tSs berührt eigentümlich, wenn andererseits Arbeiter wegen Land-friedenSbruch, wo das Bewußtsein der Schwere ihrer Handlungdurchaus nicht erwiesen ist, neun Monate Gefängnis bekommen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Weiter hat man mirmeine Behauptung übelgenommen, die Justiz sei einWerkzeug zur Erhaltung der Klassenherrschaft.Dieselbe Aufassung ist aber auch in bürgerlichen Kreisen vorhanden,wenn man erklärt, die Justiz müsse ein Werkzeug gegen die Sozial-demokratie sein.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Soschreibt die„Post" angesichts der Verurteilung eines bürgerlichenRedakteurs, der einem sozialdemokratischen Blatte vorgeworfenhatte, daß es„nach bekanntem demagogischem Rezept Aufhetzereibetreibe":„Das Urteil erscheint nur unter der Voraussetzung halt-bar, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie, also die Erhal-tung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung, als emberechtigtes Interesse im Sinne des§ 193 des Strafgesetzbuchesnicht mehr anerkannt werden soll. Sollte die Rechtspflege sichfortan auf diesen Standpunkt stellen, so scheint uns freilich einSieg der Sozialdemokratie nicht mehr im Bereich der Unmöglich-leiten zu liegen." Das ist eine Bestätigung mein er Be»hauptung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich hatteseinerzeit dem Herrn Justizminister aufgefordert, er möge dieStaatsanwälte anweisen, bei denUebertretungen gegen die soziale» Gesetzehöhere Strafen zu beantragen. In anderen Fällen ist derJustizminister mit solchen Erlassen gleich bei der Hand gewesen,z. B. mit dem Erlaß auf Grund des Erpressungs-Paragraphen gegen Gewerkschaften vorzugehen.Ueber die zu geringe Bestrafung bei Uebertretungen der Ar-beiterschutzbestimmungen beklagt sich auch der Gewerberat für denLandesbezirk Berlin. Er schreibt:„Ein zweimal wegen einessolchen Vergehens mit S M. bestrafter Unternehmer wurde wegendes gleichen Verstoße? abermals mit derselben Strafe belegt.Ein anderer mit 29 M. bestrafter Unternehmer erhielt wegen desgleichen Vergehens das zweite Mal nur 6 M. Eine abschreckendeWirkung für den betreffenden oder andere Gewerbetreibende kannvon solchen niedrigen Strafen nicht erwartet werden." Hier, woLeben und Gesundheit der Arbeiter in Frage kommen, zeigt unsereJustiz einen auffallenden Mangel an sozialem Verständnis(Sehrwahr! bei den Sozialdemokraten.) Redner führt des weiteren dar-über Beschiverde, daß nach einer neuerlichen Verfügung in Erfurtvom 1. Oktober 1909 ab die Gefangenen in Erfurt auch initBürstenmacher-, Strickerei- sowie Putzmacherarbeit beschäftigtwerden sollen. Eine solche Verordnung macht sich besonders fühlbar in der Zeit des wirtschaftlichen Niederganges. Beschäftigtwerden müssen ja die Gefangenen und die Arbeiter. Kurz vordem letzten Mvltke-Hardcn-Prozeß ging die Mitteilung durch diePresse, daßFürst Philipp zu Eulenburgin Liebenberg außerordentlich krank geworden sei. Solche Mit-teilungen kommen immer kurz vor den Prozessen, wo die Gefahrbesteht, daß er vcrnonmien werden soll. Nachher ist es voll-st ä n d i g st i l l davon geworden. Ich möchte fragen, ob man mitdem Prozeß so lange warten will, brs etwa durch ein Gesetz völligeStraffreiheit für fürstliche Herrenhausmitglieder herbeigeführt ist.