Parte! verklagt und in erster Instanz verurteilt wird, die Gerichts-kosten einzieht und sie auch nicht wieder herausgibt, wenn die Klagein zweiter Instanz abgewiesen wird.Geh. Oberjustizrat Mügcl bittet, den Antrag abzulehnen; erstehe mit der gegenwärtigen Novelle nicht in innerem Zusammen-hange.Abg. Dave sfrs. Vg.): Die Tendenz des Antrages ist zu billigen;vielleicht läßt sich bis zur dritten Lesung noch eine bessere Fassungfindeit.Der Antrag wird angenommen.Bei den Bestimmuiigen betr. Aenderungen der Gebührenordnungfür Rechtsanwälte befürwortetAbg. Starz(D. Vp.) einen Antrag, der die Vertretungskostenfür Rechtsanwälte in bestimmten Fällen anders regen will, als derEntwurf.Abg. Dr. Frank-Mannheim sSoz.) wendet sich gegen den Antrag,von dem eine Schädigung der Anwalte zu besürchten ist.Der Antrag wird angenommen.Artikel VIII des Gesetzes bestimmt in der Kommissionsfassung.daß innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzesbei notwendiger Einziehung von Richterstellen Nichter innerhalb desOberlandeögerichtsbezirks versetzt werden können.Die Abgg. de Witt sZ.). Dr. Frank-Mannheim sSoz.s, Graesswirtsch. Vg.j, Gyfjling sfrf. Vp.), Dr. Hcinze snatl.) beantragendiesen Artikel zu streichen.Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages beantragtAbg. Kirsch(Z.). den Artikel so zu fassen, daß Versetzungen nurknnerhalb desjenigen Oberlandesgerichtsbezirks zulässig sind, zu demdie eingezogenen Stellen gehöreir.Abg. Fchr. v. Freyberg sZ.) begründet einen Antrag, dem Artikeldie Fastung zu geben, daß Mitglieder eines Landgerichts an dasam Sitze des Landgerichts befindliche Amtsgericht versetzt werdenkönnen.Abg. de Witt(Z.): Der Artikel Vlll bedeutet den ersten Vor-stoß gegen die Unversetzbarkeit der Richter, die eine Garantie fürunparteiische Rechtsprechung gewährleistet und dadurch zugleich diebürgerliche Freiheit. Deshalb wollen wir den Artikel Vlll streichen.Abg. Dr. Wagner<k.): Man soll doch nicht mit Kanonen nachSpatzen schießen; es handelt sich hier nicht um einen Vorstoß gegendie Unabhängigkeit der Richter, sondern einfach um eine Uebergangs-bestimrnung.Abg. Gyßling sfrs. Vp.) schließt sich dem Abg. de Witt an.Staatssekretär Dr. Rieberding: Die verbündeten Regierungenhaben keinen Verstoß gegen die Unversetzbarkeit und Unabhängigkeitder Richter geplant; es ist einfach eine gesetzliche Bestimmung not-wendig, weil durch dieses Gesetz eine Entlastung der Landgerichteeintreten wird und deshalb manche Richterstellen entbehrlich werden.Abg. Gröber sZ.): ES handelt sich hier nicht um einen Vorstoßgegen die Unabhängigkeit der Richter, sondern um eine praktischeMaßnahme, die auch schon früher einmal bei der Einführung derJustizgesetze in ähnlicher Weise getroffen ist.Abg. Dr. Frank-Mannheim sSoz.): Die Maßnahmen bei derEinführung des Gerichtsverfassungsgesetzes, auf die Herr Gröberhinweist, können nicht wohl mit dieser kleinen Novelleverglichen werden. Bei der Frage der Unabhängigkeit derRichter ist jedenfalls zu großer Eifer stets sympathischerals zu große Laxheit. Praktisch wird die Frage nur inBayern werden, und auch da werden eS nur sehr wenige sein, dieder freundlichen Ueberredungskunst der Regierungsvertreter nichtnachgeben werden, wenn es sich um die Uebernahme einer anderenStelle handelt. Sollte wirklich in einem bayerischen Winkel einmalein Richter sich dessen weigern, so wird es auch kein Querulant sein,sondern er wird seine Gründe haben. Für einen solchen Ausnahme-fall aber braucht man keine besondere gesetzliche Bestimmung.