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Interessen" aufgebett ztl können. Die Erregung in den Massen ist ja im Augenblick sehr bedeutend und noch größer ist die Ber- wirrung. Tie Erregung vom Poststrcik zittert noch in den Aus- ständigen von gestern nach und hat sich auch auf die anderen Beamtenschichten übertragen. Diese neuen Ankömmlinge in der revolutionären Bewegung bringen außer ihrem Temperament kaum nrehr mit als nebelhafte Wünsche einer besseren sozialen Ordnung. Da ihnen die auch dem ungeschulten Fabrikarbeiter gegebene An- schauung der Mehrwertproduktion in der Werkstatt fehlt, läßt sich ihr Trotz gegen die bureaukratische Hierarchie leicht von der an- orchistischen Phrase der.Zerstörung der Autorität" gefangen nehmen; und weil die großen, gefestigten Kadrcs einer gesunden. in sozialistischem Geist« erwachsenen Gewerkschaftsbewegung fehlen, die die neuen Elemente assimilieren könnte, geraten sie in die Gefahr, mit anderen, gleichfalls unaufgeklärten Arbeitergruppen den demagogischen Breittretern der anarchistischen Dekadenzphilo- sophie auf den Leim zu gehen. Diese günstigen Umstände haben die Anarchisten auch aus- genützt und innerhalb der Konföderation einerevolutionäre Föderation" gegründet, die dort etwa dieselbe Rolle spielen soll, wie dieinsurrektionelle" Organisation in der geeinigten Partei. Die heutigen Blätter das heißt die bürgerlichen, nicht die..Humanitö" geben die Prinzipien- e r I l ä r u n g des neuen Verbandes wieder, der sich in der nächsten Woche ein Organisationsstatut geben wird. Diese Erklärung ver- dient, im Wortlaut wiedergegeben zu werden. Sie lautet: Die revolutionäre Föderation erblickt in der Ab- schaffung der Klassenherrschaft eine unbedingt not- wendige und wesentliche Etappe auf dem Wege zum Endziel: der Errichtung einer von jeder Autorität befreiten Gesellschaft. Sie widersetzt sich jedem Mittel, das mit ihrem Ziel in formellem Widerspruch steht, daher auch dem Parlamen- t a r i S m u s. der für die revolutionäre Aktion unheil« voll ist. Sie empfiehlt den Kameraden Arbeitern und Beamten, an der Gewerkschaftsbewegung teilzunehmen und dort nur solche Formen und Kundgebungen der� direkten Altion(Streik, Boykott, Antimilitarismus, AntiPatriotismus, Sabotage) zu unterstützen, die in sich selbst einen revolutionären Charakter haben. Sie erkennt im ökonomischen Generalstreik das Mittel, die bestehende Gesellschaft zu desorganisieren und das Proletariat zu befreien, indem er dieses instand setzt, die errungenen Vorteile auszunützen und dieProduktionzu organisieren. Feindin jeder in den Händen des Staates befindlichen Macht(Armee, Polizei. Gendarmerie, Gerichte), proklamiert sie das Recht der Revolte für die Individuen wie für die Gemeinschaften. Sie fordert alle ihre Mitglieder auf, nach den Umständen und nach ihrem Temperament und mit allen Mitteln(Straßenkundgebungen. Militärstreik, gewaltsame Expropriation) für die radikale Zerstörung der kapi- talistischen und autoritären Gesellschaft zu kämpfen. Sie wiederholt den emstigen Ruf der Juraföde- ration: Arbeiter, nimm die Maschine! Nimm das Land, Bauerl" Man sieht, wohin das Schiff steuert, und eS brauchte gar nicht des Namens der alten Juraföderation an seinem Bug, der freilich noch überdies anzeigt, daß es sich um eine Erneuerung des Kampfes handelt, den einst der Bakunismus gegen die alte Jnter- nationale geführt hat. Er richtet sich gegen die von der neuen Internationale übernommenen Anschauungen des wissenschaftlichen