»ichtssommission eine Petition zur Beratung gehabt, die diese Zuständegrell beleuchtet. Der Referent meinte, wenn das alles zuträfe, wasda gesagt ist, mühte man glauben, die Schule liege bei den Eskimos.Es wurde beschlossen, die Petition einstimmig der Regierung zurBerücksichtigung zu überweisen. Gibt es doch eine Volksschule, diein einem Tanzsaal untergebracht ist.(Hört I hört I bei denSozialdemokraten.) Der Wirt hat ausgemacht, daß bei Hoch-zeiten und größeren Vergnügungen das Lokal ihmzur Verfügung gestellt wird, so daß also dann dieSchule einfach ausquartiertwird. Zum Neubau einer Schule, deren Zustand jeder Beschreibungspottet, waren bereits seit längerer Zeit 10(XXI M. zur Verfügunggestellt. Bis heute ist aber noch nichts verändert. Wo bleibt da dieAufsicht der Regierung?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Weiter möchte ich die Regierung fragen, ob ihr bekannt ist, daß inLandeshut und Bolkenhain in Schlesien ausländische Arbeiter zurSchulsteuer herangezogen sind. Für ein katholisches Kind hat man17, für ein evangelisches Kind 16 Mark verlangt. Ich frage, aufGrund welcher Bestimmung die betreffende Gemeinde das Recht her-nimmt, eine solche Steuer zu erheben, und ob die Regierung dazuihre Zustiinmung erteilt hat.Durch die Blätter geht die Meldung, daß geplant wird, fürGroß-Berlin das achtklass ige System abzuschaffenund zu dem sieben klassigen überzugehen. Es wird be-hauptet, daß das achtklassige System sich uichr bewährt habe. Auchsoy die Regierung in anderen Städten die Zustimmung zur Ein-führung des achtklassigeu Systems versagt haben. Was die Be-Währung betrifft, so liegt ja noch gar keine Möglichkeit vor. darüberetwas festzustellen, denn das System besteht noch viel zu kurze Zeit.Aber wenn es wirklich bisher nicht die gewünschten Erfolge gezeitigthätte, so liegt die Schuld nicht an dem System, sondern daran, daßunsere Schulordnung ganz falsch aufgebaut ist.Die Aufnahmeklassen haben eine viel zu hohe Frequenz. Wie sollein Lehrer 68—70 Kinder von ganz verschiedener geistiger Ver-anlagung mit Erfolg unterrichten können?! Das ist ein Ding derUnmöglichkeit.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die zurück-gebliebenen Kinder müssen besonders behandelt werden. Sollte manwirklich dazu übergehen, das 7klasstge System wieder einzuführen,so würde ich das auherordentlich bedauern. Dadurchwürde nur der Anschein erweckt, als ob das Ziel der Volksschulein kürzerer Zeit erreicht würde. In der Tat würde eS einenenormen Rückschrittbedeuten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Ich habe schon betont, daß die Schulaufsicht eine recht mangel-hafte ist. Das liegt auch daran, dah sich die Aufsicht-führenden um viele Dinge kümmern, die sie garnichts angehen. Ich erinnere an das Vorgehen gegen dieTurnvereine der Arbeiterschaft. Das Turnen ist ja jetztpatriotisch geworden und wird von oben eifrig g e-fördert. Das hurrapatriotische Treiben dort hat beider Arbeiterschaft Anstoß erregt, und so sind dieArbeiter dazu gekommen, sich eigene Turnvereine zu gründen.Gegen diese Vereine sind eine Reihe von Verfügungen er-gangen. Schon 1802 hatte der damalige Minister des Innernv. Köller eine Verfügung erlassen, worin als Mahnahme gegen dasTreiben„staatsgefährlicher Turnvereine" empfohlenwurde das Verbot der Teilnahme