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d e r Selbst bsrivallLftg. Weil die ReglerMg befürchte, Läß die Rechte dieser Arbeiter ourch die städtischen Arbeiter beein- trächtigt werden könnten, darum nehme sie ihnen die Selbstver- waltung ganz und übertrage deren Funktionen auf die Behörden, zu denen wir kein Vertrauen haben können. Wenn man den Land- arbeitern und Dienstboten die Selbstverwaltung gebe, dann würden sie bald lernen, dadurch ihre Interessen besser zu wahren als die von den Behörden mit der Verwaltung betrauten Beamten. Grund- sätzlich erklärte sich der Redner gegen die Schaffung besonderer Krankenkassen für Landarbeiter, Dienstboten, Hausgewerbetreibende und unständig Beschäftigte. Diese Arbeiterkategorien hätten An- spruch, nach denselben Gesichtspunkten behandelt zu werden wie die anderen Arbeiter. Diese Forderung führe zu der weiteren Forderung: Volle Zentralisation des Krankenkassen- Wesens. Nur dadurch könnten leistungsfähige Gebilde geschaffen werden. Die Landarbeiter und Dienstboten dürften nicht länger als Stiefkinder der sozialen Gesetzgebung betrachtet werden.(Leb- Haft er Beifall.) Der Redner legt folgende Leitsätze vor: Die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf die landwirtschaftlichen Arbeiter, Dienstboten. unständig Beschäftigten, auf die im Wander- gewerbe beschäftigten Personen und auf HauS- gewerbetreibende ist freudig zu begrüßen. Die darauf bezüglichen Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung eni- sprechen jedoch in keiner Weise den Ansprüchen, welche an eine ausreichende und zweckentsprechende Krankenversicherung gestellt werden müssen. Die Gewähr, welche für eine hinreichende Pflege der Erkrankten in der häuslichen Gemeinschaft der Dienst- berechtigten gegeben ist, ist so gering, daß keinerlei Veranlassung vorliegt, die Rechte dieser Versicherten entgegen denjenigen der übrigen Versicherten irgendwie zu beschränken. Die Bildung von Landkrankenkassen in städtischen Bezirken führt eine weitere Zersplitterung der Krankenkassen herbei und ist deshalb zu ver- werfen. Auch für die Landkrankenkassen muß volle Selbst. Verwaltung gefordert werden. Es kann leine Notwendigkeit an- erkannt werden, in dieser Hinsicht die Rechte irgendeiner Arbeiterkategorie zu beschränken, da daran festgehalten werden niuß, daß die Krankenversicherung sich nur auf dem Boden der Selbstverwaltung günstig entwickeln kann. Die Bestimmungen der 88 SOO 538 sowie 390406 be­dürfen deshalb dringend einer völligen Umarbeitung. Der vierte Referent. Jul. Zafske- Hamburg verbreitete sich über die auf die Ersahkassen" bezüglichen Bestimmungen des Entwurfes. Der Redner wies ein» ?ehend nach, daß diese Bestimmungen die Existenz der bestehenden reien Hilfskassen unmöglich machen und deshalb zurückgewiesen werden müßten. Die Regierung habe in der Begründung alles hervorgesucht. waS zuungunsten der freien Hilfskassen spräche. Sie berufe sich auf den Widerstand der Arbeitgeber gegen diese Kassen. Wenn das für die Regierung maßgebend sei. dann müsse man auch erwarten, daß sie Rücksicht nehme auf die Millionen von Arbeitern, die anderer Meinung seien und in erster Linie an den Kassen interessiert seien. Wenn schon die Zersplitterung im Kranken. kassenwcsen bestehen bleiben solle, dann müsse man den freien Hilfskassen dieselben Rechte gewähren wie den übrigen Kassen. Davon sei aber im Entwurf keine Ndd«, sondern im Gegenteil, es fei augenscheinlich