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Abg. Schinibt-Betlin(Soz.)i Unser Antrag hat in der Kommission kein« Annahme ge- funden. Die Mehrheit der Kommission war der Meinung, datz Arbeitersekretäre nicht anders behandelt werden sollen, wie Winkel- konsulenten. Nach unserer Meinung ist diese Gleichstellung schon deshalb ungerecht, weil die Tätigkeit der Arbeitersekretäre vor bricht keine Erwerbstätigkeit ist. Es gibt ja eine große Anzahl verstandiger Richter, welche diese Tätigkeit der Arbeitersekretäre nicht unterbinden, sondern eine wohlwollende Stellung zu ihr einnehmen. Wenn ich z. B. an die Tätigkeit, unserer Arbeiter- sekretäre in München   und Stuttgart   denke, so kann ich konstatieren, daß sie dort uneingeschränkt zu den Amts- ge richten zugelassen werden. In Preußen ist das anders. Hier werden die Arbeitersekretäre in vielen Städten nicht zugelassen, und wir haben auch hier im Reichstage wieder» holt davon gesprochen, daß eine Bestimmung der Gewerbeordnung auf die Arbeitersekretariate angewendet wird, wonach sie als In- stitute zur berufsmäßigen Berfolgung von Rechtssachen angesehen werden. Die vielfachen Beschwerden haben auch Anlaß dazu ge- geben, daß der preußisch» Justizniinister daraus hingewiesen hat, daß dies nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Trotzdem sind aber von Gerichten wieder Entscheidungen gekommen, welche die Tätig- keit der Arbeitersekretariate zu erschweren suchen, z. B. von dem Oberlandcsgericht in Breslau  . Diese Voreingenommenheit der Gerichte gegen unsere Arbeitersekretariate gibt uns den Anlaß zu unserem Antrag, und wir bitten Sie, ihm zuzustimmen, um der Tätigkeit der Arbeitersekretäre kein Hindernis entgegenzustellen, eine Tätigkeit, die von jedem, der sie beobachten konnte, für außerordentlich zweckmäßig gehalten wird.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich weise nur darauf hin, wie außer- ordentlich notwendig für die Arbeiter es ist, eine Vertretung vor dem Amtsgericht zu haben in Gegenden, wo wir es mit fremd» ländischen Arbeitern zu tun haben. Diese sind in ihren Verhält- nissen so beschränkt, daß sie die Hilfe eines Rechtsanwalts nicht in Anspruch nehmen können. Aehnlich ist es bei Personen, die An» fprüche auS Dienstverträgen zu verfolgen haben. Auch diese können sich einen Rechtsbeistand in der Regel nicht verschaffen und sind darauf angewiesen, sich der unentgeltlichen Hilfe eines Gewerk- schaftssekretariats zu bedienen, gleichgültig, ob von den freien oder christlichen oder Hirsch-Dunckerscyen Gewerkschaften. Andern- falls müßten die Betreffenden geraoezu auf die Verfolgung ihres Rechtsanspruchs verzichten.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten.) Wer je Gelegenheit hatte, zu sehen, wie bei einem Amts- gericht die Sachen erledigt werden, wenn ein Amtsrichter bis Sachen an einem Tage zu erledigen hat, der weiß, wie flüchtig dabei verfahren wird, wie unheholfen die Arbeiter da oft sind, wie sie gar nicht wissen, was geschehen ist, wenn die Entscheidung bereits gefällt ist, und der wird zugeben müssen, daß eine sachgemäße Vertretung dieser Personen außer- ordentlich notwendig ist. Die Tätigkeit der Arbeitersekretäre ist sehr umfangreich. In anderen Staaten wird sie viel besser ge- würdigt als in Deutschland   und speziell in Preußen. In der Schweiz   wird dem nationalen Arbeitersekretariat eine Subvention von 30 000 M. gegeben. Die Beamten werden nicht von der Regierung angestellt, sondern von Arbeitern gewählt. Besondere Rücksicht wird dort auf die fremdsprachigen Arbeiter dadurch