Die Gelegenheit, der Regierung diese Absicht nachdrück- lichst zu demonstrieren, bot der Sydowsche Finanzreform- Plan. Die Agrarkonservativcn legten sofort Protest gegen den Versuch ein, den ländlichen Grundbesitz zur Erbfchafts- steuer heranzuziehen, und als trotzdem die Regierung ihr Nachlaßsteuerprojekt nicht fallen ließ, begann eine wüste demagogische Agitation des Junkertums und seiner im Bund der Landwirte organisierten bäuerlichen Gefolgschaft gegen das„unfehlbar zum Ruin führende Witwen- und Waisenbesteuerungsgesetz." Der Regierung sollte gezeigt werden, daß noch der Wille des Junkertums in Preußen- Deutschland entscheidet und daß es nicht im geringsten ge- willt sei, sich Gesetze aufzwingen zu lassen, die seinem Macht- interesse widersprächen. Daß in diesem Willev zur Macht das eigentliche Motiv der Opposition der Agrarkonservativen gegen die Er- Weiterung der Erbschaftsbefteuerung zu suchen ist, beweist aufs neue ein vom Herrn Dr. Georg Oertel selbstverfaßter Leit- artikel der„Deutschen Tageszeitung". Deutlich wird darin verkündet, daß die Konservotiven kein Interesse mehr an der Erhaltung des Blocks hätten: „Wir haben immer hervorgehoben, daß der Block nichts anderes sein könne und sein solle als eine vorüber- gehende Erscheinung, nicht aber ein dauerndes politisches Gebilde, das den Zweck seines Daseins in sich selbst trage. Eine Zeitlang war der Block eine politische Notwendig- keit; die Zeit scheint aber jetzt ihrem Ende zuzuneigen. Wir haben nicht das geringste Interesse daran, den Block zu sprengen; aber ebensowenig kann uns daran liegen, ihn auf unsere Kosten und durch Opfer der Ueberzeugung zu erhalten, wenn er seinen Zweck erreicht oder vielleicht auch verfehlt ha t." Und nachdem dann Herr Oertel als Forderung der konser - dativen Politik den Satz aufgestellt hat, daß der„Zug nach links" aufhören müsse, sagt er weiter: „Unverkennbar ist auch ein solcher Zug in der preußischen Staatspolitik. Ehe der Block zusammengeschmiedet wurde, hat der Vertreter der preußischen Regierung im Abgeordnetenhause erklärt, daß eine Aenderung des Landtagswahl- rechtes nicht erfolgen solle. Diese Erklärung war auch so selbstverständlich wie nur möglich, weil erst vor kurzer Zeit eine Novelle zum Landtagswahlgesetze eingebracht und angc- nommen worden war. Nachdem der Block seine Tätigkeit be- gönnen hatte, wandelte sich das Bild. Es wurden in ver- schiedenen Tonarten zeitgemäße Reformen des Wahlrechtes zum Abgeordnetenhause in Aussicht gestellt. Die Versprechungen wurden immer greifbarer und stärker, bis sie schließlich ihren feierlichen Niederschlag in der Thron- rede fanden. Das geschah, obwohl die rechtsstehenden Poli- tiker in Uebereinstimmung mit der Regierung mehrfäch bekundet hatten, daß eine grundsätzliche Aenderung des Wahlrechtes weder nötig noch zweckmäßig sei. Nun sucht man uns ja damit zu trösten, daß erst gründliche Vorarbeiten gemacht werden sollen und daß man niemals Aenderungen vorschlagen werde, durch die der Bestand des Staates gefährdet werden könnte. Aber die Regierung kann sich und uns nicht darüber täuschen, daß sie eine bedauerli che und bedenkliche Wand lung in den Grundsätzen vorgenommen hat. Die Wahl- rechtSänderung, mag sie gestaltet werden wie sie will, wird doch einen Schritt zur Demokratisierung des pveußi- schen Staates bedeuten; und diesen Schritt den Konser- vativen dem