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Nr. 101. 26. Jahrgang. 2. Itiliip des Jotmiitls" Ittlintt WsM Zonuabeud, 1. Mai 1909. Hus der Partei. Die italienische   Maidemonstration. Rom  , 30. April. sPrivatdepesche deSVorwärts".) Die Maivorbereitungen sind diesmal noch feierlicher als in früheren Jahren. Die Arbeitsruhe wird allgemein sein. In ganz Norditalien   finden Straßendemonstrationen statt. In R o m wurde der Umzug der öffentlichen Ordnung halber verboten. Würdevoller Verlauf des Weltfeiertages ist überall gesichert._ Der erste Mai i» Russisch-Polen. Die Vorbereitungen der zarischen Regierung zum ersten Mai tragen das Gepräge der üblichen Bestialität. Ueberall im Lande sind massenhafte Verhaftungen an der Tagesordnung. Besonders aber in Lodz  , dem polnischen Manchester  , übersteigt das Wüten der zarischen Schergen alle Grenzen. Die Warschauer bürger- lichen Zeitungen teilen mit: .Der Generalgouverneur von Lodz  , Generalmajor Kaznako, hat folgende Verfügung erlassen: Am 1., 2. und 3. Mai d. I. werden alle Versammlungen und öffentlichen Lustbarkeiten verboten. Das Publikum hat auf die erste Ausforderung auseinanderzugehen, widrigenfalls wird die be- waffnete Macht angewendet. Diese Bestimmung-gilt für Lodz  und Gouvernement Petrikau(wo der Kriegszustand bis jetzt noch besteht). Außerdem hat die Polizei alle Fabriken besucht und den Ar- beitern mitgeteilt, daß im Falle der Arbeitsnieder- legung am ersten Mai oder am dritten Mai in allen größeren industriellen Etablissements jeder zehnte, in kleineren dagegen jeder fünfte Arbeiter verhaftet wird." Rechts von der bürgerlichen Demokratie. Ein Artikel des bürgerlich-demokratischen Blaubuchs", der sich mit dem nationalistischen Fieber Leuthners beschäftigt, gibt zum Schluß folgendes erbauliche Urteil über die konsequentesten deutschen Revisionisten und eifrigsten Mitarbeiter derSozialisti- schen Monatshefte" ab: ..... Die Gelegenheit muß zu der Feststellung benutzt werden, daß dieses revisionistische Organ schon des öfteren einen Stand- Punkt eingenommen hat, der von dem der Demokraten, nicht nur der Sozialdemokraten, recht erheblich abweicht. Wenn jüngsthin in einem Zeitpunkt, wo die Ablehnung des englischen Vorschlags zur Einschränkung der Rüstungen nicht nur auf der Linken Be- fremden erregte, Herr Schippe! dieruhige zielbewußte Ent- schlosfenheit und die glückliche Hand" des Kanzlers preisen konnte, die in den letzten Monaten endlich wieder einmal zu ein paar unverkennbaren Erfolgen der deutschen auswärtigen Politik ge- führt habe; wenn derselbe Schippe! im Bunde mit seinem Freunde Calwer im gleichen Blatte ihre schutzzöllnerischen Sprünge machen, so muß das und ähnliches nicht nur den Sozialdemokraten sondern den Demokraten überhaupt un- angenehm auffallen. Denn die Gegner auf der Rechten pflegen für diese Auslassungen derRevisionisten  " ein sehr feines Ohr zu haben, und die Frage scheint mir noch offen zu sein, ob die Katastrophentheorie Kautskys oder die oft etwas merkwürdigen Auffassungen der Leuthner. Calwer und Schippe! über die beste Art, wie man in den Sozialismus hineinwächst, die Sozialdemo- kratie und diejenigen, die in einem Zusammengehen mit ihr die selbstverständliche Vorbedingung der Demokratisierung Deutsch  - lands sehen, mehr schädigen." Daß ein Sozialdemokrat wie Kautsky   den bürgerlichen Demo- kraten zu revolutionär ist, das ist selbstverständlich. Aber wenn Sozialdemokraten wie Schippe! und C a l w e r de» bürgerlichen Demokraten zu reaktionär sind, so ist das äusterst bezeichnend(um uns parlamentarisch auszudrücken) für die Verdünnung des Sozialismus, zu dem es diese