkennen, daß ernstlicher Widerstand ihr Köln , 20. April. Die„ Kölnische Zeitung " meldet aus San nicht erwachsen wird. Die Garnison Konstantinopels Stefano bei Konstantinopel : Um 2 Uhr früh befekte ist nicht nur ohne Führung, sondern auch offenbar ohne jede die Vorhut Matri Köi. Alle Forts vom Marmarameer bis Stampflust. In ihr lebt fein gemeinsames Ziel, sie ist nicht zum Schwarzen Meer sind in den Händen der verfassungsfreund beseelt von einem gemeinsamen Wollen und dies macht sie zu lichen Truppen, die konzentrisch auf die Hauptstadt energischer Abwehr gänzlich unfähig. Durch die Agitation vorrüden. Es ist noch ungewiß, wann der Hauptschlag erfolgt. der Reaktionäre war sie zu einer Meuterei verleitet worden, Kein Widerstand der Garnison . deren Zweck sie nicht kannte, deren Folgen sie nicht Köln , 20. April. Wie der Kölnischen Zeitung " aus Konstanbegriff. Jetzt stellt es sich deutlich deutlich heraus, daß tinopel gemeldet wird, scheint die Gefahr eines größeren Zuden Reaktionären zwar ein Handstreich glücken konnte, weil sammenstoßes beseitigt zu sein. Zwischen dem Konstantinopeler sie es verstanden hatten, die Soldaten durch Geld und gute Kommando und den Komiteetruppen wurde eine Abmachung geWorte gegen die Offiziere aufzubringen, daß sie aber weder troffen, daß heute oder morgen die Konstantinopeler Garnison ohne im Volle noch im Heere über den Bereich Konstantinopels Waffen den Komiteetruppen zur Begrüßung entgegenrüden soll. hinaus irgendwelche Machtmittel zur Verfügung haben. Die jung- Die Saltung der Flotte ist zweifelhaft. Die Schiffe im türkische Macht dagegen, die in der Verfügung über das Offizier Bosporus sind in den Händen der komiteefeindlichen Mannforps und der europäisch geschulten Armeekorps besteht, erweist sich schaften. als unerschüttert. So wird denn auch die Kraftprobe, die den Jungtürfen auferlegt ist, nur zu einer Befestigung ihrer Stellung werden, um so mehr, da in dem Zusammenbruch fünfaig Mann aus der Taschtischla- Kaserne mit flingendem der Reaktion auch die liberale Opposition gegen die Jung- Spiel in bester Ausrüstung den mazedonischen Truppen türken hineingerissen werden dürfte.
Die Abdankung des Sultans.
Ein Ultimatum.
entgegen, um sich ihnen anzuschließen. Es ist noch nicht bekannt, welche Aufnahme sie gefunden haben. In der Rammer waren heute vormittag etwa fünfzig Abgeord nete bersammelt. Eine Sibung findet nicht statt. Die gleiche Konstantinopel , 19. April. Die Gerüchte von einer Ab- 3ahl Abgeordneter befindet sich bei den Truppen in San Stefano, dankung des Sultans, die feit Mittag umlaufen, ver- wo in einem Klublokal beraten wird. stärken sich. Es heißt auch, die Truppen hätten an den Sultan Ein Manifest des Oberkommandos.
Desorganisation der Reaktionäre.
Frankfurt a. M., 20. April. Wie der" Frankfurter Zeitung " aus Stonstantinopel gemeldet wird, ist die Gesellschaft Ittihad- i- Mohammed, welcher die Urheberschaft an den jüngsten Unruhen zugeschrieben wird, aufgelöst worden. Der Herausgeber des Blattes„ Vultan" an den jüngsten Unruhen zugeschrieben wird, wurde verhaftet.
Die Opfer von Adana.
London , 20. April. Eine Meldung des Reuterschen Bureaus aus Konstantinopel von heute besagt, daß Konsulartelegrammen zufolge bei den letzten Unruhen in dem Vilajet Adana 5000 Personen getötet worden sind.
Die englischen Schlachtschiffe.
Malta , 20. April. Die Schlachtschiffe„ Canopus" und" Ocean" sowie der Kreuzer Minerva" haben Befehl erhalten. Heute abend nach den türkischen Gewässern abzudampfen. Admiral Curzon Howe befindet sich an Bord der Ocean".
Der neue Finanzreformplan der Regierung.
