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In Wolgast   hatte man eZ erstmalig mit der ArkcitSruhe versucht Und einen ganz guten Erfolg erzielt. Westfalen. Im Wahllreise Dortmund- Hörde war auch diesmal wieder eine einzige große Jubelfeier veranstaltet worden. Als Festort war diesmal Marten, ein großes Bergarbeiterdorf im Landkreise Dortmund  , ausersehen. Wegen der Lage des Festortes mußten sich die Demonstranten in drei Züge teilen einen aus der Stadt Dortmund  , zwei vom Laude. Die Dortmunder   Ge­nossen bildeten einen Zug von etwa viertausend Mann. Insgesamt mögen sich an den drei DemonstrationSziigen 10 bis 12 000 Genossen beteiligt haben. Am Nachmittage war die Zahl der Festteilnehmer auf 1516 000 angewachsen. Die Beteiligung war also durchaus befriedigend, wenn auch nicht geleugnet werden soll, daß infolge der Krise viele Taufende ferngehalten worden sind. So war aus Orten, wo jüngst auf den Zechen Massenkündigungen erfolgt waren, die Beteiligung gesunken, während andere Orte aber auch wieder eine stärkere Beteiligung auszuweisen hatten. Ent- schieden litt die Feier auch unter der Ungunst der Witterung, die wieder einen winterlichen Charakter genommen hatte. Morgens in aller Frühe schon schneite es und tags über wechselten Regen- und Schneeschauer. In sechs Lokalen zu Marten fanden Konzerte statt. Mittags um 1 Uhr waren die Festversainrn- lungen, in denen die Genossen Bömelburg, Haenisch, Bartels, Bramme, Häusgen und Klupsch sprachen. Die Dortinunder Polizei hatte zwar den' Festzug verboten, den Demonstrationszug konnte sie nicht verhindern. Es fand sich Polizei ein zu Fuß und zu Pferde, die den Zug bis zur Stadtgrenze begleitete, ohne jedoch sonderlich lästig zu fallen. Abends fand in> Dortniunder Gewerkschaftshause noch eine große Festversammlung statt, in der der Genosse Peters sprach. In den Kreisen Bochum   und N e ck l i n g h a u s e n litt die Tagesfeier unter der allgemeinen Ungunst der Verhältnisse und der schlechten Witterung. Die Abendversammlungcn waren trotz an- haltenden Regens meist überfüllt. Im Wahlkreis Hagen- Schwelm   sind die Bor- und Nachmittagskundgebungcn der ungünstigen Witterung zum Opfer gefallen. Wegen der sortgesetzten Regenschauer und Schneegestöber sielen manche ganz auS, die anderen wiesen eine nur geringe Be- tciligung auf. Dagegen verlief in Hagen  -Stadt die Abend- feier glänzend, die beiden Säle waren überfüllt, über 1500 Personen waren anwesend. In Schwelm   hatten sich zu der Abendfeier 800 Personen ein- gesunden. Rheinland  . In Düsseldorf   herrschte ein arges Unwetter. Trotzdem strömte am Bormittag das Proletariat in stärkerem Maße als im Vorjahre zur Versammlung. 900 Personen waren im GewcrkschaftS- bauS versammelt, wo die Genossen Berten und Ouitzau sprachen. Am Nachmittag fanden sich die Feiernden wieder zu einen, zwanglosen Masie'nspaziergang am Rhein   entlang zun, RestaurantKaiserburg  " zusammen. Trotz der Ungunst der Witterung war starke Beteiligung. Am Abend verteilten sich die Teilnehmer auf die Parteilokale aller Bezirke. Die Veranstaltungen in den Landorten beschränkten sich auf den Abend; eS wurden Festreden gehalten und Unterhaltungen aller Art geboten. Di« Beteiligung war auch hier eine gute. I», Kreise Duisburg   hatte die Maifeier ebenfalls sehr unter der Ungunst der Witterung zu leiden. In Anbetracht dieses ungünstigen Uinstandes war die Zahl der Feiernden eine zufrieden- stellende. Es zeugt von ernstem Willen, wenn z. B.. aus der Bürgermeisterei Hamborn etwa 1200 Personen trotz Hagel und Regen einen vierstündigen Spaziergang unternahmen. In D u i s- bürg beteiligten sich etwa 500 Personen an dem AuSfluge, in M ü l h e i