Blocke zuliebe zuzumuten, war und ist ein starkes Stück." Deutlicher kann kaum zugegeben werden, daß es sich für Las Junkertum lediglich um eine Machtfrage handelt. verschiedene Ansichten im Zentrum über die Erbfchafts- sieuer. Während dl« Zentrumsfraktion aus taktiscken Rücksichten mit den Agrariern in der Verwerfung der Nachlaß- und Erbschaftssteuer einig ist und in der entfesselten Hetze gegen diese„Besitzsleuer" nnt den ärgsten konservativen Schreiern durch Dick und Dünn geht, spricht sich das Organ der Zentrumsarbeiter, die„West- deutsche Arbeiterzeitung", nochmals sehr entschieden für eine Er- Weiterung der Erbschaftssteuer aus. In einem Leitartikel der Nummer 19 vom 8. Mai beschäftigt sich das Blatt mit dem kon- fervativen Antrage auf Einführung der Wertzuwachssteuer. Es spricht sich gegen diese Steuer aus praktischen Erwägungen aus und fährt dann fort: .... Hat man wirklich noch eine andere Form der Besitz- besteuerung im Auge, die besser ist als die Erbanfallsteuer, die ferner keine verfassungsrechtlichen Bedenken zuläßt, die schließlich volkswirtschaftlich und sozialpolitisch ebenfalls unbedenklich ist? Dann, bitte, heraus damit in einer Zeit, wo es noch möglich ist und nicht erst, wenn's zu spät geworden I Solange aber ein Borschlag dieser Art nicht gemacht ist. solange darf man auch die Erbschaftssteuer nicht fallen lassen, die unter allen bisher gewiesenen Pfaden der Besitzbesteuerung immer noch am gangbarsten ist. Ju der nunmehrigen Situation kann unsere Forderung nur dahin gehen: Ausbau der Erbschaftssteuer und Wertzuwachs st euer. Und das deshalb, weil die Immobilien- Wertzuwachssteuer als Ersatz absolut unzureichend ist und bei einer zu geringen Berücksichtigung der Gemeinden in vielen Fällen nur eine scheinbare Heranziehung der leistungsfähigen Schultern bedeuten würde. Denn— behalten wir das scharf im Auge— wenn man diese Finanzquelle den Gemeinden ganz verschiaten würde, so müßten diese sich eben nach anderen Einnahmen umsehen und da würde in erster Linie in Frage kommen die Erhöhung der heute schon unerträglichen konimunalen Zuschläge aus Staats steuern. Darunter würde am empfindlichiten leiden das A r b e i s e i n k o m m e n." Freie Männer oder Schulbuben? Die.. N o r d d. A I l g e m. Ztg." schreibt: Unter den preußischen Zollaufsehern hat seit längerer Zeit, namentlich unter dem Eliifluß der FachpreAe, durch Verbreitung irriger Anschauungen und un- wahrer Gerüchte, Unzufriedenheit und Mißstimmung in ebenso hohem wie unberechtigtem Umfange Platz gegriffen. Der Finanz- minister hat sich daher veranlaßt gesehen, in einer Rund- Verfügung an die Präsidenten der sämtlichen Oberzolldirektionen die Beamten der preußischen Zollverwaltung zur Besonnenheit zu mahnen und ein energisches Einschreiten gegen alle Beaviten in Aussicht zu stellen, die es bei der Verfolgung ihrer Standes- interessen, namentlich in den Fachblättern, an der nötigen Mäßigung fehlen lassen sollten. Die Beamten dürfen sich über solche Behandlung nicht wundern, hat doch sogar der Freisinn nicht die Courage gesunden, für die Beamten das Recht der freien Organisation und der freien Meinungsäußerung zu fordern! Ein Radbod-Prozetz in Sicht? Nach einer Mitteilung der„Dortmunder Zeitung" vom Sonnabend- morgen(8. Mai> haben die Direktoren der ZecheRadbod gegen den Genosien Nottebohm von der„Arbeiterzeitung" zu Dortmund