ge- nommen, daß Sekretäre angestellt werden, die die verschiedenen Sprachen verstehen. Für Landwirtschaftskammern, Handwerks- lammern, Handelskammern werden in Deutschland   Subventionen gegeben, aber den Arbeitersekretariaten wird nicht die geringste Unterstützung zuteil. Es handelt sich bei unserem Antrag nicht nur um die Sekretariate der freien Gewerkschaften, sondern um eine Frage, an der auch die Sekretariate der übrigen uns ent- gegcnstehenden Organisationen, wie der christlichen, interessiert sind. Jch'bedaure es außerordentlich, daß unser Antrag nicht auch vom Zentrum im Interesse der christlichen Gewerkschaften unter- stützt ist. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, um den Arbeitersekretariaten eine bessere rechtliche Grundlage zu geben wie bisher.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Heinze(natl.) wendet sich gegen den Antrag. In der Kommission wurde von den Vertretern der Sozialdemokratie selbst zugegeben, daß er eine besonders große Bedeutung nicht habe. Wie soll es übrigens mit den Angestellten von Handlungsgehilfen- organisationen gehalten werden?(Abg. Dr. Frank: Das sind doch Gewerkschaften!) Darüber kann man sehr zweifelhaft sein, ob z. B. der Leipziger Verband, der 58et Verband der Handlungs­gehilfen Gewerkschaften sind. Abg. Dr. Bahrenhorst(Rpt.) schließt sich dem Vorredner an. Abg. Dr. Frank(Soz.): Richtig ist, daß die\zroße Mehrzahl ter Prozesse von Arbeitern vor dem Gewerbegericht und der Kauf- leute vor dem Kaufmannsgericht geführt werden. Aber für die Fälle, daß Arbeiter vor Amtsgerichten Vertretung brauchen, ist unser Antrag doch sehr wichtig. Wir wollen den Zustand, der praktisch im Süden und Westen des Reiches besteht, auf ganz Deutschland   übertragen. Das Hindernis ist hier wieder die preußische Verwaltung. Bei fast allen preußischen Amtsgerichten werden Arbeitersekretäre und Gewerkschaftsbcamte zurückgewiesen, während sie in Süddeutschland   fast ausnahmslos zugelassen werden. Die Sache liegt doch so, daß die Arbeitersekretäre nicht etwa für jeden einzelnen Fall bezahlt werden, sondern ausnahmslos feste Jahresgehältcr beziehen. Sie haben daher gar kein Interesse, oft vor das Amtsgericht zu kommen. Nur wenn ein dringendes Be- dürfnis vorliegt, meist in solchen Fällen, wo ausländische Arbeiter rn Frage kommen, kommen die Arbeitersekretäre vor das Amts- gericht. Die Regierung sollte doch froh sein, daß die Arbeiter und die Kaufleute sich aus eigener Kraft eine solche Vertretung geschaffen haben. Hier Schwierigkeiten zu machen, hat doch gar keinen auch nur dem Scheine nach gerechten Sinn.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär Dr. Nieberbing: Die Rechtslage der Arbeiter. sekretäre in Süd- und Norddeutschland ist dieselbe. Was der Herr Vorredner erreichen will,�ist also, daß die Gerichte in Preußen die- selbe Praxis befolgen wie die süddeutschen. Ich glaube, die preußischen Richter würden dem Herrn Abgeordneten dankbar sein, wenn er die Fälle, in denen nach seiner oder anderer Beteiligter Meinung zu Unrecht Arbeitersekretäre zurückgewiesen sind, mit- teilen wollte.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Ist geschehen!) Darüber bin ich nicht orientiert. Es mag ja in einigen Fällen vor- .gekommen sein, aber da kann es auch gerechtfertigt gewesen sein. 