(Heiterkeit; Unruhe rechts.) Der ganze Prozeß hat im Lande denEindruck erweckt, daß ein Angeklagter von angeblichso hoher Herkunft, der solche Beziehungen hat(Zuruf beiden Dozialdeinokratcn: und solche Briefe besitzt! Heiterkeit), selbstvon der Justiz verschont wird. Daß diese Auffassung sich im Lanoeunverrückbar festsetzt,' daran trägt auch die Justiz einen großenTeil schuld. Aus einen kranken Arbeiter, der angeklagt ist, wirdwenig Rücksicht genomwen, da erfordert es die Staatsraison, dieUnparteilichkeit der Justiz, daß er in die Krankenanstalt des Ge-fäugnisscS gebracht wird. Di« Unparteilichkeit der Justizaber erfordert es, daß auch Fürsten nicht anders be-handelt werden als. gewöhnliche Sterbliche.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.)Jnstizminister Beseler: Die Gerichte sind mit ihren Urteilenselbständig. Ihrem Spruch muß sich zeder fügen, ob er ihm un-angenehm ist oder nicht. Aus sie kann ich mcht einwirken. AnStaatsanwälte kann ich allerdings Verfügungen erlassen. EineAnordnung an die Staatsanwälte aus den 99« Fahren hat demSinne des Herrn Leinert nicht entsprochen. Mir ist ste nichtgegenwärtig, sie geht auch in eine Zeit zurück, für die ich nicht ein»treten kann. Das Urteil im Prozeß Igel ist, wie mir gesagt wird.noch nicht rechtskräftig.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten,!Daher kann ich mich darüber nicht auslassen. Fürst Eulenburgist auf Gerichtsbeschluß, nachdem zunächst die Haft vollstreckt war,gegen Kaution auf freiem Fuß belassen. Zwei Instanzen habensich dahin auegesprochen, daß eine Gerichtsverhandlung bei seinemZustano unmöglich sei. Auch ist schließlich noch ein Gutachten derhöchsten Instanz, die wir darüber in Preußen haben, eingeholt;wie es ausgefallen ist. weiß ich nicht. Jedenfalls haben auch hierdie Gerichte zu entscheiden....Abg. Ramdohr(srkons.) wünscht em eigenes GerlchtSgebaudefür Pritzwalk. � tEin Regierungskommissar erwidert, daß im nächsten EtatMittel dafür eingestellt werden sollen.Der Etat wird bewilligt.ES folgt der K u l t u S e t a t.Abg. Hetz(Z.) kommt auf den Essener Ghmnasialfall zurückund ersucht die Unterrichtsverwaltung, das Resultat ihrer Unter-suchung mitzuteilen.Unterstaatssekretär Dr. Wever: Vom Provinzialschulkollegiumwurde die Anstalt Anfang des JahreS einer eingehendm Revisionunterzogen, und es wurde sofort angeordnet, daß da« bisherigeVerfahren bei der Unterbringung der Schüler aufzuhören habe.(Hört! hört!) Von Beginn des laufenden Schuljahres ist somitein durchaus objektives Verfahren bei der Einschulung gewähr-leistet. Der zur Prüfung nach Essen entsandte Ministerialdirektorhat den Anordnungen des Provinzialschulkollegiums zustimmenkönnen. Tatsache ist. daß bisher durch Schuld des Direktors eineVerschiedenheit nach der sozialen Stellung in den beiden Parallel-klasse» vorhanden gewesen ist.(Hört! Hört!» Dem Direktor ist derschwere Vorwurf zu machen, daß er die hierdurch entstandene Miß»stimmuna in den Eltern- und auch Lehrerkreifen nicht bemerktund gewürdigt hat.(Sehr richtig.) Eine wesentliche Aufgabe derErziehung der Schule ist es, unter ihren Zöglingen Gemeinsinnund Kameradschaftlichkeit zu pflegen und das Gefühl in ihnen zuwecken, daß sie nach keinem anderen Maßstabe, als nach dem dereigenen Tüchtigkeit, dewertet werden.