|t. 112. 26. Jahrgang. 3. KeW des JotiBärts" Keelim üslUlott. Ss««abend. 15. Mai 1909. partd-Hngelegenbciten. Lezirl Pankow . Am Dienstag, den 18. d. MtS., abends pünktlich 8 Uhr, findet eine Versammlung des sozialdemo- kratischcn Wahlvcreins im Saale von Grofikurt, Berliner Straße 27 statt. ES referiert der Reich-?tagSabgeordnete Emil Eichhorn über das Thema:„Die politische Situation". Parteigenossen Pankows! Macht aus das eifrigste Propaganda für guten Besuch dieser Versammlung. Die Bezirksleitung. Fricdrichsfelde. Morgen, Sonntag, den 16. Mai findet von den Dezirkslokalen aus eine Handzettelverbreitnng statt. Die Genossen wollen sich hierzu pünktlich um 8 Uhr und recht zahlreich einfinden. Der Porstand. Adlcrshof. Morgen, Sonntag, früh 8 Uhr findet von Töpfer. Helbigstraße 31 aus eine Flugblattverbreitung statt. Weiter sei mit- geteilt, daß Montag, den 17. Mai, abends 8Vz Uhr im Lokal von Kähne, Bisnrarckstraße 6V, eine öffentliche Protestversammlung statt- findet. Tagesordnung: 566 Millionen Mark neuer Steuern und die Arbeiterschaft. Referent Genosse Fritz Zubeil . Buch sBezi«! F-r.-Buchholz). Heute abend S'/z Uhr findet bei Juhnke, Schönowerstraße der Zahlabend statt. Rudow . Am Sonntag, den 16. Mai, abends 6 Uhr: Der- sammlnng des sozialdemokratischen Wahlvcreins im Lokale von August Palm . Der Vorstand. Wilhelmsruh » Nieder- Schiinhausen- West. Am Dienstag, den 18. Mai 1909, abends 8 Uhr, findet im Lokale von Barth der Frauen» Leseabend statt. Zu der am 26. Mai 1969(Himmelfahrtstag) stattfindenden Danipferpartie treffen sich die Genossen des 5. Bezirks morgens 6'/z Uhr bei A. O t t e. Sachsensir. 11. die Genossen des 1.— 4. Be- zirks um ö'/a Uhr bei A. Feind, Kopenhagener Str. 70(.Zur Wartburg "). Abfahrt des Dampfers um 8 Uhr von der MichaelSkirch-Brücke. Billetts sind noch bei den Bezirksführern zu haben. berliner jNbcbncbtcii. Ist ein Hutuilichcr ew Arveiter? Unsere Leser werden beim Lesen dieser Frage verwundert die Köpfe schütteln und meinen, wir wollen sie frozzeln. Jeder der- ständige Mensch wird die Frage nicht nur bejahen, sondern erstaunt sein, daß eine solche Frage überhaupt gestellt wird. Aber es gibt im Ernst Behörden, die eS durchaus nicht so selbstverständlich finden. daß ein Hutmacher ein Arbeiter ist und zu diesen Behörden gehört unsere königliche Eisenbahnverwaltung. Tritt da kürzlich ein Hut- macher W. an den Schalter des Stadtbahnhofes Jannowitzbrücke und verlangt wie seit Jahren eine Arbeiterwochenkarte nach Warschauer- straße. Im Gegensatz zu früher stellte diesmal die Schalterdame die Frage, ob W. überhaupt Arbeiter sei. Diese Frage be jahte der Gefragte, der an dem Tage einen Ueberzieher trug und dadurch wohl etwas„wohlhabender" aussah, worauf die Billettverkäuferin eine diesbezügliche Bescheinigung des Arbeitgebers verlangte. Am anderen Tage erschien W. wieder am Schalter, die geforderte Bescheinigung vorlegend, die besagte, daß W. bei der Firma So und So als Hutmacher beschäftigt sei. Dar- auf wurde W. abgewiesen mit der Benrerkung, er sei kein Arbeiter, sondern Handwerker und hätte keinen Anspruch auf eine Arbeiter- Wochenkarte. Der Stationsvorsteher sagte dasselbe. Einwände des 28., daß er infolge verkürzter Arbeitszeit seit Monaten 12 bis 16 M. also weniger wie ein Hausdiener oder anderer unqualifizierter Ar- beiter verdiene, blieben unberücksichtigt. Hierauf wandte sich W. mit einer Beschwerde an die königl. Eisenbahn- Vetricbsinspektion. Die Antwort, die ihm wurde, ist so klassisch, daß wir sie der Mit- und Nachwelt im Wortlaut überliefern müssen; sie