Minuten lang auf den Zehenspitzen aushalten, so daß dieLeute zu zittern anfingen. Luch Aßmussen muhte zittern.Als dies der Angeklagte sah, versetzte er dem Nelruten einen Faustschlag ins Gesicht, dah daS Blut aus der Nase floh. Ander Pumpe muhte der Geschlagene das Blut wcgwaschen. Der An-geklagte warf seinen Untergebenen auch die Schemel an denKörper.Auch bei der Vernehmung der beiden nächsten Zeugen kommenneue, nicht in der Anfingeschrift enthaltene Fälle zur Sprache. Amhäufigsten wurden die Rekruten von dem Angeklagten morgens beimAntreten geschlagen.Der Grenadier Bartels ist wiederholt mihhandelt worden. DieAnklage nimmt m i n d e st e n Z 20 Fälle an. Der Zeuge be-hauptet dagegen, dah er im ganzen drei- bis viermal geschlagenworden sei. Auf die Ermahnung deS Verhandlungsführers, beider Wahrheit zu bleiben, gibt Bartels zu. wöchentlich zwei- bisdreimal mihhandelt worden zu sein. Bei einer Uebung auf demTempelhofer Feld erhielt er von Riehmke wegen eines Versehenseinen Schlag mit dem Seitengewehr.Der Grenadier Wald schal bekundet auf die Frage, warumer die ihn, von dem Sergeanten zugefügten Mihhandlungen nichtgemeldet habe:„Wir haben alle Angst gehabt!"Dem Grenadier Rosen schlug der AngeNagte mit derDrillichhose ins Gesicht. Ein anderes Mal stieß er ihn gegen dasSpind.Zeuge Meier, der bereits entlassen ist, ist fast täglichmihhandelt worden. Manchmal ist er täglich zwei-bis dreimal geschlagen worden. Es kann im ganzen etwahundertmal gewesen sein. Genaue Zahlen vermag der Zeugenicht anzugeben. Hauptsächlich wurde Meier mit F a u st s ch l ä g e ntraktiert.Der Grenadier M u ß m a n N ist nach der Anklage in mindestens30 bis 40 Fällen mißhandelt worden. Einmal wurde er so heftiggestoßen, daß er blaue Flecke bekam.Ein Grenadier von einer anderen Korporalschast erzählt» dahder Angeklagte morgens und nachmittags seine Leutegeschlagen habe.Der Grenadier Deicke wurde eines Tages mit dem Seiten-g e w e h r g e st o ß e n. Bei einem Faust schlag inS Gesichtbluteten ihm die Lippen. Auch Schläge mit den Pantoffelnerhielt der Zeuge.Einen anderen Grenadier zog der Angeklagte über den Schemelund schlug ihm mit dem blanken Seitengewehr aufsGesäh.Unteroffizier Steinke hatte die benachbarte Korporalschaftunter sich. Er hat häufig beobachtet, dah Riehmke die Rekrutenschlug. Er hat ihn auch einmal verwamt und ihn geraten, dieTätlichkeiten gegen die Untergebenen zu Unterlasten. Oft verließ derZeuge die Stube, weil er dieMißhandlungen nicht mehr mit ansehen konnte.So sei einmal ein Rekrut gegen das Spind gestoßen und so heftigins Gesäß getreten worden, daß er zusammenbrach.Der Prozeß konnte gestern nachmittag beendet werden, daauf dieVernehmung einer großen Anzahl von Zeuge» verzichtetwurde. Von Interesse war die Vernehmung des Feldwebels Bartsch, dem der Angeklagte bei seiner Vernehmungvorgeworfen hatte, daß er ihn zum Schleifen der Leuteaufgefordert habe. Der Feldwebel bekundete, daß die Korporal-schast des Sergeanten Riehmke in recht verlottertem Zustande gewesen seiund daß er ihn wiederholt aufgefordert habe, Ordnung zu schaffen. DerAngeklagte sei selbst schuld daran gewesen, daß in seiner Korporalschastsolche Zustände herrschten. Den Vorwurf des Angeklagten, er habediesen vor der ganzen