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Die blutigen Wahlrechtsdemonstrationen zu Hannover  vor Gericht. Hannover  , 5. Mai. Die Blutig verlaufenen WahlrechtS- be man st ratio nen vom 31. Januar d. I. Beschäftigten gestern und heute die hiesige Strafkammer. Es waren 78 Zeugen geladen. Von den fünf Angeklagten wurde einer zu fünf Tagen und drei zu je einer Woche Haft wegen groben Unfugs verurteilt. Der fünfte Angeklagte wurde wegen Auflaufs, Wider- standes gegen die Staatsgewalt und groben Unfugs zu einer Gesamtstrafe vonachtWochenGefängnis verurteilt. Das Urteil zeigt, daß von der Anklage nicht viel übrig ge- Blieben ist. In der Tat gestaltete sich die Verhandlung vielmehr zu einer Anklage gegen die Polizei, die ganz ohne Not auf friedliche Denwnstranten und Straßenpossanten mit dem Säbel einschlug und im weiteren Verlaufe weit über die Grenzen desien hinausging, wozu sie allenfalls das Recht gehabt hätte, wenn wirklich ein Ein- greifen mit dem Säbel notwendig gewesen wäre. Allerdings verbot der Vorsitzende des Gerichts, der Landgerichtsdirektor Reicbartz, ent- schieden, daß über das Verfahren der Polizei nach dem ersten Zu- sammenstoß, also über das Einhauen auf Flüchtende und Gestürzte ausgesagt werde. Er konnte aber doch nicht ganz verhindern, daß einiges bekannt wurde, was die Anklagen, die unser HannöverscheS Parteiblatt, derVolkswille" nach der Affäre gegen die Polizei er- hoben hatte, vollauf Bestätigt._ Die südwestafrikanische Gouvernemcntsverordimng gegen die Ausführung von Neger«. Vor dem Kriegsgericht der 18. Division(Altona  ) hatte sich dieser Tage wegen Vergehens gegen die genannte Verordnung der frühere Hauptmann der Schutztruppe Graf von Stillfried   zu verantworten. Es handelt sich um eine Verordnung des Gouver- neurs von Südwestafrika vom 33. November 1301. Der Angeklagte hat seit Februar 1800 in der Schutztruppe gedient, hat an vielen Gefechten teilgenommen und ist infolge schwerer Erkrankung seiner Frau vor einiger Zeit nach Deutschland   zurückgekehrt. Er wohnt jetzt in Hamburg  . In seinem Hause in Afrika   beschäftigte er einen Kaffernknaben, den er als Gesellschafter seines fünfjährigen Sohnes mit nach Deutschland   genommen hat, da er im schwarzen Erdteil einen weißen Dienstboten nicht aufzutreiben vermochte. Der Angeklagte bemerkte, daß er sich wiederholt an das Gouver- nement gewandt habe mit dem Ersuchen, den bei ihm gut aufge- hobenen schwarzen Knaben mstnehmen zu dürfen, aber das Gesuch sei aus prinzipiellen Gründen abgelehnt worden. Auch die Wer- Mittelung des Staatssekretärs Dernburg   sei erfolglos gewesen. Das Verbot der Ausfuhr von Schwarzen sei erlassen worden, um zu verhindern, daß die Schwarzen in Deutschland   verlumpen und auf die Verbrecherlaufbahn geraten. Er habe sich sofort erboten, die Kosten für die Rückreise des Schwarzen zu deponieren, mithin fehlten alle Voraussetzungen zur UnWendung der Verordnung. Der Ankläger betonte, daß objektiv ein Vergehen gegen die Verordnung vorliege, die eine Geldstrafe bis zu 600 M. oder drei Monate Gefängnis gegen Zuwiderhandelnde zulasse. Hier liege aber eine unverschuldete Notlage vor, weshalb er die Begnadigung des Angeklagten empfehle. Das Gericht erkannte auf Frei- sprechung, weil der Angeklagte sich tatsächlich in einer unver- schuldeten Notlage befunden habe; die Tendenz der Verordnung sei darauf gerichtet, Schwarze vor einer ungewissen Zukunft zu schützen. Das komme