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Junck snatl.), v. Dziem-bowsky(Pole), Dr. Barenhorst(Rp.) wird der Artikel Vlll in derFornr des Antrages Freybera angenommen.Der Rest des Gesetzes wird debatteloS angenommen.Darauf vertagt sich das HauS.Nächste Sitzung Mittwoch 2 Uhr.(Sicherung der Bauforderungen.zollwidrige Berivendung von Gerste. Haftung des Reiches für seineBeamten!)Schluß? Uhr._Hbgeordnetcnbaiiö.■JSJ. Sitzung, Dienstag, den 27, April, vormittags1 1.11 h r.Am Ministertisch: Freiherr von Rheinbaben.Zunächst wird der Gesetzentwurf betreffend die Er weite-rung des Stadtkreises Düsseldorf in zweiter Bc-ratung angenommen.Eine Petition der Stadtgemeinde Hilden um Errichtungeines Obcramtsgerichts in Hilden wird, entgegen dem Antrag derGemeindekommission, der auf Ucberweifung zur Erwägung lautet,der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.Hierauf wird die zweite Beratung des Kultusetats beider allgemeinen Besprechung fortgesetzt.Abg. Hoff sfreis. Vg.): Auch wir schließen uns dem Bedauernüber die schwere Erkrankung des Herrn Holle an, besonders imNamen der Volksschullehrer, deren Vertrauen Herr Holle bereitsgewonnen hatte. Das Vertrauen der Lehrerschaft zum Kultus-Ministerium würde weiter gestärkt werden, wenn, wie in Sachsen,bei wichtigen Vorlagen das Gutachten der Lehrerorganisationeneingeholt würde. Die Herausnahme des Unterrichtsministeriumsaus dem Kultusetat würden wir im Interesse der Volksschulenbegrüßen, die damit dem Streit der Parteien entrückt würden. DieBesoldungsfrage der Lehrer wird hoffentlich bald auf der Grund-läge der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses eine befriedigende Lö-sung finden. 1306 waren immer noch 7369 Halbtagsschulen mit636 776 Schulkindern vorhanden. Tausende von Lehrerstellen sindnoch immer unbesetzt und auf der anderen Seite ist noch eine großeZahl von Klaffen überfüllt. Von den 6 Millionen Schulkindernbefinden sich noch etwa 2 Millionen in nicht befriedigendenSchulverhältnissen. In der Vermehrung der Kreisschulinspektorenim Hauptamt muß ein weit beschleunigteres Tempo eingeschlagenwerden. Den Ausführungen des Herrn Hackenberg über die Auf-gaben der Volksschule kann ich mich nur anschließen. Das neuesteist, daß man Fürsorgezöglinge in die Präparandenanstalten auf-nimmt, so z. B. einen Zögling, der noch vor kurzem einer jugend-lichen Diebesbande angehört hatte.(Hört! hört!) Das Lehrer-bildungswesen muß auf eine normale Grundlage gestellt werden.Hier darf an Mitteln nicht gespart werden. Redner kritisiert dieNichtbestätigung von Sozialdemokraten zu Mitgliedern von Schul-dcputationen unter Hinweis auf den Fall Ouarck-Frankfurt a. M.Das ist keine großzügige Politik. So viel ich auch an den Sozial-dcmokraten auszusetzen habe, so kann man ihnen doch Interesse fürdie Volksschule nicht absprechen. Auch tut man den Herren zuviel Ehre an, wenn man den Anschein erweckt, als ob einige Sozial-teniokraten in Schuldeputationen den Staat umstürzen könnten.Die vernichtende Kritik der Abgeordneten Eickhoff und Hdckenbergan dem Vorgehen der Unterrichtsverwaltung im Falle Mahling hatder Herr Uutcrstaatssekretär Wever nicht erschüttern können.(Bravo! bei den Freisinnigen.)Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopsf: Die Frage, inwieweitman Angehörige der sozialdemokratischen Partei zu Mitgliedernder Schuldeputation bestätigen soll, ist wiederholt in diesem Hauseerörtert worden, zuletzt bei dem Fall der Nichtbestätigung des HerrnSinger zum Mitglied der Berliner Schuldeputation. ES ist damalsauch anerkannt worden, daß Sozialdemokraten Wohl für die Volks-schule reges Interesse haben können. Aber von dem damaligen Mi-nister Dr. Bosse wurde betont, daß die Schuldcputation Anteil hatan der staatlichen Schulaufsicht und daß es nicht angängig er-scheine, Angehörige der sozialdemokratischen Partei zur Teilnahmean der staatlichen Schulaufsicht zu berufen.(Sehr richtig! rechts.)Diese Entscheidung ist 1833 gefallen und seitdem ist an dieserVraxis festgchalken worden. Tie Nichtbestätigung des Dr. Oüarckist übrigens dem Minister noch nicht bekannt geworden. Die Für-sorgeerziehung soll doch gerade dazu dienen, den Zöglingen einegute Erziehung zu geben, damit sie nicht einen Makel für dos Lebenbehalten. Also sie absolut vom Lehrerberuf auszuschließen, gehtnicht an. In dem von Herrn Hoff angeführten Falle handelte essich um ein besonders begabtes Kind, das nur tm Alter von 12Jahren einmal ein paar Kohlen genommen hatte,Abg. Hoffmann(Soz.):»Es ist das erste Mal, daß in diesem Hause die Sozialdemokratiebeim Kultusetat zum Worte kommt, und es ist natürlich, daß wirzuerst auf das wichtigste Gebiet das dieser Etat umfaßt, das Ge-biet des Unterrichts eingehen. Wenn einst der Unterricht losge-trennt wäre vom Kultus, dann könnte es ein wirklicher K u l-turetat loerden. Augenblicklich sind wir davon ja noch sehr weitentfernt. Die Herren der Rechten und des Zentrums wollen dieSckmle für alle Zukunft unter die Botmäßigkeit der Kirche stelle»,.Der Kulturfortschritt des Volkes ruht auf der heranwachsendenJugend, daher ist uns nichts zu teuer, was für die Bildung derJugend getan wird. Einer Regierung, die einen wahren 5iul-turetat vorlegen würde, würden wir dazu alle Mittel bewilligen.(Lachen rechts.) Diesen Standpunkt muß doch jeder denkendeMensch haben, oder wollen Sie mit Ihrem Lachen sagen, daß Siesich dazu nicht rechnen?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Früher ist auch das liberale Bürgertum energisch fürdie Schule eingetreten. Dazu gehörten Männer, die nachher rechtsauf der Ministerbank geendet haben, wie Johannes v. Miquel, derdann die schönen Worte, die er als Abgeordneter gesprochen hatte,vollkommen vergaß. Nur ein Reichsschulgesetz kann nachunserer Meinung bei der Buntscheckigkeit der jetzigen Schulverord-nungen Wandel schaffen. Die Sozialdemokratie hat sich stets derVolksschule angenommen. DaS hat auch der ganz außerhalb unsererPartei stehende Herr TewS anerkannt. Er hat sehr richtig gesagt,daß ohne eine lebenskräftige Volkspartei die Volksschule im prcußi»schen Landtag der energischen Vertretung entbehre und daß esdaher von derBeteiligung der Arbeiter an der Lanbtagswahlabhänge, ob die Volksschule von dem künftigen Landtag mehr För»derung erfahren würde, als von dem früheren. Es wird in dieserBeziehung nicht besser werden, bis das elendeste aller Wahlrechtefortgcfegt sein wird.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wirverlangen einen organischen Aufbau der Einheit der Schule, dieFreiheit der Schule bis zur Universität. Wir wünschen nicht etwa,daß, wie Sie(nach rechts) sagen, jeder Arbeiterlümmel und jederBauernbengel die Universität besuchen dürfe. Nicht jeder Arbeiter-lümmel und jeder Bauernbengel...,Präsident v. Kröchcr: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, die Ar-beiter nicht so zu beleidigen.