des
Der in der offiziösen Presse angekündigte Empfang der Abordnungen aus Bayern , Sachsen , Württemberg, Baden und Thüringen , die sich zum Zweck der Ueberreichung von allerlei auf die Reichsfinanzreform bezüglichen Erklärungen und Resolutionen in Berlin eingefunden haben, durch den Reichstanzler hat gestern abend feierein Ultimatum geschickt, abzudanken; der Sultan habe sich an Konstantinopel , 20. April. Der Chef der vor Konstantinopel lichst im Kongreßsaale des Reichskanzlerpalais stattgefunden. Nachdie französische und englische Botschaft um befindlichen mazedonischen Truppen, General Husni dem die meist von hohen Staatsbeamten, Universitätsprofessoren, Schutz gewandt. Niazi Bey soll an den Thronfolger, Bascha, erließ an die Garnison Konstantinopel einen Aufruf, Geheimen Kommerzienräten, Oberbürgermeistern usw. geführten Prinzen Res chad, telegraphiert haben, sich bereitzu- worin er erklärte, daß das zweite und dritte Armeekorps vor Deputationen sich eingestellt hatten, betrat mit hoheitsvoller halten. Die Jacht des Sultans soll unter Dampf zur Abreise Stonstantinopel angekommen feien, um die Verfassun für Miene der Reichskanzler den Saal, begleitet von seinem bereit liegen. Nach Schluß der Kammerfißung berieten die alle gutunft zu sichern, die Ruhe und Ordnung hieber- Stab", dem Staatssekretär des Innern Dr. v. BethmannMinister über die Lage; möglicherweise findet in der Nacht ein herzustellen und die Anstifter der lebten Unruhen au Hollweg, dem Staatssekretär zweiter Ministerrat statt, um die weitere Regierungs- bestrafen. Die Belagerungstruppen fordern daher, daß alle dem baherischen Legationsrat Freiherrn b. Grunelius, dem Reichsschazamts Sydow, fähigkeit des Sultans zu prüfen, und vom Scheit ül Mannschaften der Garnison der Hauptstadt in Gegenwart des sächsischen Staatsminister Grafen Bigthum v. Edstädt, dem württemb. Islam ein Gutachten hierüber zu erwirken. Scheits ul Jslam sowie ihrer Kommandanten auf den Storan einen Ministerialrat Schleehauf, dem badischen Gesandten Grafen v. Berd Paris, 20. April." Newyork Herald" meldet aus Konstanti feierlichen Schwur ablegen, wonach sie den Befehlen ihrer heim, dem Großh. fächs. Ministerialdirektor Dr. Nebe, dem baher. nopel, das jungtürkische Komitee habe an den Sultan in Vorgesetzten blind gehorchen und sich für die Zukunft nicht Staatsrat Ritter v. Burkhard, dem Koburg- Gothaischen StaatsForm eines Ultimatums ein Telegramm gesandt, worin er mehr in die Politit mischen werden. Der Schwur soll minister Dr. v. Bonin- Brettin, dem Unterstaatssekretär v. Loebell, als Meineidiger behandelt wird. Man forderte ihn auf, an einem Tage von der gesamten Garnison abgelegt werden. Die dem Geheimen Regierungsrat Bahnschaffe, abzudanken. Der Sultan kehrte hierauf nach dem Vildis- Mannschaften müssen sich ferner verpflichten, der Wiederein. v. Kemniz und dem Hauptmann v. Schwarztoppen. dem Legationsrat palast zurück und hielt mit seiner Umgebung eine Besprechung ab. setung aller Offiziere und unteroffiziere in Er soll beschlossen haben, abzu danken und Konstanti bie Stellen, die sie vor dem Aufstand innehatten, einen Wider nopel zu verlassen. stand entgegenzusehen. Als zweiten Puntt verlangt der Aufruf, daß die Soldaten der Hauptstadt sich nicht um die Maßregeln zu kümmern haben, welche die Belagerungstruppen zur Be= strafung derjenigen treffen werden, welche das Vaterland in Gefahr gebracht haben. Die Soldaten müssen sich endlich verpflichten, die Namen aller der Personen anzugeben, die sie zum Aufruhr angestiftet haben. Der Aufruf schließt, wenn diese Forderungen erfüllt würden, und die geParis, 20. April. Wie die Agence Havas" aus Konstanti- samte Garnison während des Vorgehens der Belagerungstruppen nopel meldet, besprach der Sultan heute vormittag die Lage mit Tewfit und Hilmi Pascha , bot letterem das Portefeuille des Großwesirs an und versprach, alle für die Verfassung geforderten Garantien zu geben. Es heißt, Tew fit Boiga habe demissioniert.
Die Abgeordneten fordern die Abdankung. Konstantinopel , 20. April. Die bei den Truppen in San Stefano befindlichen Abgeordneten beschlossen, eine Deputation an den Sultan zu senden, um ihn zur Abdankung zu veranlassen.
Neue Versprechungen.
passiven Gehorsam zeige, dann werde den Mannschaften nichts geschehen.
Zugleich erließ General Husni Bascha einen zweiten Aufruf an die Bevölkerung der Hauptstadt, worin erklärt wird, der Zweck der Ankunft der mazedonischen Truppen
Nachdem die Deputationen und ihre Sprecher dem Reichskanzler von dem Unterstaatssekretär v. Loebell borgestellt worden waren, nahm der Unterstaatssekretär Prof. Dr. v. Mahr für die baherische Abordnung das Wort zu einer Ansprache. Er sagte nach dem offiziellen Wolffschen Bericht:
Ew. Durchlaucht bitte ich, den mit zahlreichen Unterschriften Münchner Mitbürger ausgestatteten Aufruf an den Reichstag über die Finanznot des Reichs überreichen zu dürfen.
Als
Ich darf wohl sagen: Wir, die Unterzeichner des Aufrufs aus München , sind auch eine Gruppe von Interessenten, wenn auch eine anders geartete, als die sonstigen besonderen Interessentengruppen. Wir sind Vertreter des allgemeinen nationalen Interesses an geordneter Haushaltungsführung des Reiches. solche sind wir Interessenten, die keine Organisation haben, die aber die Not des Augenblicks in patriotischem Empfinden und Pflichtgefühl zufammengeführt. Wir bertreten Die ber schiedensten Stände und Berufe, das Bürgertum im allgemeinen,