Korporalschast aufgefordert, die Leute zuschleifen, wies derZeuge entschieden zurück. Er habewohl gesagt, daß erscharf vorgehe»solle, doch hätte er jede Mißhandlung, die ihm zu Ohren ge-kommen wäre, sofort gemeldet. Der Angeklagte be-hauptete u. a. auch, er könne noch andere Sachen, die m derKompagnie vorgekommen seien, angeben. Er bleibe dabei, daßihm der Feldwebel vorgehalten habe, er behandle die Leute zu milde,zu weich und zu mütterlich.In seinem P l a i d o h e r führte der Vertreter der An-klage, KriegsgerichtSrat Kruse, aus, eS sei sehr bedauer»lich, dah keiner der Geschlagenen von seinem Be-schwerderecht Gebrauch gemacht habe. ES seien sonstderartige.unglaubliche Zuständeviel eher beseitigt worden. Den Rekruten habe der Angeklagte dieDienstfreudigkeit genommen. Wenn er, der Vertreter der Anklage,während der Verhandlung keine Erweiterung der Anklage beantragthabe, so komme eS hier nur darauf an. für das ganze gesamte straf-bare Verhalten deS Angeklagten eine Sühne zu finden. Die Anklageumfasse 197 Fälle. Dies seilediglich eine Blütenlese.Mit Leichtigkeit hätte man während der Verhandlung neueFälle ans Tageslicht bringen können. Der Angeklagte habe ineinem Falle das Beschwerderecht brutal ertötet. Alsder Grenadier SchwedeShagen einem Kameraden gegenüber äußerte,er werde sich beschweren, habe er von dem Angeklagten eine Ohr«feige bekommen. Wie einen dummen Schuljungen habe er denGrenadier Deike auf den Schemel sich niederlegen lasten und ihmmit dem Seitengewehr das Gesäß bearbeitet. Derartige Auswüchse,wie sie in der Verhandlung zutage getreten seien, mühten empfind«lich geahndet werden. Systematische Mißhandlungen, wie sie derAngeklagte begangen, könnten keine mild« Beurteilung findm. Erbeantrage eineGefängnisstrafe von einem Jahre und drei Monate»,Degradation und sofortige Festnahme deS Angeklagte«.Das Kriegsgericht erkannte auch dem Antrage«atfprechend.y i.NES lag also nur an der Gutmütigkeit des Anklage-Vertreters, daß nicht statt der zweihundert Mißhandlungsfällederen drei- oder vierhundert erwiesen wurden t In derTat„unglaubliche Zustände" I Und nicht etwa in einem Welt-entlegenen Garnisonort, sondern bei einem Garderegiment inder Rcichshauptstadt selbst I Und der ewig alte, ewig neueGrund, weshalb dieser Soldatenschinder sein Handwerk im größtenStile fast ein Jahr lang ungeniert ausüben konnte, warwiederum die Furcht vor noch unerhörtererDrangsalier ung, falls einer der Mißhandelten vomBeschwerderecht Gebrauch machte. Das Beschwerde-recht st cht eben nur auf demPaPter. Es ist derartmit Fußangeln umgeben, daß die meisten Soldaten sich eherfortgesetzt quälen lassen, statt gegen einen Rohling von Vor-gesetzten durch eine Beschwerde vorzugehen.Und das wird nicht anders werden, bevorda» Beschwerderecht gründlich«mgestaltet, bevor de«„Stell-Vertreter» Gottes" die Allmacht über die Söhne des Volkesgenommen ist!Ileiie llompromiiselei-verillche.Noch vor wenigen Tagen haben die sogenannten entschiedenliberalen Blätter, allen voran die bald obstruktionslustige,bald senttinental-reichskanzlerische„Franks. Zt g.", erklärt,daß alle Versuche, zwischen der Rechten und Linken des Blockseine Verständigung über die Finanzreforin herbeizuführen,völlig aussichtslos seien, und