'Denn der Herr Abgeordnete wird doch nicht verlangen, daß in Preußen Arbeitersekretäre unbesehen unter allen Umstäckden zu- gelassen werden sollen. Wo nach Ihrer Ansicht kein Grund vor- liegt, wird es sich empfehlen, Beschwerde einzulegen. Abg. Dr. Hahn(k.) tritt für die Zulassung der Rechtskonsulenten bei den Amtsgerichten ein. Abg. Dr. Heinze(natl.) wendet sich gegen diese Anregung; das geltende Recht reicht aus, qualifizierten Rechtskonsulenten die Zu- lassung zu ermöglichen, wo ein Bedürfnis dazu vorliegt. Abg. Schmidt-Berlin  (Soz.): Der Staatssekretär erteilte unS den Rat, in Fällen, wo prinzipiell die Zulassung von Arbeiter- sekretären von Amtsgerichten ahgelehnt werden, beim preußischen Justizminister Beschwerde zu führen. Das ist wiederholt geschehen. Immer aber kommt die Antwort zurück, er könne nichts machen, die Amtsgerichte entscheiden hierüher selbständig. Deshalb haben wir eben oen> Antrag gestellt. Wir haben Beamte, die ihre Haupt- aufgäbe in der Beschränkung der Arbeiterbewegung erblicken; diese können solche Dinge, die im Interesse der gesamten Arbeiterbevölke- aung liegen, eben gar nicht verstehen, fondern zeigen gegenüber allen Institutionen der Arbeiter die gleiche Voreingenommenheit. Derartige Beamte sind auch vollkommen unbelehrbar, wie ja die Erfahrung mit dem Hinweis des preußischen Justizministers, daß Arbeitersekretariate solchen Einrichtungen, welche gewerbsmäßig Rechtssachen vertreten, nicht gleichzustellen sind, beweist. Trotz dieses Hinweises und trotzdem auch der Reichstag   sich in gleichem Sinne ausgesprochen hat, geschieht es doch. Deshalb eben ist unser Antrag notwendig.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Debatte. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemskxateii Md einiger Mitglieder des Zen- feSÜBl ghgk.lsZllt. Hierauf vertagt das Haus die Weiterberafuilg auf Dienstag 2 Uhr.(Außerdem Gesetzentwurf zur Sicherung der Bau- forderungen.) Schluß Vi! Uhr,__ Hbgcordmtcnbaue. 7f. Sitzung, Montag, den 26. April, mittags 12 Uhr. Am Ministertisch: Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff, Frhr. v. Rhei nbaben. Das Haus ehrt zunächst das Andenken des verunglückten Abg. Grafen Ballcstrem(Z.) durch Erheben von den Plätzen. Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Kultusetats. Beim Titel Ministergehalt" findet eine allgemeine Be- sprechung statt. Abg. Marx(Z.) bedauert, daß der Kultusminister den Ver- Handlungen nicht beiwohnen könne. Den infolge seiner Erkrankung aufgetauchten Erwägungen, die Schulangelegenheiten von denen der Kirche zu trennen, werden wir uns stets aufs energischste widersetzen.(Bravo  ! im Zentrum.) Auch die Notwendigkeit der weiter angeregten Trennung der Medizinalangelcgenheiten von dem Kultusetat wird sehr ernst zu prüfen sein. Redner bringt des weiteren die alljährlichen Klagen über unparitätische Behandlung der kahtolischen Niederlassungen gegenüber den evangelischen zur Sprache. Das Kultusministerium hat wohl in dieser Frage in letzter Zeit etwas Wohlwollen gegenüber dem Zentrum bewiesen, aber wir verlangen nicht Wohlwollen, fondern Gerechtigkeit.(Bravo  ! im Zentrum.) Auch das Volksschulunterhaltungsgefetz wird zu un- gunsten der Katholiken ausgelegt. Die Schuldeputation sollte es sich zu einer ihrer Hauptaufgaben machen, gegen die Verbreitung der Schundliteratur, der Kolportageromane, unter der Schuljugend vorzugehen. Dieser Literatur muß rücksichtslos zu Leibe gegangen werden. Die Schüler müssen aufgefordert werden, in Geschäften, die diese Hefte führen, überhaupt nichts mehr für ihren Schul- bedarf zu kaufen. Redner beschwert sich schließlich darüber, daß in Bütow   in Pommern  , entgegen dem Volksschulunterhaltungsgefetz, keine katholische Schule eingerichtet werde. Ganz gesetzwidrig sei die anstatt dessen erfolgte Anstellung von drei katholischen   Lehrern an der evangelischen Schule.