von Schülern an diesen Vereinen,das Fernhalten von Turnlehrern von solchen Vereinen usw._ Eskamen dann Verfügungen, wonach die städtischen Turnhallen Arbeiter-turnvereinen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden sollten.Das ist ein offenbarer Eingriff in die Selbstverwaltung derGemeinden. In FriedrichSselde zum Beispiel hat der Landratdie Gemeinde darauf hingewiesen, dah sie einem Arbeiter-turnverein ein Gemeiudelokal nicht zur Verfügung stellen dürfe.Ferner ist eine merkwürdige Verfügung des Berliner Provinzial-schulkollegiums zu verzeichnen an einen Gastwirt in Berlin, Schön-hauser Allee. Darin wird dem Wirt untersagt, Räumlichkeiten zurErteilung von Turnunterricht an Schlllerabteilungen zur Verfügungzu stellen bei Vermeidung einer Strafe von 100 Markoder entsprechender Haftstrafe. Das ist einunerhörter Ucbergriffin das Privatrecht des Einzelnen. Ick weiß nicht, inwieweit dasmit der Gewerbefreiheit im Einklang steht. Das Schul-kollegium beruft sich dabei auf ganz veraltete Verordnungen. DieseAusgrabung von alten Verordnungen scheint dem Kultusministeriumsoviel Arbeit zu machen, dah es die wichtigere Aufsicht über dieZustände in den Volksschulen darüber versäumt.(Sehr wahr I beiden Sozialdemokraten.) Das Turnen ist doch auch danneine gute Leibes Übung, wenn es von Sozial-demokrateu ausgeübt wird! Wollen Sie der Sozial-demokratie das Turnen überhaupt verwehren, oder wünschen Sie.dah die Sozialdemokraten in patriotische Turnvereine eintreten?Dann könnte es zu schönen politischen Konflikten in diesenVereinen kommen. Dieses Vorgehen wirkt schwer schädigend aufdie körperliche EntWickelung der breiten Massen der Arbeiter-bevölkerung, die nie und nimmer in diese patriotischen Vereinehineingehen kann, weil ihre politischen Gefühle dort auf dasschwerste verletzt werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Trotz dieser Verfolgungen entivickeln sich die Arbeiterturnvereineganz ausgezeichnet. Wenn heute von einem staatsgefähr-lichen Turnen gesprochen wird, so ist das ja nichts Neues. Icherinnere daran, daß der Schöpfer des deutschen Turnens, Iah»,1819 in den Kerker wandern mußte. Es hieß damals in einerBqrküqung:„Seiner Majestät ernst er Wille sei, dahdaSzeurnen überhaupt ganz aufhöre." Erkennt manheute an, dah das Tunren notwendig ist für die körperliche Ent-Wickelung des Volkes, so darf man es nicht mehr in der rückständigenArt wie damals bekämpfen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen des Herrn v. Zedlitzbei der Generaldebatte im Kultusetat zurückkommen. Er schien amEnde nicht mehr zu wissen, was er am Anfang gesagt hatte. Ersagte am Schlufle:„Was jetzt geschieht, sind alles Keime, die ent-wickelungsfähig sind, aber auch der EntWickelung bedürfen, damitauch der innere Betrieb unserer Volksschulen auf die Höhe gebrachtwird, damit die preußische Volksschule wieder vorbildlich wird fürdie Volksschulen nicht nur in Deutschland, sondern auchEuropas." Damit ist unumwunden ausgesprochen. daß diepreuhische Volksschule heute keineswegs als ein Vorbild angesehenwerden kann. Darin stimme ich Herrn v. Zedlitz durchaus bei. Dieser Satzsteht aber im Widerspruch mit seinen Ausführungen am Anfang, wo erbetonte, die Volksschule sei nicht in. erster Linie berufen, den Kinderndie Kenntnisse beizubringen, die