Sozialdemo- kraten gebracht haben._ Die eigentümliche Polemik, die Genosse Heilm-n», der neue Redakteur derChemnitzer Volksstimme", in diesem Parteiblatt pflegt, begießt dieLeipziger Volkszeitung" verdientermaßen mit scharfer Lauge. Sie sagt unter anderem: kleines feiiiUeton. Albert Langen   ist gestern in München   gestorben. Den rüstigen Mann, der im Jahre 1896 denSimplicissimus  ", im Jahre 1907 den März" und dazwischen den Langenschen Verlag ins Leben rief, hat der Tod auf der Schwelle des vierzigsten Lebensjahres" abgerufen. In Köln   war er geboren, in Paris  , wo er sich der Malerei zu er« geben gedachte, hat er seine Sturm- und Drang-, in München   seine Mannesjahre durchlebt. Am bekanntesten ward er alS Verleger des SimplirissimuS", für den er die Besten Zeichner und Maler wie Schriftsteller und Dichter heranzuziehen verstand. Daß er die Erträge aus dem üppig florierenden Witzblatt schließlich nicht ganz nach Art kapitalistischer Verleger genoß, sondern sie quasi- kommunistisch mit seinen Hauptmitarbeiternteilte", das sei nur nebenher erwähnt da Albert Langen   diese Ordnung der Dinge vermutlich nicht ganz freiwillig geschaffen hat. Sonst aber muß ihm rühmend ins Grab nachgesagt werden, daß er dem Typus deS bürgerlichen Verlegers durchaus nicht glich, sondem einen Kompromiß- kerl repräsentierte, der mit einem Fuße im Gleise der ererbten Bürgertradition, mit dem anderen auf der Böschung stand, die zu neuen Lebens- und Gesellschaftsformen emporführt. Die Weise, wie er seinen Buchverlag leitete, läßt das am besten erkennen. Da gab nicht immer und nicht nur der Erfolg den Ausschlag, der nach kauf- männischem Ermessen von diesem, von jenem Buche zu erwarten stand, nein: der großzügige Unternehmer ließ auch und meist nicht in letzter Linie den literarischen, den künstlerischen, den artistischen Wert gelten und entscheiden. Daß dabei, zumal in den Anfangsjahrcn, deutsche Dichter hinter skandinavischen zurücktreten mußten, das sei hier nur registriert, nicht getadelt; denn es waren die besten nordischen Poeten, mit denen wir auf diese Weise bekannt wurden, und dann: Albert Langen   war deS alten Björnson Schwiegersohn, und solche Verwandtschaft ver- pflichtet I Wir haben dieser Tage dem Heinrich Conried   den Nekrolog gesprochen. Diesem Manne mußten wir in die Anerkennung für sein Wirken ein paar Bemerkungen einflechten über ein Geschäfts- gebaren, das ihn nicht voll ehrte. Bei Albert Langen   entfällt d,e Notwendigkeit solcher Einschränkung. Sein Andenken wird nicht ent- stellt durch häßliche Züge, die in der Richtung modern-kapitalistischer Mammonanbetung verlaufen. Und das will viel besagen bei einem Manne, der schließlich doch auch nichts anderes gewesen ist alS ein bürgerlicher Verleger des zwatzzigsten Jahrhunderts. Allerdings einer, der nicht nur sein Geld arbeiten ließ, sondern der ailck' seinen Verstand, sein Gemüt, sein Temperament ins Geschäft hineinsteckte und der sicherlich den Künstlern desSiniplicissimus"- Kreises mehr Anregungen gegeben hat, als sich ahnen läßt für uns, die wir ja nur das Gewordene vorgelegt bekommen, unS aber mit Mutmaßungen begnügen müssen, insoweit als die künstlerische Konzeption, das Empfangen und Werden gerade dieser dichterischen und zeichnerischen Gebilde in Frage kommt. Theater. Friedrich WilhelmstädtischeS Theater:.Die Siebzehnjährigen". Schauspiel von Max Dreher. Das ... Das(die Polemik derFränkischen Tagespost" kontra Leuthner) war aber nicht nach dem Plane des Genossen Heilmann. Im neuesten Leitartikel derVolksstimme" bricht er los. Unter den eifrigsten Komplimenten für dentrefflichen" Genossen Eisner Eisner ist