die Absicht der Regierung, der Existenz der freien Hilfskasse ein Ende zu machen. Die Grundgedanken de? Referats kommen in folgenden Leitsätzen zum Ausdruck: -Die Bestimmungen der ReichiversicherungSordnung. nach welchen die Zersplitterung im Krankenkassenwesen im wesent» lichen aufrechterhalten werden soll, nur daß die freien Hilfs- kassen als vollberechtigte Kassen ausgeschieden werden sollen, sind zu verwerfen. Soll die Zersplitterung in der Krankenversicherung aufrecht. erhalten bleiben, dann ist cS durch nichts begründet und ent» schieden zurückzuweisen, daß die freie» HilfSiassen, deren Be­deutung die Regierung selbst anerkennt und von der sie wieder- holt erklärt hat, daß sie fegensreich gewirkt haben, allein als voll- berechtigte Kassen ausscheiden sollen. Zwar sollen die bestehenden freien Hilfskassen als Ersatzkassen zugelassen werden, aber unter Bedingungen, welche, wie auch der Regierung wohl bekannt sein könnte, ein Bestehen derselben unmöglich machen. Eine Existenz der Ersatzkassen ist nur dann denkbar, wenn denselben bei den gleichen Pflichten(8§ 600 und 601) auch die gleichen Rechte, wie sie die übrigen Kassen besitzen, eingeräumt werden(Fallen des Bcfreiungsantrages, Beitragszahlung durch die Arbeitgeber und Haftung derselben für die Beiträge). Nach alledem ist zu fordern, daß die freien Hilfskassen, wenn die anderen besonderen Kassenartcn bestehen bleiben sollen, ent- weder in bisheriger uneingeschränkter Weis« als vollberechtigte Krankenkassen iveiter bestehen bleiben oder denselben die gleichen Rechte zugestanden werden wie den Pflichtkassen." Nachdem die vier Referate erstattet waren, nahm am Schluß der Sitzung Ministerialdirektor Dr. Caspar das Wort. Er sagte unter anderem: Es sei hier von mehreren Rednern geäußert worden, aus dem Entwurf sollten politische Mo- tive ausgeschaltet werden. DaS sei auch die Absicht des Entwurfs. Auch er. Redner, habe den Wunsch, daß alles, was zu derartigen Befürchtungen Veranlassung geben könnte, aus dem Entwurf be- fcitigt werde. Ein Redner habe hier gegen die Knappschaftskasscn gesprochen. Das werde wohl nicht im Sinne der Bergarbeiter gesagt sein. Es sei auch gesagt worden, die Regierung lasse die Bctricbskassen aus Furcht vor den Unternehmern bestehen. Dieser Auffassung müsse er entgegentreten. Der Entwurf beruhe nur aus sachlichen Erwägungen. ES sei auch hingewiesen worden auf die frühere Publikation eine? Beamten ans dem preußischen Mi» niftcrium. Die Reicksverlvaltung stehe dieser Publikation fern und habe sich bei ihren Arbeiten auch nicht von derselben leiten lassen. ES sei auch darauf hingewiesen worden, daß in der Begründung des Entwurfs die Rede sei von politischen Umtrieben in den Orts- kmulenkassen. DaS sei allerdings in der Begründung erwähnt. jedoch nur referierend als eine Meinung, die auf der einen Seite vertreten werde. Der Entwurf mache sich die Ansicht nicht zu eigen, beruhe nur auf sachlichen Erwägungen. Ein Redner habe gesagt, die Behörden, namentlich die preußische Zeniralbebörde. seien ein Hindernis der EntWickelung der Krankenkassen.