m 250. Die Zahl der Feiernden in den einzelnen Orten läßt sich schlecht schätzen, da Hunderte Nichtarbeitender infolge des schlechten Wetters im Hause blieben. In Duisburg  und Mülheim   waren die Versammlungslokale derart besetzt, daß Hunderte keinen Einlaß bekamen. Wie gewöhnlich im Königreiche der Stinnes und Thyssen fehlte es auch diesmal nicht an allerhand polizeilichen Aufmerksamkeiten. Sah doch der in der Arbeiterpresse schon mehrfach erwähnte Polizeikommissar Bunse auS A l st a d e n schon das als einengeschlossenen Zug" an, wen» sich hundert Personen auf eine Strecke von etwa 400 Meter verteilen I Sieben Polizisten, vier Gendarmen und ein Hund unter Führung eines Kommissars bildete die Bewachungstruppe von etwa 120 Spaziergängern. Allerhand kleineMaßnahmen" und Notienmgen blieben den Feiernden nicht erspart. Grostherzogtum Höffen. Die Arbeitsruhe war in den Jndustrieorten des Kreises Offen bach-Dieburg im allgemeinen schwächer als in den früheren Jahren. Die Morgenspaziergänge, litte» unter der kalten regnerischen Aprilwitterung. Unter den, Drucke des Unternehmer- tumS litt die Arbeitsruhe der Holz- und Metallarbeiter sowie der Schuhmacher in O f f e n b a ch. Die Vormittagsversamm- lung war von gut 1000 Personen besucht, der Festzug war von imposanter Stärke<2500 Personen; wie in früheren Jahren). Die Bevölkerung bildete Spalier, die Polizei verhielt sich passiv. Abends fanden im ganzen Kreise 42 Versammlungen statt, die teilweise mit Umzügen und Festlichkeiten verbunden waren. Der Besuch war durchweg gut, in den größeren Orten Sprendlingen  , Isenburg, Langen usw. vorzüglich. Bayer«. In Augsburg   war die Zahl der durch Arbeitsruhe Feiernden größer als in den Vorjahren. In zwei sehr gut besuchten Vormittags Versammlungen fanden sie sich zusammen. Trotz der ungünsttgen Witterung es schneite und regnete in kurzen Abständen durch einander belief sich die Zahl der Teilnehmer an dem Ausfluge nach S i e b e n b r u n n, der am Nachmittag unternommen wurde, auf mehrere Hunderte. Am Abend fanden im Saalbau Herrle in Augsburg   und in Lechhausen zwei große Demonstrationsversammlungen statt, die beide außerordentlich guten Besuch aufwiesen. Die Unternehmer zeigten sich ivieder als Scharf- macher, besonders zeichneten sich die Unternehmer im Holz- g e w e r b e aus, die durch Anschlag erklärten, durch Beschluß des Arbeitgeber-Schutzverbandes für das Holzgewerbe in Bayern   samt liche Maifeiernden bis Donnerstag auszusperren. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, daß die in den kleineren Orten im Kreise Schwaben   tagenden Versammlungen sich sämtlich eines sehr guten Besuches ersteuten. Von den in Hoch- zoll, Ger st Hofen, Schwabmünchen  , Rordendorf und Böbingen   abgehaltenen Versammlungen wird durchweg ein guter, teilweise sehr guter Besuch gemeldet. Baden. In Karlsruhe   war die AcbeitSruhe gering. Eine Tages- Veranstaltung fand nicht statt. An der Abendfeier nahmen 4000 Per- sonen teil. Redner war der Genosse Abg. Frank. In Konstanz  fand ein Festzug statt. Im übrigen Baden   haben die Abend- Veranstaltungen großen Zuspruch gefunden. Die feier im IZuslsnäe. Oesterreich. Wie», 1. Mai. tEig. Ber.) Die Feier des 1. Mai, in Wien  immer ein Höhepunkt deS proletarischen Lebens, hat hier, am Tage der zwanzigsten Wiederkunft der großen Demonstration, einen noch prächtigeren, einen noch gewaltigeren Verlauf genommen als je zuvor. Zum ersten Male wurden in dem riesigen Zuge, der nachmittags die Arbeitermassen in den Prater führte, Standarten und Fahnen getragen, und so fehlte am grandiosen Aufmarsch, der bisher nur durch die Größe und Geschlossenheit wirkte, diesmal auch Glanz und Farbe