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binden. Verbindungen von Beamtcnsyndikaten oder Ver- bänden mitNichtbeamtensyndikaten oder-Verbänden sind dagegen nicht g e st a t t e t. In jedem Ministerium »vird ein Disziplinarausschuß aus Beamten ge- bildet werden. Einspruch gegen ein Urteil muß innerhalb eineS Monats erhoben werden. Das Beamtenstatut sieht auch Gerichtshöfe vor, vor denen die Beamten zU erscheinen haben, bevor disziplinarische Strafen über sie verhängt werden können. Solche Gerichtshöfe, die aus fünf bis sieben Magistrats- bcamten bestehen, werden in jedem Departement vorhanden sein. Ueber diesen Gerichtshöfen steht ein Appellgericht mit dem Sitz in Paris . Es ist charakteristisch, daß die Regierung eine eigene Be­stimmung trifft, um den Anschluß der Beamten an die Arbeiter- organisationcn zu verhindern. Allzu große praktische Be- dentung kommt allerdings einer solchen Bestimmung nicht zu. Wenn in den Beamten erst das Bewußtsein ihrer Interessen- solidarität mit den Arbeitern lebendig geworden ist, dann sind juristische Zwirnsfäden sicher nicht imstande, sie daran zu hindern, sich im gemeinsamen Kampfe mit dem Proletariat zu vereinen. Die Führer der Postbeamten setzen ihre Hoffnung jetzt fast ausschließlich auf die Hilfe, die ihnen die Sympathie- st r e i k s der Arbeiter bringen sollen. Doch ist es, trotzdem eine Anzahl syndikalistisch beeinflußter Gewerkschaften dabin- gehende Beschlüsse gefaßt hat. nicht allzu wahrscheinlich, daß es zu größeren und langandauernden Arbeitseinstellungen kommen wird, und Niel, der Sekretär der Allgemeinen Arbeiterkonföderation hat sich sogar ausdrücklich gegen den Generalstreik ausgesprochen, für den die Verhältnisse noch nicht reif seien. In nachstehendem geben wir die wichtigsten Telegramme: Für den Generalstreik. Paris , 16. Mai. In einer Versammlung von etwa 2000 Mit­gliedern der Syndikate der Bauhandwerker, Elektriker, Gärtner und der Ange st eilten der Lebe»s mittelbranche wurde heute vormittag eine Tages« ordnung angenommen, in der sich die Versammlung mit den Post- bcamten in ihrem Kampfe gegen die Regierung um die Freiheit der Meinung und das Recht der Shndikatsbildung solidarisch er- klärt und sich für die Erhebung des organisierten Proletariats und für de» Generalstreik ausspricht. Die Streikversauimlnitg. Paris , 16. Mai. In einer gestern abend abgehaltenen V e r- Sammlung der ausständigen Postbeamten wurden Ansprachen gehalten, in denen betont wurde, datz die Arbeiter- syndikate den Streikenden Unterstützung gewähren würden. Zum Schluß wurde eine Resolution angenommen, die dem unerschütterlichen Vertrauen der Streikenden auf Sieg und dem Wmische Ausdruck gibt, den Ausstand bis zum äußersten fortzusetzen. Zerstörte Leitungen. Paris , 16. Mai. An verschiedenen Orten in der Umgegend von Paris und im Süden von Frankreich sind Telegraphen drahte durchschnitten worden. Heute früh wurde ein Postunterbeamter in dem ilugenblick verhaftet, als er Telegraphendrähte durch- schneiden wollte. Man fand bei ihm eine vollständige Ausrüstung zum Durchschneiden von Telegraphenleiwngen. Ferner entdeckte mau heute früh im Einlauf der Hauptpost sechs Briefe, denen ein starker Schwefelgeruch entströmte. Aus einem derselben stieg sogar ein leichter Rauch auf. Ein Briefkasten in einer nahe bei dem Haupt- Postamt gelegenen Straße wurde durch ein Stück Zunder in Brand gesetzt, so daß der Inhalt teilweise verbrannte. Es sind strenge An- Weisungen zur Ucberwachung der Briefkästen und der Gasmesser in den Straßen von Paris erlassen worden. poUrtfcbc dcbcrficbt Berlin , den 17. Mai 1909. iviehseuchengcsetz, Schntzgebietsetatsgesetz und unlauterer Wettbewerb. Aus dem Reichstage. 