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Gegen den Streikbruch. Lille  , 11. Mai. Der sozialistische Abgeordnete Dekorl) führte in einer Ansprache über den drohenden Postausstand aus. daß die Sozialisten ihre Kinder lehren müßten, als Soldaten zwar nicht den Gehorsam zu verweigern, aber wenn sie von der Negierung als Streikbrecher verwendet würden, ihre Arbeit schlecht zu verrichten und z. B. als Aushilfe für Postbeamte die Briefe nach falschen Richtungen zu versenden. Beamte und Arbeiter müßten Hand in Hand gehen und das gleiche Ziel verfolgen. In der Provinz. Paris  , 11. Mai. Die Postbeamten.in Havre und Cler- mond-Ferrand haben sich zugunsten eines AusstandeS ausgesprochen und werden einer eventuellen Streikparole des Zentral- komitees Folge leisten. Die Kannnerdebatte. Paris  , 11. Mai. Die Deputiertenkammer beriet die von den Sozialisten W i l l m und S e m b a t eingebrachte I n t e r- pellation über die Postbeamten. Sembat warf der Negierung vor, daß sie gegen die Postbeamten wegen Tatsachen vorgegangen sei, die nicht mit dem Dienst zusammenhingen. Die Post- beamten seien getäuscht worden. D e s ch a n e l sagte, wenn in der gegenwärtigen Krise die Postbeaniten den Gehorsam verweigerten, so komme dies daher, daß die öffentlichen Gewalten zu regieren vergessen hätten und verlangte ein Statut, das den B e- amten Garantien gewähre und Ordnung und Sicherheit im Staate schaffe. W i l l m(Sozialist) wies darauf hin, daß die Regierung den Postbeamten die Entlassung des Unter- staatssekretärS Simyan zugesichert habe und machte im übrigen der Regierung denselben Vorwurf wie Sembat. politische(Zeberlicbt. Berlin  , den 11. Mai 1909. Abgeordnetenhans. Im Abgeordnetenhause ging am Dienstag die dritte Be- ratung des Etats wider Erwarten schnell vor sich. Zu längeren Auseinandersetzungen gab im wesentlichen nur der Berg- etat Veranlassung. Abg. B r u st(Z.) kam auf die R a d b o d- Katastrophe zu sprechen, er führte das Zeugniszwangs- verfahren gegen den Redakteur des Organs des Steiger- Verbandes an, der gefordert hatte, daß die Steiger wegen ihrer Aussagen in dieser Sache ebenso vor etwaiger Brotlos- machung geschützt werden sollen lote die entlassenen Berg- arbeiter, die bekanntlich im Falle von Maßregelungen in fiskalischen Gruben angelegt werden sollen. Der Minister lehnte das Verlangen nicht nur rundweg ab. sondern er kanzelte auch Herrn Brust, den er anscheinend für einen Sozialdemokraten hielt, wegen seiner fortgesetzten Versuche, Unzufriedenheit zu schüren, gehörig ab. Eine herrliche Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet Herrn Brust so etwas passieren mutz. Würdig bewiesen hat er sich der für ihn so ehrenvollen Verwechselung bisher noch niemals. Schärfer als der Zcntrumsredner setzte unser Genosse Le inert dem Minister zu. Mit Recht betonte er, daß der Minister, wenn ihm wirklich an der Aufklärung gelegen sei, die von Brust gewünschte Aussage geben müßte; andernfalls dürfe er sich nicht wundern, wenn die Oeffentlichkeit ihm die Schuld an der Verdunkelung der Sache gebe. Mit aller Schärfe forderte unser Redner endlich Aufklärung über die Ursachen der Katastrophe, und zum Beweis dafür, daß der Zweifel des Ministers, ob überhaupt Matzregelungen stattfinden, un- begründet sei, konnte er einen typischen Fall von Unternehmer- tcrrorismns aus Oberschlesien   anführen. Die Antwort des Ministers war nichtssagend, und auch der Scharfmacher Dr. Beumer(natl.), der für die Grubenbarone eintrat und weidlich