nicht. Das Wetter, das vormittags noch recht bedrohlich aussah, war am Nachmittage frisch und heiter, und in der Wärme des jungen Frühlings lebte jene frohe Stimmung auf, die rückschauend die zwanzig Maifeiern als zwanzig Etappen geschichtlicher Kämpfe und unvergänglicher Erfolge ins Bewußtsein rückt. Am Vormittag fanden in Wien   72 Versammlungen statt, worunter auch solche in tschechischer, in polnischer und in ruthenischer Sprache; in Niederösterreich   50, so daß selbst in die kleinsten Industriezentren die Feier drang. Die Arbeitsruhe wird, soweit die Industrie in Bettacht kommt, fast allgemein gewesen sein; daß sie umfassender war als früher, zeigte die Riesen- hafttgkeit des nachmittägigen Zuges, der länger als zwei Stunden währte. Im Prater   herrschte dann in den unzähligen Wirtschaften, die die Arbeiter aufnahmen, das fröhlichste Treiben. Die Stadt hatte heute wichtiges FeiertagSgepräge, das sich schon darin zeigte, daß kein einziges Abendblatt erschien; auch morgen Sonntag erscheinen in ganz Oesterreich keine Zeitungen. Daß der österreichischen Maifeier dieses äußerliche Merkmal nicht fehlt, ist das Verdienst der treuen und geschlossenen Buchdrucker- organisation. Auch in den Ländern verlief die Maifeier äußerst eindrucksvoll und wuchtiger als je zuvor. Insbesondere in Nordböhmen  , wo die Behörden der Feier auf Geheiß der deutsch  - nationalen Arbeiterfeinde Schwierigkeiten in den Weg legen wollten, hat der Widerstand die Bewegung nur noch mächtiger entflammt. Besonders imposant war die Feier der Bergarbeiter; an dem Meeting in Mährisch-Ostrau  , dem Zentrum des mährisch-schlefischen Bergbaues, nahmen mehr als 36 000 Personen teil. So war überall die fruchtbare Wirkung dieser zwanzig Jahre proletarischer Aussaat lebendig und sichtbar. Schweiz  . Zürich  , 1. Mai.<Eig. Ber.) Die Feier litt etwa? unter dem launenhaften wechselvollen Wetter, das, ein verspäteter Aprilscherz, Regen, Sturm, Schnee in bunter Reihenfolge bot. Gefeiert wurde wie immer in Zürich   und an anderen Orten der ganze Tag durch ArbeitSruhe, in den meisten Orten aber mir am Nachmittag. Fast überall sind es die italienischen Bauarbeiter, die am 1. Mai nicht arbeiten und daher gewöhnlich schon am Vormittag Versammlungen mit Referaten in ihrer Muttersprache abhalten. Am Nachmittag fanden allerorten die üblichen festlichen Umzüge mit Kindergruppen und Arbeiterinnen neben den zahlreichen Arbeitern statt, die in den größeren Städten bis zu zehntausend, wie z. B. in Zürich  , zählten. Festreden wurden je nach dem Landestcil in deutscher und italienischer oder deutscher und französischer, hier und da wohl auch in allen drei Landessprachen gehalten. Im Mittelpunkt aller Fest- reden standen die neuen Militärforderungen, gegen die im ganzen Lande protestiert wurde, ferner die Propaganda für die Initiative betreffend die Proportionalwahl des Nationalrates, die an diesem Tage kräftig gefördert wurde. Italien  . (Privatdepesche desVorwärts".) Rom  , 3. Mai. Im ganzen Lande ist das Fest würdig verlaufen. Die Arbeitsruhe war in der Presse, im Straßenbahnbetrieb, in den Bäckereien, den Häfen und in der Industrie allgemein. In allen sozialistischen   Gemeinden waren die Schulen und Aemter geschlossen. Umzüge fanden statt in Mai- land, Florenz  , Turin  , Genua  . Palermo  , Trapani  und anderen Orten. Unruhen werden gemeldet auL G i o j a(Mittel- italien  ) und F o g g i a in Apulien  . Belgien  . Brüssel  , 2. Mai.  (Eig. Ber.) Durch den Beschlutz des Brüsseler Gemeinderats ist nunmehr der 1. Mai als offizieller Feiertag anerkannt. Die offiziellen Schulen der Stadt Brüssel   waren g e- schlössen, die kommunalen Beamten und Arbeiter d i e n st f r e i. Auch in der noblen Vorstadt I x e l l e S waren auf Grund eines Beschlusses der liberal-sozialistischen Mehrheit die Schulen gesperrt und die Gemeindeangestelltcn vom Dienst befteit. Bemerkenswert ist auch der gleiche Beschlutz des Gent   er Ge- meinderats. Aeutzerlich litt die Maifeier unter dem äußerst ungünstigen Wetter, doch herrschte sowohl in Brüssel   wie in den Industriezentren, insbesondere in den KohlenbassinS von Charleroi  , imCentte" u. a. ArbeitSruhe und in den meisten Provinzen wurde der Maifeiertag durch Umzüge, Versammlungen und fest- liche Veranstaltungen gefeiert. Die Forderung nach dem achtstündigen Normalarbeitstag trat diesmal in- sofern als besonderes demonstratives Moment hervor, als die belgische Arbeiterschaft eben daran ist, für die g e s e tz- liche Regelung der Arbeitszeit in allen In- d u st r i e n zu r ü st e n. Der Regierung liegen von sozialistischer wie von klerikaler Seite entsprechende Gesetzentwürfe vor und sie wird nach ihrem Versprechen nicht umhin können, sich aufs neue, gedrängt durch die rege Agitation der Arbeiterschaft, alsbald mit dieser Frage zu befassen. Im Brüsseler Demonstrationszuge ttugen viele Standarten auf diese Forderung Bezug habende In- schristen. Festlich in starker Betonung der Arbeitsruhe und würdig ist der Arbciterfeiertag verlaufen. Zum Cerrcrismus der flerztehammern geben wir aus den zu diesem Thema uns aus nicht der Sozial- demokratie zugehörigen Aerztckreisen zugegangenen Zuschriften folgender Raum: Im Kampf um die sogenannten siandeswürdigen Bedingungen bedienen sich die Aerztekammern zur Sicherung der Standestteue für Streiks und Sperren eines Reverses, welcher die Bezeich- Schutzbündniserklärung ist folgender: Schutzbündnis rklärung ist folgender: Unterzeichneter verpflichtet sich gegenüber dem jeweiligen Vorsitzenden der Aerztekammer der Provinz........ 1. Die von der Aerztekammer der Provinz getroffenen Bc- stimmungen betreffend Einrichtung-von Kammer- und Bezirks- Vertragskommissionen und die Grundsätze für diese Vertrags- kommissionen zur Regelung des Verhältnisses der Aerzte zu den Krankenkassen usw. unbedingt anzuerkennen und dem ent- sprechend im Verkehr mit den Krankenkassenvorständen usw. zu handeln. 2. Bei Konflikten, die sich im Einverständnis mit der Kammervcrtragskommission zwischen Aerzten einerseits und Krankenkassenvorständen, Verbänden oder Behörden andererseits über Honorar oder andere Vertragsbestimmungen erbeben, sich nicht nur der Annahme der bezüglichen Arztstelle, sondern auch grundsätzlich jeder Bewerbung um eine solche zu enthalten; ein gleiches Verhalten auch zu beobachten bei Konflikten, die außer- halb der Provinz..... im Gebiete des Deutschen Reiches im Einverständnis mit der ärztlichen Standesvertretung ausgetragen werden. 3. Von diesen Verpflichtungen nur nach vorausgegangener einjähriger Kündigung, die unter Einhaltung des Vierteljahres- Ersten an den Vorsitzenden der Aerztekammer durch eingeschrie- benen Brief zu erfolgen hat, zurückzutreten. Verschärft wird das Rechtsmittel des Kammerrcberses noch zu- weilen durch Statuten und Reverse privater ärztlicher Vereine. Indes geht schon aus dem Wortkaut des Kammerrcberses klar hervor, daß dies schon genügt, um soziale Gesetze außer Kraft zu setze». Soweit es hier die Aerztekammern tun, sind weder Arbeiter in ihren erbittertsten Lohnlämpfen, noch die Agrarier in ihrer In- tcressenvertretung gegangen. Als gesetzliche Einrichtungen haben aber die Aerztekammern besonders die Pflicht zur Wahrnehmung ärztlicher Standesinter- essen nur gesetzliche Wege zu wandeln. Es wäre in dieser Be- ziehung sehr wohl angängig, daß die Aerztekammern, falls die