Nr. 119. 26. Jahrgang.1. KnlM des Jimitts" Kttlimr UsllislilMSitü-W. 25. W-i 1909.Abgeordnetenhaus.94. Sifeuno. Montag, den 24. Mai, vormittags11 Uhr.Am Ministertisch: Kommissare.Ter erste Gegenstand der Tagesordnung ist der Gesetzentwurf,betr. die Landwege im Regierungsbezi rt Kassel,welcher die Wegebaulast der Landwege von den Gemeinden auf dieKreise übertragen will. Er wird nach kurzer Beratung an eineKommisiion von 14 Mitgliedern verwiesen.Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend dieBewilligung weiterer Staatsmittel zur Verbesserung derWohnungsverhältnisse von Arbeitern, die instaatlichen Betrieben beschäftigt sind, und vongering besoldeten Staatsbeamten. Nach dem Eni-wurf soll ein weiterer Betrag von 16 Millionen Mark für diesenZweck zur Verfügung gestellt werden. In der Begründung wirdangeführt, daß die Staatsregierung sich bei der Bemessung diesesBetrages in Rücksicht auf die finanzielle Lage die größtmöglichsteBeschränkung auferlegt hat.Abg. Dr. Grunenberg(Z.) weist auf die sittliche Pflicht desStaates hin, dafür zu sorgen, daß seine Arbeiter gesund erhaltenwerden.Abg. Dr. Gvßling(frs. Vp.) stimmt der Tendenz deS Gesetzentwurfs zu, doch sollten die Mittel nur da verwendet werden, wowirklich ein Bedürfnis nach kleineren Wohnungen vorliegt.Damit schließt die Diskussion.Da Kommissionsantrag nicht beantragt ist, wird sofort in diezweite Lesung eingetreten, und die einzelnen Bestimmungen desEntwurfs werden debattelos angenommen.Es folgt die Beratung des Entwurfs eines Kirchen-g e s e tz e s, betreffend die Umzugskosten der evangelischen Geist-lichen. Die Vergütung soll sür Geistliche mit Familie an allge-meinen Kosten 360 M. betragen und an Transportkosten für je10 Kilometer 8 M. Geistliche ohne Familie erhalten die Hälfte dereben genannten Vergütung, doch wird ihnen, wenn sie sich inner-halb Jahresfrist nach Antritt des Pfarramtes verheiraten, dieandere Hälfte nachträglich bezahlt. Ein Verzicht auf die gesetzlicheVergütung der Umzugskosten ist unzulässig.Ein Regierungskommissar empfiehlt den Entwurf zur An-«ahme.Abg. Graf v. Wartensleben-Rogäsen(k.) erkennt an, daß derEntwurf einem Bedürfnis entspricht.Abg. Dippe(natl.l bemängelt die Bestimmung der Nachzahlungan unverheiratete Geistliche, wenn sie sich innerhalb eines Jahresnach Antritt des Pfarramtes verheiraten. Auch sei es ungerecht.daß mit den Lasten zufolge des Gesetzes nur die Kirchengemeindenbelegt werden, nicht auch der Patron. Er beantragt, den Entwurfan eine Kommission von 14 Mitgliedern zu verweisen.Abg. Dr. Jderhoff sfreik.) hält die vorgebrachten Bedenkenfür nicht gerechtfertigt und bittet den Vorredner, den Antrag aufKommissionsberatung zurückzuziehen.Ein Regierungskommissar sucht die vom Abg. Dippe geltend-gemachten Bedenken zu zerstreuen.Abg. Dippe(natl.) zieht hierauf seinen Antrag auf Kom-missionsberatung zurück, bittet jedoch, die zweite Lesung nicht heutetorzunedmen.Diesem Wunsche wird stattgegeben. Damit ist die erste Be°ratung erledigt.Nach debatteloser Annahme einiger Gesetzentwürfe, welchedie Aenderung einiger Amtsgerichtsbezirke und die Errichtungeiniger neuer Amtsgerichte betreffen, folgt die Fortsetzung derzweiten Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abände-rung des Stempel st euergesetzes.Die Beratung wird bei der von der Kommission eingefügtenTarisstelle„Automaten und Musikwerke" fortgesetzt. Nach demBeschlüsse der Kommission sollen Erlaubniskarten für jeden inBahnhöfen, öffentlichen Wirtschaften und an anderen öffentlichenOrten und Plätzen zur Aufstellung gelangenden Musik-, Verkaufs-und Warenautomaten, sowie für jeden Automaten, der zur Unter-Haltung des Publikums dient, einschließlich der Stereoskope mitdrehbaren Bildern, sowie für Kraftmesser mit einer Gebühr von10 M. sür das Kalenderjahr belegt werden.Abg. v. Tilly sk.) begründet einen Antrag, der von den Kon.servativen, dem Zentrum und den Nationalliberalen gestellt ist,kleines feuilleton.Der Komponist der„Internationale". In der französischenKammer hat der Automobilfabrikant Maquis de Dion einen neuenParagraphen für die Hausordnung beantragt, wonach„antipatrio-tische und revolutionäre Rufe und