17. Mai. Die Lehre, die der agrarischen Mehrheit vorgestern durch die Konstatierung der Beschlußunfähigkeit erteilt worden war. hatte bewirkt, daß heute ein beschlußfähiges Haus zur Stelle war und nunmehr die noch ausstehenden Paragraphen des Viehseuchengesetzes unter Dach und Fach brachte, natürlich unter Ablehnung aller Lerbesserungsanträge. So erging es auch insbesondere mit beiden Anträgen, deren einer von sozialdemokratischer Seite, der andere in etwas abgeschwächter Form von freisinniger Seite Ivegen Einführung von Sachverständigenkommissionen gestellt waren. Beide Anträge werden von der kompakten agrarischen Mehrheit abgelehnt. Dann trat das Haus in die erste Beratung des S ch u tz- gebietsetatsgesetzes ein, der nach kurzen Ausführungen der Budgetkommission überwiesen wurde. Es handelt sich dabei unl die Zusammenfassung verschiedener bereits bestehender gesetzlicher Bestimmungen über die Handhabung des Finanzwesens in den Kolonien in ein einheitliches Gesetz. Sowohl der Zentrums- redner Erzberger wie der Nationalliberale A r n i n g be- mangelten die übermächtigen Befugnisse der Verwaltung in der Entscheidung über Landabtretungen durch die Farmer. Was die Sozialdemokratie hauptsächlich auszusetzen hat, ist, wie Genosse L e d c b o u r darlegte, die Bestimmung, daß Anleihen für die Schutzgebiete in der Regel zu Lasten dieser Schutzgebiete, aber unter Garantie des Reiches gebucht werden sollen. Da die Schutz- gebiete sowieso ihre laufenden ordentlichen Ausgaben nicht decken, sondern fortgesetzt einen erheblichen Reichszuschuß er- forderlich machen, kommt diese Form der Anleihen auf eine Verschleierung der Tatsache hinaus, daß in Wirklichkeit die Reichssteuerzahler für die Zinsen aufzukommen haben. In der Kommission muß versucht werden, diese Bestimmung zu ändern. Dann kam es zur zweiten Lesung des Gesetzes vom un- lauteren Wettbewerb. Es handelte sich da in der Debatte wesentlich um die sogenannte Konkurrenzklausel. Die Sozialdemokraten und ein Teil der Freisinnigen waren der- geblich bemüht, der Vorlage eine solche Gestalt zu geben, daß sie nicht die Angestellten noch mehr unter den wirtschaftlichen Druck der Unternehmer bringt, als es jetzt bereits der Fall ist. Genosse F r a n ck führte aus. daß»vir gleichfalls bemüht seien, die Korrumpierung der An- gestellten durch gewissenlose Geschäftsleute zu hindern, es muffe aber dafür gesorgt werden, daß nicht bloß die Kleinen. sondern besonders die Großen gesaßt werden. Wie das Gesetz gestaltet sei, müsse befürchtet werden, daß es zu einem Ausnahmegesetz gegen Angestellte und Arbeiter werde. Dennoch wurde das Gesetz in der Kommissionsfassung un- verändert angenommen. Morgen soll Kehraus mit einer Reihe von Vorlagen dritter Lesung gehalten werden. Der Arbeitsplan des Reichstages. Im Seniorenkonvent des Reichstages wurde heute über die nächste Tätigkeit und die Ferien des Reichstages verhandelt. Der Präsident teilte auf Grund seiner Unterredung mit der Regierung mit, daß die Regierung bis Pfingsten zwei Vorlagen über den Kaffeezoll und die Zündholzbesteuerung dem Reichs- tage vorlegen werde. Die direkten Ersatzsteuern könne dagegen die Regierung nicht vor dem 16. Juni vor den Reichstag bringen. Der Präsident schlägt dazu