als bis Freisinnigen nicht umfielen und der Block zusammen-brach, jubelten diese tüchtigen Blätder, daß man die Freisinnigenmit Echimpf und Schande aus der lviehrheit entlassen habe,—gleich als ob ein Sieg der Agrarier zugleich den Triumph derSozialdemokratie bedeuten würde. Sinnloser und stumpfsinnigerkann man wirklich nicht Politik treiben. Der neueste Erfolg,den diese Politik zuwege gebracht hat, wird aber vielleicht docheinsichtigere Sozialdemokraten veranlassen, einmal darüber nach-zudenken, wessen Geschäfte die Sozialdemokratie mit ihrerjetzigen Taktik besorgt und wie anders die ganze finanzpolitischeSituation wäre, wenn die Sozialdemokratie indiesen schweren und bedeutungsvollen Mo-naten einem ehrlichen Kampfe der bürgerlichenLinken Bei st and leistete, anstatt ihn skrupcl-los zu schwäche n."Mit anderen Worten: die Sozialdemokratiesoll die dem eigenen E i s e n a ch e r Programmder Freisinnigen Volks Partei wider-sprechende Steuerpolitik des Freisinnsakzeptieren!Man begreift, dast bei solcher Höhe der politischenEinsicht der politische Einfluß der„Franks. Ztg." imSchwabenlande ständig abnimint und konservative Blätter,wie die„Krcuzzeitung" und die„Deutsche Tageszeitung",mindestens das zehnfache politische Gewicht haben, wie dasWclt'Nachrichtcnblatt an» Main.Protest der drangsalierten Curner.Gestützt auf verstaubte Berordnungen aus den Jahren 1808,1834 und 1830 will das Provinzial-Schulkollegium den Arbeiter-Turnvereinen die jugendlichen Mitglieder abspenstig machen.Wie alle Gewaltmaßregcln, so hat auch diese das Gegenteil vondem erreicht, was ihre Urheber beabsichtigten. Die jungen Leute,denen eine königliche Behörde die Zugehörigkeit zum Arbeiter-Turnverein unmöglich machen will, sind entrüstet über die gesetz-widrigen Schikanierungen und schließen sich der Sache, der sie durchPolizeimaßregeln entfremdet werden sollen, um so fester an. Daßdem so ist, dafür lieferte die am Donnerstag bei Freyer in derKoppenstraßle abgehaltene Protestversammlung einen unwider-leglichen BoweiS. ES herrschte ein ungewöhnlicher Andrang.Sämtliche Asche wurden aus dem Sale entfernt. Eine dicht-gedrängte Mange füllte das Parterre und die Galerien. Nachdemdie Polizei dM Lokal abgesperrt hatte, sammelten sich in kurzerZeit hunderte, die keinen Einlaß mehr fanden, vor dem Lokale an.Die zahlreich anwesende Polizei vertrieb sie aus der Koppen-straße und verhinderte jede Annäherung an das Versammlungs-lokal. ES ließ sich deshalb nicht feststellen, wie groß die Mengederer war, die außerhalb des Saales an dem Protest gegen dieSchikanierung der Arbeiterturner teilnahmen. Tausende mögenes gewesen sein und zwar meist junge Leute, die durch da? gesetz-widrige Vorgehen des Provinzial-Schulkollegiums persönlich be-troffen werden.Nachdem der Vorsitzende des Arbeitcr-Turnvercins«Fichte"die Versammlung mit einem Hinweis auf ihren Zweck eröffnethatte, gab der Referent Franz Gcntz eine historische Darstellungdes Vorgehens gegen die jugendlichen Arbeiterturner. Im Jahre1904 begann die Drangsalierung. Zuerst in Weißensee, dann inAdlerShof und bald darauf in Berlin erhielt der Turnverein„Fichte" eine Verfügung des Inhalts, daß seine Jugendabteilungennicht mehr in den Turnhallen der Gemeindeschulen turnen dürfen.Ter Verein half sich damit, daß er Tanzsäle mietete, in denener seine Jugendabteilungcn turnen ließ. Das ging so