Strafantrag gestellt wegen der wiederholten Behauptungen der„Arbeiterzeitung", daß die Verwaltung der Zecke Radbod an der Radbod-Katastrophe am 12. November v. I. m i t s ch u l d i g sei. Die Herren haben sich sehr, sehr lange nötigen lassen! Wiederholt hat unser Dortmunder Bruderblatt sie auf- gefordert, Strafantrag zu stellen, damit im Strafverfahren die Wahrheit über die Katastrophe festgestellt werden könne. Die Herren Direktoren rührten und regten sich nicht, obgleich sie, wie Strafanträge aus anderen Anläßen erkennen ließen, die Arbeiter- zeitung aufmerksam lesen. Jetzt, nachdem mehr als sechs Monate nach der Katastrophe verflossen sind, stellen sie Strafantrag. Sind die Artikel der Arbeiterzeitung inzwischen vielleicht verjährt? Oder kommt es nun wirklich zur aufklärenden Verhandlung. Im Wandel der Zeiten. Die„Tägliche Rundschau" hat sich dieser Tage entrüstet über jene Blätter aufgehalten, die den sechzigsten Geburtstag des jetzigen genialen Reichskanzlers nicht durch byzantinische Lobhudeleien gefeiert haben. Die„Köln . Volkszeitung" antwortet darauf mit folgender Feststellung: Wenn ein Blatt auf diesem Gebiete Zurückhaltung üben sollte, so ist es gerade das genannte. In der ersten Hälfte der Bülowschen Kanzlerschaft hat die„Tägliche Rundschau" besonders an der auswärtigen, aber auch an der inneren Politik Bülows kein gutes.Haar gelassen; sie gehörte zu den schlimmsten Nörglern in jener Epoche. Plötzlich trat ein Wandel ein, und zwar gleich- zeitig mit der Zurücknahme einer Anklage, die das Ministerium der Rcichslande gegen das Blatt wegen Verläumdung— es hatte verschiedene elsaß-lothringische Beamte unlauterer Machenschaften beschuldigt— gestellt hatte. Diese Anklage wurde, obwohl eine Verurteilung zu schwerer Freiheitsstrafe so gut wie sicher war, plötzlich zurückgezogen, wie es damals allgemein hieß, auf Ver- mittelung der Wilhelmstraße. Daß diese Liebenswürdigkeit mit dem Umfall der„Täglichen Rundschau" in kausalem Zusammen- hange steht, wer wollte das beweisen!? Aber umgefallen ist sie, und darum soll das gesinnungstüchtige Blatt nicht Splitter bei anderen suchen, wo Balken im eigenen Auge liegen! Eine Berichtigung des Herrn Dr. Paul Lima«. Der bekannte Journalist Dr. Paul Lim an schickt uns durch seinen Rechtsanwalt, Herrn Hans Krüger, folgende Berichtigung. Das Schriftstück entspricht keineswegs den Anforderungen des§ 11 des Preßgesetzes. denn wie Herr Liman als Journalist und Redakteur eigent- lich wissen sollte, fordert dieser Paragraph nur die Aufnahme solcher Berichtigungen, die sich auf„ m i t g e t e i l t e T a t s a ch e n" beziehen; doch wollen wir Herrn Liman diese Unzulänglichkeit nicht entgelten lassen und geben deshalb sein Opus wortgetreu wieder: Auf Grund des§ 11 des Preßgesetzes ersuche ich die Redaktion deS„Vorwärts" um Aufnahme folgender Berichtigung: In Nr. 195 des„Vorwärts" vom 7. Mai wird unter der Ueberschrift:„Ein auffälliges Verbot" berichtet daß den Reichstags- journalisten der Aufenthalt in der großen Rotunde des Reichs. tags untersagt worden sei, daß man annehmen dürfe, der„all- deutsche Journalist Dr. Liman habe wesentlich zum Erlaß des Verbots beigetragen," es hätten„vermutlich" bürgerliche Abge- grdnete, die er angesprochen habe,„sich diese Belästigung" verbeten, und es sei bedauerlich, daß„die Journalisten in ihrer Gesamtheit für die Unart eines einzelnen