(Bravo  !) Ein Rrgierungskommissar verteidigt die Haltung der Regie- rung gegenüber den. katholischen Ordensniederlassungen. Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff geht auf einzelne Be- schwerden des Vorredners über die Handhabung des Volksschul- unterhaltungsgesetzes in der Rheinprovinz   ein. In Bütow sei vom Minister bereits den Beschwerden des Abg. Marx Rechnung ge- tragen worden. Die Regierung ist angewiesen, auf die Durch- führung der ministeriellen Entscheidung mit größter Beschleunigung hinzuwirken.(Bravo  ! im Zentrum.) Abg. Eickhoff(frs. Vp.): Die Erörterung konfessioneller Streitig- keiten will ich anderen überlassen, die mehr Geschmack daran finden.(Unruhe im Zentrum.) Für die Konsequenzen des Volks- schulunterhaltungsgesetzes, an dessen Zustandekommen wir un- schuldig sind, sind wir nicht verantwortlich. Wir verlangen die völlige Trennung von Kultus und Unterricht, ein reines Kultus- Ministerium. Aber eine Mehrheit dafür ist ja nicht vorhanden. (Sehr richtig! rechts.) Viel wichtiger erscheint uns die Neubesetzung des Kultusministeriums. Ich spreche den dringenden Wunsch aus, daß wir bald wieder zu normalen Zuständen im Kultusministerium kommen. Redner erörtert dann den Fall Mahling. Ueber das Vorschlagsrecht der Fakultäten hat sich das Ministerium in diesem Falle rücksichtslos hinweggesetzt; dagegen hat es ein Separatvotum berücksichtigt. Es wäre interessant, darüber näheres zu erfahren. Weiter wird gesagt, man müsse den verschiedenen Richtungen Rech- nung tragen. Gewiß, aber das mühte dann überall geschehen. In Greifswald   ist bisher immer nur die orthodoxe Richtung in der theologischen Fakultät herrschend gewesen. Man hebt die Leistungen des Herrn Mahling aus dem Gebiete d»r inneren Mission hervor. Ich will das. akzeptieren. Aber gebührt ihm darum em Lehrstuhl an der ersten Universität? Einem Manne, hei dem man von wissen- schaftlichen Leistungen im Ernste gar nicht sprechen kann. Oder ist die theologische Wissenschaft heute so genügsam geworden, daß sie einen Vortrag über innere Mission als hervorragende Wissenschaft- liche Leistung anerkennt? Ist die positive Richtung in der theolo- gischen Wissenschaft so arm an Talenten? Ich kann es nur im Namen meiner Freunde lebhaft bedauern, daß man an die erste Universität des Reiches einen Mann berufen hat sei es aus per- fönlichen oder Parteirücksichten, der seine wissenschaftliche Be- fähigung durch nichts bewiesen hat. Weiter möchte ich um Auf- klärung bitten, ob für Professor Bernhardt, gegen dessen Berufung aus wissenschaftlichen Gründen nichts einzuwenden ist, ein neues Ordinariat geschaffen ist. AuS dem Etat geht darüber nichts hervor. Redner tritt des weiteren fiir die Schaffung von Lehrstühlen für Sozialreform ein und für Zulassung der Ingenieure nach Besuch der Technischen Hochschule   zur Ausbildung an den staatlichen Be- trieben. Abg. Dr. Hackenbcrg(natl.) bedauert ebenfalls die Vakanz im Kultusministerium. Wir erwarten, daß aus den gegenwärtigen Verhältnissen kein Präzedenzfall für die Zukunft geschaffen werde. Für eine Trennung der Unterrichts- und Kultusangelegenherten wären wir durchaus zu haben. Gerade die unpolitische Ver- waltung der Schulangelegenheiten wäre bei einer selbständigen Verwaltung mehr gesichert. Ueber die Frage der Behandlung der katholischen Ordensniederlassungen werden wir uns mit den Herren vom Zentrum doch nie einigen. Den neu vorgesehenen Stellen für Kreisschulinspektoren im Hauptamt stimmen wir zu. Wenn aher wirklich die