Sozialismus. Die geeinigte sozialistische Partei Frankreichs führt den Untertitel: Französische Sektion der Ar- beiterinternationale. Ihr ist jetzt eine Aufgabe gestellt, die nicht leicht, aber ehrenvoll ist. Mit der diplomatischen Vertuschung und mit der sanguinischen Hoffnung auf die natürlichen Heilkräfte d.'S proletarischen Organismus wird es nicht weitergehen. Als vor einiger Zeit an dieser Stelle ausgeführt wurde, daß die damals in der Seineföderation vorgetragene Auffassung über die Duldung der Gegner der politischen Aktion mit dem Londoner Beschluß nicht leicht in Einklang zu bringen sei, hat diese Feststellung bei einigen einflußreichen Parteigenossen Mißvergnügen hervorgerufen. Man wird jetzt Gelegenheit bekommen, zu sehen, wie sich die Partei zu denjenigen Parteimitgliedern verhalten wird, die dem Programm oder der Organisation der neuen Föderation angehören. Da es sich um keinen, auch nur in der Form gewerkschaftlichen, sondern um einen ausgesprochen politischen, anarchistischen Verband handelt, ist die Regel der Nichteinmischung hier nicht gültig und facai Entschluß der Partei, im Sturm der Demagogie ihre Grundsätze zu betonen und ihre Lebenskraft zu betätigen, keine Schranke gesetzt._ poUtifcbe Qcbcrficbt. Berlin , den 23. April 1909, Ein Prinzipienfester. Die»Deutsche Tagesztg." des Herrn Dr. Oertel ist mit der dokkswirtschaftlichen Größe der Reichspartei, dem Dr. Arendt, in Streit über die Erbschaftsbesteuerung geraten, und beide Kämpen für Gott, König und Vaterland suchen nun gegenseitig von ein- ander zu beweisen, chaß sie ihre Ueberzeugungen mit derselben Leichtigkeit wechseln, wie andere Sterbliche ihre schmutzigen Hemden. Bisher hat sich aus diesem Kampffeld Herr Arendt als der Stärkere erwiesen. Er weist dem prinzipienfesten Chefredakteur derDculschen TageSztg." nach, daß dieser am 17. März 1904 sich in seinem Blatte unter der bekannten Kognalmarke% folgende Begründung der Erbschaftssteuer geleistet hat: Eine Einkommensteuergesetzgebung, die den Zielen der Mittelstandspolitik gerecht werden will, muß die übergroßen, die nach Zehntausenden, Hunderttausenden und Millionen zählenden Einkommen weit höher besteuern, als eS jetzt in den meisten Staaten geschieht, nicht nur des Ertrages wegen, sondern weil da- durch auch einerseits die Mittelstände entlastet werden, andererseits die schnelle und übergroße lawinengleiche Vermehrung der großen Vermögen wenigstens einigermaßen gemindert wird. Auch die Erbschaftssteuer kann und muß imGeiste einer verständigenMittelstandspolitik weiter ausgestaltet werden, die Millionenerbschaften müssen höher besteuert werden als bisher, sie müssen auch dann der Erbschaftssteuer»nterliege», wenn sie unmittelbar auf die nächsten Verwandten, Kinder, Geschwister oder Eltern übergehen. Die Rechtsordnung des Staates sorgt allein dafür, daß der Erbe die Erbschaft, die sonst herrenlos würde, antreten kann; eS ist also recht und billig, daß er in Form einer entsprechenden Erb­schaftssteuer eine Gegenleistung gewähre." Es ist doch etwas Erhebendes um die Gesinnungsfestigkeit unserer Hochanständigen._ Streber. Endlich haben die Wortführer des Zentrums entdeckt, weshalb dieses den Herzog von Arenberg als Reichötagskandidaten aufgestellt hat und weshalb der Herzog sich vornehmlich zum Abgeordneten eignet Nämlich deshalb, weil zu viele S t r e b e r im Reichstage sitzen, und dem reichen Herzog von Arenberg Kaiser und Regierung nichts zu .bieten" vermögen. DieKöln . VolkSztg.", die