ziemlichungestört bis 1S07. Dann kam das Provinzial-Schulkollegiumauf die Idee: Die Leiter der Jugendabteilungcn des Vereins„Fichte" erteilen Turnunterricht an jugendliche Personen, dazubedarf es auf Grund einer KabinettSorder von 1834 und einerMinifterial-Jnftruktion von 1839 eines Unterrichtserlaubnis-scheineS. DaS Provinzial-Schulkollegium verlangte demgemäß vonden Leitern der Jugendabteilungen den Nachweis, daß sie einensolchen Schein besitzen" und bedrohte sie, gestützt auf eine Ver-Ordnung vom Jahre 1808, mit Strafe für den Fall, daß sie den„Turnunterricht" ohne Erlaubnisschein fortsetzen. Der Vereinsetzte dann, anstelle der mit Strafe bedrohten Turnwarte andereein. Doch die Strafbefehle blieben nicht auS. Sie erreichten nachund nach die stattliche Zahl von 140. Der Versuch, für die Leiterder Jugendabteilungen des Vereins„Fichte" Unterrichtserlaubnis-scheine zu erhalten, erwicS sich als nutzlos. Den Leitern derJugendabteilungen bürgerlicher Turnvereine wurden die Er-laubnisscheine ohne weiteres erteilt. Den Mitgliedern desArbeiter-Turnvcreins aber wurden sie konsequent verweigert.Man sieht hieraus, worauf es einzig und allein abgesehen war.Es sollte dem Arbeiter-Turnverein unmöglich gemacht werden,Jugendabteilungen zu unterhalten.— Doch, allen Drang-salierungen zum Trotz, konnte der Verein„Fichte" seine Jugend-abteilungen halten. AIS sie nach Entziehung der Turnhallenin Sälen weiter turnten, wurde den Saalbesitzern eine polizeilicheVerfügung zugestellt, welche ihnen untersagt. Räume herzugebenfür die Erteilung von„Turnunterricht" durch Personen ohne Er-laubnisschein. Gegen diese polizeiliche Verfügung ist amL0. Juni 1908 Beschwerde erhoben, aber bis heute ist die Beschwerdenoch nicht beantwortet.Nun kam das neueste Vorgehen gegen die jugendlichen Ar-beiterturner. AIS jugendliche Personen, deren Vorturner einenIlnterrichtSerlaubnisschein haben soll, betrachtet das Provinzial-Schulkollegium Personen bis zum 21. Lebensjahres— Diestädtische Schuldeputation forderte also auf Verlangen des Pro-vinzial-Schulkollegiums. die Leitung des Vereins„Fichte" solleeine Liste aller Vorturner von Jugendabteilungen einreichen.—Da diese natürlich keine Unterrichtserlaubnisscheine haben, weil siekeine bekommen, so sollte aufs neue gegen sie vorgegangen werden.— Die Vereinsleitung weigerte sich, dem unberechtigten Ver-langen der Schuldeputation nachzukommen. Die Aufforderung zurEinreichung der Liste wurde wiederholt, aber vom Verein miteiner Beschwerde beantwortet. Darauf verfügte die Schul-deputation: Wenn die Liste nicht eingereicht würde, dann müsseder Magistrat dem Arbeiter-Turnverein„Fichte" die Benutzungder städtischen Turnhallen entziehen.Somit steht also der Verein„Fichte" vor der Tatsache, daßer in allernächster Zeit gänzlich aus den städtischen Turnhallenausgewiesen wird.— Wie der Referent weiter ausführte, sind dieDrangsalierungen der Arbeiterturncr, die sich nicht nur aufBerlin beschränken, zurückzuführen auf das Treiben der„DeutschenTurnerschaft", die den Hurrapatriotismus Pflegt und mit Neidauf die Arbeiter-Turnvereine blickt.