sie für das Leben brauchen. Alleeinsichtigen Leute sind anderer Meinung. Ich verweiseauf die Aeuherungen Humboldts, SchleiermacherS und Fichtes überdie Bedeutung der Volksschule. Wenn die reaktionären GedankendeS Herrn v. Zedlitz Geltung haben, dann werden wir nie das Zielerreichen, daß die preuhische Volksschule auch für das Ausland vor-bildlich ist. Von dem Eintritt meiner Parteigenossen in dieSchuldeputationen fürchtete Herr v. Zedlitz eine Beeinflussungder Entwickelung der Volksschule. Er überschätzt offen-bar die Bedeutung der Schuldcputationen. Wenn er davoniprach, unser Anspruch mute ihn an, als wenn der Einbrecher Zu-lassung zu der Kassenverwaltung verlange, so will ich auf diesegeschmacklose Acußermignicht eingehen. Jedenfalls ist es aber eine Usurpation, einRaub, wenn die herrschenden Klassen allein den Einfluß aufdie Volksschule beanspruchen, der der Gesamtheit zusteht. Aufdie Dauer werden sie ihre Macht nicht behaupten können. Wirwerden so lange kämpfen, bis auch den Vätern und Müttern derVolksschulkinder der ihnen gebührende Einfluß auf die Volksschulegesichert ist. Erst dann wird die Volksschule werden können, wassie sein soll, eine wahre Bildungsstätte deS Volkes.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Schepp(frs. Vp.) tritt für die Zulassung der Volksschul-lehrer zum Universttätsstudmm ein. In der Schaffung von Kreis-fchulinspektoren im Hauptamt sollte«in schnelleres Tempo ein»geschlagen werden. Die Kirche ist bisher immer eine Stiefmutterder Volksschule gewesen.(Widerspruch rechts und im Zentrum.Sehr richtig! links.) Die aus den Schreib- und Klippschulen her-vorgegangenen Volksschulen in den Städten hat die Kirche erst dannals Schulen anerkannt, als sie sich dazu verstanden. Abgaben an dieKirche zu leisten.(Hört! hört! links.) Herrn Hoffmann gegenüberbemerke ich, dah unsere Forderung der U n-abhängigkeit der Schule von der Kirche nochnicht die Forderung der Entfernung des Re-ligionsunterrichtes aus der Schule in sichschließt. Die Schule muh auch g e m ü t s b i ld e n d wirken, unddazu ist der Religionsunterricht da.(Sehr richtig I beiden Freisinnigen.) Man beruft sich auf die Bremer Lehrer. Aberes stehen nicht alle Bremer Lehrer auf dem Standpunkts der HerrenHolzmeier-Scharrelmann, und die deutsche Lehrerschaft hateinen Antrag auf Entfernung der Religion ausder Schule sogar abgelehnt. Wenn Herr Hoffmann meinte,die Lehrer würden in geheimer Abstimmung anders entscheiden, solege ich Protest ein gegen diesen Vorwurf der Heuchelei.(Bravo I b. d.Freis. Lacken b. d. Soz.) Die Entfernung des Religionsunterrichtsaus der Schule bedeutet in Wirklichkeit eine Kapitulation desStaates vor der Kirche, das beweist die Tatsache. daß in Italiendie äußerste Rechte dafür eintritt.(Sehr richtig! bei den Frei-sinnigen.) Richtig ist, dah im Religionsunterrickt weniger Wert aufden Gedächtnisstoff gelegt werden mühte. Die Bibel sollte man ausder Schule entfernen, denn sie enthält tatsächlich Stellen, die einKind nicht lesen darf. Man sollte Schulbibeln einführen. Das Zieloller wahren Freunde der Schule muh die Einführung der all-gemeinen Volksschule bleiben.(Bravo I links.)Abg. Stychel(Pole) wirft der Regierung vor, dah sie in denpolnischen Provinzen nicht nur Germanisierungs-, sondern auchProtestantisierungspolitik treibe. Die Lehrer werden zu Spionier-diensten gegenüber den Geistlichen veranlaßt.