Absicht besteht, die ftreisschulaufsicht päda­gogisch und nicht burcaukratisch zu gestalten, so liegt in der-Bei- beHaltung der Ortsschulinspektoren eine große Gefahr. Auch ein tüchtiger Fachmann mit seminaristischer Bildung wird, wie die Ver- Hältnisse heute einmal liegen, schweren Stand haben gegenüber Ortsschulinspektoren mit akademischer Bildung. Sehr erwünscht wäre uns die endliche Vorlegung der Statistik über die Ergebnisse des Volksschulunterrichts. In der Volksschule sollte auf die Ge- schichte bis zum Mittelalter zurück mindestens ebenso großer Wert gelegt werden wie auf die Geschichte der Neuzeit. Besonders die Kulturgeschichte muß mehr in den Vordergrund gerückt werden. Wir müssen davon absehen, die Geschichte in der Volksschule nur als eine Geschichte von Dynastien zu lehren.(Sehr wahr! links.) Es müssen ven Kindern anregende und begeisternde Lebensbilder von hervorragenden Menschen vorgeführt werden, die aus dem Volke hervorgegangen sind. Sehr wichtig ist dann daß Selbständig  - machen der Volksschulkinder und der gesonderte Unterricht für Schwachbegabte. Die Lust an gesunder Lektüre wird in dem Maße bei den Kindern steigen, als man bei ihnen die Freude am Eigen- besitz guter Bücher fördert. Endlich darf auch nicht die Körper- kultur vergessen werden. Man darf ein Kind von 8, 10, 12 Jahren nicht vier Stunden hintereinander geistig behandeln, ich möchte sagen mißhandeln.(Sehr richtig! links.) Zwischen die Unter- richtsstunden sollten nicht allzu selten körperliche Uebungcn ein- geschoben werden. Weiter sollten auch Einrichtungen getroffen werden, durch welche die Lehrer befähigt werden, in dem Kampfe gegen die Verseuchung des Volkes durch Geschlechtskrankheiten mit- zuwirken.(Sehr gut! links.) Redner schließt sich des weiteren der Kritik des Abg. Eickhoff an der Berufung des Professors Mahling an. DaS Separatvotum geht offenbar von der einen einzigen Stimme aus. die sich in der Berliner   Fakultät für die Berufung Mahlings ausgesprochen hat. Es ist ganz klar, daß hier Parteirücksichten maßgebend gewesen sind.(Lebhaftes Hört! hört! links.) Man sagt, der letzte war ein Liberaler, jetzt muß ein Posi- tiver folgen. Gewiß, aber jener Liberale wurde als Positiver gegenüber einem noch mehr Liberalen vorgezogen.(Hört! hört! links. Lachen rechts.) Ein solches schematischcs Vorgehen ist über- Haupt bei der Berufung von wissenschaftlichen Professoren ganz un- angebracht.(Sehr richtig! links.) Der an erster Stelle von der Fakultät vorgeschlagene Professor Simons hat nach achtjährigem prgktischeL» Djjyist r- gegyiuto«Up 5 Lahrm des Kettü MMUss 15 Jahre akademischer Lehrtätigkeit hinter sich. Und waS soll die Berufung auf die Missionstätigkeit Mahlings bedeuten? Ins- besondere einem Simons gegenüber, der seine Schüler stets nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in die Aufgaben der inneren Mission eingeführt hat. Die führenden positiven Kreise meiner Heimatsprovinz haben mich beauftragt, ihr Bedauern und ihr Be- fremden darüber auszudrücken, daß ein Mann von der Bedeutung Simons nicht für würdig der Professur befunden worden ist.