büßen müssen". Jede der hier aufgestellten Behauptungen ist unwahr. Wahr ist vielmehr, daß nach amtlicher Angabe ein Sonder- verbot für Journalisten, sich in der Rotunde der Wandelhalle auf- zuhalten, überhaupt nicht besteht. Wahr ist ferner, daß zwar ein generelles Verbot der Benutzung der für die Abgeordneten bestimmten Sessel existiert und neuer- dings in Erinnerung gebracht wurde, daß dieses Verbot jedoch in keiner Weise mit mir zusammenhängt, sondern nach amtlicher Angabe auf die Ueberflutung des Reichstages durch Interessenten während der letzten Wochen zurückzuführen ist. Wahr ist, daß sich niemals ein bürgerlicher Mgeordneter durch mich belästigt fühlte und dem irgendwie Ausdruck verlieh. Wahr ist endlich, daß selbst die„Vermutung", daS Verbot hänge mit mir zusammen, nicht entstehen konnte, da ich in den letzten Wochen beurlaubt gewesen und nicht MN Reichstag er- schienen bin. Ganz crgebenst _ Dr. Paul Liman. Die Ereignisse in der Türkei . Wieder eine Meuterei. Konstantinopel , g. Mai. Der noch in der Selimliehkaserne be- findliche Rest der früheren hauptstädtischen Garnison, aus SOO Mann bestehend, verweigerte gestern den Offizieren den Gehorsam. Ein Teil der Mannschaften wurde ins Kriegsministerium übergeführt. Die Notlage im Wilajet A d a n a ist groß. Man befürchtet den Ausbruch von Krankheiten und eine Hungersnot. Abdul Hamids Schätze. Konstantinopel , 8. Mai. Nach dem Berichte der Kommission der Deputiertenkammer, die derJnventuraufnahme im Fildiz beiwohnte, hoben die am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag angestellten Nachforschungen im Aildiz zur Auffindung von von 122009 Pfund geführt, die nach dem Kriegs- Ministerium gebracht wurden. Vorbereitung für die Krönung. Konstantinopel , 3. Mai. Wie verlautet, trifft die Regierung zur Feier der Schwertumgürtung besondere Sicherheits- maßregeln. Ein großer Teil der hauptstädtischen Kurden soll während der Feierlichkeit in Gewahrsam gebracht werden.— Der Sultan hat eine Deputation aus Bruffa empfangen und ihr ver- sprachen, das Proteltorat über die im Sommer in Bruffa statt- findende Ausstellung zu übernehmen und die dortigen Gräber ieiner Vorfahren und Eroberer RumelienS sowie auch daS Grab Ghazi Suleiman Paschas m Gallipoli zu besuchen. Die Militärdiktatur. Konstantinopel , 8. Mai. Mohammedanische Geistliche und S o f t a s. die sich hier in verschiedenen Verstecken verborgen ge- halten haben, sind verhaftet worden. In einer offizielle» Bekanntmachung verlängert der Generalissimus Mahmud Schewket den Termin für die Ablieferung der Waffen seitens der Bevölkerung um weitere fünf Tage. Gleichzeitig droht er für den Fall der Nichtablieferung mit strengen Strafen. Die Lage in Kleinasien . K-nstantinopel, 7. Mai. Der Großwestr und die Minister des Innern und des Aeußern haben gestern allen Diplomaten versichert. daß die innere Lage Kleinasiens ruhiger geworden fei und daß alle Mahnahmen zur gänzlichen Beruhigung und Wieder- Herstellung der Ordnung ergriffen worden seien. Nach Angaben der Pforte werden in jedem Wilajet militärische Zentren gebildet, welche das Innere derselben gründlich pazifizieren sollen. Octtcwnd). Sozialdemokratische Wahlsiege. Graz , 8. Mai. Bei den L a n d t a g s w a h l e n wurden in der allgemeinen Wählerklasse gewählt: vier Sozialdemokraten, cm Christlichsozialer, zwei Katholisch-Konservative, zwei