(Sehr richtig!) Das sei eine starke Unrichtigkeit. Wo die Aufsichtsbehörden ihre Zustimmung zu Beschlüssen versagten, da seien sie auf Grund des Gesetzes dazu verpflichtet gewesen und nur sachliche Gründe seien dafür maßgebend gewesen. Die Behauptung, daß die preußische Landeszentralbehörde die Entwickelung der Krankenkassen gehindert habe, weise er mit allem Nachdruck zurück. Was die im Entwurf vorgesehene Gestaltung des Stimmrechts in den Vorständen betreffe, so müsse doch berücksichtigt lverden, daß die ganze Arbeiterversicherung eine Organisation von Unternehmern und Arbeitern sei, die gemeinschaftlich zusammenwirken müßten. Wenn einer der Vorredner gesagt habe, das Interesse der Ver- sicherten sei ein größeres, so sei das nicht richtig. Die Beitrags- frage könne nicht maßgebeno sein. Naturgemäß sei, daß bei solchen Einrichtungen beide gleiche Beiträge zahlen. Gegen den heutigen Zustand seien verschiedene Einwände erhoben. So wäre bei der Unfallversicherung darüber geklagt, daß die Arbeitgeber allein zu ent- scheiden hätten. Die Berufsgenossenschaften hingegen seien der ehrlichen Ueberzeugung, daß sie nach besten Kräften für die ihnen obliegenden Aufgaben sorgen und halten den Wunsch der Ver- sicherten für ganz unberechtigt. Der Entwurf stelle sich demgegen- über auf den Standpunkt, daß ein berechtigter Kern in jener Klage liege. Ebenso liege es bei der Krankenversicherung  . Hier beschweren steh die Arbeitgeber, daß sie bei der Verwaltung benachteiligt seien und hätten das Interesse und die Lust am Mitarbeiten in weitem Umfange verloren. Aufgabe der Gesetzgebung sei es, nach beiden Seiten dem berechtigten Kern nachzugehen. Es lasse sich dabei nicht vermeiden, daß in Zustände eingegriffen werde, die dem einen Teil erwünscht sind. Der Entwurf habe sich bemüht, diese Eingriffe so schonend als möglich zu machen. Daß die Betroffenen sich dagegen wehren, fei ja begreiflich, aber eine ruhige Prüfung des Entwurfs werde zugeben müssen, das wesentliche Ungleichheiten nicht vor- liegen. Von den Verbesserungen des Entwurfs zugunsten der Versicherten sei nur ein kleiner Teil hier erwähnt worden. Er erwähne von diesen: die Herabsetzung der Beiträge das sei eine Last von 50 Millionen jährlich, ferner die Hinterbliebenenver- sichernng. Ten Versicherten soll ferner durch die Vorschläge über das Beschlußverfahren eine Mitwirkung in allen Berwaltungs- angelegenheiten eingeräumt werden. Bei der Verwaltungsgericht- lichen Rechtsprechung sollten sie künftig durchweg mitwirken. während diese Gerichtsbarkeit zurzeit rein bureaukratischen Körper- schaften obliege. Auf die Erledigung bei der Unfallversicherung bekämen ferner die Versicherten nach den Vorschriften des Ent. Wurfs einen sehr wesentlichen Einfluß. Die Gelegenheit, die ihnen gegeben wird, bei der Vorbereitung mitzuwirken, betreffe den Punkt, der zu berechtigten Klagen Anlaß gegeben habe. Wenn man die Gesamtheit dieser Punkte ins Auge fasse, könne man sehr wohl sagen: es ist leine Einschränkung der Selbstverwaltung geplant. Gesichtspunkte, die nicht zum Ausdruck gekommen sind, und die voraussichtlich auch nicht zum Ausdruck kommen werden, habe Redner zum Ausdruck bringen wollen. In den Vorständen der Orts- krankenkassen haben die Arbeitgeber nichts zu sagen.(Lebhafter Widerspruch.) Gewiß sind sie in den Vorständen vertreten. Aber wenn cS darauf ankommt, eine Meinungsverschiedenheit durchzusetzen, dann unterliegen die Arbeitgeber jedesmal. (Widerspruch.) Auf diesem Kongreß gelange nicht die Ansicht aller Kassenvertreter zum Ausdruck. Die Betriebskrankenkassen mit 3 Millionen Versicherten haben eine Vertretung abgelehnt. In- wiefern Knappschaftskassen vertreten sind, werde sich zeigen. Ge, wiß, die Zahl der vertretenen Ortskrankenkassen ist groß. Man habe sich aber bemüht, die