lautet: „In der hiermit zurückerfolgenden Bescheinigung(nämlich, daß SS. als H u t m a ch e r bei der Firma B. beschäftigt ist), ist nicht zum Ausdruck gebracht, daß Sie als Arbeiter bei der Firma B. u. Co. tätig sind. Bestimmungsgemäß dürfen aber Arbeiterwochenkarten nur an solche Personen verabfolgt werden, die mit mechanischen oder Handarbeiten als Arbeiter beschäfcigt werden und sich durch eine dahin lautende Bescheinigung ihres Arbeit- geberS ausweisen können. Ich stelle daher anheim, eine Be- scheinigung zu erbringen, daß Sie bei der betreffenden Firma als Arbeiter tätig sind. Gegen Vorzeigung einer solchen Bescheinigung am Fahrkartenschalter wird Ihnen alsdann eine Arbeilerwochen- karte nicht vorenthalten werden." Unterschrift unleserlich. Man fragt sich beim Lesen dieser Antwort unwillkürlich, welche Vorstellungen mögen wohl unsere Eisenbahnbehörden von der Tätigkeit eines HutmacherS haben und zu welcher Kategorie von Leuten rechnen sie die Hutmacher . Würde sich die Eisenbahn- Verwaltung im Handelsministerium erkundigen, so würde ihr dort die Antwort werden, daß die Gesetzgebung. Gewerbeordnung u. dgl. die Hutmachcr zu den gewerblichen Arbeitern rechnet. Aber wozu diese ernsthaften Darlegungen I Die Eisenbahnbehörden würden diese doch nicht begreifen, so wenig ein Hutmacher die obige Ant« wort verstehen wird. Der Vollständigkeit halber wollen wir noch mitteilen, daß W. sich nun von seinem Arbeitgeber bescheinigen lassen mußte, daß er als S r b e i t e r bei ihm beschäftigt sei und dadurch die Arbeiterwochenkarte ausgehändigt erhielt. Die Post an Pfingsten. Die Post hat für die Festzeiten. zu denen mehrere freie Tage zusammentreffen� seit der Durch- führung der Sonntagsruhe für die Bestellung besondere MM- nahmen vorgesehen. Für daS bevorstehende Pfingstfest hat die kaiserliche Oberpostdirektion Berlin für ihren Bezirk eine einmalige Bestellung von Geld wie von Paketen im Ort am Pfingstsonntag in Aussicht genommen. In Sachen der Drangsalierung der Arveiterturner hat die sozialdemokratische Fraktion der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, folgenden schleunigen Antrag zu stellen: Die Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen, den Magisttat zu«rsuchen: die Anordnung der Schuldeputatton rückgängig zu machen, durch die dem Turnverew„Fichte" die Entziehung der Benutzung der städtischen Turnhallen auf Ersuchen des Provinzialschul- kollegiums angedroht ist, eventuell: dem Turnverein„Fichte" andere Räume, auf deren Benutzung dem Provinzialschulkollegium eine Einwirkung nicht zusteht, zur Verfügung zu stellen. I« der SänglingSfürsorgestclle I, Blumenstr. 78, findet ein unentgeltlicher Kursus in der Säuglingspflege mit praktischen Uebungen stait. Meldungen schriftlich oder mündlich an das Bureau des Kinder- Hauses, Blumenstr. 78. vorn parterre link», von Montag, den 17., vis Sonnabend, den 22. d. M.. von 2—4 Uhr. Zu den LandtagSwahlcn in Berlin . Verschiedene bürgerliche Blätter verbreiten folgende Notiz:«Die Vorbereitungen für die zu erwartenden neuen Wahlen zum preußischen Landtage in den vier Berliner Kreisen hat die Sozialdemokratie bereits in die Hand ge- nommen. In den Zahlabenden ist mitgeteilt worden, daß eine große Massenbeivegung inszeniert wird, um die gefährdeten vier Sitze der Partei zu erhalten, und zwar soll das Hauptgewicht darauf gelegt werden, daß die Nichtpreußen sofort die preußische Staatsangehörigkeit erwerben. Ferner soll eine Mafien- Verteilung von Flugblättern stattfinden, und es sind auch Hunderte von Versammlungen bereits für die Wahlagitation vorgesehen. Gegen 76 Agitationsbureaus sind bereits in Groß-Berlin errichtet worden, von wo aus die Wahlarbeit erfolgen soll. Die bisherigen Inhaber der Mandate(Borgmann, Hirsch, Heimann und Hoffmann) sollen wieder aufgestellt werden.