— Es ist ein sonderbarer..Rechtszustand", daß eS gegen das Vorgehen des Provinzial-Schulkollegiums weder einen Beschwerde- noch einen Klagewcggibt. Um aber doch eine gerichtliche Entscheidung hierüber zuerzwingen, ist öffentlich zum Ungehorsam gegen die betreffendenVerfügungen und Berordnungen aufgefordert worden. Infolge-dessen schwebt zurzeit ein Verfahren gegen den Redakteur der»Arbeitei-Tujnerzeitung". Tech weiß man nicht, ob es zu einergerichtlichen Entscheidung kommen lvird, denn in früheren der-artigen Fällen ist das Verfahren ohne Gerichtsverhandlung ein-gestellt worden.— Der Referent schloß unter stürmischem Beifallmit der Versicherung, daß alle diese Drangsalierungen nicht ge-eignet sind, die Arbeiter-Turnvereine zu unterdrücken. Sie werdenMittel und Wege finden, auch mit der Jugend in Verbindung zubleiben und ihre Bestrebungen trotz des Vorgehens der Behördenauch ferner zu betätigen.Der zweite Referent, Genosse Wolfgang Heine, beleuchtete diejuristische Seite der Sache. Er bezeichnete das Vorgehe,« desProvinzial-Schulkollegiums gegen den Arbeiter-Turnverein alseinen groben Rechtsbruch und weist das in eingehender Weisenach.In der Diskussion, die sich durchaus im Sinne der Referatebewegte, beteiligte sich auch Genosse Stadthagen, der als Stadt-verordneter mit anderen Mitgliedern der sozialdemokratischenStadtvcrordnetenfraktion an der Versammlung teilnahm. Ersagte, die sozialdemokratischen Stadtverordneten würden selbst-verständlich alles was möglich ist, tun, um den Magistrat zu ver-anlasseli, daß er sich dem Rechtsbruch des Provinzial-Schul-kollegiums nicht füge, oder doch dem Verein„Fichte" andereRäume zur Verfügung stelle. Der Magistrat habe die Pflicht, zuprüfen, ob das Verlangen des Provinzial-Schulkollegiums gesetzlichsei. Einem ungesetzlichen Verlangen dürfe er sich nicht fügen.In scharfen Worten kennzeichnete der Redner das rechtswidrigeVorgehen gegen die Arbeiterturner und führte aus, daß dieseMaßregel sehr gegen den Willen des für die Drangsalierung ver-antwortlichen Kultusministers geeignet sei, den Arbeiterturnern zuzeigen, daß es die Klassenherrschaft ist, welche ihnen ihr SkeHjistreitig macht, die Klassenherrschaft, der die Sozialdemokratie einEnde machen wird.(Lebhafter Beifall.)Schließlich wurde einstimmig die nachstehende Resolution an-genommen:„Die von etwa 3000 Personen besuchte Versammlung pro-testiert auf das entschiedenste gegen daS ungesctzmäßige Vorgehender Behörden gegen die Arbeiter-Turnvereine.Wir fordern, daß das auf Willkür beruhende Verbot deSJugendturnens auf Grund veralteter Verordnungen aus denJahren 1808, 1834 und 1839 zurückgenommen werde.— Wir erwarten ferner, daß der Magistrat der Stadt Berlin das Verlangendes Königlichen Provinzial-Schulkollegiums, dem Turnverein„Fichte" die Turnhallen zu entziehen, nicht ausführen wird, dahierdurch die Berliner Turner mit zweierlei Maß gemessenwürden.Sollte der Berliner Magistrat nicht die Macht haben, dieAusweisung des Turnvereins„Fichte" aus den Gemeindeschul-Turnhallen zu verhindern, so erwarten wir von ihm. daß ex demBerein andere geeignete Räume zur Verfügung stellt."ver pMtrelk.Die Streiklage ist unverändert. Die offiziösen Nachrichtenverkünden am dritten Tage des Streiks ebenso daS„voll-ständige Scheitern" wie an den vorhergehenden, ohne daßman heute diesen Meldungen mehr Vertrauen entgegenbringenmuß als gestern und vorgestern. Sicher ist, daß der Streiknicht in seinem vollen Umfang eingesetzt hat. Jedoch die Post-beamten selbst sind guten Mutes. Sie haben während derNacht eine große Versammlung abgehalten, in der dieFortsetzung deL Streiks befürwortet