aber hier nicht in Betracht. Die Ereignisse in der Türkei  . Im auffälligen Gegensatz zu den Meldungen, welche von den Bemühungen des türkischen Parlaments berichten, die Macht des Sultans in die engsten Grenzen zu bannen, stehen jene anderen, die zeigen, daß die Militärdiktatur mit aller Energie ihre Gewalt gegen jede Kritik der Presse zu schützen, ja sogar die bloße Berichterstattung zu hindern sucht. Man könnte diese Meldungen bloß als einen in einer kurzen Uebergangs- zeit vielleicht unvermeidlichen Ausfluß der militärischen Diktatur betrachten, würden sie nicht doch davon Zeugnis ablegen, daß das jungtürkische Regime noch recht wenig ge- festigt ist und der Gewaltmittel in höherem Grade bedarf als eine auf breitere Volksschichten sich stützende Herrschaft. Die Präventivzensur. Konstantin opel, V. Mai. Die Machthaber beginnen energische Maßregeln gegen die lokale Presse anzuwenden, der alle ungenauen und sensationellen Nachrichten untersagt wurden. Ueber die M i n i st e r k r i s e, die Vorfälle in A d a n a sowie über die Armee darf nichts veröffentlicht werden. Die alten Preßgefctzr werden noch verschärft. Die Zeitungen müssen vor ihrer Ausgabe vorgelegt werden. Die Redaktion desÖSmanli" wurde wegen der heute von ihm gebrachten und bereits gemeldeten Nachrichten auS Adana   geschloffen. Neue Verhaftungen. Konstaiitinopel, S. Mai. Der frühere Adjutant und Vollstrecker vieler Akte deS abgesetzten SultanS, der Tscherkcsse M e h m e d, der seit der Juliumwälzung nach Brussa verbannt war. ist auf Befehl deS Kriegsgerichts verhaftet und Bicrher gebracht worden. Ebenso sollen auch türkischen Blättern zufolge der frühere General- iuspeltor der Militärschulen Ismail Pascha   und der ehemalige Chef der Dildizspitzel, der Apotheker Refik Pascha vor das Kriegsgericht gestellt werden. Das neue Kabinett. Konstantinopcl, 6. Mai. Das neue Kabinett ist gebildet und folgendermaßen zusammengesetzt: Hi lmi Pascha. Großwesir; Sahib Malta, Scheich ul Islam  ; Ferid Pascha, Inneres; Arief Hikmet, Marine; der bisherige Vizepräsident der Kammer Ariftidi, Ackerbau; dem bisherigen Botschafter in Rom   Halki Bey ist das Justizportefeuille angeboten. Nnterrichtsminister wurde der jung- türkische Deputierte von Samsum, Nail. Die übrigen Minister und der Präsident des Staatsrate« bleiben im Amte.-- Die KrönmigSfcierlichkeit. Konstantinopel  . 4. Mai. Einer Mitteilung deS Oberzeremonien- meisterS zufolge findet die Zeremonie der Schwertumgürtung am nächsten Montag statt; auch das diplomatische Korps wird der Feierlichleit beiwohnen.(Die Schwertumgürtung wird durch den General des Ordens dertanzenden Derwische" vorgenommen. Sie entspricht der Krönung der europäischen   Monarchen.) Die Uneinigkeit im jungtürkischen Lager. Konstantinopel  , 5. Mai. Die verschiedenen Gerüchte, die über Uneinigkeit im Komitee für Einheit und Fortschritt  , über Differenzen zwischen dem Komitee und dem Generalissimus Schewket Pascha sowie über den bevorstehenden Sturz des Kabinetts Tewfik kursieren, haben sämtlich einen Kern von Wahrheit. Es steht fest, daß eine Spannung zwischen dem Kammerpräsidenten und dem Ministerrat besteht. Der Kammer- Präsident forderte bekanntlich das Kabinett brieflich auf, im Parka- ment zu erscheinen. Die ganze Art dieser Aufforderung wird als ein Uebergriff der Prärogative des Kammerpräsidenten erachtet, dem keinerlei Exekutivgewalt zusteht und nur das Recht hat, einen etwaigen