— Auch in den bürgerlichen Kreisen bringt man den Neuwahlen das größte Interesse entgegen. Man hat die Hoffnung, den Sozialdemokraten die Mandate zu entreißen. Bei der Besetzung der Kandidaturen wird boraussichtlich keine Aenderung erfolgen. Nur im zwölften Kreise, wo seitens der Freisinnigen Volkspartei Prediger Dr. Runze kandidierte, wird voraussichtlich als Kompromißkandidat der Bürgerparteien ein Beamter aufgestellt werden." Was hier von den Vorbereitungen unserer Partei gesagt ist, ist im wesentlichen Reporterphantasie. Unsere Partei ist immer auf dem Plane, wenn es den politischen Kampf gilt und unsere Ge- nassen brennen förmlich darauf, wieder einen frisch-stöhlichen Wahl kämpf zu führen. Das Abgeordnetenhaus kann uns gar keinen größeren Gefallen tun, als durch die Ungültigkeitserklärung der vier Mandate uns einen neuen Wahlkampf zu bescheren. Nichts- destoweniger sind aber die oben mitgeteilten Einzelheiten unserer Wahlvorbereitungen auS den Fingen: gesogen. Die städtischen Farben von Berlin beschäftigten gestern den Berliner Magistrat aufS neue. Der Verein„Herold" und andere .hatten dem Magistrat Vorschläge unterbreitet. Wie Geheimrat Friedet, der frühere Dezernent in diesem Fache, ausführte, ist zum Beispiel bei Einreichung der Vorschläge nicht beachtet worden, daß bei allen germanischen Völkern die Farben der Flaggen wagerccht verlaufen und bei allen romanischen dagegen senkrecht, für Berlin . das früher die Farben rot-weitz, und seit 1861, dem Krönungsiahr Wilhelm I. , die Farben: schwarz, rot, weiß führt, kann ebenfalls nur die wagerechte Anordnung der Farben rot-weiß in Frage kommen. Um auch schwarz, das historische Gleichberechtigung er- langt hat, zu seinem Recht gelangen zu lassen, bat Friede! borge schlagen, in einem den Farben rot-weitz vorgelagertem kleinen Felde einen schwarzen Bären mit einer Krone anzubringen. Der Magistrat will seine endgültige Entschließung von der Vorlegung einer solchen Flagge abhängig machen.— Es ist schrecklich, über welche Fragen sich die Mitglieder deS Magistrats die Köpfe zer» brechen. Die leidige Unsitte, sich an fahrende Wagen anzuhängen, ist vor- gestern, wieder einmal einem Kinde verhängnisvoll geworden. Die 11 Jahre alte Tochter Klara deS Arbeiters Zick aus der Kleinen Auguststr. 12 ging abends um 7 Uhr, als sie mit den Schularbeiten fertig war, zum Spielen auf die Straße. Hier hängte sie sich an ein langsam fahrendes Automobil und geriet mit dem rechten Fuß in das Getriebe eines Rades. Bevor der Führer auf die Zurufe des Publikums halten konnte, war daS Bein dicht über dem Knöchel ge- brachen. Die Knochen zersplitterten und der Fuß hing nur noch mit Sehnen, Haut- und Fleischsasecn am Bein. Die Verunglückte wurde nach der Charitö gebracht. AuS dem Landwehrkanal gelandet wurde gestern morgen vor dem Hause Maybachufer Nr. 1 die Leiche eines unbekannten Mannes von etwa 56 Jahren. Der Tote ist etwa 1,76 Meter groß, hat dunkles Haar mit Glatze und einen dunklen Vollbart und trug nur ein Trikothemd und eine graue Hose. Eine 7 Zentimeter lange ttefe Wunde an der linken Kopfseite scheint von einer Dampferschraube oder einem Bootshaken herzurühren. Unter den Rädern eines Schnellzuge? zerstückelt. Einen schreck lichen Tod fand eine unbekannte etioa 35 Jahre alte Frauensperson auf der Schlesischen Bahn. In