(Heiterkeit.)Abg. Hoffmann(fortfahrend):Ich freue mich, daß der Herr Präsident die Arbeiter gegendie Ausdrücke, die ich in der Presse der Rechten gefundenhabe, in Schutz nimmt.(Erneute große Heiterkeit. Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.) Also wir wollen nicht, daß jederArbeiter und Bauernsohn die Universität besucht, ebensowenig wiejeder Nichtsnutz irgend eines Herrn von und wozu.(Heiterkeit.)Auch der Universitätsprosessor Natorp aus Marburg hat sich vor6666 Lehrern auf dem vorjährigen deutschen Lehrertag in Dort-inund in diesem Sinne ausgesprochen. Er hat das P r i v i l e-gium des einjährigen Dienstes und die Trennungder Schulen nach gesellschaftlichen Schichten ansdas schärfste bekämpft.(Hört! hört! bei den Sozialdemo.kraten.) Damit werde der inneren Zerklüftung der Nation nichtentgegengewirkt, sondern sie sei manchmal die ausgesprocheneund beabsichtigte Wirkung!(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Das sagt ein Mann, der ein Urteil über diese Dingefällen kann. Er hat weiter gefordert, daß das Fundament dernationalen Schule ein gemeinsames sein müsse und hat die Vor-schule der Besitzendenein Symptom unserer unsozialen Zeitund Verfassung genannt. Für die Wahl der weiteren Bildung willer nicht die Geldmittel oder die mehr oder minder vorsichtige Aus-wähl der Eltern ausschlaggebend sein lassen, sondern die B e-sähigung.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Genaudasselbe haben wir Sozialdemokraten seit jeher verlangt. Wirwollen, daß alle schlummernden Volkstalente geweckt werden unddaß allen Befähigten die Möglichkeit gewährt wird, an den Quellender Wissenschaft teilzunehmen. Heute ist das unmöglich. Indieser Beziehung sollte Deutschland in der Welt voran-gehen. Dann wäre keine Gratulationsdepesche nach Bonn mehrnotwendig, die noch dazu zu früh, einen Tag vor dem Examen, ein-traf, und dann könnte es auch nicht mehr passieren, daß jemandmit kinematographenhafter Geschwindigkeit in Straßburg denDoktor macht.(Heiterkeit.).Wir fordern die Einheitsschule vomKindergarten bis zur Hochschule unter völliger Gleichberechtigungder Geschlechter. Erste Voraussetzung dafür ist: Weltlichkeitder Schule.(Aha-Rufe im Zentrum.) Wundert Sie denn dasso sehr? Gerade Sie vom Zentrum sollten uns für diese Forde-rung dankbar sein, denn wir wollen ja Ihren Geistlichen den Rcli-gionsunterricht vollständig überlassen. Wir verlangen weiter dieBeseitigung des Religionsunterrichts aus der Schule.(Un-ruhe rechts.) Diese Forderung ist durchaus nicht eine rein sozial-demokratische, sondern ist in einer ganzen Reihe von gutenbürgerlichen Staaten bereits durchgeführt, gutnatürlich in Ihrem Sinne.(Heiterkeit.) In der Zeit der Falk-schen Erlasse war man wenigstens so einsichtig geworden, Dissi-oenten nicht zu zwingen, ihre Kinder am Religionsunterricht teil-nehmen zu lassen. Ich selbst bin vor 2S Jahren wegen Vergehensgegen angeblich zu Recht bestehende Schulverordnungen, meineKinder müßten am Religionsunterricht teilnehmen, freigesprochenworden, und das Kammergericht hat das freisprechende Urteil be-stätigt. Zehn Jahre später aber hat dasselbe Kammcrgericht dasUrteib wieder aufgehoben mit der Begründung:„ES wäre diePflicht des Angeklagten gewesen, sich danach zu erkundigen, ob dasKammergericht in seinem Urteil von 1889 sich nicht geirrt hat".