(Sehr richtig!) Die Unter-ricktsverwaltung wird dafür sorgen, daß streng nach diesen Grund-sätzen verfahren wird, und daß Dinge, wie sie in Essen vorge-kommen sinö, sich in Zukunft nicht wiederholen.(LebhafterBeifall.)Abg. Schroeder-Kassel(natl.) kritisiert die Maßregelung derLehrer Brandau und Kimpel in Kassel. In dem gemeinsamenReferieren mit einem Sozialdemokraten liegt doch noch nicht ohneweiteres ein Hinneigen zur Sozialdemokratie. Wir verurteilensolche Maßregelungen liberaler Männer aus politischen Gründenaufs schärfste.(Bravo! bei den Natwnalliberalen.)Ministerialdirekwr Dr. Schwartzkopss: Ich wiederhole, wirdenken nicht daran, einen Lehrer ivegcn liberaler Gesinnung zumaßregeln. Aber es ist mit den Pflichten eines Beamten nichtvereinbar, wenn er gemeinsam mit einem Sozialdemokraten sichan der Opposition gegen eine Vorlage beteiligt, die sein vorge-setzter Minister in allerhöchstem Auftrage eingebracht hat.(Bravo!rechts.)Abg. Eickhoff(frs. Vp.): Diese Erklärung deS Herrn Mini-steriald«rekiors bedaure ich lebhaft.(Bravo! links.) Die Unter-richtsverwaltung sollte die große Erregung berücksichtigen, dieseinerzeit in der nassauischen Bevölkerung durch die Befürchtungentstand, sie würde die bewährten Simultanschulcn verlieren.Lehrer Brandau hat sich ausdrücklich als Gegner der Sozialdemo-kratie bekannt. Die Umerrichtsverwaltung sollte alle Ketzer-riecherei unterlassen. Der Essener Fall ist durch die Erklärung desHerrn UnterstaatssekretärS für uns erledigt, Dem Diettor kgWich nur den Rat geben, sobald als möglich seinen Abschied zunehmen.(Oho! rechts.) Zurückweisen muß ich aber die Ueber-treibungen, die in einem Teil der Berliner Presse an diesen Fallgeknüpft sind. Nach meiner Ueberzeugung bildet er eine Aus-nähme.Abg. Brütt(ftkons.) erklärt sich mit den Ausführungen desMinisterialdirektors Dr. Schwartzkopss einverstanden.(Bravo!rechts.)Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Sonn-abend 11 Uhr. Außerdem Äöhlbrandvertrag.Schluß Uhr._Gerichts-ZeitungDrucks chriftenverdreitung.Der§ 19 des alten preußischen Preßgesetzes gibt den Behördenund Gerichten zu den schönsten Auslegungskünsten Gelegenheit. DurchH 39 des Reichsprcßgesetzes ist sein Verbot auftechierhalten, ohnepolizeiliche Erlaubnis auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Wegen oderan anderen öffentlichen Orten Bekanntmachungen, Plakateoder Aufrufe unentgeltlich zu verteilen. Dagegen solltensich Kramer. Adam. Sommer und verschiedene andereParteigenossen vergangen haben, indem sie als Boykott-Posten in Blumenan in Schlesien öffentlich Zettel ver-teilten, die zum Boykott des Lokales«Weißes Roß" auf-forderten, weil es den Arbeitern zu einer Versammlung ver-weigert worden war. Die Verteilung war im Auftragedes Gewerkschaftskartells erfolgt, und die Verteiler, die sichabwechselten, erhielten pro Stunde 19 Pf., so daß an Wochentagen29— 80 Pf. und Sonntags 49— 50 Pf. auf die Person kamen. DieStrafkammer in Waldenburg verneinte im zweiten Rechts-gange die GewerbSmäßigkeit, so daß die Gewerbeordnung ausschied,und verurteilte die Angeklagten wegen Uebertretung