der Nähe deS Rummelsburger Bahnhofes wurden gestern die Leichenteile der Toten aufgefunden. Beide Beine waren vom Rumpf getrennt und der Kopf gespalten. Die Unbekannte ist von einem Schnellzug überfahren und auf der Stelle getötet worden. Ob sie sicki in selbstmörderischer Absicht vor den Zug geworfen hat oder ob sie daS Opfer eines Unfalles ge- worden ist, konnte nicht festgestellt werden. Auch über die Persönlich- leit der Toten fehlt jeder Anhalt. Ein folgenschwerer Gerüsteinsturz ereignete sich gestern nachmittag auf dem Grundstück Xantener Straße 13, auf dem gegenwärtig ein Neubau errichtet wird. DaS Gebäude ist bis zum dritten Stockwerk gediehen. Als gestern mehrere Arbeiter oben an der Außenseite mit Arbeiten an der Front beschäftigt waren, brach plötzlich ein Teil des Gerüstes ein. Zwei der Leute, der 45 Jahre alte Maurer Gottlieb Richter, Mariendorfer Straße 16. und der 46 Jahre alte Albert Dammenheyn, Marien- dorser Straße 11 wohnhast, stürzten mit in die Tiefe. Nur dem Umstände, daß das Brett, auf dem die anderen Arbeiter standen, fest in die Mauerwand eingefügt war, ist es zu verdanken, daß auch die übrigen Maurer nicht mitgeriffen wurden. Die beiden Verunglückten wurden in besinnungslosem Zustande nach der Unfallstation am Zoologischen Garten gebracht, wo der Arzt schwere innere Ver» letzungen, Schenkelbrüche und bei D. auch einen Beckenbruch feststellte. Nach Anlegung von Notverbänden fanden die Verletzten im Krankenhause am Urban Aufnahme. Ihr Zustand ist sehr bedenklich. MeineidSverdäckitig. Die kürzlich vom Berliner Schwurgericht von der Anklage des Giftmordversuches freigesprochene Fuhrmanns- witwe Johanne Schrocoer geborene Schöppke wird jetzt, wie ge. meldet, von der Staatsanwaltschaft aufs neue gesucht. Sie wird beschuldigt. Meineide geschworen und auch zu Meineiden angestiftet zu haben. Fenerwehrbericht. In der letzten Nacht hatte die Berliner Feuerwehr mehrere Brände zu löschen. Um 1 Uhr nachts stand in der Linienstr. 18 eine Buchbinderei in Flammen. Diese hatten an Papiervorräten reiche Nahrung gefunden, so daß eS längerer Löschtätigkeit bedurfte, um die Gefahr zu beseitigen. Um an den Brand- Herd zu gelangen und Luft zu machen, mußten Feuerwehrmänner über einen Steckleitergang von außen eindringen. Zwei Stunden darauf brannten im ersten Stockwerk auf dem zlveiten Hofe in der Münzstr. 4 bei Lewin Sägen, ehl, Spähne, Lumpen, Türen, Tür- rahmen. Auch hier mußte die Wehr kräftig Wasser geben, um die oberen Etagen zu schützen. Etwas später, gegen 5 Uhr. kam aus einem Abbruch- und Baumatcrialien-Lagerplatz an der Prenzlauer Allee 164 Feuer aus. Fußbodenbretter brannten dort. Der 16. Zug wurde wegen eines BodcnbrandeS nach der Boyenstr. 26 alarmiert. HauSrat stand dort in Flammen. Betten. Gardinen, Möbel, Kleider usw. wurden Alexanderstr. 28 ein Raub der Flammen. Hinter dem Ringbahnhos Beusselstraße brannte eine Laube und in der Prinzenstr. 16 wurden Gardinen ein Raub der Flammen. Ferner hatte die Feuerwehr in der Langestraße LS und anderen Stellen zu tun. Vorort- l�admedten. Rixdorf. Stadtverordneten -Versammlung. Dem Antrage des WahIauSschufieS entsprechend, wird die Wahl des Gewerkschaftsbeamtcn E. K l o t h(Soz.) für gültig er- klärt. Mit kurzen Worten führt Oberbürgermeister Kaiser den Neugewählten in sein Amt ein.