vor, daß die Ferien des Reichs- tagS bis zum 8. Juni dauern sollen, dann zunächst die indirekten Steuern im Plenum beraten und an die Kommission verwiesen würde». Darauf soll das Plenum eine Pause machen, bis die Vorlagen über die direkten Steuern kämen, diese dann beraten und an die Kommission überweisen. Als direkte Steuer sei eine Immobilien st euer in Aussicht genommen. Genosse Singer erhob dagegen Einspruch. Auf seinen Antrag be- schloß der Seniorenkonvent, die Ferien bis zum 16. Juni dauern zu lassen und dann sofort mit der Beratung der direkten Steuer- vorlagen zu beginnen, vorausgesetzt, daß sie bis dahin vor den Reichstag gelangt seien. Am ersten Tage, dem 16. Juni, soll die Interpellation über die mecklenburgische Verfassung zur Beratung gelangen und darauf anderer Stoff behandelt werden, bis die Regierung sämtliche Ersatz- steuerentwürfe dem Reichstage vorlegen kann. Der Sieg der(Srubenbarone. Die Novelle zum Berggesetz, deren zweite Beratung am Montag im Abgeordnetenhause begann, bedeutet einen vollen Erfolg der Grubenbarone, die, wie unser Fraktionsredner Leinert in seiner von Sachkenntnis getragenen Rede mit Recht hervorhob, den Arbeitern Steine statt Brot gibt. Treffend führte Leinert den Nachweis, daß die Absicht deS Ministers, die Seele des Arbeiters wiederzufinden, nicht in Erfüllung gegangen sei und auch nicht in Erfüllung gehen könne, der Minister werde das ebensowenig fertig bringen wie das Privatkapital es fertig gebracht habe. Ueberhaupt sei eS ein eitles Unterfangen, die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit Lbssbrücken zu wollen. Wie ein roter Faden zog sich durch die Ausführungen deS Sprechers der Fraktion der Gedanke, daß die Regierung mit Hilfe der Unternehmer unter dem Vorwand, den Bergarbeitern entgegenzukommen, in Wirklichkeit ein Kampfgesetz gegen die Arbeiter- organisationen ohne Unterschied der Richtung zu schaffen im Begriff sei. Das Gesetz sei diktiert aus Furcht vor der Sozialdemokratie und aus Furcht vor der öffentlichen Meinung, die man beruhigen wolle. Man gebe den Arbeitern Steine statt Brot, man schaffe unter dem Titel Sicherheitsmänner Organe, die in Wirklichkeit nichts weiter als ein Spielball in der Laune des Unternehmertums sind. die wohl deren Jitteressen, nicht aber die Interessen der Arbeiter vertreten. Die Sachwalter des Grubenkapitais vermochten die Argumente Leinerts nicht zu entkräften, und schlugen sie denn die längst ver- brauchte Taktik ein, durch einen ihrer Redner erklären zu lassen, gerade die ruhige Art, in der Leinert Kritik geübt habe, beweise, wie unangenehm den Sozialdemokraten das Gesetz sei. Dieser Ge- sellschaft kann man es ja niemals recht machen. Schlagen wir die scharfe Tonart an, dann zetern sie über den»schlechten Ton", sprechen wir ruhig und sachlich, dann ist es ihnen noch unangenehmer. Auch die Wortführer der Freifinnigen und des Zentrums hatten an der Novelle manches auszusetzen, sie mußten namentlich zugestehen, daß die Regierungsvorlage durch die Kommission erheblich ver- schlechtert ist; aber allzu tragisch darf man ihre Opposition nicht nehmen, zu guterletzt werden sie doch allen Verschlechterungen die Sanktion erteilen. Die Stellung der Sozialdemokratie zu dem Gesetzentwurf hängt von seiner endgültigen Gestaltung ab. Die Fraktion ist eifrig be- strebt, das Gesetz so abzuändern, wie eS im Interesse von Leben und Gesundheit der Arbeiter geboten ist, sie hat zu diesem Zweck zahl- reiche Anträge