auf die Journalisten schimpfte, die er nächst der Sozialdemokratie für das größte Uebel hält, konnte die Wirkung der Anklagen gegen die Bcrgverwalwng nicht ent- kräften. Schon vorher war es zu einer kleinen Plänkelei zwischen den Sozialdemokraten einerseits, den Konservativen und der Regierung andererseits gekommen. Bekanntlich hatte Genosse Borgmann bei der" zweiten Etatsberatung in uneigen- nütziger Weise die Interessen der Förster wahrgenommen. Gewissen Kreisen»vor das recht unangenehm, sie provozierten eine geharnischte Erklärung des Vorstandes der Förster- Vereinigungen, worin diese jede Gemeinschaft mit den Sozial- demokraten zurückwiesen. Die offenbar abgezwungene Er- klärung wurde an alle Mitglieder des Hauses versandt. Daß aber tatsächlich die Förster zum großen Teile nicht damit einverstanden sind, das konnte Borg mann jetzt anfs neue an der Hand ihm zugegangener Zuschriften aus Försterkreisen beweisen. Der Konservative v. A r n i m und der Regierungsvertreter, denen die Affäre höchst un- angenehm ist, suchten durch einige Redensarten Borgmann ins Unrecht zu setzen. Namentlich stützten sie sich darauf, daß der sozialdemokratische Redner die Namen der Briefschreiber nicht verlesen hatte. Halten uns die Herren wirklich für so töricht. daß wir ihnen zuliebe Beamte öffentlich bloßstellen und der Rache ihrer Vorgesetzten ausliefern? Am Mittwoch wird die Etatsberatung durch die Erledigung der vorn Herrenhause zurückgekommenen Beamten- und Lehrer- besoldungSvorlagen unterbrächen. Erbanfallsteuer und preußisches Treiklassenwahlrecht. Wiederholt haben wir darauf hingewiesen, daß nicht die Besorgnis um die Rentabilität der Landwirtschaft die Junker zu ihrer heftigen Opposition gegen die Nachlaß- oder Erb- anfallsteuer bestimmt, sondern daß sie die Erbschaftssteucrfrage als Machtfrage auffassen. Sie betreiben die Obstruktion gegen diese Steuer in erswr Reihe deshalb, um der Regierung ihre Macht fühlen zu lassen, zu verhindern, die Freisinnigen und deren schwächlichen Einfluß auf die Negierung auszuschalten und zu verhüten, daß in Preußen eine Wahlrechtsreform zu- stände kommt. Mls bestätigt jetzt auch dieTägl. Rundschau" in einem Artikel, den sie nach ihrer Aussage von einemangeschenen konservativen Politiker in der Provinz" erhalten hat, dessen ganze Tonart aber nach offiziöser Kost schmeckt: Nicht in dem Streit um die Erbschaftssteuer, so heißt es in dem Artikel, sondern in dem Streit um das preußische Landtags Wahlrecht liegt in letzter Linie die Schwierigkeit unserer inneren Politik.... Die Thronrede hat bei der LandtagSeröffmmg die Reform des LandtagSwahlrcchts in sichere Aussicht gestellt. Seitdem hat Fürst Bülow   die Gunst der äußersten Rechte» verloren. Sie ist kurzsichtig genug, zu glauben, daß nach dem Sturze Bülows die Reform des Wahlrechts hintertrieben werden kann, während sie dann wahrscheinlich nur um so radikaler erfolgen wird. Es»ar sehr ungeschickt von den Freisinnigen, daß sie die Reform des preußischen Wahlrechts zur Bedingung für die Genehmigung der Reichsfinanzreform macken wollten. Das verstärkte den Widerstand der Ultras. gegen die Reichs- f i n a u z r e f o r m. In diesem Sinne ist der Kampf gegen die Nachlaßsteuer nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Tatsächlich kommt es diesen Kreisen mit denen aber die konservative Partei als solche nicht identifiziert werden darf bor allem darauf an, die Reichsfinanzreform nicht mit dem Block zu machen. Denn, so rechnet man, erstrebt der Block sich