lokalen Instanzen eine Verständigung nicht herbeiführen, die Ver- Handlungen selbst aufnehmen oder andere Bevollmächtigte bcauf- tragen. Zweitens könnten die einzelnen Fälle einem gemischten Schieds- gericht unter Vorsitz eines Bevollmächtigten der Aufsichtsbehörde überwiesen werden. Hiermit fiele der Grund zum Aerzteftrcik fort. Die Schutzbündniserklärung der Aerztekammern ist aber nicht allein gefährlich für Krankenkassen, Behörden und sonstige auf ärztliche Hilfe angewiesene Einrichtungen, sondern hat auch viele Rechtsnachteile für die Aerzte selbst. Für die Aerzte ist hier vielfach der Beschützer schlimmer als der Feind. 1. Ist die Kündigungsfrist von einem Jahr viel zu lang be- messen und kommt sonst eine so lange Zeit in keinerlei Dicnstvcr- hältnis vor. 2. Verpflichtet sich in der Schutzbündniserklärung der ärztliche Abhängige zu allem, der ärztliche Standeshcrr zu nichts. Wo Ab- hängigkeit vorhanden ist, ist auch sonst überall eine Gegenleistung da, selbst dort, wo die Bevormundung die Grenzen des Erlaubten überschreitet. Durch den Mangel der Festsetzung einer bestimmten Gegenleistung übertreffen die Aerztekammern alles bisher Tage- wcsene, selbst auch Bevormundungen weitgehendster Art, welche Anlaß zur schärfsten Kritik gegeben haben. 3. Hat es sich in letzter Zeit herausgestellt, daß die Schutz- bündniserklärung eine fortgesetzte Prozeßgcsahr für die Aerzte selbst bildet, sowohl für arbeitswillige, als auch für streikende und standestreue Aerzte. Das ärztliche Ehrengericht der Rheinprovinz   verurteilte acht arbeitswillige Aerzte zu Geldstrafen von 300 M. und Veriveis. In München   verlangte die Abteilung für freie Arztwahl von den Mit- gliedern die Unterzeichnung eines Reverses im Sinne des gc- nannten Vcrpflichtungsscheines. Eine Anzahl Aerzte fügten sich gegen ihre Ueberzengung wegen des drohenden Ausschlusses und wegen der Gefahr die Kassenpraxis entzogen zu erhalten, andere Aerzte wurden wegen Weigerung vom Aerztcvorstand von der Mit- gliedschast und der Kassenpraxis ausgeschlossen. Genannte Aerzte klagen gegen den Aerztevorstand vor dem ordentlichen Gericht. Auch die Standestreue schützt nicht bor Pro- z e s s e n. Das Landgericht Köln   verurteilte einen Arzt in Lövenich, das Landgericht Bonn   zwei Aerzte in Wesseling  aus Anlaß der Weigerung der Behandlung von Mitgliedern der Kölner   Ortskrankcntasse, welche auf Grund des 8 57s des Kranken- Versicherungsgesetzes an die Landkrankenkassen überwiesen waren, kostenpflichtig zur Behandlung. Hätten die Aerzte im Sinne des ordentlichen Gerichts von Anfang an gehandelt, so hätte der ä r z t- liche Ehrenrichter sie wegen Wortbruchs verurteilt. Das Reichsgericht verurteilte endgültig drei standcstreue Aerzte in Solingen   zu 9000 M. Schadenersatz den Kran- kenkassen zu leisten.<Wir hatten seinerzeit über diesen Prozeß be- richtet. Die Red.) Wie würde Herr Dr. M u g d a n über Terra- rismus Beschwerde führen, wenn weniger gebildete Vorstände von Gewerkschaften einen derartigen Vcrpflichtungsschein von ihren Mitgliedern verlangen würden, als es hier die Honorigsten des ärztlichen Standes tun, und zwar Vorsitzende von Aerztekammern  , Mitglieder ärztlicher Ehrengerichte und sogar des ärztlichen Ehren- gerichtshofeS. ES ist somit durch den Verpflichtungsschein der Schutzbündnis- erklärung eine weitgehende Machtbefugnis eingeräumt. Diese genügt aber manchen Persönlichkeiten noch nicht und hat es sich vielfach gezeigt, daß, wie es gerade paßt, bald das Kammerstatut, bald ein mit dem Kammerstatut in Widerspruch stehendes örtliches Vereinsstatut herangezogen wird, also Standesdespotie schlimmster Art unter dem Scheine des Rechts. Was in das