in diesem Falle aber nicht vorliegenden Beschluß der Kammer dem Kabinett zu übermitteln. Der Minister- rat wies einstimmig die Aufforderung Achmed Rizas zurück. Diese Vorgänge beweisen, daß die Lage ungeklärt ist. Die Borgänge in Adana  . Konstantinopel  , 4. Mai. Der Minister des Inner», Ferid Pascha, hat 50 Eisenbahnwagen Getreide nach Adana   gesandt. Außerdem ist eine private HilsSaktion eingeleitet worden, an der sich auch die hiesigen Armenier beteiligen. WieOsmanli  " erfährt, ist der Redifmajor von Eis, der nach Hadschin entsandt worden ist, mit einein beträchtlichen Teile seiner Truppen zu den Aufständischen übergegangen. Weiter erfährt diese Zeitung, daß die Pforte die Absendung Beunruhigender Depeschen aus der Provinz an hiesige Komitees vcrBoten hat. In einem vom 1. Mai datierten Telegramm dementiert der Walt von Adana die Gerüchte, daß Truppen zu den Agitatoren übergegangen seien; in dem ganzen Wilajet kämen keine Unruhen mehr vor, die RedifBataillone in Tarsus   und Mersina seien demobilisiert worden. In einem gestern abgehaltenen Ministerrat wurde Beschlossen, angesichts der fort- dauernden Bewegung in Demcn die Forderungen deS Präsidenten zu erfüllen und dem südöstlichen Teil der Provinz eine gewisse Autonomie zu verleihen._ Oeftcmicb-CIiigam. Eine ungarische Wahlrechtsdemonstration. Budapest  , 5. Mai. Die von den S o z i a l d c m o k r a t e tl anläßlich der gestern abend erfolgten Ankunft des Königs geplante Kllndgebung für das gleiche und ge- Heime Wahlrecht wurde durch einen gestern abend über Budapest   niedergehenden Regenguß stark beeinträchtigt. Trotz- dem waren viele t a u s e n d e Personen bei der An- kunft des Königs zugegen und brachten Rufe auf das allge­meine, gleiche und geheime Wahlrecht aus. frankreick. Die Postbeamten. Die Regierung fährt fort durch brutale Maßregelungen die Beamten zu provozieren. Gegen diese Verfolgungen Hai jetzt auch der Hauptausschuß der Liga der Menschenrechte, deren Vorsitzender unser Genosse Abg. P r c s s e n s 6 ist, energischen Protest eingelegt. Jedoch ist es noch nicht ausgeschlossen. daß der Ausbruch eines neuen Streiks verhütet wird. Tie Hauptforderung der Beamten ist bekanntlich die Entlassung des Anstifters der ganzen Unruhen, des unfähigen und recht- habcrischen Unterstaatssekretärs S i m y a n. Nun hat der Minister B a r t h o u die anderen Minister ersucht, alle das Post- und Telegraphenwesen betreffenden Schriftstücke in Zukunft nicht mehr an das Unter st aatssekre- t a r i a t der Posten und Telegraphen, sondern direkt an das M i n i st e r i u m der öffentlichen Arbeiten zu richten. Das ist nun eine Brüskierung des Unterstaatssekretärs, die gewiß nicht unbeabsichtigt ist; zieht Herr Simyan die Konse- quenzen, so wäre dem Streit seine Schärfe genommen und ein Frieden möglich; im anderen Fall kann es zu großen und folgenschweren sozialen Konflikten kommen, da die A r b e i t e r sich mit den Beamten solidarisch erklärt haben und jede Bedrohung des Koalitionsrechts der Beamten mit allen Mitteln abzuwehren entschlossen scheinen. Portugal  . Ministcrkrise. Lissabon  , 5. Mai. Der Ministerpräsident wird dem Könige morgen die Demission des gesamten.Kabinetts über- reichen. Englanä. Ein Wahlsieg der Arbeiterpartki. Sheffield  , 4. Mai. In der N a ch w a h l für das P a r- l a m e n t im Wahlbezirk A t t e r c l i f f e erhielt P o i n t e r (Arbeiterpartei) 3531, Farlow(Unionist) 