diesen Grund anführt, schreibt darüber wörtlich: Für jede Partei, die nicht eben gouvernemental sein will, ist es von großer Wichtigkeit, recht viele Reichs- und Landtags- abgeordnete zu haben, die nicht in der Lage sind, sich von der Regierung eine Gefälligkeit zu erbitten und deshalb die Ver- anlagung dazu haben, Streber zu werden. Man sieht doch manchmal, daß Abgeordnete besonders konservative und freikonscrvative, aber auch national- liberale, die Beamte sind, ein auffallend schnelles Avancement haben. Das wird natürlich nicht so gemacht, daß man dem Ab- geordneten X. sagt:Stimmen Sie für diese oder jene Vorlage. dann werden Sie befördert." So plump darf man sich denKuh- Handel" nicht denken. Wenn die Regierung einen einflußreichen Abgeordneten umwirbt, so erweist sie ibm von vonihercin jede Gefälligkeit, die sie ihm an derNase" absehen kann, denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Dadurch wird auch da« Herz manches Parlamentariers weich, denn soviel Liebe und Güte will man nicht gern mit Undank lohnen. Das schlimmste ist nur, daß die Dankbarkeit auf Kosten der Wähler ihren Aus- druck findet. Aber ein Abgeordneter, der von der Regierung befördert ist, dessen Sohn und Neffe in Rücksicht auf den Vater und Oukel gute Stellungen bekommen haben, läßt sich natür- lich auch eher.breitschlagen", wenn die Regierung Wünsche an ihn richtet, z. B. ihn bringend ersucht, die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Ehegatte» und Deszendenten zu bewillige». Wer so die Macht in Händen hat, wie es bei der Regierung der Fall ist, der pflegt nicht umsonstmit. der Wurst nach der Speck - feite zu werfen". Abgeordnete, die Beamte oder in ähnlichen Stellungen sind, wo die Gnadensonne der Regierung sehr förderlich für das Ge- deihen ihrer Ernte sein kann, müssen schon sehr charakterfeste Leute sein, wenn sie solchen Versuchungen nicht unterliegen sollen." So unrecht hat das klerikale Blatt nicht, nur kommen derartige Beeinflussungen oder Beeinflussungsversuche nicht nur bei den Kon­servativen oder Nationalliberalen vor, sondern auch bei gewissen anderen Parteien. Vielleicht erkundigt sich dieKöln . Bolksztg." darüber bei Herrn Peter Joseph Spahn , der vor einigen Jahren plötzlich vom NeichsgerichtSrat zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Kiel auftückte, und bei dessen Sohn Martin Spahn , der eine Pro- fessur in Straßburg erhielt._ Ersparnisse an Diäten und Reisekosten der Beamten. Die allgemeine Kritik, die die PluSmacherei der höheren Be- amten bei ihren Dienstreisen gestinden hat, wird wohl im Reiche wie in Preußen einige kleine Reformversuche zeitigen. Für Preußen ist ein Erlaß in Vorbereitung, der Grundsätze für das notwendige Maß von Dienstreisen aufsetzen soll. Den Chefs der Provinzial» regierung und anderen Behörden soll in Zukunft eine vermehrte Kontrolle über die Zweckmäßigkeit einer Dienstreise eingeräumt werden. Zur Einschränkung der Reisekosten soll der Grundsatz streng durch- geführt-werden, daß die tatsächlichen Aufwendungen mit den Ent- schädigungen, die gefordert werden, genau in Einklang stehen. Eine Ermäßigung der Tagegelder wird nicht geplant; hingegen sollen Erstattungen für Nachtquartier nur dann geleistet werden, wenn der Beamte nicht in der Lage war, rechtzeitig an seinen Wohnort zurückzukehren. Die wesentliche Ersparnis dürfte aber durch eine Herabsetzung der Kilometergelder erzielt werden, deren Höhe erst nach endgültiger Neugestaltung der Fahrkartensteuer