des§ 10 despreußischen Preßgesetzes. Das Gericht nahm an, daß eS sich umeine unentgeltliche Verteilung im Sinne dieses Paragraphenhandele. Jene 10 Pf. pro Stunde seien kein Entgelt, keine Be-zahlung gewesen, wodurch die Anwendbarkeit des§ 10 ausgeschlossenwürde, sondern hätte nur den Charakter eines Trinkgeldes, das dieLeute in den Stand setzen sollte, nachher sich an Getränken oder aneinem Imbiß zu erfrischen. Somit wären sie auf Grund der§§ 10und 41 des preußischen Preßgesetzes zu bestrafen, da ste eine poli-zeiliche Erlaubnis zu dem öffentlichen unentgeltlichen Verteilen nichtgehabt hätten.Das Kammergericht gab der von den An»geklagten eingelegten Revision statt, hob daSUrteil auf und verwies die Sache zunochmaligerVerhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzzurück. Begründend wurde ausgeführt: Der Begriff der Entgelt-lichkeit bezw. Unentgeltlichkeit scheine verkannt zu sein. Die Vor-entscheidung lasse sich nicht klar aus. Sie sage allerlei darüber undbetone, daß das Geld eine kleine Entschädigung für die geopferteZeit nur in dem Sinne wäre, daß ein blecht auf Speisen undGetränke dadurch erworben werden sollte. Nach Ansicht des Senatskönne nun der Begriff der Entgeltlichleit nur so aufgefaßt werden,daß ein Vertrag zwischen dem Unternehmer(hier dem Kartellbeziehungsweise seinem Vertreter) und den Ausführendenabgeschlossen sei, daß es für das Verteilen von Zettelnwährend einer bestimmten Zeit eine bestimmte oder eine angemesseneVergütung gebe. Wenn das beabsichtigt und durchgeführt sei, bannkönne von einer Unentgeltlichkeit selbst dann nicht dieRede sein, wenn der erzielte Betrag in Bier oder Spiritus umgesetztwerden sollte. Denn daß ein Verdienst erzielt werden solle, der indie Taschen fließe, gehöre nicht zum Begriff der Entgeltlichkeit.Deshalb müsse sich die Strafkammer nochmals mit der Sache be-fassen. Zu beachten sei, ob durch die Zusicherung eines Entgelts einklagbares Recht gegeben werden sollte, ober ob esnur eine Redensart fei, um sich der Judikatur anzupassen, nach derbei einer entgeltlichen öffentlichen Verteilung. die nichtgewerbsmäßig sei, weder die Gewerbeordnung, noch das preußischePreßgesetz Anwendung finden könne. Bei einem nicht ernstlichgemeinten Versprechen käme§ 19 des preußischen Gesetzes zur An-Wendung._Ein Fabrikbesitzer.Der in K ö n i g st e i n bei Dresden wohnhafte Fabrik-be sitzer Hänichen stand dieser Tage wegen Aer-füyrung, wörtlicher und tätlicher Beleidigung mehrerer bei ihm in Stellung ge-lv e s e n e r Dienstmädchen vor den L a u d g e r i ch t inDresden. Die unter Anklage stehenden Fälle reichen zirkavier Jahre zurück. Durch ein Inserat suchte H. eine„jungeStütze der Hausfrau". ES meldete sich ein hübsches jungesMädchen, eine Tochter rechtschaffener Eltern, welches auch an-trat. Kaum war es einige Tage bei H., als es von letzteremgegen ihren Willen nachts in ihrem Bettebesucht wurde. So machte es der Angeklagte bei einerganzen Anzahl Mädchen. Die meisten waren ihm nicht zuWillen und liefen wieder davon. Ein junges Mädchen hat H.mit auf die Jagd genommen und es im tiefenWalde zu vergewaltigen versucht. Eins derMädchen, welches infolge der unsittlichen Anträge ihres„Herrn" schon nach zwei Tagen