Slovenisch-Klerikale. Eine Stichwahl hat zwischen einem deutschfreiheitlichen und einem sozialdemokratischen Kandidaten stattzufinden. Zweijährige Dienstzeit. Wien , 8. Mai. Im BudgetauSschuß kündigte der Landes- Verteidigungsminister für den kommenden Herbst die Einbringung deS neuen Wehrgesetzes auf der Grundlage der z w e i« jährigen Dienstzeit sowie die Einbringung einer neuen Militär st rafprozeßordnung an. ScKwei?. Kommunale WohnnngSpolitik. Zürich , 6. Mai. sEig. Ber.) Der zürcherische Stadtrat unterbreitet dem Großen Stadtrat neuerdings eine Vorlage zur Fortführung der Wohnungspolitik, wofür er einen Kredit von S 151 OOO Fr. verlangt. Auf einem Terrain von 39 600 Quadratmetern soll eine richtige Garten st adt in 28 Gruppen mit inZgesaint 73 Wohnhäusern von 288 Wohnungen von je 2, 3, 4 und 5 Zimmern zum Preise von 583 bis 1175 Fr. erstellt werden. Die von der Stadt bereits ge- bauten Wohnungen erfreuen sich lebhafter Nachfrage, so daß zahl- reiche Bewerber abgewiesen werden mußten. Das Vorgehen des zürcherischen Stadtrates zeigt, daß mit gutem Willen eine großzügige Wohnungspolitik möglich ist. fpanhrdeb. Die verurteilte» Legionäre. Paris , 8. Mai. Die von den fünfzehn desertierten Fremden» regionären gegen ihre Verurteilung durch das Kriegsgericht in Oran eingelegte Berufung ist vom Kaffationshof verworfen worden. Italien . Ein Freispruch. Rom , 8. April. (Privatdepesche des„Vorwärts".) Heute fand die Verhandlung gegen die Arbeiter statt, die während des großen Landarbeiter st reiks in der Provinz Parma verhaftet und dann angeklagt wurden. Der Monstreprozeß endete mit der Freisprechung sämtlicher 59 Angeklagten. Der Staatsanwalt selbst mußte schließlich die Anklage fallen lassen. Die Angc- klagten haben unschuldig 19 Monate Untersuchungshaft er- litten. Der Wahrspruch wurde von einer großen Arbeiter- menge mit Enthusiasmus begrüßt. R-iißlaiicl. Ein General getötet. Petersburg, 8. Mai. Heute früh wurde in Jfhcwsk, Gouvernc- ment Wjatka, der Gehilfe des Chefs der dortigen kaiserlichen Ge- Wehrfabriken, General Wassiliew. auf einer Brücke von einem Unbekannten erschlagen. Der Mörder sprang ins Wasser, wurde aber herausgezogen und verhaftet. Das Prestige der Regierung. Man schreibt uns aus Petersburg : Die russische Regierung schleift alle Festungen in Russisch- Polen mit Ausnahme der Warschauer Zitadelle. Diese Maßnahme wurde dadurch verursacht, daß die Festungen miserabel gebaut und ihre strategische Bedeutung nach dem Urteil von Fachmännern ge- ring ist. Der Regierung ist mehr daran gelegen in dem sogenannten „nördlich-östlichen Lande" sLitauen usw.) Festungen zu bauen; da- bei haben die nutzlosen Festungen in Russisch-Polcn jahraus jähr- ein eine Menge Geld gekostet, auf das es der Regierung jetzt bei ihrem„Reformwerk" sehr ankommt. Die Schleifung dieser Festungen— die nebenbei gesagt ohne"Befragung der Duma von der Regierung beschlossen worden ist— hat in der russischen Presse viele Kommentare hervorgerufen. In dem offiziellen Organ Stolh- pins, in der„R o s s i j a", wurde die Meinung ausgesprochen, daß Russisch-Polen für Rußland überhaupt kein Wertobjekt sei, da seine Bedeutung für Ruhland zu klein und Russisch-Polen während eines Krieges für die russische Regierung wegen der Gesinnung der polnischen Bevölkerung keine gute Operationsbasis wäre. Ob- wohl die Redaktion der„Russija " erklärte, daß es sich bei dieser Aeußerung nur um die private Meinung eines Mitarbeiters handle, lenkte der Aufsatz die Aufmerksamkeit der ganzen Presse auf sich. In der„N o w o j e W r c m j a" wurde der Brief eines Ingenieurs, also eines gebildeten Mannes, veröffentlicht, der die blödsinnige Behauptung aufstellt, die russische Regierung ver» kaufe Russisch-Polen an Deutschland für die Tilgung der russischen Schulden. Trotz des offenkundigen Blödsinns einer solchen Annahme, wird jedoch in der russischen Presse viel über die Angelegenheit gesprochen. In Russisch-Polen bildet sie das Thema täglicher Gespräche. Es wird darüber in der polnischen Presse, in Privatgesprächen und selbst in bürgerlichen Vereinen gesprochen. Und— dies ist das Pikanteste an der Geschichte— der Unsinn findet wirklich Glauben. Es>uird schon die Frage bcsprockxn, ob dabei die Posnische Bour- gcoisie gewinnt oder verliert. Die Möglichkeit, daß man an eine solche Transaktion glauben kann, spricht Bände darüber, wie die Macht des Staates in den Augen der Bürger aussieht. Nur weil die Negierung der Konterrevolution trotz Galgen und„Reformen" als eine Regierung der Bankrotteure betrachtet wird, weil selbst die loyalsten Schichten nicht an ihre Zukunft glauben, ist der Glaube an solche Möglichkeiten verständlich. pertten. Der Marsch gegen die Hauptstadt. Teheran , 7. Mai. Der Petersburger Telegraphenagentur zufolge gewinnen die Revolutionäre von K a s w i n täglich an Stärke und nähern sich Teheran . Der Telegraphendraht zwischen KaSwin und Reicht ist abgeschnitten. Die Vorposten der Revo» lutionäre sind schon in Tadirisch angelangt. Die Lage in Urmia . Dschulfa, 8. Mai. (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Wie aus Urmia brieflich gemeldet wird, ist dw Stadt seit dem 26. März d. I. vom Verkehr abgeschnitten. Nur mit Choi und Salmas besteht noch Post- und Drahtverkehr. Die russische Konsularpost und auch die Korrespondenz der ausländischen Privatpersonen wurde sowohl um Urmia wie in Choi und Salmas von Revolutionären aufgegriffen und gelesen. Der Handel stockt. Der Karawanenverkehr mit russischen Waren ist ganz eingestellt. Die Verbindung zwiscken Urmia und Soudj- Bulat ist durch Kurden unterbrochen. Die Mehrzahl der Bevölkerung in Urmia steht den Revolutionären feindlich gegenüber, verhält sich jedoch passiv._ Gewerhlcbaftlicbej). Unternehmerverbände und Maifeier. Der Zufall ließ uns einen Blick in die gedruckten Be- richte zweier Versammlungen der Vereinigung Schleswiger Arbeitgebcrverbände tun, die insofern größeres Allgenlein- interesse haben, weil daraus auf hie Stimmung der Unter» nehmer zur Maifeier im allgemeinen geschlossen werden kann. Die Versammlungen haben vor der diesjährigen Maifeier stattgefunden, um eine einheitliche Stellungnahme der Unternehmer zu vereinbaren. In der ersten Versammlung begründete ein Redner die Notwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens. Verschiedentlich sei eine Aussperrung der Mai- feiernden angedroht, aber nicht ausgeführt, das dürfe nicht vorkommen, da die Androhung dann mehr schade als nütze. Freiherr v. Reiswitz. Generalsekretär des Hamburger Arbeitgeberverbandes, meinte: Die Frage könne seines Er» achtens vorläufig nur lokal geordnet werden. Was aber einmal beschlossen sei, das müsse auf jeden Fall durchgeführt
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