— Wegen andauernder Krankheit hat Stadtältester Benj. Niemetz sein Amt als unbesoldeter Stadtrat niedergelegt. Eine Neuwahl wird später vorgenommen. Die Stadtvv. Abraham u. Gen. beantragten am 3. April, den Magistrat um eine Erklärung zu ersuchen, welche Schritte er zu unternehmen gedenkt, das Projekt einer Schnellbahnverbindung mit Berli« sobald als möglich zu verwirklichen. Auf diese Anfrage antwortete der Oberbürgermeister Kaiser . Er führte aus, daß die Frage der Schnellbahnverbindung, die eine zwingende Notwendigkeit fei, mit einer außerordentlichen Langsamkeit behandelt würde. Sieben Jahre ist es bereits her, seit Berlin an Nixdorf herangetreten sei mit dem Ansuchen, in Verhandlungen über diese Frage ein- zutreten. Mit Freuden begrüßte es die Bürgerschaft, als endlich der Plan der Nord-Süd-Linie auftauchte. Bald jedoch wurden im„Norden" Stimmen laut, die sich energisch gegen eine Schwebebahn wandten. Bald tauchte dann das Projekt der A. E. G. auf, daS aber für Rixdorf völlig gegenstandslos werden mußte, da eS nur bis zum Oranienplatz vorgesehen war. Um so freudiger wurde das Unternehmen der Stadt Berlin begrüßt, eine eigene Untergrundbahn zu bauen, die durch Rixdorf geführt werden soll. Gern kam Rixdorf der Aufforderung Berlins nach, sich an der Ausarbeitung der Projekte zu beteiligen und geeignete Vorschläge zu machen. Diese Pläne liegen nun fertig vor. Die Frage ist nun die, welche Matznahmen der Magistrat zu ergreifen gedenkt, dieses Projekt zu fördern? In gemeinsamen Sitzungen der Ver- kehrsdeputationen von Berlin und Rixdorf vertrat der Redner den Standpunkt, und zwar in Uebereinstimmung mit der Ver- kehrSdeputation von Rixdorf, daß durch unsere Stadt unmöglich eine Schwebebahn geführt werden kann. Unter allen Umständen muß jede Schnellbahn durch die Hauptverkehrsadern geführt werden. Das find insbesondere die Berliner und Bergstraße, die jedoch durch ihre geringe Breite bei dem außerordentlich starken Verkehr ein Schwebebahnprojekt nicht zulassen. Durch Zählungen ist festgestellt worden, daß die projektierte Linien- führung der stadtischen Untergrundbahn zweifellos heute schon bei den bestehenden Niveaubahnen von der Bevölkerung am meisten benutzt wird. Für Rixdorf kann als Schnellbahn nur eine Unter» grundbahn in Frage kommen. Die Frage der Verkehrsmittel- gemeinfchaft sowie Gewinnbeteiligung ist mit Berlin in zufrieden- stellender Weise gelöst, so daß er zum Schluß die Stadtverordneten« Versammlung dringend bitten möchte, dieses Projekt so zu fördern, daß Rixdorf bald die dringend notwendige Schnellbahnverbindung mit Berlin erhält. Stadtv. Dr. M a a ß fragt noch an. ob auch diese Linie schon die Zustimmung der Behörde erhalten habe, wie eS bei der Nord- Süd-Linie wohl der Fall ist?— Oberbürgermeister Kaiser glaubt, daß. wie die Dinge jetzt liegen, Berlin an der Verwirk- lichung der Nord-Süd-Linie kein allzu großes Interesse haben wird, jedoch steht für daS geplante Projekt durch Rixdorf die Ge. nehmigung der in Frage kommenden Behörde in naher Aussicht Vor längerer Zeit hatte die sozialdemokratische Fraktion beantragt: Die Stadtverordneten -Versammlung möge den Vor- stand deS Brandenburgischen StädtetageS ersuchen, die Reform deS GemcindewahlrechtS auf die Tagesordnung des in diesem Jahre in Rixdorf statt- findenden Brandenburgischen Städtetages zu setzen. Der Antrag kam erst am Donnerstag zur Verhandlung. Stadtv. Thurow (Soz.) begründete denselben. Der Redner wies darauf hin, daß gerade Rixdorf besondere Veranlassung haben müsse, ein gerechtes Wahlrecht für die Gemeinden zu schaffen. Unvergessen sei die Schmach, die die Bürgerlichen am 17. Dezember 1908 Rixdorf zugefügt haben. Mit unserer Forderung— Verbesserung des Wahlrechts— stehen wir nicht allein. Einige Vertreter de? Bürgertums, denen ihr politisches Programm noch kein