«Am DienZkag fjat Fürst BüloE geredet, woylöoe« bereitet, vor feierlichem Um st and. Er bittet seine guten Freunde, er ruft ihnen seine Liebesdienste in Erinnerung, er fleht förmlich; er will ihnen nichts ab- trotzen, gewiß nicht; wenn sie durchaus die Nachlaßsteuer ver- werfen, nun gut, er gibt nach, er begnügt sich mit der Erbanfall st euer, trotz der schriftlichen Erklärung dcS Reichsschatzsekretärs, daß die Nachlaßsteucr„eine conäitio sine gua non für das Zustandekommen der illeichsfinanzreform bildet". So weit werden sie ihm doch entgegenkommen, daß sie die g o l- d e n e Brücke, die er ihnen zum Rückzug gebaut hat, betreten werden, ihm nicht weitere Schwierigkeiten bereiten, nicht ein kaudinisches Joch vor ihm aufrichten? Eine Liebe ist der anderen wert. Er hat ihnen seine Liebe genugsam bewiesen, mehr als genugsam! Und drei Viertel der ganzen Landwirtschaft wären schon von der Nach- laßsteuer frei geblieben, noch weit mehr von der Erb- anfallsteuer. Kann man mehr für die Agrarier tun?" Die Agrarier sind eben keine Blockfreisinnigen! Sie vertreten ihre Interessen mit der äußer st en Rück- s i'ch t s l o s i g k e i t. Wenzr sie dabei den Freisinn ebenso' uichtachtend behandeln wie die Necfierung, so hat das der Freisinn durch sein Bauchratschen vor den Konservativen ehrlich verdient. Ueberhaupt ist es bezeichnend, daß der Freisinn, selb st das„Berliner Tageblat t", die ganze Finanzreform von dem Zustandebringen der Erb- anfallsteuer abhängig machen, als ob nicht die Llufbringung der 4l)l1Millionen indirekter Steuern er st recht für den Freist n'n ein Stein des Anstoßes und eine Blockgefahr !>ätte bilden müssen! Die von der Regierung der besitzlosen Masse zugedachte ungeheure Steuerausplünderung regt aber unseren Freisinn viel weniger auf als das liebens- würdige Ansinnen der Konservativen, beim Aufbringen des kleinen Bruchteils direkter Steuern dem mobilen Kapital .den Vortritt zu lassen!__ Zum 1. IM Wi-d-r naht der Maiiag, an dem ein Beschluß der roten Internationale die klassenbewioßten Proletarier aller Länder zu- sammenrust zu einer gemeinsamen Kundgebung für den Acht- stundentag. für den Völk-rfrieden. für alle großen Forderungen des proletarischen EmanzipatimiskampfeS. Ader hat sich die Feier nicht überlebt? Sind solche inter» nationale Demonstrationen noch zeitgemäß? Ist es nicht nützlicher, die dazu erforderliche Zeit und Kraft zu verwenden für praktische Arbeit im gewerkschaftlichen Leben oder im Getriebe der Politik? Es gibt Parteigenossen, die solche Ansichten vertreten, die der Maifeier den Garaus machen möchten, die die Pflege eines großen idealen Gedankens für eine höchst unpraktische Zeitvergeudung halten. Und doch war Wohl die Maifeier nie zeitgemäßer, tue im besten Sinne so sehr eine praktische Tat als gerade jetzt. Was ist denn der Zweck dieser Kundgebung? Sie soll alle Proletarier, Männer und Frauen, alle, die dem Weckruf der Sozialdemokratie zugänglich find, herausreißen, wenn auch nur ür einen Tag, aus dem Alltagsgetriebe, ihre Blicke lenken auf ie großen gemeinsamen Ziele der Menschheitsbefreiung, auf die Ausmerzung jeder Art von Knechtschaft und Ausbeutung, ans die Sozialisierung der gesamten Wirtschafts-, Staats- und Gesell- schastsordnung. Sie erstrebt diese Entflammung der kämpfenden Proletariermassen für ihre großen Ziele nicht zum wenigsten auch dazu, daß sie sie geschickter, frischer und tatkräftiger macht für die praktische