und an der Handvon Ziffern erklärt wurde, daß der Streik an AuS d eh-nung gewinne. Der Sekretär des Verbandes der inStaatsbetrieben beschäftigten Arbeiter erklärte, das Komiteeder Leitung habe beschlossen, im Notfalle einen General-streik der Staatsarbeitcr zur Unterstützung derPostbeamten zu organisieren und möglichst auch die Mit-gliederder Arbeitersyndikate der Priv a tin dustrieniit hineinzuziehen. Die Mitteilung, daß die sozialistischenDeputierten in der Kammer die Internationale gesungenhätten und die Sitzung deslvegen unterbrochen werden mußte,rief große Begeisterung hervor. Die Versammlung nahm eineTagesordnung an, in der gegen die zur Beschränkungder Meinungsfreiheit getroffenen Maßnahmen und den Wort-bruch Clemenccaus Widerspruch erhoben und erklärt wird, derStreik solle bis zun« äußersten durchgeführt werden.Die Massenmaßregelungen der Beamten durch die Negierung haben im Proletariat große Erbitterung hervorgerufen.So nahm der Nationalkongreß der Gruben-a r b e i t e r in Lens nach einer geheimen Sitzung eine TageS-ordtiung an, Ivorin er erklärte, daß er nach der nunmehrerfolgten Absetzung von 228 Postbeamten von neuem dieFrage prüfen werde, ob ein A u s st a n d zu verkündensei. Der Kongreß erhebt energisch Einspruch gegen die Halwngdes Staates als Arbeitgeber. Ebenso haben die Pariser Gas-a r b e i t e r die Gewerkschaftsleitung aufgefordert, ein Referendum über einen allgemeinen Gasarbeitcr-st r e i k einzuleiten.Der offiziöse Streikbericht.PariS, 14. Mai. 1 Uhr früh. Nach den letzten Feststelllmgenfehlten im Hauptpostamt von 660 männlichen Angestellten 67 undvon 700 Damen 10; der Dienst wird in normaler Weise auS-geführt, ci wurden ungefähr 100 000 Depeschen expediert. ImTelephonbetriebe fehlten von 2500 Damen 70. Ferner waren125 Arbeiter nicht erschienen, von denen aber 80 baten, wieder ein-gestellt zu werden. In den einzelnen Postämtern fehlten inS-gesamt 700 Angestellte. Nachrichten aus der Provinz zufolge ist derAusstand dort im Abnehmen begriffen.Zerstörte Leitungen.Paris, 14. Mai. Aus der Provinz wird berichtet, daß dieTelegraphen drähte bei DoullenS(Departement Sonune)durchschnitten wurden; auch auS anderen Orten werden viel-fache Unterbrechungen gemeldet, die mit dem Postbeamten-ausstand in Zusammenhang stehen.Der Appell an die Solidarität.PariS, 14. Mai.(Privatdcpesche deS„Vorwärts*.) Eine beutenachmittag von 8000 Postbeamten besuchte Versammlung beschloßden Appell an die Solidarität des Proletariats. G u er ar d sagteeine Aktion der Eisenbahner zu, während P a t a u d, der Vertreterder Elektriker, sowie der Vertreter der GaSarbeiter bekanntgaben, daßihre Organisationen heute über den Streik beschließen.PoUtifcbe(leberfickt.Berlin, den 14. Mai 1209.Das Viehseuchengesetz.Aus dem Reichstage. 11. Mai. Schier unendlicherscheint die Zahl der Maßregeln zugunsten der Agrarier, mitdenen der Reichstag sich zu befassen hat, denn jeder Vorlage,bei der es halbwegs möglich ist, wissen Regierung undReichstagsmehrheit den Charakter einer Liebesgabe für dieAgrarier zu verleihen. So geht es auch mit der Neufassungdes Gesetzes zur Abwehr und Unterdrückungvon Viehseuchen, mit deren zweiter Lesung der Reichs-tag sich heute zu befassen hatte.Es handelt sich dabei um eine Erweiterung und Ver-schärfung der Bestimmungen, die zur Bekämpfung der Vieh-seuchen am 23. Juni 1880 getroffen