bemessen werden soll. Femer sollen die Kilometergelder nur für die Wagen- klaffe gezahlt werde, die der Beamte tatsächlich benutzt hat. ES würde sich daraus die Notwendigkeit ergeben, für jede Beamten - lategorie allgemein festzusetzen, in welcher Wagenklasse sie zu fahren hat. Es wird angenommen, daß die ganze Frage für Preußen und das Reich gemeinschaftlich geregelt wird, und daß dadurch Schwierig- leiten überwunden werden, die besonders in dem Rang- und Standes- dünlel liegen._ Die Erledigung der Reichsversicherungsordnung bildet den Gegenstand von Verhandlungen, die zwischen der Re- gierung und dem Reichstage zurzeit gepflogen werden. Wenn es möglich ist, dann soll der Entwurf so rechtzeitig fertiggestellt werden, daß die Witwen, und Waisenversorgung am 1. Januar löll) in Kraft treten kann. Dem stehen allerdings außerordent. liche Schwierigkeiten entgegen. Zunächst einmal die Geschäfts- läge des Reichstages und dann der Umfang der Materie. Es wäre nur ein Weg denkbar, nämlich die erste Lesung so rasch als möglich im Plenum des Reichstages vorzunehmen und dann das Gesetz an eine Kommission zu verweisen, die den ganzen Sommer hindurch tagen müßte. Der Reichstag könnte dann im Herbst sofort in die zweite Lesung eintreten und das Gesetz dann bis etwa Ende November fertigstellen. Legt man Wert auf eine rechtzeitige Fertigstellung und das ist dringend zu wünschen bleibt kaum ein anderer Weg übrig._ Blockzwist in der demokratischen Partei. Während der demokratische Abgeordnete Haußmann in und außerhalb des Reichstages scharfe Absagen an den Block ergehen läßt und erklärt, daß der Block überwunden sei, hat sein Fraktions- genösse Starz bewirkt, daß in Trossingcn, einem Orte in Hauß- manns Wahlkreis eine blockfreundliche Resolution gefaßt wurde. Die Abgeordneten der demokratischen Volkspartei werden darin aufgefordert,die freundschaftlichen Beziehungen zur nationalliberalen Partei weiter zu entwickeln." Der Abge- ordnete Starz hatte in seiner vorausgehenden Rede bemerkt, der Block sei nur scheintot und werde wieder erwachen. Die Annahme dieser Resolution bedeutet für Haußmann ein direktes Mißtrauensvotum, das von seinem Parteifteund Storz provoziert wurde. Storz hat sich allerdings von je. besonders aber durch seine Haltung zur Kolonialpolitik mehr vationalliberal als demokratisch betätigt._ frankmeb. Eine Reservistendemonstratio». Paris , 23. April. DemPetit Journal" wird aus Lorient ge- gemeldet, daß fünfzehn Reservi st en der Kolonialartillerie gestern abend ihre Entlassung verlangten, obgleich ihre Dienst- NbungSzeit erst heute früh zu Ende geht. Da ihnen dies ver- weigert wurde, erhoben sie einen großen Lärm und stimmten die Internationale an. Der Oberst hielt eine An- spräche, in der er ihre antimilitaristische Gesinnung scharf tadelte. Er ließ ihnen jedoch ihre Dienstbücher aushändigen und erteilte den Befehl, sie freizulassen._ Die Postbeamten und der 1. Mai. PariS , 23. April. Die Telegraphenangestellten beschlossen in einer gestern abend abgehaltenen Versamm- lung, am 1. Mai nicht zu feiern, da die Unter- brechung des Post- und Telegraphenverkehrs eine zu große Schädigung des Publikums bedeuten würde. Doch will die all- gemeine Post- und Telegraphenvereinigung der Arbeiterklasse ihre Dankbarkeit dadurch bezeugen, daß sie die Mai-Versammlungen durch Entsendung von Rednern unterstützt. Schließlich wurde in einer Resolution abermals die Entlassung des Unter st aatssekretärs Simyan gefordert alsunerläßliche Bedingung