3380. Lam- bert(liberal) 3176 und Wilson(unabhängiger llnionist) 2803 Stimmen. P o i n t e r tritt also an Stelle L a n g l e y s (liberal), dessen Majorität seinerzeit 787 Stimmen betrug. Auch dieser Wahlausgang zeigt also einen außerordentlich starken Rückgang der Liberalen; die konservativen Unionisten hätten den Bezirk gewonnen, wenn sie sich auf eitlen einzigen Kandidaten(zeeinigt hätten. Ebenso verloren die Liberalen das 1906 mit 146 Stimmen eroberte Mandat von Stratford   on Avon. Hier siegte der U n i o n i st Foster mit 6374 über den Liberalen Martin, der 2747 Stimmen, und über einen Wildliberalen, der 479 Stimmen erhielt. Kriegs- und Friedensfragen. London  , 5. Mai. Unterhaus. Die zurzeit in England be- findlichen deutschen   Arbeiterdelegierten Besuchten heute nachmittag das Unterhaus und hörten auf der öffentlichen Galerie den Verhandlungen zu. Auf eine Anfrage Kapitän Fabers, ob die Admiralität vor zwölf Monaten von dem Britischen   Marine- attachS in Berlin   ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß die deutschen   Behörden Vorbereitungen trafen, um die Aus- führung des MarinebauprogrammS zu beschleunigen, und daß die Firma Krupp   im Begriff stände, ihre Werke erheblich zu vergrößern, erwiderte der erste Lord der Admiralität Mc Kenna, die Berichte der MariueattachüS seien vertraulich und eS fei nicht wünschenswert, sie vorzulegen oder ihren Inhalt wiederzugeben. Thorne von der Arbeiterpartei lenkte darauf die Aufmerksamkeit deS Hauses auf die Anwesenheit der deutschen   Besucher und fragte Mc Kenna, ob er wüßte, daß zurzeit auf der Galerie sich eine Deputation deutscher Arbeiter befinde, die gekommen seien, um die Freundschaft der Bolksparteien beider Länder zu befestigen. Hier griff der Sprecher ein und erklärte, daß die Frage belanglos sei. In Beantwortung einer weiteren Frage sagte Premierminister A S q u i t h, die Regierung habe Schritte unternommen, um die Luftschiffahrt auf einen zufriedenstellenderen Stand zu bringen. Sowohl das Heer wie die Flotte hätten eS sich zur Auf­gabe gemacht, lenkbare Luftschiffe zu entwerfen und zu erbauen. Das Kriegsministcrium erbaue seine Luftschiffe in der Ballonfabrik zu Aldershot  . Um dem Werke die höchste wissen- schaftliche Unterstützung zu sichern, sei das staatliche physikalische Laboratorium angewiesen worden, eine Besondere Abteilung für fortgesetzte Experimente und Forschungen über die einschlägigen Fragen einzurichten. Die notwendigen Mittel seien zur Verfügung gestellt, damit das Werk ohne Aufschub ausgeführt werde. Die Aeroplanfrage werde vom Kriegsministerium bearbeitet. Kußlancl. Russische   Provokateure im AnSlaude. Dank dem rechtzeitigen Eingreifen des Genossen JauröS, der am 22. April in derHuinanitS" Mitteilungen über ein gegen Clemenceau und FalliSreS geplantes Polizeikomplott Brachte. daS von rnssischen Provokateuren vorbereitet wurde, ist die Aufmerksamkeit weiter Kreise abermals auf die Praktiken der großen und kleinen Azeivs gelenkt worden. ES winden in Nizza   zwei Personen. Alparosa und Anna NeitcS. verhafret. die daS Komplott vorbereiten wollten. Sinn stellt sich heraus, daß diese Personen in naher Ver- bindung standen mit demAnarchisten" S« i l i g e r, der bekanntlich aus Anlaß der Brüsseler BomBenaffäre verhaftet wurde. Unser Brüsseler ParteiblattPenple" wies Bekanntlich von Anfang an auf den provokatorischen Charakter der BomBenaffäre hin. wofür eS von der Bllrgrrlichen Presse