wurden. Ueber ein Jahrlang hat die Kommission zur Durchbcratung der Vorlage gc-braucht. Sie enthält Bestimmungen zur Unterdrückung derViehseuchen im Jnlande, die bis zur Absperrung verseuchterGehöfte und Ortschaften sowie bis zur Vernichtung verseuchtenViehes gehen. Außerdem aber gibt das Gesetz derRegierung auch Befugnis zur Absperrung der Grenzengegen die Einfuhr ausländischen Viehes und allermöglichen tierischen Produkte. Und diese Bestimmungensind.es, die in ihrer Vieldeutigkeit und Dehnbarkeit eineragrarischen Regierung die Möglichkeit geben, auf bloße Ver-mutungen hin die Grenze überall gegen die Vieheinfuhr ab-zusperren. Man braucht gar nicht an die Möglichkeit zudenken, daß ein Podbiclski"die Klinke der Gesetzgebung undVerwaltungspraxts wieder in die Hand bekommt, die Beth-inann-Holltveg und Arnim-Criewen sind gerade agrarisch ver-feucht genug, um mit dem größten Mißtrauen der Zeitentgegenzusehen, in der sie sich daran machen werden,mit Hilfe eines solchen Gesetzes daS deutsche Schwein undden deutschen Ochsen vor der Konkurrenz deS verruchten Ans-landes zu bewahren.Diese Gefahr deutlich und unwiderleglich an der Handder vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen und der Regierung--bcgründung nachgewiesen zu haben, war daS Verdienst desGenossen Scheide mann. Konnte er doch anführen, daßnach dem Gesetz die Regierung jederzeit und überallzur Grenzsperre berechtigt sein würde, ohne tatsächlichnachgewiesene Verseuchung eines bestimmten Viehstandcs.Trotzdem unser Redner ausdrücklich erklärte, daß wir denwirklich berechtigten Bestimmungen des Gesetzes zur Unter-drückung der Viehseuchen beipflichten und nur gegen dieMöglichkeit willkürlicher Grenzsperre uns erklären, wurdenatürlich von den agrarischen Gegnern, dem ZentrumsmannFreiherr» V. P f e t t e n, dem Bundcsdtrektor Hahn uns vor-geworfen, wir wollen„dorLandwirtschaft keinen Schlitz angedcihenlassen". DerfrcisinnigeDr. Struve versuchte etncnmittlerenKnr-einzuschlagen zwischen den Agrariern und der Sozialdemokratie,wurde trotzdem aber höchst ungnädig behandelt von dem Vor-sitzenden des Bundes der Landwirte, Herrn R ö s i ck e. Aufgebläht von den agrarischen Triumphen in der Finanz-kommission schnarrte er mit seiner heiseren Fistelstimme denfreisinnigen Borredner an. als ob er von der ganzen Sachegar nichts verstände. Dafür pries er aber in den höchstenTönen den Herrn Erzbergec wefjen seines Eintretens fürdie volle Entschädigung der Landwirte, deren Vieh wegenVerseuchung getötet iverden muß. Die Minister v. Beth-mann-Hollweg und v. A r n i m- C r i e w e n bewiesciidurch ihre Reden, daß sie sich im herzlichen Einvernehmen mitdiesem neuen agrarischen Block befinden, so daß die gegen-wärtige politische Situation sich deutlich in der Debattewiederspiegelte.Morgen»vird diese agrarische Verbrüdcrungsfeicr ihreFortsetzung finden._Abgeordnetenhaus.Im Abgeordnetenhause ging die Ctatsveratlmg am Freitagetwas schneller vor sich, die Guillottine, durch die unter anderemauch einmal wieder unserem Fraktionsredner das Wort abgeschnittenwurde, funktionierte vorzüglich, und so war eS möglich, eine Reihewichtiger Etats im Handumdrehen zu erledigen.Eine Nachlese zu früheren Ausführungen der ReglerungSverircicrhielt Genosse L e i n e r t beim Etat der Eisenbahnberwaltung. Mitaller Gründlichkeit zerpflückte unser Genosse daS von dem