Stimmenzahl künstlich zu vergrößern, indem man kleinere Krankenkassen an ländlichen Orten ersuchte, ihr Mandat den Delegierten größerer Kassen mit zu übertragen. Dieses Vorgehen sei wohl stellenweise von Erfolg begleitet ge- Wesen. Die Stellungnahme, die auf diesem Kongresse erfolge, könne nicht als die allgemeine Stellungnahme aller Kassen, nicht ein- mal aller Ortskrankenkassen angeschen werden. Die Bezeichnung allgemeiner Kongreß der Krankenkassen Deutschlands  " gehe über das hinaus, was der Kongreß repräsentiert. Di« hier gehaltenen Reden der Herren Referenten waren so sachlich, daß sie xzewiß nicht vefehlen werden, die Reichsregierung zu eingehender Prüfung und Erwägung zu veranlassen. Hierauf wurde die Sitzung auf heute um 9 Uhr vormittags vertagt. Die Tagesordnung beginnt mit der Diskussion über die Referate. 18. Genmlmsmlnllmg des DeuWu Kergarbeiter- vkrbaudks. Eisenach  . den 16. Mai 1909. Der Verband Deutscher   Bergarbeiter trat heute in Eisenach  zu seiner IS. Generalversammlung zusammen. Die Beteiligung von Delegierten aus allen Bcrgrevteren ist sehr groß. Als Äer- treter der Gcneralkommission der Gewerkschaften Deutschlands   ist Genosse Umbreit anwesend. Der Generalversammlung ist vom Perbandsvorstand ein aus- führlicher Jahresbericht über die Geschäftsjahre seit der letzten Generalversammlung vorgelegt worden. Er gibt zunächst einen Ucbcrblick über den Einfluß der Krise auf den deutschen   Bergbau und fährt dann fort: Verschärft wurde die Krisis in der deutschen  Industrie durch die Politik der Unternehmerverbände und durch die Wirtschafts- und Zollpolitik, wie sie in Deutschland   in den letzten Jahren betrieben wurde. Die Folgen dieser WirtschastS- und Zoll- Politik mutzten sich von der Stunde an zeigen, als weitere Industrie- zivcige mehr wie vorher auf Auslandsverkäufe angewiesen waren. Durchweg klagen denn auch die Handelskammern über die Folgen der Zollpolitik. Indessen schröpfte die Großindustrie ihre Abnehmer und bedrohte durch eine rigorose Preispolitik deren Existenz. In ihrer Not wandten sich z. B. die verarbeitenden Metallindustricllcn an die gesetzgebende Körperschaft, um diese zu einer Aufhebung gewisser Eisenzölle zu veranlassen. Und mit ihnen fraternisierten christliche Gewerkschaftsführer, die doch während der Zollkämpfe alles getan hatten, um den großen Syndikaten di« warmen Loger- stätten erst zu bereiten! Wenn sich jemals gezeigt hat, daß Zoll- fragen Wirtschaftsfragen von großer einschneidender Bedeutung für Fabrikanten und Arbeiter sind, dann in der durch die Sachlage aufgedrängten Haltung und Schwankung christlicher GewcrkschaftL- führcr, die nicht nur im Interesse der reinen Werke bezichungö- iveise der verarbeitenden Industrie diesen zur Hilfe beisprangen, sondern auch im Interesse der Arbeiter, die in Mitleidenschaft ge- zogen worden waren. Unser Kampf und unsere Haltung während der Zollkämpfe hat sich also in glänzender Weise gerechtfertigt. Wie schwer die Krisis und obendrein die in Szene gesetzte Verteuerung der Lebensmittel und Bedarfsartikel die Arbeiter bedrückt, das läßt sich in Zahlen kaum ausdrücken. So etwas muß durchlebt werden, um die Belastung und die Not völlig zu fühlen. Und doch wird fortgefahren in der künstlichen Verteuerung der Lebens- Haltung, die besonders stark die Arbeiterklasse drückt. Man denke nur an die Reichsfinanzrcform, wie sie sich gestalten soll auf Kosten der Massen, während sich diejenigen, die