Kleinarbeit, die Tag für Tag ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und die doch ihr Sehnen und Streben nicht voll befriedigen kann. Lohnt diese doch immer nur mit kleinen Borteilen, und auch mit diesen häufig nur vorübergehend. Da erleichtert der Hinblick auf das ideale Ziel die Ueberwindung der Hindernisse aus dem mühsamen Wege. Er belebt die Zuversicht auf den endgültigen Sieg. Und ist dies nicht in dieser Zeit gerade doppelt notwendig? In dieser Zeit, da eine weltumspannende Wirtschaftskrise mit allen ihren Folgeerscheinungen die kapitalistischen Länder verheert und schweres Ungemach über die Opfer des Kapitalismus, die ent- rechteten Proletarier, verhängt? Die Unternehmer schöpfen aus dem zeitweiligen Anschwellen der Arbeitslosenheere während der Krise den Mut zu Vorstößen gegen die Lebenshaltung der arbeitenden Proletarier. Ucberall hört man Klagen über Kürzung der Löhne und Verlängerung der Arbeitszeit. Ist es da nicht hervorragend zeitgemäß, allen Ar- beitern in Erinnerung zu rufen, daß der Achtstundentag die wichtigste GegenwartSsorderung ist, die von den proletarischen Klassenkämpfern erzwungen werden muß in allen kapitalistischen Ländern? Fast jede Woche bringt neue Offenbarungen über Zusammen- schlüsse der Ausbeuter zur wirksameren Knechtung der Arbeiter. Die Kraft der Unternehmerverbände gegenüber den Einzelorgani- sationen der Arbeiter steigt in vielfachem Maße von Tag zu Tag. Jüngst erst haben wir in den Enthüllungen über die Verschwörungen der Gruvenbarone einen neuen Beweis dafür erhalten, wie die kapitalkräftigen Ausbeuter es verstehen, die Staatsbeamten zu ihren Handlangern herabzuwürdigen. Die arbeiterfeindlichen Unternehmerorganisationen wachsen bereits über Stadt und Staat hmaus zu internationalen Verbänden. Und da sollte es nicht mehr zeitgemäß sein, die kämpfenden Proletarier wie mit weithin durch alle Lande schallendem Glocken- klang zusammenzurufen zum internationalen Zusammenschluß, zur gemeinsamen Weihe für den einen großen gemeinsamen Kampf gegen die vereinigten Scharen des gemeinsamen Feindes? Und sind etwa die Zeiten so friedensgewiß, daß es nicht mehr nötig ist, die Proletariermassen zu mahnen: ihr habt Hüter zu sein des Friedens, Herolde der Völkerverbrüderung? Jnteressenkämpfe gewaltigster Art entfesselt der Kapitalismus . je kräftiger er sich entfaltet, je mehr er alle Länder der Erde hinein- reißt in sein Getriebe. Nicht nur in den Formen friedlicher Handelskonkurrenz streiten sich die herrschenden Klassen der ver- schiedenen Nationen um die Beute. Die kriegerischen Adachtmittel der Staaten suchen sie sich dienstbar zu machen, um in blutigem Vülkerringen dem Gegner die Ausbeutungsgebiete zu entreißen, mag darüber Kultur und Menschlichkeit rettungslos in die Brüche gehen. Was ficht es die Kapitalistcnklasse an, wenn ihre Habgier Millionen in dauerndes Unglück stürzt, sofern nur augenblicklich iihre eigenen Profite steigen! Alle Zeichen der Zeit deuten auf neue kriegerische Erschütterungen in der Welt. Nur in der Macht und dem Einfluß der Prvletarierklasse beruht die Hoffnung auf Erhaltung des Welt- friedens. Jüngst erst haben die Verhandlungen im deutschen Reichstag bewiesen, daß auch in Deutschland Regierung und herrschende Klassen steuerlos hineintreiben in kriegerische Ver- Wickelungen. Nur die Sozialdemokratie hat sich eingesetzt für eine internationale Verständigung über Einschränkung der See- Rüstungen. � � Und