nämlich Redakteur unseres Nürnberger Parteiblattes , den erunser glänzendes, unerreichtes Vorbild parteigenössischer Journalistik" nennt, macht er ihm gleichzeitig den Vorwurf, eine unsinnige Parteihetze" inszeniert zu haben, und zwar ansRache". Nach dem Nürnberger Parteitag hatte nämlich Leuthner sehr scharf gegen die Süddeutschen geschrieben und die bekannte Schreibart Eisners blutig verhöhnt. Deshalb hat nun Eisner» wie sein be- wundernder Freund ihm ausdrücklich attestiert, zumRacheschwert" gegriffen, und es in bewußter Eisner will ungerecht sein, heißt es ausdrücklich Ungxrechligkeit gegen Leuthner gezückt. Hätte Eisner nicht gewußt, so versichert Heilmann, daß der Artikel in denMonatsheften" von seinem nuten Freund Lcuthner stammt, er wäre sicherlich nicht so über den Artikel hergefallen. Wir müssen gestehen, daß wir einen gleich unsauberen Angriff auf einen Par- teigenossen, eine gleich skrupellose Unterschiebung persönlicher Mo- tive noch nicht erlebt haben, mit der einzigen Ausnahme vielleicht des bekannten Ruberrimus-Skandals nach dem Bremer   Parteitag. Ueber die Tatsache, daß der Redakteur derMonatshefte" den natio- nalistischen Artikel Leuthners überhaupt aufgenommen hat, ist Heilmann höchst entzückt; denn so sagt er: Der internationale Sozialdemokrat hat die Pflicht, die Ge- fühle aller seiner Brüder jenseits der Grenzen kennen zu lernen, und ich kann dem Genossen Dr. Bloch keinen Vorwurf daraus machen, daß er uns an Leuthner gezeigt hat, wie emp- findlich die nationale Seele unserer Genossen in Oesterreich   ist. Doppelt groß erscheint wir seitdem unsere österreichische Brüder- Partei, die mit solchem Menschenmaterial die Einheit der Ar- beiterbewegung durch milde Duldsamkeit wahrt. In der Tat: eine bLzaubernde Logik! Vor wenigen Tagen höhnte Heilmann mitleidig über den armseligen Tropf Kautsky  , der in seiner Broschüre geschrieben hatte: man fühlt, daß wir in eine Periode allgemeiner Unsicherheit geraten sind.Wir können nichts für Kautskys Gefühle", hieß es da,aber die Arbeiterklasse sucht den Weg zur Macht nicht mitman fühlt", sondern mit dem Per- stand." Das war vor einer Woche. Jetzt hat die Parteipresse wieder umgekehrt die Pflicht, alleGefühle" irgendwelchernationaler Seelen", und seien sie noch so antisozialistisch, noch so hurrapatrio- tisch, zum AuÄruck zu bringen. DerVerstand" kann sich schlafen legen. Wenn aber nun gar der Genosse Heilmann aus der Konfusion Leuthners einen Ruhmestitel für die österreichische Sozialdemo- kratie zu machen sucht, so kann man mit demselben Recht dieselbe Lorbeerkrone auch unfern Chemnitzer   Genossen widmen, die uns allerdings ebenfalls doppelt groß erscheinen, seitdem siemit solchem Menschcnmatcrial" jetzt die Arbeiterbewegung innerhalb des Chemnitzer   Agitationsbezirkes durch milde Duldung zu teilen sich bemühen." polieeUiches, Gmchtlichco ukw. Strafkonto der Presse.. Genosse Nottebohm von der DortmunderArbeiterzeitung" wurde wegen angeb- licher Beleidigung eines FabrildireltorS zu einer Geldstrafe von 10 0 Mark verurteilt. Em der f rauenbewegung. Der Charakter der Frauen. Mit den ökonomischen Veränderungen verschob sich auch die soziale Stellung der Frau. Aus primitiver Grundlage gab es eine Vorzugsstellung des Weibes, und Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Tann wurden die Frauen völlig rechtlos, nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Familie. Die gänzliche Ab- hängigkeit der Frau war der Ausfluß des Besitztitels des Mannes am Familieneigentum und seiner Stellung als Ernährer der Frau und Kinder. Die Tätigkeit der Frau im Haushalt, mit ihren tausend Mühen und Sorgen