(Lebhaftes Hört! hört! und Heiterkeit.) Was hätte wohl daSKammergericht gesagt, wenn ich, bevor es sich zur Beratung zurück-zog, vorgetreten wäre und gefragt hätte: Meine Herren, irren Siesich auch nicht?(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdcmo-kraten.) Ich bin also verurteilt worden, obwohl eigentlich dasKammergericht mich selbst zu der strafbaren Handlung verleitet hatte.(Heiterkeit.) Sogar der Hofprediger Stöcker hat es 1893 tm Abge-ordnetenhause von seinem religiösen Standpunkt aus' für un-möglich erklärt, einen Atheisten zu zwingen, seine Kinder denlutherischen oder römischen Katechismus auswendig lernen zulassen. In letzter Zeit ist es auf diesem Gebiete nicht besser,sondern schlechter geworden. Man hat die Bestim-mungen über die Kinder auS konfessionell gemischten Ehen be-schränkt auf Kinder aus gemischten christlichen Ehen. Es kannheute passieren, daß man auch die jüdische Religion nicht zu den an-erkannten Religionen rechnet und daß man jüdische Kinder zwinge.am Religionsunterricht der Schule teilzunehmen.(Hört! hört!links.) Ich habe mir allerdings zu helfen gewußt. Als ich meineKinder in die Realschule schicken konnte, waren sie sofortvom Religionsunterricht befreit.(Hört! hört! links.)Alsower 26 M. zahlt, braucht keine Religion,aber wer kein Geld hat, muß Religion haben.(Heiterkeit links,Unruhe rechts.) Auch die freireligiösen Gemeinden hat man in denletzten Jahren erneut schikaniert, und man hat einen Vater inEschersheim bei Frankfurt bestraft, weil er seine Kinder vqm Reli-gionsunterricht zurückhielt, obwohl er nachwies, daß sie vom Prc-diger der Frankfurter freireligiösen Gemeinde Unterricht bekamen.Auch die seit 66 Jahren bestehende Selbständigkeit der Wiesbadenerfreireligiösen Gemeinde will man beseitigen und damit die letztenReste von Gewissensfreiheit in Preußen. Meine Petition an diesesHaus in der Affäre KgmMrgexicht tootra Kaminepgericht(Heiter«keil) ist der Regierung als Material überwiesen worden. Uber ichhabe noch nicht gehört, daß irgendivie Wandel geschaffen werdensolle. In Bochum hat das Schöffengericht einer'Mutter dasErziehungsrecht über ihre Kinder genommen, weilsie aus der Kirche ausgetreten ist und eine Ehe miteinem fleißigen und soliden Bergmann eingegangen ist, aber sichnicht hat trauen lassen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)Das bloße formelle Schicken der Kinder in den Religionsunterrichtder Schule wurde von dem Richter als nicht matzgebend angesehen.Das Landgericht war dann so vernünftig, dieses Urteil aufzuheben.Es erkannte an, daß es den Eltern freistehe, ihre Ansichten überReligion auf die Kinder einwirken zu lassen. Was man mit einemsolchen Vorgehen gegen die Dissidenten erreicht, darüber sollten Siesich klar werden. Haß und Verbitterung erzeugen Sie in denKreisen, die Sie gewinnen wollen. Den Eltern ist es doch eineKleinigkeit, das Dogmengebäude der Schule mit ein paar Wortenumzuwerfen. Viele Eltern wehren sich schon deshalb gegen dieTeilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht, weil sie nichtwollen, daß sie die Bibel in die Hand bekommen. Ich will Jhucnnicht Stellen aus der Bibel vorlesen, Sie werden sie aus IhrerJugendzeit vielleicht besser kennen. Wenn Sie nachschlagen Ivollcu,führe ich Ihnen nur einige Kapitel an: Moses Kapitel 12, Vers 11bis 19, Kapitel 16, Vers 1—16,' Kapitel 26, VerS 2—18.