(Hört! hört I bei denPolen.) Die Verordming, dah mindestens auf der Unterstufe dieKinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden müssen, wird nichtüberall befolgt.Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff: Die von den Vorrednerngegebenen Anregungen sollen geprüft werden. Herrn Stychel er-widere ich, daß auf die polnischen Katholiken von der Unterrichts-Verwaltung stets die nötige Rücksicht genommen worden ist. Davon,dah wir die Lehrer zu Spionagediensten gegenüber den Geistlichenanhalten, kann keine Rede sein. Ob die Lehrer polnischer Nationa-lität sind, ist uns gleichgültig, aber wir verlangen, dah siezuverlässige Diener des Königs von Preuhen sind. Ich kann HerrnStychel nur bitten, dafür zu sorgen, dah der Widerstand derpolnischen Bevölkerung gegenüber den Mahnahmen der preußischenSckulvcrwaltung aufhöre. Die Unterrichtsverwaltung gibt sich diegrößte Mühe, die Voiksfchulverhältnisie in den polnischen Provinzenzu heben. Herrn Borgmann stimme ich darin bei, dah es eine Auf-gäbe der Unterrichtsverwaltung ist, immer mehr für Herabsetzung derKlassenfrequenz zu sorgen. Wir sind aber auch in dieser Richtungimmer vorgegangen. 1871 entfielen auf eine Lehrkraft 83 Kinder, 187861Kinder, 1896 SSKinder und 1906 S3Kinder. Gewiß besteht der Wunsch,noch weitere Fortschritte zu machen, aber die Stenerkraft des Volkeshat auch ihre Grenzen. Auch können diese Zustände nicht einfachdurch einen Federstrick der UnterrichtSverwaltung beseitigt werden.Durch die Aufhebung der wenigen bestehenden Zwergschulen würdenichts gewonnen werden, man' würde dann die Kinder 2—6 Kilo-meter weite Wege machen lassen müssen, damit sie überhaupt Unter-richt bekommen könnten. Dah wir Schulbauten haben, die des Neu-baues bedürfen, gebe ich zu. Aber, dah auf dem Gebiete in denletzten Jahrzehnten sehr Bedeutendes geleistet ist, wird auch HerrBorgmann nicht in Abrede stellen können. Dah seitens der sozial-demokratischen Partei sehr energische Anstrengungen gemacht werden,um die Jugend des Volkes schon von unten auf zu ihren Bestrebungenzu bekehren, ist bekannt. In welchem Sinne das geschieht, dafürsind die Beweise wiederholt vorgebrackt worden. Redner verliesteinige Lieder aus dem sozialdemokratischen Turnerliederbuch. Daheine solche Gesinnung den Kindern beigebracht wird, können wirnicht zulassen.(Abg. Hoffmann(Soz.): Die Wahrheit wollenSie nicht zulassen?) Nein, das ist nur eine agitatorischeVerhetzung gegen die Einrichtungen deS bestehenden Staates undes ist Pflicht der Unterrichtsverwaltung dagegen vorzugehen.(Bravo!rechts.)Abg. Emst(fts. Vg.) nimmt den Generalsekretär TewS gegendie Angriffe des Abg. Heß in Schutz und bringt Fälle von Lehrer-mahregelungen zur Sprache. Im übrigen bleiben seine weiterenAusführungen auf der Tribüne unverständlich.Ministerialdirektor Dr. Schwartzkopff: Wegen Betätigungliberaler Gesinnung ist noch nie ein Lehrer gemäß«regelt worden. Dagegen halten wir es mit den Pflichten einesLehrers nicht für vereinbar, wenn er die Bestrebungen der Sozial-demokratie fördert. Das war der Fall bei dem Lehrer Kimpel, derin Frankfurt a. M. sieh mit dem sozialdemokratischen Stadt-verordneten Dr. Ouarck zusammengetan hat, um in einer AgitationS-Versammlung gegen das VolksschulunterhaltungSgesetz aufzutreten.Das ist für einen Mann, der die Pflichten eines preußischenStaatsbeamten übernommen bat, unzulässig.