Wohl hundertmal wurdedie billige Frage aufgeworfen:„Was nun?" Trotzdieser angeblichen Aussichtslosigkeit hat Fürst Bülow,wie man erfährt, mit den Führern der Konservativenunter der Hand neue jUnterhandlungen ange-knüpft; und auch die unentwegten Prinzipienfesten Führer des F r e i s i n u s haben sichallem Anschein nach wieder bereit findenlassen, mit Bülow über eine Aenderungdes Reichsfinanzsanierungsplans zu ver-handeln; wenigstens teilt Professor Eickhoff in einemArttkel der„Bariner Zeitung" mit, daß zwischen denKonservativen und Liberalen wegen der Reichsfinanzreformwieder Verständigungsversuche im Gange seien, und zwarauf der Basis, daß die Freisinnigen einstweilen die Brannt-Wein-Liebesgabe bestehen ließen, dafür aber die Konservativenbei der Erbschaftsbesteuerung Entgegenkommen zeigten.Möglich, daß die Freisinnigen— Hoffen und Harrenmacht bekanntlich manchen zum Narren— noch immer damitrechnen, die Konservativen in der Erbschaftssteuerftage breit-schlagen zu können; denn sie beurteilen naturgemäß dieZähigkeit der Konservativen nach ihrer eigenen. Wir haltenben Versuch, die Konservativen für eine Ausdehnung der Erb-schaftsstcuer auf Ehegatten und Deszendenten bewegen zuwollen, für aussichtslos, da es sich, wie wir wieder-holt ausgeführt haben, für die Konservativen, im Grunde ge-nommen, gar nicht um die Belastung des ländlichen Grund-besitzcs durch die sehr mäßigen Erbschaftssteuerraten, sondernum eine Machtfrage handelt: um die Aufrcchterhaltung derAbhängigkeit der Regierung vom preußischen Junkertum unddie Verhinderung einer preußischen Wahlrechtsreform.Freiherr v. Z e d l i tz, der schon bisher bei den Ver-Handlungen zwischen den Blockparteien vielfach als„ehrlicherMakler" fungiert hat, rät denn auch im„Tag" den Frei-sinnigen, ihre Forderung nach einer Erbanfallstcuer fallen zulassen, denn sie hätte im jetzigen Reichstag keine Chancenmehr. Er hält die Verständigung nur auf der Basisfür möglich, daß die Liberalen zunächst die Zusiche-rung geben, unbedingt die erforderlichen 400 Millionenindirekter Steuern bewilligen zu»vollen, und daßsie sich dann wegen der anderen 100 Millionen Besitz-steuern selb st nach geeigneten Steuerobjektenumsehen und einen„annehmbaren Ersatz für die Erb-anfallsteuer" bieten. Wie Herr v. Zedlitz meint, könnte dasden Liberalen gar nicht so schwer fallen, da sie doch über soviele„scharfsinnige und kenntnisreiche Männer"verfügten. Wörtlich heißt es in dem schönen Arttkel:Treten die Liberalen mit der Zusicherung unverkürzter Be-willigung der erforderlichen Mehreinnahmen aus indirekten Steuernunter Wahrung der landwirtschaftlichen Interesse und mit einemVorschlage für eine den Konservativen annehm-bare Lösung des Problems der Besitzbesteuerunghervor, so werden die Konservativen die Mitwirkung unmöglichversagen können. Freilich würde das Zentrum eS sich angelegensein laffen, den Liberalen inbezug auf die Bewilligungsbereit-schast nach Möglichkeit Konkurrenz zu machen. Aber ganze Arbeitzu machen, die Reichsfinanzen dauernd zu sanieren, wird eS trotzdem schwerlich bereit sein....Ein solches Vorgehen würde überaus große Anforderungen andie Kraft und Entschlußfähigkeit der Liberalen im Reichstag stellen.Man kann sich das Jndianergeheul vorstellen, das