eingebracht. Werden diese Anträge abgelehnt, waSnach der Zusammensetzung des Hauses leider wahrscheinlich ist, so wird die Fraktion gegen die ganze Vorlage stimmen. Die Sozialdemokratie kann und darf das Spiel, das hier getrieben wird, nicht mitniachen, sie kann nicht mittun, wenn die bürgerlichen Parteien den Bergarbeitern Sand in die Augen streuen. Die Beratung wird am Dienstag fortgesetzt. Die Mehrheit hat ihren ursprünglichen Plan, die Prüfung der Berliner Wahlen auf die Tagesordnung der Dienstagsitzung zu setzen, wieder aufgegeben und die Galgensrist verlängert, wahrschein- lich bis Freitag._ Zur innerpolitischen Lage. Fürst Bülow und seine Assistenten sind emsig am Werk, um die großen Risse, die der konservativ-liberale Block jüngst in der Finanzkommission erlitten hat, mit Honigseim auszukitten. Seit Sonnabend findet eine Konferenz nach der anderen mit den Ver- tretern der Freisinnigen. Nationalliberalen, der Reichspartei und den Konservativen statt. Noch heute nachmittag, kurz vor der Ab- reise des Kanzlers, konferierte er wieder mit den Herren Wiemer, Mülle»Meiningen und Pachnicke. Was beraten worden ist. ist vorläufig noch Geheimnis der Beteiligten. Was in der Presse darüber berichtet wird, beruht meistens auf bloße Kombinationen. Nur soviel ist sicher, daß Bülow auf die Ausschaltung des Jen- trums gedrungen hat. Dafür wird er in derKöln . Volksztg.", die noch vor einigen Tagen allen Zwist vergessen wollte und die große nationale Harmonie unter Bülows Fittichen predigte, wieder höhnisch angerempelt. So heißt es z. B. in der gestrigen Sonntags- nummer: Der bülowofsiziöse Artikel der«Kölnischen Zeitung " hat in den Parlamenten gemischte Aufnahme gefunden. Man nimmt ihn zum Teil humoristisch, als neuen Bluff. Namentlich den Passus über die sorglose Beurteilung der Beschlüsse der Reichsfinanz- kommission. Ein echter Bülow!«WaS kümmert mich, nur Zeit gewinnen," war immer BülowS Devise. Recht charakteristisch ist ein Urteil, das mir im Reichstage in Gestalt folgender Fabel gegeben wurde. Zum Schah von Persien kam einst- mals ein schlauer Pferdejude. Er rühmte sick» beim Schah, daß er seinem LicblingSpferde in zwei Jahren das Sprechen lehren wolle. Der Schah glaubte es und versprach dem Händler, dem er eine glänzende Stellung gab, eine große Summe und reiche Ehre. Nach einiger Zeit besuchte ein alter Freund den listigen Pferdehändler und angesichts seiner glänzenden Stellung sagte er besorgt:»Aber mein Lieber, du hast versprochen, dem Gaul in zwei Jahren das Sprechen zu lehren, und du weist doch so gut wie ich daß du das niemals fertig bringen wirst. Wie willst du dich dann schließlich aus der Sache ziehen?" Der alte Händler aber lachte vergnügt und erwiderte:Darüber mache ich mir keine Sorge, in zwei Jahren kann vieles kommen, der Schah kann tot sein, oder ich, oder der Gaul." Des Fürsten Bülow sorgloses Urteil über die bis» herige Tätigleit der Reichsfinanzkommission und die Resultat- losigkeit derselben erinnert lebhast sn diese liebliche Geschichte." Zum fünfte» allgemeinen Krankenkaffen-Kougrest. Der allgemeine Krankenkassen-Kongreß der Krankenkassen Deutsch- lands begann heute seine Verhandlungen unter außerordentlich zahl- reicher Beteiligung aus allen deutschen Gauen. Der große Happoldtsche Saal war mit Delegierten dicht besetzt. Eine genaue Angabe der Anzahl der Kongreßmitglieder und der durch sie vertretenen Kassen und Kassenmitglieder ist noch nicht möglich, weil die Präsenzliste noch