die Steuerlasten am besten tragen können, zu drücken wissen. Der Uebermut einer- seits und die Zugeknöpftheit andererseits macht sich am meisten breit in den Kreisen, die durch die in den letzten Jahren in Deutschland   geführte Zoll- und Wirtschaftspolitik das Gold sozu- sagen mit Schaufeln einsacken konnten. Sie wälzen von sich die Belastung, schieben die kommenden neuen Steuern den Armen zu." An einer anderen Stelle des Berichts heißt es: Handel und Wandel haben infolge der wirtschaftlichen Krisis schwer gelitten; der am meisten in Mitleidenschaft gezogen wird, das ist der Arbeiterl Er muh am meisten leiden unter dem heutigen geradezu wahnsinnigen kapitalistischen   Produktionsprozeß. Der Arbeiter sah den ProduktionSreichtum, den er schuf, sich immer fort vermehren, ihn aber schränkte man so ein, daß er kaum seine ein- fachsten täglichen wirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen konnte. Je mehr der ProduktionSreichtum anschwoll, um so mehr sah der Arbeiter seine Existenz bedroht. Erst muh der Arbeiter durch Hunger und tausend Entbehrungen durch, ehe sich wieder Wirtschaft. liche Belebung zeigt und für ihn ausreichende lohnende Beschästi- gung da ist. So geht es Taufenden und Hunderttausenden von Armen. Das soll die Arbeiter zum Denken anregen. Die Arbeiter müssen erkennen lernen, daß sie nicht angesichts des UcberflusseS zum Darben geboren sind, daß sie nicht auf der Welt sind, um ge- peinigt und geschurigelt zu werden, während in die Schränke der Reichen sich die Goldströme ergießen und ein gewaltiger fort. gesetzt sich steigernder Reichtum sich in den Händen weniger kon- zentriert, der sich yeradezu zu einer Gefahr für unser ganzes Volksleben herauswächst. Das müssen die Arbeiter einsehen lernen und ihre politische wie gewerkschaftliche Haltung danach einrichten. Viel Bedrückung und viel Elend kann vermieden werden, wenn das Zu- sammengehörigkeitsgefühl die Arbeiterklasse in immer größerem Maße zum Zusammenwirken aller Arbeiter für ihre Lebensmter- essen treibt." Natürlich beschäftigt sich der Bericht auch mit der bekannten Zusammenkunft der Bergwerksinteressenten im Palasthotel und behauptet, daß in allen Revieren geheime Komplotte der Zechen- Herren bestehen. Wer politisch anrüchig sei, hinter den werde zechenseitig der UriaSbrief gehetzt. Eine Reihe solcherUriaSbriefe" gibt der Bericht ivieder. Im Anschluß an die jüngsten Bergwerks- katastrophen erhebt der Bericht die alte Bcrgmannsforderung auf Anstellung staatlicher Arbciterkontrolleure. Was die Entlohnung der Bergarbeiter anlangt, so stellt der Bericht fest, daß der Durch- schnittslohn für 1908 sich etwas gehoben hat gegen den Durch- fchnittslohn für 1907. Insgesamt zählt der Verband 112 000 Mit- gliedcr und verfügt über einen Vermögensbestand von zirka drei Millionen Mark. Eisen ach. den 1?. Mai 1909. Als Referent über die Abänderung der Statuten fungiert Husemann- Bochum  , der der Versammlung folgende Vorschläge des Verbandsvorstandes ausführlich begründete: Als" Zweck des Bergarbciterverbandcs soll in Zukunft im Statut vorgesehen werden die Aufklärung über die soziale Gesetz- gebung, die soziale Lage der Bergarbeiter,, der Wert des Genossen- schastswescns, Bildung der Mitglieder und Pflege der Solidarität und des geselligen Verkehrs derselben in den Zahlstellen durch Ab- Haltung regelmäßiger Versammlungen und Veranstaltungen. Der Ausschluß eines Mitgliedes soll erfolgen können, wenn das