(Sehr richtig I rechts;Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ebensowenig kann es die Unterrichtsverwaltung zulassen, dah die Lehrer durch Unterrichtserteilungin den sozialdemokratischen Jugendvereinen sich mit der Sozialdemo-kratie in Beziehungen einlasien.(Bravo! rechts.)Ein Antrag auf Schluh der Debatte wird angenomme'n.Abg. Schröder-Kastel(natl.) bedauert, durch den Schluh derDebatte verhindert zu sein, auf den Fall des Lehrers Kimpel einzugehen. Er könne die Auffastung des Ministerialdirektors nichtteilen.(Hört! hört! links.)Abg. Ernst(frs. Vg.) bestreitet, für die Lehrer daS Recht in Anspruch genommen zu haben, für die Sozialdemokratie zu wirken.Der Antrag v. Brandenstein und Kessel wird angenommen.Der Antrag Gottschalk geht an die UnterrichtSkommissian.Hierauf vertagt daS Haus die Weiterberatung auf 7'/, Uhrabends.Schluß 4'/« Uhr._fluch eine Berichterstattung.Für den französischen Syndiko-KonfusionismuS werden an-scheinend Ausfuhrwege nach Deutschland gesucht. Merkwürdigerweisegerade in einem Augenblick, wo die Eigenschaft der besiegtenRichtung, Vorfrucht deS reinen Anarchismus zu sein, der geeinigtenPartei sehr fühlbar geworden ist. Immerhin, die Ware ist nochbester als die Prospekte, womit die Agentur am deutschen Platz fürsie Stimmung machen will. Ein nettes Exemplar davon findet sichunter dem Titel„Der Weg zur Macht" in der Chemnitzer„ V o l k S st i m m e Der Pariser Korrespondent dieses Blattessucht in diesem„Nachwort zum Parteitage in St. Etienne" dieGründe, warum sich die Lage der Partei verschlechtert hat, und erfindet sie im„rücksichtslosen Eingreifen deS Ge-Nossen Hervä und in der Haltung des GenossenG u e s d e". Hcrvö ist in der Tat so rücksichtslos, sich von seinen altenPflegevätern nicht an die Kette legen lassen zu wollen; seine freieWolfsnatur sträubt sich gegen eine blotze Wadenbeiherrolle. Aberwie kommt G u e S d e zu der ihm von dem Korrespondenten der„Volksstimme" vorgehaltenen Schuld? Vor allem, inwiefern kannseine Haltung auf dem Parteitage die Ursache der un-günstigen Parteizustände sein, wovon doch die Resultatlosigkeit undTrübseligkeit des Kongresses nur der Ausdruck ist? Der Kor-respondent versagt sich eine solche Frage, da ihm offenbar Kongreß-couloirgeschichten bedeutender erscheinen als die Methoden des täg-lichen Kampfes, und erklärt, das Unheil komme von der An»Näherung der GueSdisten an die Hervöisten. Natür-lich fordert diese überraschende Mitteilung eine Erklärung, da dochgerade der Kampf Guesdes und seiner Freunde gegen Herd« undseinen bunten Anhang notorisch ist. Er gibt also zunächst«ineCharakteristik der Vergangenheit: Die GueSdisten suchen seit zwei JahrenHervs aus der Partei zu drängen, während dagegen Jaurös undVaillant ihn hielten, erstens weil hinter Hervs zahlreiche tüchtigeElemente stehen, die nur ihre Sturm- und Drangzeit durchmachen,dann auch, weil Herb« mit ihnen gegen Guesde für dieAutonomie der Gewerkschaften und für die anti-militari st ische Agitation gegen den Krieg eintrat."Wir sehen davon ab, dah das Verdienst, das sich JauröS undVaillant durch die Rettung Herves erworben haben, nicht einmaldem Korrespondenten