nicht festgestellt werden konnte. Um den Kongreß herabzusetzen, dessen sachliche Bedeutung auch der eingefleischteste Arbeiterseind nicht zu bestreiten vermag, haben einige Hetzorgane, zum Beispiel dieTägl. Rundschau", den Versuch unternommen, dem Kongreß das Recht ab­zustreiten, als Vertreter aller Krankenkassen bezeichnet zu werden. Diese Anwürfe, denen sich leider auch der Ministerialdirektor Caspar in seiner Ansprache ans dem Kongreß zugänglich zeigte, sind gleichviel ob einige Kassen und Kassenarten auf dem Kongreß unvertreten geblieben sind völlig verfehlt. ES hat in Deutschland noch niemals einen Kongreß ge- geben, der eine auch nur annähernd gleich große Zahl von Kassen und Kassenvertretern aufwies als der gegenwärtig tagende. Nach dem Er- scheinen der Präsenzliste wird des näheren darauf eingegangen werden können. DieTägliche Rundschau" glaubt einen besonderen Trumpf gegen den Kassenkongreß durch die Erhebung deS entsetzlichen Vorwurfs auszuspielen: einzelne Kassen hätten sich zur Vertretung anderer Kassen bereit erklärt. Wem nicht der Nest von Empfindung für die Selbstverwaltung vollkommen abhanden gekommen ist, muß zugestehen, daß nicht die»Tägliche Rundschau" imd auch nicht Ministerialdirektor Caspar, sondern allein die Kasse darüber zu bestimmen hat. ob und durch wen sie sich vertreten lassen will. Lassen sich mehrere Kassen durch dieselbe Person vertreten, so ist das ihr gutes Recht. Die Insinuation, auf einem allgemeinen Krankenkassenkongreß müsse jede Kasse durch mindestens einen Vertreter vertreten sei», ist nichts weiter als eitel Spiegel- fechterei. Ministerialdirektor Kasper, der anderer Meinung zu sein schien, hat bielleicht die Freundlichkeit, einen Saal nachzuweisen, worin weit über 16 000 Kassen durch mindesten? je einen Vertreter vertreten sein können. Zugleich mag er angeben, wie eine mehr- tägige sachliche Verhandlung unter 1600030000 Vertretern geführt werden kann. Zum erstenmal beteiligten sich auf einem Krankenkassen- kongreß diesmal Vertreter der ReichZregierung. Eine Nichtbeteiligung wäre eine gar zu klar an den Tag gelegte Verachtung der Kranken- lassen und der Arbeiterklasse gewesen, da die Reichsregierung sich ja auch auf dem Kongreß der Versicherungsanstalten hat vertreten lassen, der die ReichSversichcrungSordnung beriet, und bereit ist, auf dem in einer Woche stattfindenden BerussgenossenschastStag an­wesend zu sein. Die Redewendungen des Herrn Ministerialdirektors Caspar , die nicht gerade eine Hochschätzung deS Kongresse- ausdrückten, mögen der Furcht zuzuschreiben sein, sonst eine schlechte Note von dem Ministerialdirektor Schwartzkopff zu erhalten. Von dem Auftreten des Ministerialdirektors Caspar stach ein allzu höfliches Benehmen einiger Krankenkassenvertreter ab. die trotz deS sachlichen Protestes, den verschiedene Auöfühmngen des Regierungsvertreters auf dem Kongreß auslösten und auslösen mußten, dem Schluß seiner Ansprache demonstrativen Beifall zollten. Die heute gehaltenen Referate enthielten durchweg reichliches, sachlich begründetes Material und klare Uebersichtlichkeit über die weit- schichtige Materie gegen die Versuche der Reichsversicherungsordnung. welche auf Erdrosselung der Selbstverwaltung der Arbeiter abzielen. Die über das Verhältnis zwischen Aerzten und Krankenkassen aufgestellten Leitsätze enthalten unseres Erachtens ein nicht im Interesse der Ver- sicherten liegendes, der Selbstverwaltung der Kassen zu nahe tretendes Entgegenkommen