das Verdienst der Reichsfinanzreform, so präsentiert die Linke die Rechnung dem preußischen Landtag. Deshalb der Wunsch, das Zentrum heranzuziehen l"_ Die Sehnsucht nach dem Branntweinmonopol. DieDeutsche Tageszeitung" weist noch einmal darauf hin, daß die Branntweinsteuer in der Form, welche sie von der Kom- Mission erhalten hat. unannehmbar und daß nur ein AnSweg mög­lich ist: das Monopol. Wir haben schon vor kurzer Zeit darauf hingewiesen, daß die in der Branntweinsteuerkommission beratene Vor- läge schwerlich Aussicht auf Annahme im Reichstage habe, und es darf als sicher angenommen werden, daß die Branntweinsteuer- Vorlage in der zweiten Lesung in der Kommission eine Mehrheit nicht findet und dann bestimmt durch das Monopol ersetzt werden wird. Der Widerstand der Freisinnigen scheint nicht so hoch ein- geschätzt zu werden, daß er nicht gebrochen werden könnte. Die Kulissenschieber am Spiritusmonopol. Unter dieser Spitzmarke hatten wir berichtet, daß die Gehälter der Direktoren der Spirituszentrale um 20 000 M. erhöht worden sind, als unter Mithilfe der Spirituszentrale der Spiritusmonopol- entwurf fertiggestellt wurde. Der Entwurf sah nämlich die Abfindung der Direktoren der Spirituszentrale auf Grund der von ihnen be- zogenen Gehälter bor  . Unter diesen Umständen war die Aufbesserung der Gehälter eine recht auffällige Sache. Gleich nach dem Erscheinen der Notiz gab eS in der Finanz­kommission des Reichstages eine kleine Entrüstungskomödie. Der konservative Abgeordnete Dietrich bezeichnete es direkt alsunwahr und erfunden", daß die Gehälter erhöht worden seien. In gleichem Sinne war auch eine Erklärung gehalten, die in derZeitschrift für die Spiritusindustrie", dem offiziellen Organ des SpiritnsringeS, erlassen wurde. In der Morgenansgabe deSBerliner Tage- blattes" vom 11. Mai 1309 teilt nun aber Herr Rechtsanwalt Dr. Flatau mit: Herr Direktor Max Bernstein  , der zuerst in einer Ver- sammlung der schlesischen Spiritusinteressenten am 5. April auf diesen Vorgang hingewiesen hat, beauftragt mich, zu erklären, daß er die von ihm dort aufgestellten Behauptungen durchweg auf- recht erhält. Zur Aufklärung weist Herr Bernstein daraus hin. daß der erste Entwurf der Branntweinmonopolvorlage unter fach- verständiger Mitwirkung der leitenden Personen des SpirituSringes bereits'im Jahre 1907 ausgearbeitet worden ist; seither ist auch die Erhöhung der Bezüge der genanten Personen eingetreten, die im Falle der An- »ahme des Branntweinmonopols zu einer verstärkten Belastung der Reichsfinanzen führen muß." Demnach haben die bescheidenen Schnapsbrenner ein Spiel mit Worten getrieben; indem sie bestritten, daß bei Einbringung deSMonopolentwurses die Gehälter erhöht wurden. Darauf kommt es aber gar nicht an. Jetzt wird die Tatsache festgestellt, daß die Gehälter erhöht wurden bei der F e r t i g st e l l u n g des Entwurfes, also bereits vor zwei Jahren. Will man der Oeffentlichkeit wirklich glauben machen, daß diese Gehaltserhöhung in keinem Zusammenhange stand mit der im Monopolentwurf vor- gesehenen Abfindung der Direktoren der Spirituszentrale? Polizeiliche Aufforderung zur Anschaffung eines Gebetbuches. Ein Bergmann in Nette  (Dorf im Landkreis Dortmund  ) erhielt folgende polizeiliche Verfügung:, »Polizeiverwaltnng Mengede. Polizeiliche Aufforderung unter Audrohuug der zwangsweisen Ausführung. Auf Grund des§ 132 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 werden Sie hiermit aufgefordert, binnen 6 Tagen nach Empfang dieser