(Leb- Haftes Hört! hört! links.) Im Interesse der evangelischen Kirche hat diese Berufung des Professor Mahling sicher nicht gelegen. (Lebhaftes Bravo! links.) Finanzminister Freiherr v. Rhcinbaben: Man hat gefragt, wer die Verantwortung für den nicht anwesenden Kultusminister übernehme. Ich hoffe, Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß eine endgültige Regelung der Besetzung des Kultusministc- riums erst dann erfolgen kann, wenn die Hoffnung ausgeschlossen ist, daß Minister Holle   in sein Amt zurückkehren kann. Bis dahin werden die Einzelheiten des Kultusetats von den Vertretern des Kultusministeriums und, soweit finanzielle Fragen in Betracht kommen, von mir beantwortet werden. Soweit es sich um die ministerielle Verantwortung handelt, kann ich erklären, daß das StaatSministerium bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen. Unterstaatssekretär Wcver: Professor Bernhardt ist in ein er- ledigtes etatsmäßiges Extraordinariat berufen worden. Daher ist aus dem Etat darüber nichts zu ersehen. Was den Fall Mahling anlangt, so liegt es dem Herrn Minister durchaus fern, die Be- fugnisse der Fakultäten zu verkürzen. Auf das erwähnte Separat- Votum und die Gründe, weshalb Professor Simons nicht berufen worden ist, bin ich nicht in der Lage, einzugehen. Solche Dinge können doch unmöglich hier in breitester Oeffentlichkeit erörtert werden.(Sehr richtig! rechts.) Die Unkerrichtsverwaltung schätzt Professor Simons durchaus in persönlicher und wissenschaftlicher Beziehung, aber sie muß sich die freie Entschließung darüber vor- behalten, ob sie den Vorschlägen einer Fakultät Folge leistet, oder Seiner Majestät eine andere Persönlichkeit glaubt vorschlagen zu müssen.(Sehr richtig! rechts.) Konsistorialrat Mahling ist erst nach außerordentlich eingehenden Ermittelungen in erster Linie vorgeschlagen worden. Daß die Unterrichtsverwaltung nicht ein» seitige Parteiinteressen verfolgt, geht daraus hervor, daß ihre Maßnahmen heute von rechts und morgen von links bekämpf5 resp. anerkannt werden. Die außerordentliche Tätigkeit des Herrn Mahling auf dem Gebiete der inneren Mission wird allseitig an- erkannt. Daß er daneben nicht eben so umfangreich sich wissen- schaftlich betätigen konnte wie Privatdozenten der Theologie, die Muße genug haben, ihren wissenschaftlichen Bestrebungen nachzu- gehen, ist verständlich. Trotzdem hat er mehrere vielbeachtete Schriften veröffentlicht und damit die Aufmerksamkeit weiter wissenschaftlich interessierter theologischer Kreise auf sich gezogen, z. B. durch eine Geschichte der inneren Mission in Hamburg  . (Beifall rechts.) Abg. v. Jazdzcwski(Pole) kritisiert die lange Nichtbesetzung des Bistums Gnesen-Posen und verlangt Unterricht in der pol- nischen Sprache in den Volksschulen der polnischen Provinzen.> Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff erwidert, daß aus tech- nischen Gründen ein zweisprachiger Unterricht in der Volksschule nicht möglich sei. Im übrigen werde für die Volksschule in den polnischen Provinzen besonders viel getan, was� zur Folge gehabt habe, daß keine Analphabeten mehr aus diesen Provinzen in die Armee kämen. Das Problem, woran die Volksschulverwaltung zu arbeiten habe, sei, die Kinder möglichst alle bis zum Ende der Volksschule zu bringen. Es werde vor allem darauf ankommen, die Klassenfrequenz möglichst herabzusetzen und die tüchtigsten Lehrer zu gewinnen. Dann werde trotz der Schwierigkeiten, die sich aus der Fluktuation der Bevölkerung ergeben, das Ziel zu erreichen fein. Abg. Graf Clairon b'Haussonville(!.): Auch meine politischen Freunde bedauern die Abwesenheit des Herrn Kultusministers, wollen aber auf die verfassungsrechtliche Seite der Frage nicht eingehen.(Abg. Hoffmann(Soz.): Schwartzkopff macht's.)(Heiterkeit.) Den neu geschaffenen Kreisschulinspek- toren werden wir zustimmen, wünschen aber für spätere Fälle eine bessere Begründung solcher Forderungen. Im Falle Mahling stehen wir durchaus auf dem Standpunkt des Herrn Unterstaats- sekretärs. Die Gegenüberstellung der Verdienste beider Männer hier in der Oeffentlichkeit halte ich nicht für richtig.