darob vom„Berliner Tageblatt' bis zum.VortvärtS', von Dr. Barth biszum Zehn-Gebote-Hoffmann angestimmt werden würde I Aberder Erfolg wäre auch der Anspannung und Einsetzung aller Kraftwert. Die Liberalen hätten, wenn sie so die ReichSfinanzreformVon dem toten Gleise, auf das sie jetzt festgefahren ist, sicherunter Dach brächten, eine patriottsche Tat ersten Ranges voll«bracht, sich ein großes dauerndes Verdien st umdas Reich erloorben. Damit würde der Liberalismussich mit einem Schlage zum guten Teil das Maß vonAnsehen im Volle wiedergewinnen, dessen er in derersten Zeit nach der Gründung deS Reichs sich erstellte.Aber der politische Vorteil, welcher demLiberalismus aus der rettenden Tat erwachsenmüßte, würde sich nicht auf das Gebiet derImponderabilien beschränken. Daß den Parteien,welche in entscheidender Weise an dem Zustandekommen derReichsfinanzreform mitgelvirkt haben, ein Platz an der Sonne inunserer inneren Politik, und zwar auch in Preußen sicher wäre,wird ernstlich nicht bestritte» werden.Der schöne Vorschlag ist allem Anschein nach völlig ernstgemeint; in Wirklichkeit liest er sich aber wie blutiger Hohnauf die politische Charakterfestigkeit des Freisinns, dem un-geniert zugemutet wird, nicht nur die geforderten 400 MillionenMark indirekter Steuern zu bewilligen, sondern obendreinauch noch den willigen Hausknecht der Regierung und derKonservattven zu spielen und die angenehme Aufgabe zuübernehmen, für die der konservattven Opferwilligkeit nichtpassenden Steuern andere zu finden. Selbst der blocktreucnzüchtigen„Vossischen Zeitung" ist denn doch solchesAnsinnen zu bunt, und beleidigt schreibt sie:„Die Liberalen können dieses Ansinnen, den Konservativen zueinem Triumph über die Regierung zu verhelfen, nur als eineVerhöhnung auffassen. Frhr. v. Zedlitz freilich behauptet, daß derLiberalismus damit eine„patriotische Tat ersten RangeS", eine„rettende Tat' vollbringen würde und„zum guten Teildas Maß von Ansehen im Volke wiedergewinnen' könnte,„bestener in der ersten Zeit nach der Gründung des Reiches sich erfreute'.Fürst Bülow wird über diese Bemühungen deS Frhrn. v. Zedlitz,in heutiger Zeit den Konservativen das Rückgrat im Widerstandgegen die Regierung noch zu stärken, vermutlich noch mehr ersteutsein, als vor 14 Tagen, da ein anderer Führer der Freikonser-vativen, Abg. Frhr. v. Gamp, in der berühmten vom AbgeordnetenNormann einberufenen vertraulichen Konferenz eine Erklärungabgab, die die Konservativen sofort als eine Zustimmung zuihrem Wertzuwachssteuerantrage ausposaunten.'WaS aus den zwischen Reichskanzler, NeichSschatzfekretSr,Konservattven und Liberalen gepflogenen neuen Verhandlungenherauskommt, muß abgewartet werden. Vorläufig b e-streitet sogar die„Frcis. Ztg." noch, daß überhaupt„zwischen den Konservativen und denLiberalen Verständigungsversuche i m Gangesind." Jedenfalls aber bereitet sich eine Verschiebung derpolitischen Lage vor. Vielleicht erklärt sich daraus auch, daßein Teil der ZcntrumSblätter eine neue Schwenkung vollzieht,seine scharfen Angriffe auf Bülow unh seinen Hohn über dieVerfahrenheit der inneren politischen Lage vorläufig einstelltund den Gedanken vertritt, daß die Regierung durchihre bisherigen Erklärungen zur Erbschaftsbesteuernngnoch durchaus nicht festgelegt und deshalb noch jeder-zeit in der Lage ffei, die Finanzreform Mit einerMehrheit zu machen, die nicht mehr ausschließlichBlockmehrheit wäre. Die„Köln. V o l k s z t g." verteidigtdiese Auffassung sogar in einem langen.