das Torado verließ, verlangtein Gemeinschaft mit ihrer Mutter in � einem Briefedie Kosten der Hin- und Rückfahrt sowie die Transport-kosten der Sachen vergütet. Mit diesem Briefeging H. zum Staatsanwalt und verklagtedas Mädchen und dessen Mutter wegen Be-l e i d i g u n g I Das Mädchen erhob aber Widerklage wegentätlicher und wörtlicher Beleidigung. Die Sache endete da-mals damit, daß H. mit seiner Klage abgewiesen und erselbst zu 100 Mark G e l d st r a f e verurteilt wurde. Bordiesem Prozesse hatte sich der Fabrikbesitzer mit verschiedenenbei ihm in Stellung gewesenen Mädchen in Verbindung ge-setzt und sie zum Teil mündlich, zum Teil durch Briefe zumMeineid zu verleiten gesucht. Eine ganze AnzahlMädchen waren zur Zeit als sie bei H. in„Stellung" waren,noch nicht 16 I a h r e alt(H. ist 6-t Jahre). Als derStein ins Rollen kam, wurden immer mehr Sachen bekannt,und Anverwandte der unter 16 Jahre alten Mädchen stelltenschließlich auch Strafantrag gegen H. Er wurde wegen deroben angeführten Straftaten und wegen Verleitungz u m M e i n e i d zu zwei Jahren Zuchthaus ver-urteilt. Mit Rücksicht auf seinen leidenden Znstand wurdeaber H. auf f r e i e m F u ß gelassen.Beamte sind nicht haftpflichtig.Die gemäß dem Gesetz vom 1ö. November 1S11 erfolgte Setzungeines Merkpfahles für die an der Milde belegene Walkmühle deroffenen Handelsgesellschaft Mund u. Franke(jetzt in Liquidation)loar vom OberverwaltungSgericht als dritter und letzter Instanzunter Aufhebung der ungünstigen Vorentscheidungen als unzulässigaußer Kraft gesetzt worden. Es durfte be» der mit einerTurbinenanlage versebenen Mühle nicht nach dem Gesetz von1811 verfahren werden, sondern nur nach gewerbepolizei-lichen Grundsätzen gemäß der Gewerbeordmmg. Der Merk-Pfahl(die Wasserstandshöhe) für die Walkmühle war mmdamals tatsächlich um 30 Zentimeter zu niedrig festgesetztworden. In der Zeit bis zur Entscheidung des Oberverwaltung-.--gertchts hatte die Gesellschaft sich nach dem Merkpfahl gerichtet undnifolge der niedrigen Festsetzung viel Wasserkraft verloren. Sie willmindestens 6909 M. Schaden gehabt haben. Für den Verlust machtedie Firma im Zivilprozeß den Landrat von Alvens-leben zu Gardelegen und den k ö n i g l. B a u r a tP r a j a w a verantwortlich. ES waren das die beidenKommissare deS KreisauSschnsseS, die mit der Feststellungder zulässigen Wasserstandshöhe, die auf Antrag einesanderen MiihlenbesttzerS erfolgte, beauftragt worden waren. Ihnenwurde vorgeworfen, sie Hütten sich grobe Verseheu zu schuldenkommen lassen und seien insbesondere ohne genügende Aufklärungin technischer Beziehung vorgegangen. Die Regierung in Magde-bürg erhob zu ihren Gunsten den Konflikt. Das Ober-Verwaltungsgericht erklärte den Konflikt am Dienstag fürbegründet und erkannte auf endgültige Einstellung des Verfahrensgegen die beiden Beklagten. Begründend wurde ausgeführt: DenBeklagten sei vorgeworfen worden, daß sie ein altes Merkzeichen,daS sie hätten beachten müssen, nicht aufgefunden hätten. DerAngriff sei hinfällig insofern, alS eS Sache der Jnteressenteir selbergewesen sei, derartige Zeichen festzustellen und die Kommissiondarauf aufmerksam zu machen. Die Interessenten hätten es übrigensauch erst später