wie in Deutschland , ist es überall in der kapitalistischen Nie war es notwendiger für das Proletariat, einmütig am U. Mai seine Stimme für den Völkerfrieden zu erheben, als jetzt itn der Periode der skrupeUosen Weltpolitik der gepanzerten Faust. So wird denn die zwanzigste Wiederkehr der Maiseier wiederum Zeugnis dafür ablegen, wie hochwichtig und bedeutsam sie ist: als ein Protest gegen die Rechtlosigkeit der Aokksmassen, deren Leben der Raubgier einer herrschenden Klasse preisgegeben ist. und als Demonstration für den Völkerfriedcn. der nur er- rungen werden kann durch die sozialistische Internationale. («Neue Zeit,") Die tiilMhe KooMtuaute. Kammer und Senat sind zu einer gemeinsamen Sitzung in San Stefano zusammengetreten und haben sich als? Nationalversammlung in Permanenz erklärt. Die Revolution im Juli hatte nur die Wiederherstellung der Verfassung zum Ziele, die von Abdul Hamid zwar suspendiert, aber nie aufgehoben war. Mit der Erfüllung dieser Forderung schien die Legalität für das erste her- gestellt und der lveiteren EntWickelung konstitutionelle Bahnen vorgezeichnet zu sein. Die Meuterei der Soldaten machte der konstitutionellen Illusion ein Plötz- liches Ende und zwang die Jungtürken zu neuem Kampf. Unter dem Schutze der Revolutionsarmee hat sich das privilegierte Zweikammersystem in eine revolutionäre Körperschaft verwandelt. Denn die Konstituierung ais permanente Nationalversammlung bedeutet, daß alle gesetzgebende und aus- führende Gewalt in die Hand dieser Versammlung gelegt ist. die das Revolutionsrecht für sich in Anspruch nimmt, über alle Fragen der Verfassung und damit über die Staatsform und die Person des Herrschers selbst aus eigener Macht- Vollkommenheit zu entscheiden. Sie ist der einzige Souverän und nur sie selbst kann das Recht der Souveränität von sich auf den Herrscher übertragen. Die türkische Nationalversammlung hat auch nicht ge- zögert, von ihrer Macht Gebrauch zu machen. Mit 150 gegen ö Stimmen hat sie die Absetzung des Sultans be- schlössen. Damit schien das Schicksal Abdul Hamids besiegelt. Zwar ist zur Absetzung des Herrschers, des Kalifen und „Beschützers des Glaubens" auch die Zustimmung des Scheich ul Islams, des obersten geistlichen Würdenträgers nötig; aber der Scheich gilt als Parteigänger der Jungtürken und wäre selbst dem nicht so, religiöse Zweifel hoher Geistlicher pflegen Argumenten die übennächtige weltliche Gewalt unter- stützt, selten standzuhalten. Aber ein Parlamentsbeschluß ist Papier und die Macht liegt bei der Armee und ihren Führern. Diese führen die Verhandlungen und das Parlament hat nur gutzuheißen, was jene beschließen. Es handelt sich ja nicht um eine Erhebung der breiten Volksmassen, deren Macht im Parlament in Er- scheinung träte, sondern um eine Erhebung der Offiziere, bei der die Massen bisher passiv geblieben sind. Für die Heer- führer ist aber die Hauptsorge, sich Konstantinopels ohne Schwertstreich zu bemächtigen, um eine Intervention zu ver- meiden. Noch aber sind gegen 5000 Iildizsoldaten dem Sultan treu und wenn diese auch nur ein Fünftel der Zahl der Belagerer bilden, so sind sie stark genug, um den Jung- türken ein gewaltsames Vorgehen bedenklich zu machen. Noch schwerer mag aber die Sorge die Jungtürken drücken, wie die Kunde von der Beseitigung des Sultans in den Gebieten Kleinasiens aufgenommen wird, wo der jungtürkische Ein- fluß gering ist und auch die Macht der Zentralgewalt