Mit« glicd nachweislich die Interessen und das Ansehen der Organisation geschädigt hat. Ten Ausschluß soll nur der Vorstand vollziehen können und gegen den Ausschluß soll zunächst beim Kontroll- ausschutz, dann bei der Gencralversammlunz Berufung zulässig sein. Die Bcitragsfrage regelt der Vorstandsvorschlag wie folgt: Es werden drei Klassen gebildet. Zur Klasse A gehören Jugend­liche bis zum Alter von 20 Jahren und alle Mitglieder, welche unter 3 M. im Durchschnitt verdienen. In dieser Klasse soll der Beitrag 30 Pf. betragen. Unter die Klasse v fallen alle übrigen Mitglieder und der Beitrag beträgt mindestens 40 Pf. Zur dritten Klasse C gehören alle Mitglieder, die freiwillige Beiträge von 50 Pf. zahlen wollen. Die Höhe der Gcmaßregcltcnunterstützung soll betragen in Klasse A 10 M., in Klasse B 12 M.   und in Klasse C 14 M.   pro Woche. Die Arbeitslosenunterstützung soll be> tragen nach einer Mitgliedschaft von 52 Wochen in Klasse A 75 Ps., in Klasse B 1 M., in Klasse C 1,25 M., nach einer Mitgliedschaft von 156 Wochen in Klasse A 90 Pf., in Klasse B 1,20 M., in Klasse C 1,50 M., nach einer Mitgliedschaft von 260 Wochen in Klasse A 1 M.. in Klasse B 1,40 M.. in Klasse L 1.75 M. und nach einer Mitgliedschaft von 520 Wochen in Klasse A 1.20 W., in Klasse B 1,60 M. und in Klasse C 2 M. Als Notunterstützung soll bei einer mehr als 14 Tage dauernden Krankheit, also von 3 Wochen ab ge- zahlt werden pro Woche in Klasse A 2,40 M., in Klasse B 3 M., in Klasse C 3,60 M. Das Sterbegeld soll betragen nach einer Mit- gliedschaft von einem halben Jahr in A 20 M., in B 30 M., in C 40 M. Dieses Sterbegeld steigt nach siebenjähriger Mitgliedschaft auf 70 M. in Klasse A. 80 M. in Klasse B und 90 M. in Klasse C. Der Vorstand soll um einen zweiten Kassierer und einen Beisitzer erweitert werden. Von den Einnahmen aus den Beiträgen sollen 13 Proz. und von jeder Eintrittsmark 10 Pf. in den Kassen der Zahlstelle verbleiben. Zu diesen VorstandSvorschlä�en lagen eine Reihe von AbänderungSanträgen vor, die von den einzelnen Zahl- stellen und Bezirkskonferenzen gestellt sind. Uebcr die Vorschläge selbst entspann sich eine mehrstündige Debatte. In dieser Debatte kam die Meinung der Redner dahin zum Ausdruck, daß man in der gegenwärtigen Zeit der Krise von Beitragserhöhungen auf jeden Fall Abstand nehmen müsse. Ferner wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß man auf keinen Fall die Notunterstützung über die Vorschläge des Vorstandes hinaus ausdehnen dürfe, da sonst der KampfeScharakter des Verbandes leiden muß. Wie Sachfc am Schlüsse der Vormiitagspause mitteilte, sind im ganzen 100 Delegierte anwesend. Mehrere. Delegierte haben von der Zechenverwaltung zu ver Generalversammlung keinen Urlaub bekommen(Lebhafte Pfuirufe), und einem Delegierten ist sogar die Hiobspost schon nachgesendet worden. Die Zechen- Verwaltung hat ihm die Kündigung hierher geschickt. Die Debatte über die Statutenberatungen nahm auch noch die ganze Nachmittagssitzung in Anspruch. Während eine Anzahl von Rednern sich im Grunde mit den Vorstandsvorschlägen einver- standen erklärte, wandte sich ein anderer Teil, der sich vor allem aus dem Ruhrrevier zusammensetzte, gegen die Staffelung. Lieber solle man einen Einheitsbeitrag von 50 Pi. pro Woche einführen. als daß man zu der Staffelung seine Zuflucht nehme. Hiergegen sprachen aber die Vertreter vor allem aus Ober- und Nieder- schlesien  , aus Sachsen   und der