„Rückkehr zurBesonnenheit" überschriebenen Leitarttkel, der mit sol-genden Sätzen schließt:„Wir unserseits haben selbstverständlich den liberalen Parteienerst recht keine Ratschläge zu geben.' Wir stehen aber nicht an. denWunsch auszusprechen, daß auch die liberalen Parteiensich nur von der Stimme der Besonnenheit be«raten lassen mögen. Sie werden auf diesem Weg?sicher mehr erreichen im Sinne der von ihnen vertretenenwirtschaftlichen Interessen als durch ein„Biegen oder Brechen".Eine einseitige„Herrschaft des Zentrums' ist tatsäcblich gar nichtmöglich, wenn die Liberalen nur nicht sich selbst ausschalten;liegt auch gar nicht in unseren eigenen Wünschen, sonst könntenwir eS ja nur mit Schadenfreude mit ansehen, wenn sich dieLiberalen in eine Sackgaffe verrennen, aus der eS fürs i e keine Rückkehr zur Mitarbeit an den,Reformwerk gäbe. Die Einigkeit, mit der das preußisch:Abgeordnetenhaus die Besoldungsreformen durchführt, ist zwarin der Reichsfinanzreform durch die Parteien nicht ohneweiteres zu kopieren; aber die Finanzreform herauszuhebenaus dem Parteistreite, damit sie möglichst das Werkaller staatserhaltenden Parteien werde, wieseinerzeit andere große Reformen, daS sollte doch auch in diesemLugenblick noch nicht unmöglich sein.'Die Absicht, die das klerikale Blatt mit diesen Ausführungenverfolgt, ist nichtklar. Die Stärkung derPositton der Konservativenin ihrem jetzigen Kampf gegen Kanzler und Freisinn dürftenicht das einzige Mottv sein. Vielleicht hält das Kölner Blatteine klerikal-konservattve Koalitton einstweilen für anssichtslosund hofft, daß wenn alle sogenannten.staatserhalten>den" Parteien an der Finanzreform mitwirken, das Zentrumam ersten Gelegenheit findet, seinen Einfluß zur Geltung zubringen. Daneben verfolgt der Appell an die„Besonnen-h e i t" der Liberalen zweifellos den Zweck, diese als dieeigentlichen Schuldigen hinzustellen, an deren Uebermut daS„große vaterländische Werk" scheitert.politifcbe deberllcbt.Berlin, den 12. Mai 1309.Rettung der Mittelstandsmüller.AuS dem Reichstage, 12. Mai. Zwei volleSitzungen sind dazu verbraucht, um den Parteien, die mitder Mittelstandsretterei kokettteren, eine Demonstratton zu-gunsten der kleinen und mittleren Müller und gegen dieGroßmühlen zu ermöglichen. In der ersten Sitzung amMai hatten die weitläufigen Ausführungen der Befürworterder beiden Anttäge Speck und R ö s i ck e auf Einführung einerge st af selten Mühlenumsatzsteuer soviel Zeit inAnspruch genommen, daß die sozialdemokratischen Redner nichtzum Wort kamen.Heute erst konnten unsere Genossen Molkenbuhr nndBinder die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie be-gründen, indem sie nachwiesen, daß die geplante Erdrosselungoder doch Schikanierung der Großmühlen weder im Interesseder Arbeiter noch des konsumierenden Publikums liegt.Molkenbuhr zerpflückte insbesondere die Behauptungder Antragsteller, die Mühlcnumsatzsteuer sei völlig einflußlosauf die Bildung der Brotpreise. Als ob nicht jede künstlicheVerteuerung