wurde, weil dafür keine Bezahlung erfolgte, als minderwertig übersehen. Ohne die Frau müßte die Menschheit aufhören zu leben. Das war vielleicht der einzige Grund, warum sie wenigstens als Weib respektiert wurde. Vor- urteile und Erziehung bannten jahrhundertelang die Frau in ihren engen Kreis, ließen, sie geistig nicht darüber hinauswachsen. Seltenist eine Frau mit anderen als den herkömmlichen Fähig- leiten oder Neigungen an die Oeffentlichkeit getreten. Die es aber wagte, wurde als abnormes Wesen, oder gar als unsittlich be- trachtet. Wohl unterhielten, silb gelehrte Griechen mit geistig hocb- stehenden Frauen, dafür haben diew aber auch bisweilen maß- losen Haß der noch in den gewohnheitsmäßigen Schranken lebenden Frauen auf sich geladen. Wie auch heute noch, urteilte schon damals das Weib härter über seine Geschlechtsgenossinnen als der Mann. Jahrhundertelang hat die Frau in ihrer untertänigen Stellung verharrt. Aeutzere Uinstände zwangen sie in andere Ver- Hältnisse und zu veränderten Auffassungen. Aber das war eine Entwickelung mit Schneckentempo. Die Mutter blieb noch lange das Aschenbrödel, Nur immer bemüht für das Wohl des Haus- Herrn, für das Fortkommen der Söhne und das war gewiß eineangenehme" Abwechslung in dem ewigen Einerlei die Hauptsorge war, die Töchter unter die Haube zu bringen. Eine Epoche der wirtschaftlichen Umwälzung jagte die andere und revolutionierte auch die Verhältnisse der Menschen zueinander. Allmählich machte sich im Leben der Frau eine Veränderung be- merkbar. Sie reifte zum Menschen heran. Frauen kraten in das Erwerbsleben ein. Bereits das mittelalterliche Zunsthandwerk sah Frauen als selbständig Erwerbende. Anfangs stark von den Männern bekämpft, behaupteten sie sich. Schließlich dringen Frauen auch in bürgerliche Berufe ein; langsam zwar, doch unauf- haltsam. Frauen werden Lehrerinnen, ergreifen den kaufmänni- schen Beruf und besetzen Beamtenstellen. Die Männer der Bour- geoisie wehren sich gegen das immer weiter fortschreitende Ein- dringen der Frauen in ihre Domänen. Die Herren der Schöpfung werden schließlich den Kampf gegen die Konkurrenz der Frauen aufgeben, wie ihn die Proletarier längst aufgegeben haben. Vergleichen wir die Frauen von heute mit ihren Geschlechts» genossinnen früherer Jahrhunderte, so macht sich ein gewaltiger Unterschied bemerkbar. An Stelle des Willensschwächen und un­selbständigen Weibes, das nur Unterordnung kannte, tritt die selbst- bewußte Persönlichkeit aüf, die ihr Lebensschiff, wenn es sein muß, allein zu lenken versteht. Im kapitalistischen   Zeitalter ist' die Frau ihres ideologischen, romantischen, sentimental-verlogenen Mantels entkleidet; sie ist nicht mehr nur Weibchen oder nur Last- tier, das nur des Mannes Lust dient, der geduldig des Lebens Bürde als seine Dienerin trägt. Der Spießer allerdings, spricht von Mannweibern oder Emanzipierten. Gewiß, als Produkt des Extremen gab es bürgerliche Frauenrechtlerinnen, die sich be- mühten, äußerlich männlich zu erscheinen. Diese Zeit ist vorüber, das Gegenteil ist nun der Fall. Gerade aus jenen Kreisen ertönt heuteder Schrei nach dem Kinde". Die proletarischen Frauen waren vor solchen Extremen bewahrt. Für die Arbeiterin bietet sich, heute noch, gegenüber den bürgerlichen Mädchen, die größere Ehemöglichkeit; sie blieb Weib, obwohl sie Klassenkämpferin wurde. Und so ist es gut! Unsere tgeit braucht nicht nur kämpfende Männer, sie braucht auch Frauen, die von Persönlichkeitsbewußtscin getragene Menschen geworden sind, die nicht versagen im Kampfe um die Eroberung der Menschenrechte für beide Geschlechter. Die Hausangestellten gehören noch zu den