Lausitz  . Für diese Gegenden, in oene* die Löhne bedeutend niedriger seien als in Rheinland   und Westfalen  , sei ein Wochenbeitrag von 50 Pf. viel zu hoch. Der Vorstandsvorschlag treffe in dieser Beziehung das Richtige. Andere Redner wiederum warnten vor einem zuweitgehenden Ausbau des Unterstützungswesens, damit man für die künftigen großen Wirt- schaftlichen Kämpfe mit gefüllten Kassen dastehe. Was den Jugend- lichenbeitrag anlangt, so wurde befürwortet, als Höchstaltersgrenze nicht das 20., sondern schon das 18. Lebensjahr zu nehmen, da es viele Arbeiter von 18 bis 20 Jahren gäbe, die bereits den vollen Lohn bekommen, und infolgedessen auch denselben Beitrag bezahlen können. Die vorliegenden Anträge und die Vorstandsborschläge wurden einer fünfzehngliedrigen Kommission überwiesen, die an einem der nächsten Tage der Generalversammlung Bericht erstatten wird. Morgen(Dienstag) werden die Verhandlungen fortgesetzt. Die Berliner   LweMhattei» im fahre 1908.% Noch immer lastet die wirtschaftliche Krise schwer auf der Arbeiterschaft. Besonders stark war ihr Druck im vergangenen Jahre. Es ist daher selbstverständlich, daß auch die gewerkschaft- liche Bewegung im Jahre 1908 wesentlich beeinflußt wurde durch die notwendigen Wirkungen der Krise, die in erster Linie durch einen Rückgang der Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter zum Ausdruck zu kommen pflegen. Soeben ist der Jahresbericht der Berliner   Gewerkschastskommissio» erschienen. Er zeigt waS man kaum ander? erwarten konnte, daß das Krisenjahr 1903 den Berliner   Gewerkschaften wieder einen Rückgang der Mitgliederzahlen gebracht hat, doch ist er nicht mehr so groß, wie der Mitgliederverlust im Jahre 1907 war, und auch nicht so erheblich, wie er auf Grund früherer Erfahrungen von mancher Seite befürchtet wurde. 73 Organisationen sind der Berliner   Gewerkschaftskommission angeschlossen. Sie hatten zusammen am Ende des Jahres 1907 einen Mitgliederbestand von 235 980, das sind 16 089 weniger als am Jahresschluß 1906 vorhanden waren. DaS Jahr 1903 brachte einen weiteren Rückgang um 12 276, so daß das Jahr 1908 mit einem Mitgliederbestande von 223 806 schloß. Die einzelnen Gewerkschaften sind von dem Mitgliederverlust in sehr verschiedenem Maße betroffen. 16 Gewerkschaften haben sogar eine Zunahme von insgesamt 2515 Mitgliedern zu verzeichnen. Am stärksten machte sich der Mitgliederverlust in den Organisationen der bau- gewerblichen Berufe bemerkbar. Auf daS Baugewerbe entfällt un» gefähr die Hälfte des gesamten Mitgliederrückganges aller Gewerk- schaften. Für die einzelnen Bauberufe stellt sich der Mitglieder- Verlust folgendermaßen: Bauhilfsarbeiter 3406, Maurer  . Putzer und Zementierer 2518, Steinsetzer und Rammer 795, Töpfer 464, Zimmerer 320. Stukkateure 172, Bildhauer 158, Dachdecker 94. Von anderen Berufszweigen, die erhebliche Mitgliederverluste hatten. sind zu nennen die Schmiede mit 510, die Schneider(Verwaltung I). mit 950, die Transportarbeiter mit 2897. Das Stärkeverhältnis der einzelnen Organisationen stellt sich so; Es haben 6 Gewerkschaften bis 99 Mitglieder 5. 100- 199 6, 200 299 7. 800 499 18 500- 999 17 1000- 4999 10 5000-10 000 4 übet 10 000 Die Gewerkschaften, welche am Jahresschluß 1908 mehr als 1000 Mitglieder hatten(in Klammern die Mitgliederzahlen von 1907) sind folgende: Metallarbeiter 63 140( 63 109), Transport- arbeit« 29 203.(32100),, Holzarbeiter 23 835.(24 092)., Buchdrucker