des Mühlenbetriebes gerade von den Großmüllernmit Leichtigkeit auf das Produkt abgewälzt werden könnte.Die ganze Heuchelei der angeblich müllerfreundlichen Agrarierdeckte unser Redner durch den Hinlveis auf, daß die nämlichenAgrarier durch das System der Einfuhrscheine die Ausfuhrdes deutschen Getreides künstlich förderten und auf diese Weisegerade den kleinen Müllern den Geschäftsbetrieb erschweren.Nicht minder brachte der nationalliberale AbgeordneteHausmann, selbst Müller von Beruf, der für die nichtagrarische Minderheit seiner Partei sprach, sachverständigesMaterial gegen die Anträge bei. So richtete er an dieAgrarier die Frage, weshalb sie denn die Dreschmaschineneingeführt und dadurch doch auch Arbeiter brotlos gemachthätten. Der Maschinendrusch sei obendrein noch gerade nach-teilig für die kleinen Müller gewesen. Sei deshalb aber irgendjemand bereit, die Dreschmaschinen wieder abzuschaffen?Genosse Binder konnte aus Bayern nachlveisen, daßdort die anfänglich eingeführte Mühlenumsatzsteuer wieder ab-geschafft werden mußte, da sie ihren Zweck völlig verfehlthatte. Dieses Argument wurde in keiner Weise dadurch cnt-kräftet, daß der Zentnlmsabgeordncte Heim, wie seinKollege Speck anführte, bei jener Gelegenheit den Wunschnach einer Reichsumsatzsteuer ausgesprochen hatte.Trotz der durchschlagenden Argumente der Gegner derMühlcnuinsatzsteuer wurden natürlich die beiden Anttäge mitgroßer Mehrheit angenommen. Dagegen stimmten nurSozialdemokraten, Freistni»ige und ein Teil der Nattonal-liberalen._Beamten- und Lehrerbesoldungen.DaS preußische Abgeordnetenhaus mußte sich am Mittwoch nocheinmal mit dem Gesetzentwurf betreffend die Bereitstellung vonMitteln zu Diensteinkommenverbesserungen befassen, weil da? H.-rren-hauS die Borlagen in einigen Punkten abgeändert hat. und zlvarhat eS im LehrcrbcsoldungSgesetz die Gehälter gekürzt, dafür aberdie StaatSzuschiiffe wiederhergestellt, im BcamtenbesoldungSgesctz hatcS namentlich die rückwirkende Kraft deS WohnungSgeldzuschusseS ab1. April 1S08' gestrichen, lieber beide Vorlagen war nun zwischenallen Parteien des Abgeordnetenhauses eine Verständigung erzieltworden, dahingehend, daß die Lehrergehälter überall so bleibensollen, wie eS das Abgeordnetenhaus ursprünglich beschloffen hatte,daß die StaatSzuschüsse erhalten bleiben und daß dem Wohnung?»geld für Beamte rückwirkende Kraft verliehen wird. In einigenkleinen Punkten ist dafür daS Abgeordnetenhaus dem Herrenhaus-entgegengekommen.Namens der sozialdemokratischen Fraktion erklärte BorgmanndaS Einverständnis mit den Kompromißvorschlägen zum Lehrer«besoldungsgesetz, ohne iudeS in den Fehler der bürgerlichen Rednerzu verfallen, die das Gesetz als wer weiß was Unerreichbares bc-zeichnet hatten. Borgmann ließ gar keinen Zweifel darüber auf-kommen, daß nach Ansicht der Sozialdemokraten die Lehrer michnach Jnlraftlreten dos Gesetzes noch nicht fo gestellt fein werden,lvie eS ihrem Beruf zukommt, er scheute sich auch nicht, da? Herren-haus, daS sich ausnahmsweise einmal als Hüter der Selbstverwaltunggezeigt hatte, gegen das Abgeordnetenhaus auszuspielen. Allerdingssuchte der Oberscharfnracher Frhr.».Zedlitz(fk.) hierauf anzubeißenund Borgmann den Vorwurf zu machen, daß er die Regierung gegen