von jeher versagt und die Wirren der letzten Wochen ohnehin alle Schrecken des Bürgerkrieges entfesselt haben und die fremden Kriegsschiffe schon bereit sind, Truppen zu landen. So erklärt sich das Zugeständnis der Jungtürken und die Unentschiedcnheit ihrer Haltung. Auch der Beschluß der Nationalversammlung, den Sultan abzusetzen, scheint, wenn er überhaupt wirklich gefaßt wurde, was durchaus nicht sicher ist, nur als Drohung gegen den Sultan ausgenützt zu werden. Zumindestens berichten die letzten Depeschen, daß ein neuer Umschwung eingetreten, neue Versuche der Verständigung mit dem Sultan unternommen werden. Sicher ist, daß der Einmarsch der Truppen in Konstantinopel noch nicht erfolgt ist und daher die Entscheidung wieder hinausgeschoben ist. Wie sie schließlich fallen wird, ob die Jungtürken einmal im Besitz von Konstantinopel , nicht doch der Regierung Abdul Hamids ein Ende machen werden, muß abgewartet werden. Die Nationalversammlung. Konstantinobel, 23. April. In der Sitzung der National- Versammlung, die mit ISN gegen 8 Stimmen die Absetzung des Sultans beschloß, waren etwa 220 Deputierte und 19 Senatoren anwesend. Die Hauptfrage ist jetzt, ob der Scheich ul Islam sein Fetwa erteilt-; die Nachrichten über seine Haltung lauten widersprechend. Wie es- heißt, war bis zum Er- scheinen der Kriegsflotte die Stimmung der Versammlung für den Sultan nicht ungünstig; sie schlug aber um auf die Nachricht, daß dieMarinederFreiheitsarmecsichanschließc. Ein großer Teil der Garnison von Konstantinopel verweigert den von der jnngtürkischen Armee geforderten Eid. Der Thron- folger Reschad soll sich an Bord eines Kriegsschiffes vor San Stefano befinden. Der Frertagsgottesdienst. Konstantinopcl, 23. April. Der heutige S e l a m l i k verlief normal und ohne Zwischenfall, nur waren bei demselben weniger Truppen als sonst anwesend. Es waren nämlich außer den Truppen der zweiten Division, welche die Dildizbesatzung bildet, ausgerückt noch Marinctruppen, Kavallerie und eine Kam- pagnie der Salonikier Jäger, letztere jedoch nicht mit ihren Offi- zieren. Der Sultan wurde, wie immer, mit Zurufen be- grüßt. Stimmungsumschwung. Konstantinopel . 23. April. Bei dem heutigen Selamlik teilte der G r o ß w e s i r den anwesenden Diplomaten mit, es sei ein Telegramm aus San Stefano von dem Präsident en der Nationalversammlung eingelaufen, das treue Ergeben- heit gegenüber dem Sultan versichert. Ferner teilte Marschall Kamphoevener Pascha den Anwesenden im Namen des Sultans mit, der Kommandeur des ersten Korps Mahmud Schewket habe telcgraphisch sein Erstaunen über die Gerüchte aus- gedrückt, die mazedonische Armee sei gekommen, um den Sultan abzusetzen. Der Zweck des Vorgehens der Armee sei nur die Wiederher st ellung der Ordnung und die B e- st ras un g der Anstifter der letzten Unruhen. Wie es zur Wendung kam. konstantinopel , 23. April, 4 Uhr nachmittags. Eine Pro- klamation an das Volk und eine Mitteilung an die Bot- schaften werden erwartet. Zur Aufrcchterhaltung der Ordnung soll hier das Standrecht proklamiert werden. Die Wendungzugun st en desSultans soll der hiesige Korps- kommandant Nazim Pascha, welcher heute früh nach San Stefano fuhr, dadurch herbeigeführt haben, daß er auf den Geist und die Disziplin eines Teiles der Truppen der hiesigen Garnison sowie auf die Stimmung des Volkes hinwies, welche noch für den Sultan sei, weshalb ein Blutver- gießen zu befürchten wäre. Die