Verfügung auf Ihre Kosten das für den Kommunionsnnterricht Ihrer Tochter Elfriede erforderliche Gebet- buch zu besckmffen. Sollten Sie dieser Anordnung nicht pünktlich Folge leisten, so wird die Ausführung von Polizei wegen auf Ihre Kosten erfolgen und vorläufig der auf 2,40 M. bestimmte Kostenbetrag im Zwangs­verfahren von Ihnen eingezogen werden. Die Polizeiverwaltung. Schragmüller." Wenn man nicht in Preußen-Deutschland   lebt, wurde man eine« solche Verfügung nicht für möglich und die Mitteilung nur für einen schlechten Witz halten. Hier haben wir wieder den Beweis, wie die uniformierte und schwarze Polizei Hand in Hand arbeitet. Jetzt fehlt nur noch, daß sich die Polizei der lauen Kirchgänger annimmt und sie in die Predigt und in den Beichtstuhl führt. Vielleicht würde Herr Amtmann Schragmüller eine solche Maßregel auch mit irgend einem Paragraphen irgend eines Gesetzes begründen können. Der Gerichtsstand der Mannschaften des Beurlaubten- staudes an Kontrollversammlungstageu. Bekanntlich hat am S. März dieses Jahres in Hannover   das Oberkriegsgericht des 10. Armeekorps im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsgepflogenheit die Unzuständigkeit der Militärgerichte für solche Straftaten ausgesprochen, die an Kontrollversammlungstagen außerhalb der tatsächlichen dienstlichen Verrichtung, d. h. außerhalb der Knntrollversammlung, begangen werden. Diese Entscheidung, gegen die der G'erichtsherr Revision einlegte, bildet eine harte Nuß für das Reichsmilitär- geruht in Berlin  . Inzwischen hat, gleichfalls in Hannover  , am 7. dieses Monats, das dortige Kriegsgericht der 20. Division wieder einen anderen Standpunkt eingenommen. Es handelte sich diesmal um eine Strafsache gegen den Pionier der Reserve, Dachdecker B r e n n e ck e aus Eberholzen bei Hildesheim  . Br. hat am 5. November 1908 nach einer Kontrollversammlung in Sibbesse  in einer dortigen Wirtschaft versucht, unter kontrollpflichtigen Mannschaften Abonnenten für denVolkswille" in Hannover   zu werben, wofür ihn am. April dieses Jahres das Standgericht beim Bezirkskommando in Hildesheim   wegen Ungehorsams gegen einen Befehl in Dienstsachen zu 4 Wochen mittleren Arrestes ver- urteilte.' Dieses Urteil wurde von B. angefochten. In der Verufungs- Verhandlung vor dem Kriegsgericht der 20. Division beantragte der Verteidiger, Rechtsanwalt Bletzacher, unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberkriegsgerichtes, die Unzuständigkeits- erklärung des Kriegsgerichtes. Der Verteidiger betonte die Wich. tigkeit und tief einschneidende Bedeutung des Falles und wies an der Hand der Gründe des oberkriegsgerichtlichen Erkenntnisses nach, daß die bisherigen Interpretationen des Reichsgerichtes und des Reichsmilitärgerichtes nicht den Absichten des Gesetzgebers ent- sprächen, da diese unzweifelhaft nicht dahin zielten, die Personen des Beurlaubtenstandes während des ganzen Tages der Kontroll, Versammlung dem Militärstrafgesetzbuche und dem Militärgerichts- stände zu unterstellen. Dagegen beantragte der Vertreter der An- klage, KriegögerichtSrat R a u ch. es bei der bisherigen herrschenden Praxis zu belassen und dem Standpunkte des durch die höchst« militärische Gerichtsbarkeit, das Reichsmilitärgericht, vertretenen stehenden Rechtes beizutreten. Das Kriegsgericht(Verhandlung«- kiter Kriegsgerichtsrat Fuhse) hat seine Zuständigkeit bejaht. Auf der Kontrollversammlung seien nachweislich den Mannschaften unter Vorlesung des Korpsbefehles vom 26. Oktober 1307 