unfteiesten aller Ar- bettenden. Für sie ist es fast unmöglich, sich den Versammlungen anzuschließen, die heute 1. Mai von der Partei und den Ge- werkschaften abgehalten werden, um den Forderungen der Arbeiter- schast an die Gesetzgebung Nachdruck zu verleihen. Und doch ist gerade für diese Arbeitergruppe die Aufklärung über die Bedeutung der Maifeier von großer Wichtigkeit. Sind sie nicht unterrichtet, ist ihnen die Ursache und der Zweck der Maifeier der Arbeiterschaft un- bekannt, so lassen sie sich leicht in dem falschen Urteil der Dienst- geber beeinflussen und beurteilen die Mittel, die helfen sollen, auch sie aus der Knechtschaft zu befreien. Um allen Hausangestellten Gelegenheit zu geben, Aufklärung zu erlangen, beruft der Verband der Hausangestellten zu Sonntag, den 2. Mai, abends 6 Uhr. inZemters Festsälen" eine Versamm- lung, Luise Zietz   referiert über:Die Bedeutung der Mai- f e i e r für die Hausangestellten".(Siehe Annonce). Es wird zahl- reicher Besuch erwartet. Genossinnen und Genossen werden ersticht, für die Teilnahme der Hausangestellten an dieser Versammlung zu wirken._ Amtlicher Marktbericht der städtischen Markthallen-Dlrektioi» über den Großhandel in den Zentral-Markthallen. Marktlage: Fleisch: Zufuhr genügend, Geschäft schleppend, Preise unverändert. Wild  : Zufuhr sehr knapp, Geschäst ruhig, Preise sest. G e s I ü g e l: Zufuhr ziemlich ge- nügend, Geschäft rege, Preise befriedigend. Fische: Zufuhr genügend, Geschäft sehr schleppend, Preise wenig verändert. Butter und Käse: Geschäft ruhig, Preise unverändert. Gemüse, Obst und Süd» s r ü ch t e: Zufuhr genügend, Geschäft ruhig, Preise wenig verändert. Stück, das vor mehreren Jahren noch unter BrahmS Direktion im Deutschen   Theater gespielt wurde, verlohnte in der Tat die Neu- aufführung. Man wird in der naturalisttschen Dramatik deS letzten Jahrzehnts nicht viel finden, was sich der intimen und dabei Humor- durchwirkten Seelenmalerei der bdidcn ersten Aste gleichwertig an die Seite stellen ließ. Die zu dem verhängnisvollen Ausgang führende Situation wird in der einfachsten und überzeugendsten Weise aus der Art der Charaktere entwickelt. Cousine Erika, das junge Mädel, daS nach dem älteren verheirateten Manne, dem Guts- besitzer und ehemaligen Major v. Schlettow, in skrupelloser sieges« sicherer Liebesleidenschaft die Netze auswirst, hat manches geniein mit Ibsens Hilde, die auszieht, das versprochene Königreich von ihrem vergötterten Baumeister Solneß einzufordern, steht aber darum dennoch fest auf eigenen Füßen, redet mit felbstgewachsenem Schnabel. Vollends aus einem Guß ist die Gestalt des grundliebenswürdigen, grundehrlichen, unzuverlässigen Schlettow, der dieser Glut, die er durch Spott zu dämpfen sucht, am Ende doch erliegt, und sein weich- herzig auter Junge, der in dem Vater den besten aller Männer, in Erika sein jugendliches Liebesideal verehrte und nun die furchtbare Enttäuschung nicht verwinden kann, als er ein ehebrecherisches Ein- Verständnis zwischen beiden sich knüpfen sieht. Sein Tod, obwohl nicht alle näheren Umstände desselben, ist psychologisch wohl be- gründet. Wenn die beiden letzten Akte auf der Bühne trotz vieler Feinheiten nicht in dem gleichen Maße wirken, so hat das seine Ursache wohl darin, daß die Phantasie daS tragische Ende vorweg nimmt und aus der Ausmalung deS seelischen Leidens nicht mehr ein hinreichende? Maß von Spannung zu schöpfen vermag. Die von Lettinger inszenierte Vorstellung bot überraschend Gutes. M a r i e I nr m i s ch, die in der Rolle der Gattin und Mutter anfangs etwas farblos blieb, fand später Töne von er- greifender Innigkeit. Elfrie.de