(Sehr richtig! rechts.) Ich weiß nicht, wie die Herren der Linken befürchten können, die Freiheit der Wissenschaft werde gefährdet dadurch, daß ein positiver Professor an die Berliner   Universität berufen wird. (Lachen links.) Wenn man auf mangelhafte Parität in Greifs- wald hinweist, so verweisen wir demgegenüber auf Marburg  . (Bravo  ! rechts.) Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Dienstag, 11 Uhr. Schluß 4 Uhr._ parlamentarisches. Finanzkommission. Ueber den Verlauf der Sonnabendsitzung der Finanzkommission geht uns folgender Bericht zu: Die preisverteuernde Gesetzgebung für Verbrauchsartikel bringt natürlich erschwerende Bedingungen für die Produktion, so auch die Steuer auf Branntwein. Die Steuererhöhung für Trink- branntwein bleibt nicht ohne Wirkung auf die Herstellung von denaturiertem Spiritus. Darum mühte sich am Sonnabend die Finanzkommission ab, die Kosten für die Produktionsverschieden- heiten auszugleichen. Selbstverständlich ist ihr das nicht gelungen. weil die Preisverteuerung durch Steuern Verschiebungen in der Produktion herbeiführt, die nicht ausgeglichen werden können. Im Branntweinsteuergesetz will man in dem Abschnitt Betriebsauflage", die man neben der.Verbrauchsabgabe erheben will, angeblich eine Einrichtung schaffen, die den gewerblichen Zwecken dienenden denaturierten Spiritus wohlseil machen soll. Aber das ist eine Zwickmühle: Je höher die Betriebsauflage die vorliegenden Anträge differieren zwischen 2 M. und 4 M. pro Hektoliter bei Mengen bis zu 50 Hektoliter, und steigern sich bei Mengen bis 7000 Hektoliter auf 17 M. vom Hektoliter Alkohol, um so mehr wird der Trinkbranntwein verteuert, ohne daß eine Verteuerung des denaturierten Spiritus ausgeschieden würde. Der Spiritusverbrauch wird überhaupt sehr viel mehr als bisher be- lastet; das bleibt der springende Punkt. Als die preisverteuernde Wirkung der Betriebsauflage auf den Trinkbranntwein den Schnapssteuermachern vorgehalten würde, spreizten sie sich mit dem Einwandethischer Momente", die den Branntweintrunk mit hohen Steuern bekämpfen wollen ein Manöver, das die Ausbeutung der Massen durch hohe Steuern nicht vertuschen kann. Die Spiegel- fechterei erstreckte sich bei dieser Gelegenheit in der Finanz- kommission auch auf die angebliche Schonung der kleinen gegenüber den großen Brennereien, und doch steht fest, daß der unausbleibliche Konsumrückgang das ganze Gewerbe treffen wird. Die Betriebs- aufläge, die auch zur Vergütungs- und Ausfuhrprämie für ver- gällten und ausgeführten Branntwein dienen soll, ist eine jener Verlegenheitsmittel, die schädigende Wirkung der Steuererhöhung in milderem Lichte erscheinen zu lassen. Aber der angebliche Schutz derKleinen" ist eben nztr Spiegelfechterei und raffinierte Demagogie. Am Schluß der Sitzung beantragte der Abgeordnete Roe- s i ck e zur Geschäftsordnung eine konservative Resolution, in der eine Wertzuwachssteuer gefordert wird, nach dem bekannten konservativen Vorschlage des Grafen Westarp, sokort in der nächsten Sitzung in Beratung zu nehmen, und die Beratung über die Äranntweinsteuervorlage zu unterbrechen. Dagegen kehrten sich besonders die Freisinnigen und die Jreikottservativcn, während das Zentrum für den Vorschlag des Abgeordneten Roesicke eintrat. Dann tauchte noch der Vorschlag auf, zunächst den jetzt zur Beratung stehenden Abschnitt des Brantweinsteuergesetzes zu Ende zu führen Md dann in die Beratung über die WeetöllMchsftcuer einzutreten.