Kammerstatut nicht hineingeschrioben werden darf, was der ausdrücklichen Willensmeinung des Gesetzgebers beim Er- laß der ärztlichen Ehrengerichte widerspricht, und auch auf Grund dessen im z 3?lbsatz 3 des Gesetzes verboten ist, Aerzte wegen ab- weichender wissenschaftlicher Ansichten, wie der Homöopathie und Hydrotherapie(Wasserheilmethode) auf dem Wege des geordneten EhrengeriÄtsverfahrens zu matzregeln, wird auf dem Umweg des privaten Statuts gemacht. Die privaten ärztlichen Vereine suchen vielfach Aerzte genannter Richtungen bei Vertragsabschlüssen zu boykottieren, während den Kamniergrundsätzen Boykotticrung von Aerzten aus diesem Grunde und Gründen irgend welcher Art direkt widersprechen. Auf den Aerztctagen und bei'sonstigen Veröffentlichungen in der Presse wird der Begriff der organisierten freien Arztwahl dahin erläutert, daß zur Kassenpraxis jeder Arzt des Bezirks zugelassen werden soll, welcher sich durch Jnnchaltung der Vertrags- und Kontrollbesttmmungen bereit erklärt. Die ärztlichen Vereine ar- beiten aber vielfach geflissentlich gegen diesen Grundsatz und auch gegen den Willen der Kussenvorstände. In Anbetracht der nicht genügenden Rcchtskenntnis der Kassenvorstände, wird beim Streit das Kammerstatut, bei VerttagSschlutz das lokale Vcrbandsstatut angewendet. Es mutz daher verlangt werden, daß die Aerzte- kainmcrn und deren Organe ausschlictzlich die Verträge auf Grund des Kammerstatuts schließen und diejenigen Grundsätze selbst be- folgen, zu denen sie andere unter Androhung schärfster Strafmittel zwingen. Bemerkt sei, daß das Kammerstatut für alle Aerzte des Bc- zirks gilt, gleichviel, ob sie einem lokalen Verein angehören oder nicht. Bei Streitigkeiten zwischen Aerzten und Kassen, sowie son­stigen Gesellschaften könnten bei gutem Willen schon jetzt gesetzliche Wege beschritten werden. So hat das Schiedsgericht im Reichsauf- sichtsamt für private Versicherung den Friedensschluß zwischen Aerzten und Lebensversicherungsgesellschaftcn erreicht, während olrne ähnliche Instanz Kassen oft jahrelang auf der schwarzen Liste(Cavete-Tafel genannt) stehen. Durch das Schiedsgericht wurde die Gefahr der Anstellung von Distriktsärzten bei den Lebensversicherungsgesellschaften und damit eine drohende schwere Schädigung vieler Vertrauensärzte beseittgt. Ilm   so mehr mutz die Beseitigung der Schutzbündniserklärung, auf welche die Bezeichnung des Staatssekretärs von Bethmann- kwllweg vom Auswuchs des Koalitionswesens zutrifft, im Jnter- esse von Kassen, Behörden und abhängigen Aerzten selbst gefordert werden. Es dürfte geeignet sein, an matzgebender Stelle die Forderung zu stellen, den Aerztekammern ein ungesetzliches Rechtsmittel zu verbieten, hingegen dieselben anzuweisen, alle die gesetzlichen Mittel zur Anwendung zu ziehen, welche zur Schlichtung von Streitig- reiten nach der bestehenden Rechtslage und bei gutem Willen in Frage kommen. Soweit die Zyschrift. Der ärztliche Einsender irrt in der An- nähme, den Aerztekammern stehe die Anwendung ungesetzlicher Mittel heute zu. Die Anwendung der geschilderten Mittel erfüllt, auch wenn sie von Aerztekammern vorgenommen wird, alle Tat- bestandsmcrimale einer strafbaren Erpressung. Ein gut Teil Schuld an dem Terrorismus der Aerzte tragen auch die Aerzte, die sich diesen Erpressungen fügen und nicht wenigstens den Versuch machen, die Bestrafung der ärztlrchen Erpresser herbeizuführen. Der Ausfall einer Strafanzeige würde ja bald zeigen, ob in der Tat die ärztlichen Terroristen in Deutschland   ebenso straffrei wie die schwarzen Hundert in Rußland   sind, weil sie zu den wider- lichsten Handlangerdienstin gegen Arbeiter zugunsten der Real- tionäre bereit sind,