überwältigend scheint, da er selbst weiterhindarüber jammert, dah Hervs die Einmütigkeit in der Parteizertrümmert habe und sich dessen noch rühme. Wie soll man aberdie Behauptung bezeichnen, dah„die Autonomie der Gewerkschaftenund die antimilitaristische Agitation gegen den Krieg gegenGueSde habe erfochten werden müssen? Hier treibt dersyndikalistische Eifer den Korrespondenten zur Sabotage der Wahr-heit. Guesde hat niemals die Autonomie der Gewerkschaften an-tasten wollen. Was er nnd seine Freunde anstrebten, war die An-bahnung gelegentlicher Vereinbarungen von Parteiund Gewerkschaft über gemeinsame Interessen— Verein-barungen, wie sie z. B. in Deutschland zwischen Parteivorstand undGcneralkommission getroffen werden und auch in Frankreich selbsttatsächlich an vielen Orten hergebracht sind. Auch die Mehrheitder Parteitage von LimogeS und Nancy hat nicht eigentlich gegendie Vorschläge, sondern gegen vermutete Hinter-gedanken der GueSdisten diskutiert. Was der Korrespondentaber über die antimilitaristische Frage sagt, ist durch die zwei-deutige Formulierung geradezu eine Unanständigkeit,die ihr Gegenstück nur in der Manier findet, womit der„Temps"die erwähnte Kooperation von Jaures und Hervs gegen Jaurösausbeutet. Die deutschen Leser der Korrespondenz sollen glauben,Genosse GueSde habe den Militarismus und die Agitation gegenden Krieg bekämpft. In Wahrheit ist Guesde nur gegen den Herve-schen AntipatriotiSmuS und gegen die Festsetzung vonGeneral st reik und Insurrektion für den Kriegsfalleingetreten— Anschauungen, deren sortgesetzte Propaganda derKorrespondent jetzt selbst als konfus bezeichnet. Und als bestesMittel gegen den bürgerlichen Militarismus und Chauvinismus hater den Kampf des organisierten Proletariats umdie Staatsgewalt hinge st eilt, dessen Vorbedingung dievon allen ideologischen Seitensprüngen freie sozialistischeErziehung des Proletariats ist.Nachdem sich der Korrespondent der„VolkSstinnne" für seineZwecke einen Guesde der Vergangenheit konstruiert hat,fälscht er sich nun einen GueSde der Gegenwart zurecht:„Auf dem Kongreß von St. Etienne erklärte Guesde sich selbst füreinen Jnsurrektionellen, für einen Aufständischen und wiederholteunter dem stürmischen Beifall der Hcrvsisten, dah seiner Meinungnach die kapitalistische Gesellschaft mit Gewalt nieder-geschlagen werden müsse. Da GueSde Hcrvö nicht auS-f ch l i e h e n konnte, sucht er den Anschluß an ihn." Welch nied-licheS Taschenspielerkunststück! Guesde hat sich in der Tat in einerUnterbrechung von Herves Rede als Insurgenten bekannt. Aber indieser Unterbrechung hat er seinen Standpunkt in geradezu klassischerPrägnanz definiert. Was sagte er? Hervö will eine fortgesetzteAgitation mit Generalstreik und Insurrektion als Ziel, für ihn istdaS Proletariat die Klaffe, die die Legalität brechen und diegewaltsame Lösung provozieren soll. Guesde vertrat genau denentgegengesetzten Standpunkt! An geschichtlichen Bei-spielen zeigte er, daß eS immer die herrschendeKlasseist. die den Boden der Gesetzlichkeit verläht und in einem Gewalt-streich ihren letzten Rettungsversuch unternimmt. Hervs will denfortgesetzten Putsch, er verwirft die parlamentarische Aktion, GueSdeverkündet im Gegenteil die möglichste Ausnutzung des allgemeinenStimmrechts. Für Hervä ist die Insurrektion eine