Finanz-minister dem Hause aufgetischte Märchen, daß die Erhöhung derArbciterlöhne der Besoldungsaufbesserung der Beamten vorausgeeiltsei, schlagend wies er die Notwendigkeit einer Lohnaufbesserung derStaatsarbeiter nach; ebenso übte er scharfe Kritik an der Absicht,die Arbeiterwochenkarten einzuschränkeil und an dem jüngstenErlaß des Ministers über die Annahme jugendlicher Arbeiterbei der Eisenbahn, einem Erlaß, den er treffend als sozial-Politisch rückständig bezeichnete. Seine Mahnung, endlichdie Wünsche der Arbeiter zu erfüllen, machten, wie vorauszusehen.auf den Minister keinen Eindruck; Herr v. Breite nbach glaubtgenau wie seine AmtSvorgänger, daß die staatlichen Arbeiter sichauf die Dauer mit WohlfahrtSeinrichtungen abspeisen lassen. DieZukunft wird ja lehren, daß er im Unrecht ist; die Arbeiter verlangenden ihnen gebührenden Lohn, sie könne» und dürfen sich nichtdamit begnügen, daß sie niedrigere Löhne erhalten als ihre Kollegenin der Privatindnstrie sich mit Hilfe ihrer Organisation erkäinpsthaben. Für die Folgen, die auS der heute beliebten Behandlungder staatlichen Arbeiter entstehen, ist die Regierung verantwortlichuiid mir ihr die Mehrheit des DreiklassenparlamentS, die die sozial-politische Rückständigkeit des Ministers billigt.Eine treffliche Illustration preußisch-dcutscher Älasieiijustiz botdie zweite Siede L e i n e r t S, die er zum Etat der Justizverwaltunghielt. Mit gutem Geschick hatte er eS verslanden, eine Anzahl vonFällen auszuwählen und gegenüberzustellen, darunter auch den FallEulenburg. Mit dem, was Leinert über die Behaudlung fürstlicher Verbrecher ausführte, hat er nicht nur der sozialdemokratischenPartei, sondern zweifellos der weitaus größten Zahl der Anhängerauch anderer Parteien aus dem Herzen gesprochen. WaS Millionenund Abermillionen preußischer und deutscher Staatsbürger fühlen,dem hat er von der Tribüne des Landtages herab Ausdruck verliehen.Auch seine Anregungen über die Konkurrenz, die den Handwerkernund freien Arbeitern durch die Gefangnenarbeit bereitetwird, dürften der Zustimmung weitester Volkskreise sicher fein.Um so schwächer und nichtssagender war die Erwiderung desJustizministers B e s e l e r, der jede Kritik an gerichtlichen Urteilenals Verbrechen betrachtet, aber die Beeinflussung der Staatsanwälteals sein gutes Recht in Anspruch nimmt.Der letzte Etat, dessen Beratung allerdings noch nicht zu Endegeführt wurde, war der KultuZetat. Herr Schwartzkopff, der fürden abwesenden Minister Dr. Holle daS Wort führt, ist eintüchtiger Agitator für seine Ministerkandidatur, er entfesselt nachjedem Satz förmliche Beifallsstürme bei der konservativ-llerikalcuReaktion und stößt die bürgerliche Linke fortgesetzt vorden Kopf. Selbst die zahmen Nationalliberalen, die dochsonst der Regierung auS der Hand zu fressen verstehen, stößt er durchdie von ihm gegen Lehrer angewandte Gesinnungsschnüffelei vorden Kopf. Niemals hat es ein Ministerium gewagt, die Redefreiheitder Lehrer so zu unterbindell und ihnen in ihrem außerdienstlichenVerhalten solche Vorschriften zu machen, wie dieser Typus einespreußischen RealtionärS, der im Ministerium einen weit über dieBedeutung seiner Person hinausgehenden Einfluß besitzt.Am Sonnabend denkt man den KultuSetat und damit überhauptden Etat in dritter Lesung zu verabschieden. Auf der Rednerlistesteht u. a. Genosse H o f f m a n n.