entdeckt. Wenn ein Verschulden vorläge, dann nurauf ihrer Seite. Ferner wurde den Kommissaren vorgeworfen, daßsie aus technischem Gebiet das Verhältnis eines Uebersallwehres zurStauhöhe des unterliegenden Müllers nicht genügend berücksichtigthätten. Dem stehe entgegen, daß der Regierungöbaurat Hecht dasGutachten des beklagten Baurats durchaus gebilligt habeund daß der Kreisausschuß und der Bezirksausschuß, alsozwei Instanzen, sich das Gutachten zu eigen gemachtund die Wasserstandshöhe danach bemessen hätten. Wenn nun vonanderer sachverständiger Seite die Richtigkeit des Gutachtens be-stritten sei, so folge daraus noch nicht das Vorliegen einer Pflicht-Verletzung. Höchstens handle es sich um einen Irrtum. Er könnenicht als Ueberschreitung der Amtsbefugnisse oder Unterlassungeiner Amtshandlung angesehen werden. Dem Konflikt sei somit statt-zugeben und daS Verfahren gegen die beiden Beklagten endgültigeinzustellen.Daß ein besonderer Gerichtshof und nicht die ordentlichenGerichte über die Frage der Haftbarkeit von Beamten in Preußenvorentscheidcn, ist mit dem Begriff eines Rechtsstaates unvereinbar.Schweincreien.Im November und Dezember vorigen Jahres passierte es wieder«holt in Wilmersdorf und Schmargendorf, daß ein elegant gekleideterHerr auf eine Gruppe Kinder zutrat und sich in einer höchst unanständigen Weise benahm. Diesem Treiben wurde schließlich durchdie Festnahme des Attentäters ein Ende bereitet. Auf der Polizeientpuppte sich der Festgenommene als der Kaufmann Emilv o n E u e n. der schon wegen ähnlicher exhibitioneller Handlungenvorbestraft ist. Vor der dritten Strafkammer des Landgerichts IIImußte sich von E. nunmehr wegen Erregung öffentlichen Aergcrnissesveraniw orten. Da die Gutachten des Medizinalrais Dr. Hoff-mann und des Nervenarztes Dr. Mendel dahin gingen, daßder Angeklagte ein degenerierter und krankhaft veranlagter Menschsei, auf de» aber der§ 51 Str.»G.°B. keine Anwendung findenkönne, erkannte das Gericht nur auf eine Geldstrafe von599 Mark.Heiratsschwindel.Mit Ivelcher unglaublichen Leichtgläubigkeit und Naivität mit-unter Mädchen ihre Ehre, Hab nnd Gut opfern, wenn ihnen Hcirats-versprechen gemacht werde», zeigte wieder einmal eine Verhandlung,mit der sich die vierte Straflammer deö Landgerichts II zu be-schäftigen hatte. Aus der Untersuchungshast wurde der HausdienerJoseph Schur vorgeführt, der sich wegen Betruges, Diebstahlsund Unterschlagung verantworten mußte. Der Angeklagte ist erstkürzlich von der Strafkammer des Landgerichts III wegen Heirats-schlvindels zu einem Jahr Gefängnis verurteiltworden. Zur Anklage standen nun wiederum sieben Einzel-fälle, in denen der Angeklagte längere Zeit hindurch aufKosten der heiratslustigen Mädchen herrlich und in Freuden gelebthatte. Er»nacht«, teils durch Heiratsannoncen, die Bekanntschastvon besseren Dienstmädchen und Köchinnen, die unter„Veilchen 199",„Spätes Glück" oder ähnlichen Chisfern nach einem Manne suchten.Bei der ersten Zusammenkunft stellte sich der Schwindler als„Kriminalbea,nter K o l b e r g" vor. Er bekam eS fertig,zu derselben Zeit vier Bräute auf einmal zu be-sitzen, denen er abnahm, was nur irgendwie»zu erlangen war.Einem Dienstinädchen W. nahm er erst 299 M. ab, dann 