be- deutungsloser Fetzen Papier geworden ist— wie den meisten der heutigen Liberalen—, teilen unseren Standpunkt vollkommen. Redner zitiert einige Aeutzerungen. Zu einer Verwaltung, die auf Grund eines DreiklassenwahlrechteS zusammengesetzt ist, kann unmöglich ein frei denkender Bürger Zutrauen haben. Gerade das Bürgertum solle des Wortes eingedenk sein:„Zutrauen ver- edelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen." TicS sollte man um so mehr, da durch die Entwickelung der In- dustrie sich auch die Zahl der Lohnarbeiter bedeutend vermehrt habe. Diese Klasse ist es, welche die Grundlage unserer Kultur und unseres Wirtschaftslebens darstellt, die auch eine geistige Entwickelung durchgemacht hat, daß sie sich getrost mit jeder anderen messen kann und sie befähigt, volle Selbstverwaltung zu üben. Statt diese Tatsachen anzuerkennen und die im Volke schlummernden Kräfte zur vollen Entfaltung zu bringen, be- trachtet es das Bürgertum im Verein mit den vielgefchmäbten Junkern als feine höchste Aufgabe, die Massen des Volkes nieder» zudrücken und rechtlos zu machen. Das sieht man nicht nur in Rixdorf, auch in Kiel ! So zeigt sich der Klassenkampf in un- verhülltester Form hier und allenthalben. Wenn es dem Bürger- tum, besonders den Liberalen, ernst ist mit ihrer politischen Forde- rung zur Erlangung eines besseren Wahlrechts, dann müssen sie mit uns jede Gelegenheit benutzen zur Propaganda gegen das Dreiklassenwahlrecht, für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht auch für die Gemeinde. Insbesondere gelte«S, alle Kräfte aufzubieten, um daS Hausbesitzerprivileg zu stürzen. ES sei einfach eines mündigen Volkes unwürdig, sich von einer Kaste beherrschen zu lassen, die genau wie die Junlcr nur ihre Klasseninteressen, vielfach sogar ihre persönlichen Inter- essen in den Vordergrund stellt, während die Allgemeinheit darunter zu leiden hat. Der Redner behandelt zum Schluß noch eingehend die Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts der Ge> meinden durch die Regierung und betont, daß selbst das Bürger- tum diese junkerlichen Machtgelüste oft genug unangenehm empfunden habe. DaS beste Mittel dagegen sei, die Möglichkeit zu schaffen, daß in die Gemeindeverwaltungen Männer in ge- nügender Anzahl gewählt werden können, die rücksichtslos genug find, der Regierung, wenn es fein muß, die Zähne zu zeigen. Das ist die Eroberung eine? freien Wahlrechts. Diesem Ziel soll auch der vorliegende Antrag dienen, den er dringend ersuche, an- zunehmen. Wie wenig Neigung dazu vorhanden war, geht schon daran» hervor, daß die bürgerlichen Herren sich möglichst laut durch Zwie- gespräche unterhielten, ohne vom Vorsitzenden darin gestört zu loerden. Die Hälfte der Plätze war nur besetzt, der andere Teil fand es im„Bierstübl" gemütlicher. Die Herren verschmähten es, auf die wichtigen Anklagen des Genossen Thurow zu ant- Worten oder sich zu verteidigen. Stadtv. BöSke(Soz.), der nunmehr das Wort ergriff, geißelte dieses beredte Schweigen, das jedenfalls als Antwort auf die treffenden Ausführungen dienen sollte, in sarkastischer Weise. Die wenigen noch im Saale an. wesenden bürgerlichen Herren— es waren ganze acht— unter» hielten sich in ziemlich lauter Weise, so daß der Redner sich selbst Ruhe schaffen mußte, da der Vorsteher die Unterhaltung allem Anschein nach„überhörte". Nochmals ging der Redner auf die ganze Entwickelung und Geschichte de? Nixdorfer Wahlrechtsraube» ein. ES müsse festgehalten werden, daß trotz der für die Arbeiter»
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