für einen regelmäßigen Dienstbetrieb". Castros Rundreise. St. Nazaire, 23. April. Der DampferVersailles ", mit dem früheren Präsidenten Castro an Bord, ist hier angekommen. Castro ist nach Paris weitergereist. �erllen. Der Einmarsch der Russen. Petersburg, 23. April. Angesichts der beunruhigenden neueren Meldungen hat die r u s s i s ch e R e g i e r u n g be- schlössen, die aufgeschobene Entsendung einer genügend starken Truppenabteilung nach Täbris nunmehr zu verwirklichen, um die Sicherheit der Ausländer, die Versorgung der Stadt mit Proviant und die Verbindung mit Dschulfa zu sichern. Der Statthalter des Kaukasus wurde angewiesen, die Abteilung in Eilmärschen nachTäbris rücken zu lassen. Ter Vorwand für die Intervention. Petersburg, 23. April. Die russischeRegierung hat sich an die fremden Regierungen mit einer Zirkulardepcsche folgenden Inhalts gewandt: Vom Generalkonsulat in Aserbaidschan waren Mitteilungen eingegangen, daß in dem von den Truppen des Schahs belagerten Täbris eine Hungersnot ausgebrochen sei und dem russischen und anderen Konsulaten ebenso wie russischen und fremden Bewohnern dieser Stadt seitens der Gegner deS Schahs, die den Kampf mit den Truppen der Regierung führen, wie auch seitens der durch Hunger zur Verzweiflung ge- brachten Ortsbevölkerung ernste Gefahr drohe. Des- halb war der russische Geschäftsträger in Teheran ange- wiesen worden, den Schah zu erkläre», daß die russische Regierung, falls die persische Regierung nicht unverzüglich Maß- regeln zur Sicherstellung der Proviantzufuhr für die Konsulate und die fremden Untertanen in Täbris wie auch für die friedliche Ortsbevölkerung ergreift, sich genötigt sehen werde, eine Militär- abteilung nach Täbris zu entsenden, um die Konsulate und die Ausländer zu schützen und um ihnen und der Bevölkerung die Proviantzufuhr zu sichern. Trotz des Versprechens des Schahs, dem Kommandeur der persischen Truppen, Prinzen Aain cd Dauteh, zu befehlen, Proviantzufuhr nach Täbris zuzulassen, hat der Prinz die Zufuhr nicht zugelassen, und Konsulate und Aus- länder verbleiben somit in ihrer gefährlichen Lage. Angesichts dieser Wendung der Dinge hat die russische Regierung beschlossen, die dem Schah angekündigte Mahregel auszuführen. Einer rufst- scheu Truppenabteilung ist nunmehr der Befehl gegeben worden, nach Täbris auszurücken. Die Ziele, die diese Abteilung verfolgt, sind eben erwähnt. Sobald in Täbris die Ordnung wieder eintritt und Leben und Eigentum der Konsularvertreter wie der russischen und fremden Untertanen außer Gefahr sind, wird die Abteilung abberufen werden. Auf die Einlösung dieses Versprechens darf man begierig sein. Tins der Partei. Ein alldeutsch -nationaler Sozialdemokrat. DieFränkische Tagespost" zu Nürnberg beschäftigt sich unter dieser Spitzmarke mit einem Artikel des österreichischen Genossen Karl L e u t h n e r in der neuesten Nummer derSozialistischen Monatshefte". Sie sagt dazu: ...Karl Leuthner , der einst in den Anfängen des japanisch-russischen Krieges rnssisch-national dachte und wie Wilhelm II. von der gelben Gefahr redete, ist allmählich deutsch oder richtiger ostelbisch-national geworden, verhöhnt die demokratische Junlerfeindschaft(mit geistvollen Argumenten wie: auch A. v. Hum- boldt war ein Junker I) und landet endlich als Begünstiger der Nehren - thalschen KriegSpolitik. In den«Sozialistischen Monatsheften" ist nämlich aus der Feder Karl Leuthners zu lesen: Der feil st e Schmierfink eines panslawi st i- scheu