399 M-,um angeblich Möbel zu kaufen. Bei einem Rendezvous zeigte erihr elne Blechmarke vor, die angeblich die Erkennungs-marke der Kriminalbeamten sein sollte. Es war diesjedoch eine Kontrollmarke aus dem Restaurant„Rheingold".Auf eine Frage des Vorsitzenden, was sie sich dabei gedacht habe.als sie das Wort„RHSingold" las, erwiderte die Zeugm lakonisch:„Nischt". Die Braut Nummer 2 war eine Köchin F.. mit der er sichauf einer Tiergartenbani verlobte. Während die F. freudestrahlendihren„echten" VerlobungSring betrachtete, widmete der glücklicheBräutigam seine volle Aufmerksamkeit der Handtasche der F.,aus der er daS Portemonnaie mit 45 Mark Inhalt eskamotierte.Im Tiergarten suchte er eine Bedürfnisanstalt auf, ausder er dann durch den zweiten Ausgang verduftete, während dasMädchen eine halbe Stunde geduldig auf ihren Zukünftigen wartete.Seiner dritten Braut entwendete Schur in einem Restaurant dasPortemonnaie und verschwand durch einen hinteren Ausgang, nach-dem er eine ziemlich hohe Zeche gemacht hatte, die später dasMädchen bezahlen mußte. Die übrigen Fälle der Anklage lagen ähnlich.Daö Gericht war der Ansicht, daß gegen derartige geineingsfährlicheund arbeitsscheue Subjekte, die sich die allerdings bald an Dmnmhcitgrenzende Vertrauensseligkeit heiratslustiger Mädchen zunutze»nachen,init aller Scharfe, die das Gesetz zulasse, vorgegangen werden»nüsse.Daö Urteil lautete deshalb auf fünf Jahre Zuchthaus unddie üblichen Ncbenstrasen._Ein Sittllchkeltspfarrcr.Die Strafkammer in Rottweil verurteilte am Donnerstag denfrü her in Schramberg, zuletzt in Thaldorf amtierenden PfarrerMichael Bauer»vegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit zu dreiJahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust.Zwei Monate der Untersuchungshaft wurden in Anrechnung ge-bracht._60 Pf. Kniittclholz— drei Monate.Vor der Strafkammer in Bromberg wurde am Donnerstag dieArbeiterfrau Bork aus Labifchin zu drei Monaten Gefängnis ver-urteilt, weil sie Knüttelholz im Werte von 69 Pf. aus dem LabischinerWald(aus Not) entwendet hatte.— Wäre die Frau nicht in Not«läge geivesen und hätte das Deutsche Reich wie die Frau MinisterVon Podbielski als stille Teilhaberin der Firma TippelSlirch und dieum Hunderttausende auf Grund eines Vertrages erleichtert, so wäresie straflos geblieben. Das nennt sich deutsche Gerechtigkeit undchristliche Barmherzigkeit.__Freireligiöse Gemeinde. Sonntag, den 13. Mai er., vormittags9 Uhr, in der Halle, Pappel-Alloe 15—1?: Freireligiöse Vorlesung.— Vor-mittags l0°/, Uhr in der Schule, Kleine Franffurtcr Str. 3: Vortrag vonHerrn Dr. Bruno Wllle: Die JudaLjage.— Herren und Damen find alsGäste sehr willkommen.Allgeineine Krauken- nnd Sterbcknsse der Metallarbeiter.(E. H. LS.) Filiale Berlin 2. Montag, den 17. Mai. adeildSÖ'/j Uhr, im„Märkischen Hos", üldmiralstr, 18o: Mitgliederversammlung.—Filiale Berlin 8. Gonnabeud, den IS. Mai, abends&lla Uhr, beiKayser, Reichenberger Siraste 157: Mitglied erversanimlung,— FilialeBerlin 4. Sonnabend, den 15. Mai, abends 81/,, Uhr, bei Merkowsli,Nndreasslr. 23: Mitgliederversammlung.— F ili ale Berlin 5. Sonn-abend, den Iß. Mai, abends 8'/, Uhr, bei o" reihest, Dragoncrstr. 15: Mit-gliederverfammlung.