(GroßeUnruhe rechts und im Zentrum; Schlußrufe.) Und ein solchesBuch geben Sie den Kindern in die Hand.Präsident v. Kröcher: Herr Hoffmann, ich rufe Sie zur Oro-nung.(Bravo! rechts.) �Abg. Hoffmann(fortfahrend): In Bockenheim ber Frank-furt a.M. wurde vor kurzerZeit wiederholt eine Witwe in Haftgenommen, weil sie ihre Kinder vom katho-lischen Religionsunterricht fernhielt und zumfreireligiösen Unterricht schickte. Die Verhaftungerfolgte auf Grund einer noch gültigen Verordnung aus demJahre 1726.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) AnstattReligionsunterricht sollte man in der Schule Gesetzeskunde lehren.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Religion sollen dieKinder bei dem Geistlichen lernen, zu dessen Kirche die Eltern ge-hören. Statt dessen verlangt man heute noch mehr Religion, mehrBibelkunde, und dann wundern Sie sich überschlechtesDeutschundguteBibellunde.(Heiterkeit.)Gymnasialprofessor Weber in Kassel verlangt jetzt auch für diehöheren Schulen mehr Religionsunterricht. Weiter verlangt erunter anderem förmliche Verpflichtung des Lehrersauf das kirchliche Bekenntnis bei der Anstellung. Dasist der Wunschzettel der Orthodoxen. Selbst ein evangelisches Ge-meindeblatt von Rheinland-Westfalen betont,»selten ein solchesZeugnis klerikaler Unverftorenheitgelesen zu haben. Wir schämen uns, daß es innerhalb des pro-testantismus solche Schleppenträger des jesuitischen Klerikalismvögibt." Und ein katholischer Orthodoxer Kirchsteiner sagt:„Wirsind und bleiben die von Gott aufgestellten Herren über die Schul-lehrer; die Lehrer sind unsere Untergebenen, wenn sie auch nochso hochmütig an uns vorübergehen." Und das alles geschieht unterder Firma Holle. Ich halte es nicht für notwendig, unser Bc-dauern über die Krankheit des Kultusministers noch besonderszum Ausdruck zu bringen. Jeder fühlende Mensch wird mir jedemMitleid haben, der durch Krankheit heimgesucht wird. Es kommtdarauf an. daß unter der Firma Holle die kühnstenHoffnungen aller Dunkelmänner in Erfüllunggegangen sind. Wir sind auf dem besten Wege, die Schulezur Magd der Kirche zu machen. Hat man eS doch sogar fertig.gebracht, in den Berliner Etat Tausende' einzustellen für Ver-frommungszwecke bei den Fortbildungsschulen.(Bravo! im Zen»trum.) Glaubt man wirklich im Kultusministerium, mit solchenMitteln noch etwa? zu erreichen in einer Zeit, wo Männer derWissenschaft mit ihren Forschungen die letzten Ueberbleibsel einervergangenen Zeit in Stücke schlagen? Ich erinnere an die genialenForschungen Pros. Jensens in Marburg, die die gesamte christlichePresse totzuschweigen versucht, weil sie über daS Alte und NeneTestament neue Klarheit bringen. Die Liberalen haben nicht diePorstotzkraft, hier wirklich Wandel zu schaffen, weil sie noch inder Hypnose des Blocks liegen.