Taktik, fürGuesde ein unvermeidliches historisches Resultat. Undder Korrespondent der.Volksstimme' nennt das„im Grunde dir-selben Anschauungen" k Wer mag ihm in die Tiefen dieses„Grundes" nachdringen?Doch am Ende hätte er die Entschuldigung für sich, daß er inSt. Etienne nicht anwesend war und die GueSdesche Interventionauch nicht aus einer wörtlichen Wiedergabe, wie sie der, T e m p S"gebracht hat, kennt. Aber die mala fidos liegt zutage, wenn er alsBeispiel für den„Anschluh" GueSdeS an Hervä anführt, dah sichGuesde mit keinem Wort der Wahl HerväS und seinesGesinnungsgenossen Jobert in die Verwaltungskommission wider-setzt habe. Der Parteivorstand wird nämlich auf Grund derProportionalvertretung zusammengesetzt und jede Richtungmacht ihre Vertreter namhaft. So lange die Jnsurrektionellen in derPartei geduldet werden, haben sie Anspruch darauf, in der Verwaltung«-kommission vertreten zu sei». Dah sie aber geduldet werden, istnicht das Werk der GueSdisten. Gerade der Guesdist De laPorte hat die Ausschließung Herväs— wie auchBretonS— beantragt.„Mit keinem Wort widersetzt" haben sichder Wahl der Jnsurrektionellen auch jene Genossen, die im Kor-respondenten einen— von ihnen wirklich nicht verdienten— Rittergefunden haben. Wenn den Syndikalisten und ihren Freunden dieAnwesenheit der Jnsurrektionellen in der Verwaltungskommissionunangenehm ist, so war es doch ihre Sache, einen anderen Wahl-modus zu beantragen und die Vertagung der Diskussion über dasOrganisattonsstatut zu verhindern, umsomehr, als sie die Mehrheithatten. Sind die Syndikalisten durch die freiwilligen Helfer, diesie in der Partei gefunden haben, der„direkten Aktion" so ent-wöhnt worden?Es handelt sich uns an dieser Stelle um eine Klarstellung derAnschauungen, die sich auf dem Kongretz kundgegeben haben,nicht um eine Rechtfertigung der taktischen Kombinationen, die vonder einen und der anderen Seite versucht worden sein mögen. Obdie Möglichkeit, den Parteistörenfried Breton zu beseitigen, einmomentanes Zusammengehen von GueSdisten und Herväisten ge-rechtfertigt hätte, wollen wir nicht beurteilen, also auch durch dieso zahlreichen, ehedem und auch wohl jetzt, noch auf anderer Seitekombinierten Majoritätsbildungen nicht als entschieden ansehen.Mag sich auch eine Neigung, die Situation in diesem Sinne auSzu-nutzen, geregt haben, so bleibt es darum doch eine wenig geistreicheBosheit, zu behaupten, Herväs Einfluß sei momentan„nicht zuletztmit guesdistischer Hilfe" gestiegen. Wenn jemand daran die Schuldtrifft, so doch eher diejenigen, die der Parole der Anarchisten, dieSektionen der Seine-Föderatton zu besetzen, gleichmütig gegenüber»gestanden und schliehlich sogar die berühmte Einmütigkeitsresolutionvon Toulouse nachträglich auf da? Maß der anarchistischen Anti-Parlamentarier zugeschnitten haben.Und wie seine Freunde den Toulouser Beschluß anarchistisch zu-geschnitten haben, so schneidet der Korrespondent ihre syndikalistischenFormeln für den Chemnitzer Absatz deutsch-revisiomstisch zu:„Sowohl Hervä wie GneSde erstreben die bequeme,mehr oder weniger katastrophale„Eroberung derpolitischen Macht", daS heißt der StaatSgelvalt, währenddie Syndikalisten und mit ihnen Jäurös undVaillant den Sieg allein von der st ä n d i g e n, täglichen,immer sich erneuernden Aktion der ganzen Arbeiter-