unter anderem für den Köntrollversammlungstag ausdrücklich alle sozial- demokratischen Bekundungen untersagt worden, und diesem Befehle habe der Angeklagte zuwidergehandelt. Nun seien nach§ 5 Absatz 1 der Militärstrafgerichtsordnung der Militärstrafgerichtsbarkeit auch unterstelltdie Personen des Beurlaubtenstandes und die den- selben gesetzlich gleichstehenden Personen wegen Zuwiderhandlungen gegen die ans sie Anwendung findenden Vorschriften der Militär- strafgesetze". Ferner bestimme§ 113 des Mlitärstrafgesetzes: Eine Person des Beurlaubtenstandes wird, auch während sie sich nicht i in D i e n st e befindet, nach den Vorschriften dieses Abschnitts bestraft, wenn sie dem K 101 zuwiderhandelt oder eine andere der in diesem Abschnitte vorgesehenen strafbaren Hand- lungen im dienstlichen Verkehr mit den Vorgesetzten oder in der Militäruniform begeht, oder wenn sie sich des Ungehor- sam s oder der Widersetzung gegen einen recht- mäßigen Befehl in dienstlichen Angelegenheiten schuldig mach t." Daß ein dienstlicher Befehl vorliege, erscheine aber erwiesen. Tie Rechtmäßigkeit des Befehls sei ja noch festzustellen, habe aber mit der Zuständigkeit des Kriegsgerichtes nichts zu tun. Aus diesem Grunde habe das Kriegsgericht davon Abstand genommen, zu der prinzipiellen Streitfrage, ob die Mann- schaften des Beurlaubtenstandes während des vollen Kontrollver- sammlungstagcs unter dem Militärgesetze stehen, Stellung zu nehmen. Im übrigen wurde, da bezüglich des Berufungsumfanges Unklarheiten hervorgetreten waren, die Verhandlung ausgesetzt und die Ladung weiterer Zeugen angeordnet. Der brave deutsche Beamte. Ter Präsident des Verbandes der Deutschen Post- und T el c gr a pH e n b ea m t e n, Oberpostassistcnt Zollitsch, hat dem Korrespondenten desRkatin" gegenüber seine Weisheiten über den französischen   Bcamtenstreik ausgekramt und dabei An- sichten geäußert, die den französischen   Beamten den richtigen Be- griff von demMannesMut" der deutschen   Beamten geben dürften. Ein Trost, daß nicht alle Beamten denken wie Zollitsch. und daß auch in Deutschland   die EntWickelung der Bureaukratendemut ein Ende machen wird. Zollitsch erklärte dem französischen   Pressevertreter: Wir deutschen   Postbeamten verurteilen die Haltung und Aufführung unserer französischen Kollegen. Wir sind der Ansicht, daß diese Haltung dem allgemeinen Interesse sowie dem besonderen Interesse der Beamten selbst schadet. Bei uns in Deutschland   hat die Unzufriedenheit der Beamten bestimmte Ursachen. Tie Lebensmittel sowie das Leben überhaupt sind teurer geworden. Die Arbeiter setzen die Erhöhung ihrer Löhne durch. Die Staatsbeamten dagegen, selbst solche, die z. B. jahrelang ein Gehalt von 180 bis 200 M. monatlich beziehen, konnten eine Erhöhung ihrer Gehälter nicht durchsetzen. Drei- viertel der deutschen   Beamten stecken in Schulden. Diesem Zu- stände wollen wir eben ein Ende machen. Wir streben auch da- nach, das geistige und soziale Niveau zu verbessern. Wir wollen nicht, daß die Beamten außerhalb der Nation(?). sondern mit dieser in engster Fühlung stehen. Wir Beamten wollen keinen Staat im Staate bilden. Wir werden uns niemals den Sozialisten zuwenden, denn wir teilen ihre revolutio- närcn Anschauungen nicht. Abgesehen von allem anderen muß es doch als geradezu wider- lich bezeichnet werden, wie hier ein Beamtenvertreter den Kollegen eines anderen Landes in ihrer bittersten Bedrängnis in den Rücken fällt, um vielleicht auf diese Weise das Wohlwollen der bürger- lichen