(Heiterkeit.) Wir verlangenTrennung der Schule von der Kirche. Frankreich ist voraus-gegangen, eS folgt jetzt wahrscheinlich England. Es hat auchZeiten gegeben, Ivo ein König auf dem Boden dieser Forderungstand. Im Märkischen Museum zu Berlin ist unter einer Glas-platte eine Verfügung zu lesen, die Friedrich der Große eigen-händig als Antwort auf eine Petition märkischer Pfarrer ge-schrieben hat:„Nein, es muß bei des seligen Königs Verfassungbleiben. Wenn auch 166 geistliche Priester heute den Abschiednehmen, so kann man morgen kaum tausend wiederkriegen. Sol-daten kriegen Brot, aber Priester leben von dem himmlischenManna, das von da oben kommt. Ihr Reich ist nicht von dieserWelt, sondern von jener. Peter und Paulus haben Korn gekriegt,und ist im Neuen Testament kein Apostelmagazin zu finden." Sodachte einst ein Hohenzoller auf dem Thron. Es ist freilichlange her. In einem Regierungserlaß von 1�65 heißt es:„Auf die Konfession des Lehrers kommt es nichtan." Aber schon als die Reaktion nach den Freiheitskriegen ein-setzte, lieferte man die Schule an die Kirche aus, und was nochblieb, haben Sie mit dem famosen Sckulunterhaltungsgesetz undsemer Auslegung besorgt. Heute heißt es:„In der Regelsoll der katholische Lehrer die katholischen, der e v a n-gelische die evangelischen Kinder in allen Fächern unter-richten." Ein Berliner bürgerlicher Stadtverordneter liöhnt mitRecht darüber und sagt:„Es wäre ja schrecklich, wernf katholische Kinder von dem evangelischen Lehrer erfahren würden, daß7 X S— 63 ist." Wir stehen auf dem Standpunkt: Die Bildungfür diese Welt ist die Hauptsache, das andere überlassen wir gernden Geistlichen. Freisinnige Lekkte wie Eugen Richter undVirchow und beim neuesten Volksschulgesetz auch Herr Casselhaben sich feierlich dagegen verwahrt, daß sie die Reli-gion aus der Schule entfernen wollen. Der frei-sinnige Berliner Stadtrat Weigert schrieb aber 1896:„Es istzunächst auf dievollstiinbige Trennung der Kirche von der Schulehinzuweisen, eine Forderung, die bei uns immer noch der Verivirk-lichung harrt und auf deren Durchführung zum großen Teil dieeminenten Fortschritte beruhen, welche der französischeVolksschulunterricht in dem letzten Jahrzehnt gemacht hat." Dazusagen Sie gewiß auch sehr richtig. Aber deshalb treten Sie dochdafür ein, daß in Preußen die Religion der Schule erhalten bleibensoll. Ich erinnere an die Haltung der Bremer und Ham-burger Lehrer, die auch die Beseitigung der Religion aus derSchule verlangen. Lassen Sie einmal eine geheime Abstimmungder preußischen Lehrer über diesen Punkt stattsinden, dann werdenSie sehen, was herauskommt. Auch Artur Schulz, der Her-ausgeber der Blätter für deutsche Erziehung, hat an dem Religions-Unterricht in der Volksschule vernichtende Kritik geübt. ProfessorDöhring hat in der Deutschen Gesellsckaft für ethische Kulturgesagt:„Die Schule mit dem Religionsunterricht ist ein lieber-dleibsel aus der schönen Zeit, wo der Landesvatcr auchdie Konfession seiner Untertanen bestimmte unddiese daher im wesentlichen einheitlich war." Professor BrunoMeyer hat gesagt:«Der Religionsunterricht in der öffentlichenSchule istein Uebergriff und eine Vergewaltigung.Am besten sorgt jeder einzelne für seine religiösen Bedürfnisse ganzselbständig" usw. Das ist unser Standpunkt. Die Schulverwaltungmuß bis ins kleinste eine weltliche sein. Die Selbswerwaltung derKommune ist freilich durch die Auslegung so gut wie illusorisch ge-macht. Heine hat sehr richtig gesagt:„Recht ist ein Begriff, denein jeder für sich in Anspruch nimmt, den aber nur der besitzt, derdie Macht hat." Die Schulverwaltung hat diese. Macht und nutztsie aus. Das beweist ihre Haltung gegenüber Sozialdcmolraten,die in den Schulvorstand, in die Schuldeputation, gewählt werden.Der Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen. Es handelt sich