Diplomatie ist über diese Wendung sehr erstaunt. Die weitere EntWickelung bleibt abzuwarten. Neue Verhandlungen. Konstantinopel , 23. April. Im Hauptquartier der Jungtürken ertvartete man für heute den General Nazi« Pascha. Der Kommandeur von Konstantinopcl hatte bisher jede Mission für Unterhandlungen abgelehnt. Da er dieselbe jetzt annimmt, besteht die Hoffnung, daß die gestern abgebrochenen Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Die Stärke der Operationsarmee beträgt heute mit Sicherheit 25 009 Mann. Sie entwickelt vollste Tätigkeit. Ucber ihre Pläne bewahren die Offiziere da» strengste Geheimnis. Tie Forderungen an den Sultan . Konstantinopel , 23. April. Der Großwesir empfing heute mittag ein vom Präsidenten des Senats, dem Präsi- denten derKammer und Gazi Mugdar Pascha unter- zeichnctes Telegramm aus San Stefano, welches besagt: Die Nachricht von dem gestrigen geheimen Votum der Kammer ist falsch. Die Kammer und die Armee verlangen die Ent- waffnung der Garnison Konstantinopels , dringende B c- st rasung der Schuldigen, Aufrechterhaltung der Ordnung in der Stadt und gewissenhafte Befolgung der Verfassung. Wenn der Sultan diese Bedingungen akzeptiert, seien sie bereit. ihm die Treue ferner zu bewahren. Dieses Telegramm sowie das Telegramm des Generalissimus der Jungtürken Mahmus Schewket Pascha an den Kabinettsches bilden das allgemeine Tages- gespräch. Sie sind wieder ein Beweis von unerwarteten Ereig- nisscn, worauf man hier immer vorbereitet sein muß. Inwieweit die gestellten Bedingungen angenommen und ausgeführt werden, muß sich bald erweisen. Die Proklamation. Konstantinopel , 23. April, 7% Uhr nachmittags. Soeben er- scheint eine Proklamation des Kommandeurs der mazedonischen Truppen. Die Proklamation dementiert kategorisch das Gerücht, daß die Armee gekommen sei, um den Sultan abzusehen und er- klärt, daß, wenn derartige Vorkommnisse sich unter den Truppen wiederholen, die Anstifter die volle Verantwortung werden tragen müssen. Die jungtürkische Taktik. Frankfurt a. M.» 23. April. Einer der Generäle im Hauptquartier zu San Stefano hat dem Korrespondenten der „Frankfurter Zeitung " erklärt: Man zeigt Ungeduld, weil wir nicht schneller operieren, unsere Aufgabe verlangt aber, daß wir vorsichtig zu Werke gehen und jeden noch so kleinen Miß- erfolg vermeiden, der von unabsehbaren Rückwirkungen begleitet sein könnte. Wir wollen den Bruderkrieg nicht provo- zieren, sondern verhüten. Bei uns befmdet sich die ganze Intelligenz des Lande?; sie muß den Kampf gegen Unwissenheit und Roheit, die von Dunkelmännern ausgenützt werden, aufnehmen. Unser Sieg ist nicht zweifelhaft. Es wird dem Sultan nicht gelingen, die Räder der Weltgeschichte zurückzu- schrauben: es mag ein gewisser Heroismus und eine gewisse Tragik in seinen letzten Versuchen liegen, aber die Räder werden ihn zermalmen. Die heutige Sitzung. San Stefano, 23. April, 5 Uhr nachmittags. Um 10 Uhr vor- mittags trat die Nationalversammlung zu einer ge- Heimen Sitzung zusammen, welche noch fortdauert. Die Räumlichkeiten, in welchen die Versammlung tagt, werden in weitem Umkreis streng bewacht. Der Sultan angeblich geisteskrank. Konstantinopel , 23. April. Wie der„Courier d'Orient" angcb- lich auf Grund verläßlicher Jnforwationeu wissen will, habe die Gesundheit des Sultans unter dem Eindruck der letzten Ereignisse stark gelitten. Der Sultan leide an Gehirn st örungen, was die Aerzte sehr