gegen völlig unberechtigte Forderungen gewisser Aerzteorganisationen und der Reichsversicherungsordnung. Die deutsche Kolonialgesellschaft will Anfang Juni in Dresden «inen Kongreß abhalten. Durch» einen opulenten BegrüßungSabend mit Schmauserei sollte die Geschichte eingeleitet werden. Das Komitee der Dresdener Flotteu- schwärmer forderte hierzu von der Stadt 1600 M. Der Rat wollte auch schleunigst den Beutel öffnen. Die Stadtverordneten machten aber diesmal nicht mit. Nach langem Redegeplänlel wurden in ge- heimer Sitzung die 1600 M. mit 33 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Die Sozialdemokraten gaben den Ausschlag. Die Schmauserei wird nun wohl etwas weniger opulent werden. Forderungen der Postunterbeamten. Der 1. Verbandstag des 86 000 Mitglieder zählenden Ver- bandeS deutscher Post- und Telegraphenunterbeamten, der am gestrigen Sonntag geschlossen wurde, faßte einstimmig folgende Resolution:Der Verbandstag bedauert lebhaft, daß die seit langem so sehnlichst erwartete Besoldungreform noch nicht zum Ab- schluß gebracht ist. Auf der anderen Seite gibt er seiner Be- friedigung Ausdruck, daß die Budgetkommission des Reichstags die in der Petition des Verbandes begründeten Besoldungswünsche durch einen einstimmig gefaßten Beschluß als berechtigt anerkannt hat. Der Verbandstag spricht die Hoffnung aus, daß die in diesem Beschluß formulierten Sätze zum Gesetz erhoben werden. Nur eine Besoldungsreform im Sinne dieser Beschlüsse in Verbindung mit einer ausreichenden Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusscs aus zwei Drittel der nächsthöheren Tarifklasse kann einen gerechten Ausgleich gegenüber der eingetretenen Verteuerung der not- wendigsten Lebensbedürfnisse bringen und Yen Unterbeamten eine angemessene Lebenshaltung ermöglichen. Der Verbandstag bittet ferner, in Anbetracht der großen dienstlichen Verantwortung, welche auch die Lcmdbriefträger haben, die Stellen als solche aufzuheben und in Briefträger im Lnndböftelldienst mit den Gehaltssätzen für Postschaffner und Briefträger umzuwandeln. Im Interesse der ausgleichenden Gerechtigkeit ist es unerläßlich, daß die abgeleistete Dienstzeit, die zur etatSmäßigcn Anstellung angerechnet wird, auch auf das Besoldungsdienstalter in Anrechnung gebracht werden muß, dazu gehören die Militärdienstzeit, die Vordienstzeit, die Probezeit. die Telegraphenarbeiterdienstzeit. Nach ISjähriger Dienstzeit ist allen Unterbeamten der Titel Oberpostschaffner, Oberbriefträgcr, Obcrleitungsaufseher zu gewähren. Bei nachgewiesener besonderer Befähigung ist der Eintritt in eine nach Rang und Einkommen höher bewertete Stellung zu ermöglichen." In der Debatte wurde eine Erhöhung der Tagegelder der Post- boten gefordert. In Berliner Vororten erhielten verheiratete Post- boten mit zwei Kindern jetzt 1,70 M. Tagegeld. Das sei ent­schieden zu wenig. Zu der geplanten Errichtung einer Krankenkasse für die Unterbeamten von Reichs wegen faßte der Verbandstag eine Resolution, in der die freie Arztwahl und ein Mitbestimmungs. recht der Beamten gefordert wird. Zur Praxis der Militärgerichte. Der Aufruhrparagraph des MilitärstrafgesetzbuchcS, jener Paragraph, der schon wiederholt den Reichstag beschäftigte, steht im Mittelpunkt eines umfangreichen Prozesses, der heute Vor- mittag vor dem Kriegsgerichte der 1. Gardedwision begonnen hat. Unter Anklage stehen nicht weniger als sechs Kanoniere vom Lehrregiment der Artilleriejchießschule. Sie haben sich wegen