mit Spott und Hohn über« gössen wurde. Nun dürfte nach den Verhaftungen in Nizza   die Wahrheit eher an den Tag kommen. perNen. Die Einführung der Verfassung. Teheran  , 6. Mai. Heute früh ist eine vom Schah unter- zeichnete P r o k l a m a t i on veröffentlicht worden, welche de- kannt gibt, daß der Schah heute eine Verfassung be- willigt, da allein das konstitutionelle Regime imstand sei, die Ordnung wiederherzustellen. Die Wahlen sollen bis zum 19. Juli vollzogen werden, an tvelchem Tage, wie man er- wartet, das Parlament zusammentreten wird. Ein revolutionärer Putsch. Teheran  » 5. Mai. 250 Nationalisten auS R e s ch t sind gestern plötzlich in K a s w i n eingedrungen und haben daS Gouvernement   angegriffen. Die Garnison leistete Bis zum Einbruch der Dämmerung Widerstand, worauf die Feindseligkeiten eingestellt lvurden. Von den Truppen des Schah wurden zwanzig getötet. hundert ergaben sich. Die Nationalisten hatten drei Tote. Sie erwarten heute Verstärkungen aus Rescht. parlatmnta�ifcbes. Die zweite Beratung der Berggesetznovelle wurde am Dienstagabend fortgesetzt. Im wesentlichen wurden die Beschlüsse der ersten Lesung bestätigt. Die Wahl und die Voraussetzungen für die Wahlsähigkeit der Sicher- heitsniänner versuchte das Zentrum zu verbessern. Es drang damit nicht durch, daß derjenige wahlberechtigt ist, der ein Jahr Bergarbeit verrichtet hat; es bleibt vielmehr dabei, daß der Wähler ein Jahr ununterbrochen auf dem Bergwerk be- schäftigt gewesen sein muß. Dagegen wurde die ununterbrochene dreijährige Grubenarbeit auf demselben Bergwerk geändert in eine ununterbrochene einjährige, und in zweijährige auf gleichartigen Gruben desselben Bezirkes. Im übrigen bleibt es bei den Beschlüssen erster Lesung mit der n a t i o n a I l i b e r a l c n Verschlechterung, daß der Sicherheitsinann fünf Jahre Hauer gewesen sein muß, während vorher genügte, fünf Jahre unterirdisch, davon z w e ff Jahre als Hauer. Der Arbeiterausschuß soll von den Sicherheits- männern gewählt werden. Auf 500 Mann Belegschaft soll ein Mitglied entfallen. Ein Zentrumsantrag, statt 500 zu setzen 300, wurde abgelehnt. Die Befahrung der Gruben soll einmal im Monat erfolgen. Ein Antrag, dreimalige Befahrung zu beschließen, wurde ebenfalls abgelehnt. Bei Beschlußfassung über die außerordentlichen Be- fahrungen, ob nur eine nochmalige oder mehrere, ob der gesamte Arbeiterausschuß oder nur die von den Arbeitern ge- wählten Mitglieder desselben darüber beschließen sollen, und ob der Unternebmer die mehrmalige Befahrung verweigern darf, konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Es wurde eine Subkommission eingesetzt, die in der nächsten Sitzung berichten soll. Das Recht der Unternehmer, ihrerseits Arbeiterausschuß- Mitglieder zu ernennen, ist nicht beseitigt worden. Nur die Mehr- zahl der Mitglieder muß von den Arbeitern gewählt werden. Em der Partei. Der Verlauf des Maifestes in Italien  . Rom  , 3. Mai.  (Eig. Ber.) In ganz Italien   ist der 1. Mai auch in diesem Jahre mit det üblichen Feierlichkeit begangen worden. In Rom  , wo die Straßenbahner trotz der gegenteiligen Verordnung der Stadtverwaltung den Dienst den ganzen Tag ruhen ließen, fand eine von 7- bis 8000 Personen besuchte VolkSvcr- sammlung am Orto botanico statt, wo Genosse Bissolati, Ge- nosse Pozzi, ein Republikaner und ein Syndikalist das Wart nahmen. Der Umzug war in Rom   verboten worden, aber die Ar- beiterlommission wurde vom Bürgermeister Nathan im Rathausc empfangen. Die städtischen Ämter der Hauptstadt wurden für den Nachmittag geschlossen; die Schulen, für die die sozialistischen  Stadtverordneten die gleiche Maßnahme beantragt hatten, hatten den Schülern keinen Ferientag gegeben. In Mailand   fand ein Umzug statt, Einweihung des Volkshauses, feierlicher Empfang der Tranibahner von Genua  , die in einem Extrazuge gekommen waren. Redner war Genosse Turati. Unter offizieller Beteili- gung der Stadtverwaltung wurde der 1. Mai in Florenz   be. gangen, wo ein lZiedenkstein für Giovdano Bruno eingeweiht wurde. Festredner waren die Genossen Pescetti  , Enrico Ferri  und M a s i n i, sowie der Bürgermeister San Giorgio. Auch in Turin   fand ein riesiger Demonstrationszug statt; über 1000 Arbeiter reisten im Extrazuge nach Genua  , wo sie von der dortigen Organisation empfangen wurden. Straßendemonstrationen sind weiter in Genua  , Palermo  , Trapani  , Bologna   und zahllosen kleineren Städten veranstaltet worden. In M e s s i n a, der Stadt der Toten, hatte die Regierung für nötig geflmden, den Umzug zu verbieten! Leider sind auch aus zlvei kleineren Ortschaften Apuliens  ernstere Unruhen z» berichten. In San Sticandro Garga- nico kam es zu einem Konflikt zwischen der freien Arbeiterschaft und einergelben", im Dienste der herrschenden kommunalen Par- tei stehenden Organisation. Einzelheiten fehlen, man weiß nur, daß die Karabinieri von den Waffen Gebrauch machten und gegen zwanzig unserer Parteigenossen verwundet wur- den. In Gioja del Calle war die Volksversammlung, bei der Genosse Morgari sprach, und der Straßcnumzug schon friedlich beendet worden, als organisierte Arbeiter, ebenfalls aus lokalpoli- tischen Gründen, von einer Schar junger Leute angegriffen wurden. Auch hier fehlen Einzelheiten, und man weiß nur, daß mehrere Arbeiter verlvundet sind, und zwar einer so ernst. daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Diese so häufigen Konflikte rn Süditalien, die nominell aus lokalen Anlässen entstehen, find tatsächlich verlarvte Episoden dcö Klaffen- kampfes, da es sich bei allen kommunalen Kämpfen in Süditalicn entweder um die Vorherrschaft zweier ausbeutenden Fraktionen oder um den Kampf der politisch und wirtschaftlich wehrlosen Ar- beiterschaft gegen die Grundbesitzer handelt. Trotz dieser Zwischenfälle im Süden zeigte übrigens auch der diesjährige Verlauf des 1. Mai durch die imponierende Einmütig. keit feiner Arbeitsruhe, daß die Organisation und daS Klassenbe- wußtsein der italienischen Arbeiterschaft cm Kraft und Tiefe zunimmt. pollzeUickus, Öcricbtiicbee ulw, Aufgehobenes Urteil. Wegen Beleidigung durch die Presse ist am 13. November v. I. vom Landgericht Bochum   der Genosse Friedrich Steinkamp vomV o l k s b l a t t" für Bochum   zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Ge- richt hat angenommen, daß sich der Angeklagte der Beleidigung in drei Fällen und der üblen Nachrede in einem Falle schuldig gemacht habe. Beleidigt sollten sein das preußische Offizierkorps des Beurlaubienstandes, der Reserveoffizier und Redakteur L. und die Bczirkskommandos. Auf die Revision Steinkamps hob am 4. Mai daS Reichsgericht das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Es handelt, sich um einen einzigen Artikel; die An- nahm« mehrerer selbständrger Straftaten, be- gangen durch Veröffentlichung dieses einen Artikels, erscheint nicht gerechtfertigt.