beunruhige. Diese Meldung scheint a b s i ch t° lich lanciert zu sein. Die Flucht der Prinzen. Konstantinopel , 23. April. Sämtliche Prinzen und Prinzessinnen haben bereits vorgestern in aller Heimlichkeit den Dildiz verlassen. Prinz B u r h a n E d d i n, der Lieblings- söhn des Sultans, der an den letzten Vorgängen nicht unbeteiligt sein soll, wurde in den Palast einer seiner Schwestern gebracht und soll von da M einem Schiff geflohen sein. ßalmnlu rcdivivus. Paris , 18. April. (Eig. Ber.) Mit seinem unverwüstlichen Optimismus hat Jan res in Saint-Etienne von H e r v e s„insurrektioncllen" Bestrebungen als von einer Kinderei gesprochen, die mit dem Wachstum der Partei verschwinden werde. Ob Parteitage wie der von Saint-Eticnnc, der nach ermüdenden, immer wieder ins persönliche Gezänk der-' fallenden Debatten wie das Hornberger Schießen ausgegangen ist, dem Wachstum der Partei und damit der Ueberwindung jener „Kindereien" nützen, scheint sehr fraglich. Vorläufig scheine» diesen noch EntwickelungLmöglichkeiten gewährt, die den Leuten, die schon in der bloßen formalen„Einigung" der sozialistischen Parteien eine Bürgschaft für ein ungestörtes Fortschreiten der Arbeiterbewegung sehen, Ueberraschungen unerfreulicher Art be- reiten werden. Um der„Einigkeit" willen— und auch aus Gründen einer Gleichgewichtspolitik innerhalb der Partei— hat man die Elemente geschont, die den Parteiboden, sei es von der bürgerlich-radikalen, sei es von der anarchistischen Seite her, unterminierten. Während aber der klägliche Zusammenbruch des Rcwikalismus die Bemühungen der Breton und Genossen vereitelte und diese darauf verwies, sich mit provokanten Kundgebungen ihrer Disziplinlosigkeit zu begnügen, wuchs die anarchistische Eiter- beule im Parteikörper immer mehr an. Auf dem Parteitag in Saint-Etienne war die Seincföderation durch eine„insurrektie- nclle" Mehrheit vertreten und der größere Teil der Minderheit gehörte den-Syndikalisten an, denen freilich vor den Geistern, die sie gerufen haben, schon recht bange geworden ist. Die„insur- rektionelle" Taktik aber, die auf die gemeinsame„Aktion aller Revolutionäre" hinarbeitet, führt notwendig zur Auflösung der Parteiorganisation. Syndikalismus und Neu-Blanquismus münden in den offenen AanarchismuS. Die geeinigte Partei ist nicht der einzige Organismus, den die Krankheit ergriffen hat. In der Arbeitskonföderation tritt sie nicht minder heftig auf. Die anarchistische Demagogie fühlt sich nun stark genug, die syndikalistische Maske abzuwerfen. Gegen die sozialistische Partei hatte man das Schlagwort aus- genützt, daß„die Gewerkschaft sich selbst genüge" und als reine Interessenvertretung keinen politischen Parteitendcnzen dienen dürfe. Das syndikalistische Programm wird am reinsten gerade durch die„Reformisten " vertreten, die die neuliche Wahl in den Vorstand gebracht hat. Soeben hat der Konföderationsvorstand ein Manifest über den Poststreik anschlagen lassen, das„den Generalstreik als entscheidendes Mittel in einer für die Wieder- ergreifung der Produktions- und Austauschmittcl günstigen Situation" bezeichnet. Aber schließlich betont er doch den Klassen- kämpf des organisierten Proletariats, und das ist den anarchisti- scheu Predigern der Desorglanisassion eine wider. wärtige Weise. Sie halten auch das Terrain für genügend be» arbeite� un; die heuHIxriM Urgse vss der �Vertretung der
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