Parteien für die Gehaltserhöhungswünsche nicht zu ver- scherzen. Zollitsch benützte dann die Gelegenheit, eine öffentliche Er- klärung zu dem gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren ab- zugeben: Er selbst sei nicht der Urheber des Artikels, wegen dessen gegen ihn eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet worden sei; er sei deshalb in Untersuchung gezogen worden, weil er die Ver- öffentlichung des betreffenden Artikels nicht verhindert habe. Ter Verband der deutschen Post- und Telegraphenbeamten stehe nicht ungerüstet da. Der Verband verfüge über ein Vermögen von mehr als 1(4 Millionen Mark, das ihm gestattet, seine Interessen zu ver- teidigen. Wir verlangen nur das Notwendig st e und hoffen, es zu erreichen. Der König hat uns in seiner Thronrede eine Er- höhung der Gehälter zugesagt. Das preußische Abgeordnetenhaus hat sie bewilligt und das Herrenhaus wird früher oder später da? Gleiche tun müssen. Der beleidigte Herr FiskuS. DaSHamb. Echo" brachte in seiner Nummer vom 9. Oktober 1908 eine Notiz, in der Bezug genommen wurde auf eine Gerichtsverhandlung in Stargard  (Pommernj gegen einen der fahrlässigen Tötung angeklagten Rangiermeister, der aber freigesprockien wurde. Ans dem Hofe der Eisen bahn werk st att in Stargard   war ein dort arbeitender junger Schlosser zwischen die Puffer rangierender Züge geraten. Die Verletzung war eine so schwere, daß er am anderen Tage v e r st a r b. Obwohl die Vorschrift besteht. daß während des Rangierens mit der Glocke geläutet wird. ist dies unterlassen worden, weil die Glocke seit einigen Tagen zerbrochen und Ersatz dafür nicht zur Stelle war. Un, den Arbeiterschutz in staatlichenMusterwerkstätten" zu illustrieren, hatte der Artikel einige Zeugenaussagen ans der Verhandlung ge�en dasSiihueopfer" wiedergegeben. Durch die Neberschrift des Artikels, die eine scharfe Kritik des Sparsystems im preußischen Eisenbahnwesen enthielt, fühlte sich die Eisenbahndirektion in Stettin   beleidigt. Da der sonst verantwortliche Redakteur des Echo" am Spätnachmittage vor dem Erscheinen des inkriminierten Artikels plötzlich erkrankte, zeichnete Genosse Köpke als Ver- antwortlicher für die genannte Nummer, ohne vorher den ominösen Artikel gelesen zu haben. Er war daher nur wegen Fahrlässigkeit ans§ 21 des Pretzgesetzes unter Anklage gestellt. Die Sache kam am Freitag vor der Strafkammer II des Landgerichts Hamburg   zur Verhandlung. Obwohl der Angeklagte hervorhob, daß nur das übel- angebrachte Sparsamkeitsprinzip des Eisenbahnfiskus getroffen werden sollte, verurteilte ihn das Gericht zu einer Geldstrafe von 100 M. Der Staatsanwalt hatte 250 M. beantragt. Hoffentlich beseitigt nach diesem neuesten Opfer der»Herr EisenbahnfiskuS die Mißstände in seinen Betrieben. Einerzieherischer" Unteroffizier! Wegen Soldatenmißhandlung stand der Sergeant Schindler(der Sohn eines Polizelwachtmeisters) vor dem Dresdener   Kriegsgericht. Aus Aerger über eine Finger- Verletzung hat derStellvertreter" einen Grenadier wie einen Schulbuben geohrfeigt, indem er diesem mit der verkehrten Hand mehrere schmerzhafte und kräftigeSchellen" ver- abreichte. Er will den Soldaten in derErregung" nurleicht berührt" haben und bittet, nur wegen vorschriftswidriger Behandlung bestrast zu werde». DaS Gericht konnte aber diese Ohrfeigerei nickt anders als Mißhandlung ansehen und erkannte gegen den alser- zieherischen" und.schneidigen" Vorgesetzten geschilderten Angeklagten ans-» acht Tage gelinden Arrest!!