BlatteS würde eS abweisen, dem Gegner zu dienen, ganze Scharen von deutschen Blättern dagegen machen auswärtige Politik, indem sie dieTimeS", den Matin" und dieNowoje Wremja" übersetzen. Auch der Chauvinismus ist eben mir ein Verbrechen, sofern er deutscher Chauvinismus ist. Und der AntimonarchiSmus? Laßt unS dankbar sein. In den schweren Stunden, die wir dachten und sannen, was wir mit unserer schwachen Feder doch vielleicht dazu beitragen könnten, das furchtbare Verhängnis des Krieges fern- zuhalten, boten uns den einzigen Trost und die einzige Er- heiterung gewisse reichsdeutsche Blätter eS waren diesmal, zu ihrer Ehre sei eS gesagt, doch nur wenige, die sich täglich stärker mühten, den Kronprinzen Georg ins Heldenmaß zu recken und seine Gassenbübereien als die Offenbarungen des serbischen Volkszornes zu interpretieren." WaS uns an diesem dentschnationalen ZorneSauSbruch nicht gefällt, ist der bemerkenswerte Mangel an Mut, der ihn der- stümmrlt. Wer so deutlich zu schimpfen weiß, sollte auch deut- lich zu schreiben wagen. Wer ist derfeilste Schmierfinl", was sind tzas fürganze Scharm von deutschen Blättern"? K. L. redet von Demokraten, aber die gibt es in Deutschland nicht, am allerwenigsten in der auswärtigen Politik. Er spottet an anderer Stelle über den Simplicisstmus-KreiS; aber der hat mit der unflätigsten und stupidesten Roheit die Lcuthncrschcn deutsch - nationalen Ideale gegen die Serben verteidigt; alle Balkanvölkcr waren nur Läuse, und wenn sie nicht Läuse waren, zum mindesten Flöhe und Wanzen. Ja, derSimPlicisstmuS" hat sogar, in Er- Wartung deS Krieges, um ja recht aktuell zu sein, schon im Voraus eine deutsch -nationale KriegSuummer herausgegeben. Ganze Scharen von deutschen Blättern? Di» ge> samte bürgerliche Presse, durchweg Reptile des Berliner Auswärtigen Amtes, huldigt der nationalen Politil des Genossen Leuthner. keines hat insbesondere im öster- reich- serbischen Konflikt das Recht Serbiens anerkannt. Nur die reichsdeutsche sozialdemokratische Presse hat Anschauungen vertreten, deren sich der feilste Schmierfinl eines panslawistischen Blattes schämen würde. Nur die sozialdemokratische Presse, nur sozialdemo« kratische Schriftsteller können also gemeint sein. Und wenn Karl Lenthner nichts von Deutschland wissen sollte und ahnungslos gegen Scharen deutscher Blätter loSzieht, die eS gar nicht gibt, so lebt doch der Herausgeber derSozia- listischen Monatshefte" in Deutschland uUd er mußte erkennen, daß jene Beschimpfungen nur die sozialdemokratische Presse Deutsch - lands treffen, die stolz darauf ist, nicht aus dem Sumpf der Wiener , Berliner , Frankfurter und Kölner öieptilienpresse ihre Anschauungen zu beziehen. Warum so ängstlich nur Mut, man nenne Namen und Blätter, und paradiere nicht in der Rolle eines einsamen Helden gegen«ganze Scharen deutscher Blätter", während man in Wahr- heit doch, harmlos und geistsprühend, mir mit dem großen Haufen der feilen Schmierfinken läuft." Auch dasVolksblatt für Bochum " geht gegen Leuthuer in schärfster Weise vor. Es sagt u. a.: Der Artikel des Genossen Leuthuer hat bereits die verdiente Anerkennung der überalldeutschen Redaktion derRheinisch-West- fälischen Zeitung" gefunden, und der ReichSverband wird sich dem­nächst der zitierten Stelle mit inbrünstiger Liebe annehmen. Wir richten an die Rcdaltion derSozialistischen Monats- hefte" die Frage, wie sie diese Artsozialdemokratischer" Politik rechtfertigen will. Mit der etwaigen Erklärung, die sozialdemokra-