HeiSler als Erika brachte das Gemisch von drolliger Backfischkeckheit, jugendlich radikalem Egoismus und verzehrender Sehnsucht in höchst natürlicher Verschmelzung zum Ausdruck. In der Nebenfigur des Großvaters interessierte I u l r u S E y b e n durch charakteristisches Detail. Vorttefflich waren Rudolf Werners temperamentvoll humoristischer Schlettow und Heinz S a r n o w S weltfremd-spröder Junge. DaS Publikum ging mit; man hätte daS auch ohne den lauten, langanhaltenden Applaus empfunden. ckt. Pariser Theater. Endlich( I) ist dieL u st i g e Witwe" auch in Paris   eingezogen, nachdem sie ihren Schatten längst in alle Cafös, wo man abends Musik macht, vorausgeworfen hatte. Das Apollo-Theater. eine frühere Variöts-Bühne. hat die Operette mit viel Glanz und mit einer in Paris   nicht gewöhnlichen Sorgfalt für die musikalische Ausführung in Szene gesetzt. Für die Hauptrolle war eine englische Soubrette, zur Leitung deS Orchesters ein tschechischer Kapellmeister herangezogen worden. Zwei bekannte Pariser Autoren, FlerS und Caillavet, hatten daran gearbeitet. den Dialog auszufeilen. Trotzdem hat das Publikum die Schwer- fälligkeit und Interesselosigkeit der Handlung hier stärker empfunden. als dort, wo dasParisertum" des Textes willigen Kredit findet. Dagegen schlug die Musik offenbar ein, und trotz der übermäßigen Dauer der Generalprobe sie endete um halb zwei! wurden mehrere Nummern zur Wiederholung verlangt. Da dem Pariser Publikum der Operettenstil ganz fremd geworden ist, taten die kosmopolitischen Einschläge der Aufführung, die die dem Werk selbst anhaftende Stillosigkeit noch verstärkten, der Wirkung keinen Eintrag, zumal da der Kapellmeister die Walzer nach französischer Art stark ins Sirupfadenmäßige dehnte und die recht kühle Miß sehr graziös tanzte. Ob dieLustige Witwe  " auch hier zur Pest werden wird, läßt sich bei der Sprödigkeit des Pariser Publikums gegen aus- ländische Werke schwer voraussagen. v. P. Humor und Satire. Der Patriot. O Vaterland, o Vaterland, Für dich allein bin ich entbrannt (Doch heischst du Geld ich sag eS stet Da ist es mit der Lieb' vorbei!) O Monarchie, o Monarchie, Dir beug' ich willig Herz und Knie (Das heißt, so lang' du mir was nützt Und mir das Portemonnaie beschützt!) O Deutsche? Reich, o Deutsches Reich  , Gedenk' ich dein, so werd' ich weich; Wie lieb' ich dich, du Land des Licht? I (Nur kosten, kosten darf es nichts!) (Kladderadatsch.") Neues Vergehen. Richter:.... Auß'rdem haben Sie sich der B e a m te n be st e ch u n g schuldig gemacht." Dieb:«Aber, Herr Richter, wieso denn?" Richter:Sie haben dem Polizeihund, der sie aufspürte, eine Wurst angeboten." >(Fliegende Blätter  .") Notizen. Schmöckchen. Wir haben gestern hier erzählt, wie Schmock vor dem Sultan   bauchrutscht. Wir müssen heute nach» tragen, daß wie ein Berliner   Blatt in einer Anwandlung ehr- licher Entrüstung und grämlichen Konkurrenzneids meldet sowohl das englische wie das Scherl-Schmock-Jnterview glatt erfunden sein soll! Desto schöner. Humboldt-Briefe. Die Stadtbibliothek von Frank- furt a. M. hat eine wertvolle Erwerbung gemacht. Diese besteht in 38 bisher ganz unbekannten Briefen Wilhelm v. Humboldts. 36 davon sind an Schiller   gerichtet, 2 an Goethe. Die Briefe, die sich jähr- zehntelang im Privatbesitz   befanden, stammen aus den Jahren 1796 bis 1803 und sollen von größter literarischer Bedeutung sein. Berichtigung. Im gestrigen NnterhaltungSblatt(Artikel: Guy de Maupassant  ) muß es heißen(Seite 332, Zeile 6 ff): Von einem Zeitalter der Mediei und Ludwigs XIV. spricht man, nicht aber von einem solchen Karls des Großen oder Bismarcks,..