Gesänge" mit der ganzen«strenge des Reglements geahndet werden sollen. Die Kammerhat den dummen Antrag des reklamesüchtigen Mord- und Sport-Patrioten für dringlich erkannt und der Kommission überwiesen.Den Anlaß zu dieser Hanswurstiade bot die Kammerszene derletzten Woche, als unsere Genossen auf die fortgesetzte Büberei derRadikalen, die ganz grundlos den Genossen Compere-Morel durchGejohle verhinderten, eine tatsächliche Berichtigung vorzubringen,mit dem Gesang der„Internationale" antworteten. So war dasKampflied unserer französischen Genossen in den Vordergrund derDiskussion gerückt, und da es sich in den letzten Jahren in Ueber-setzungen auch in den anderen Ländern der internationalen Ar-beiterbewegung mehr und mehr eingebürgert hat, so dürfte es vonInteresse sein, daran zu erinnern, daß es seltsamerweise mit derMarseillaise das Schicksal teilt, daß die Herkunft seiner Melodieumstritten ist. Allerdings ist der Kreis der Vermutungen bei der„Internationale" nicht so weit gezogen wie bei der Marseillaise.Man kennt von jener das Entstehungsjahr, den Entstehungsort undvom Komponisten— den Zunamen, aber nicht den Vornamen,und just um den dreht sich ein Streit, der auch schon vor den Ge-richten verfochten worden ist! Auf der ersten Ausgabe steht: Textvon P o t t i e r(der berühmte französische Arbeiterdichter undKommunekämpfer), Musik- von de Geyter. Aber es handeltsich darum: welcher von den zwei Brüdern de Gehter ist derKomponist: Pierre oder Adolphe? Beide haben Anspruchdarauf erhoben und wichtige Zeugen namhaft gemacht. Eine OieiHevon äußeren und inneren Momenten scheint für Pierre zu spreche».Als Sohn eines aus Gent stammenden Fabrikarbeiters in Lille1848 geboren, besuchte er als Knabe das Konservatorium und lernteGesang. Nach seiner Militärzeit wurde er Holzbildhauer, aberer huldigte auch weiter seinen musikalische» Neigungen. Erdirigierte Arbeitergesangvereine und Orchester und besuchte einenKursus für Kompositionslehre. Er komponierte leichte Tonftückeund besorgte die Justrumentation von Brabanter Volksweisen.Nach seiner Angabe war es im Juni 1888, daß ihn GenosseDelory, der Deputierte und frühere Bürgermeister von Lille,zur Komposition des Pottierschen Gedichtes anregte. Zum erstenMale wurde die Hymne bei einem Fest der Gewerkschaft derZeitungsvertäufer unter Leitung de Gevters vorgetragen. DerErfolg war bestritten, aber das Lied machte doch seinen Weg, zu-nächst in Nordsrankreich und in Belgien. In Gent empfingA n s e e l e im Vooruit Pierre de Geyter als den Schöpfer der„Internationale".— Aber Pierres Darstellung stehen die Be-hauptungen Adolphes entgegen. Adolphe de Geyter, von BerufSchmied, ist freilich kein geschulter Musiker, aber er hat musika-lisches Gehör und Erfindungsgabe. Er erklärt, die Internationaleim April 1888 komponiert zu habe», und nennt einen ZeugenBergot, der ihm damals Pottiers Gedichte lieh. Als er die Notenstatt dessen eine nach dem Ertrag gestaffelte Steuer einzuführenvon 1 Mk. bei nicht mehr als 20 Mk. Jahresertrag bis zu 20 Mkbei mehr als 500 Mk. Jahresertrag.Abg. Waldstein(frs. Vg.) wendet sich gegen den ganzen Gedanken der Automatenbesteuerung; sie stellt eine Doppelbesteuerungeines durchaus zulässigen Gewerbes dar, das in gewisser Form denVerkehr erleichtert. Zuzugeben ist, daß auch manche unerfreulicheErscheinung bei den Automaten mit unterläuft. Aber ein Gewerbe deshalb schärfer zu besteuern, weil es sür unsittlich erachtetwird, ist ein höchst bedenklicher. Grundsatz. Formell mag diese neue«Steuer eine Stempelabgabe sein, materiell aber keineswegsMateriell ist sie eine neue Belastung eines bestimmten Gewerbeseine Gewerbesteuer von recht beträchtlicher Höhe. Als meine Parteidem Kompromiß über die Lehrerbesoldung zustimmte, daß derfehlende Restbetrag aus Erhöhung der Stempelabgaben gewonnenwerden solle, war aber an eine wirkliche Stempelabgabe gedacht.Dieser Steuer sind wir nicht in der Lage zuzustimmen.(Bravo Ibei den Freisinnigen.)Abg. Dr. Lohmann(natl.) erklärt die Zustimmung seinerPartei zu dem vom Abg. v. Tilly begründeten Kompromihantrag.Ein Regierungskommissar: Die Regierung ist nicht in der Lage.auf die Automatensteuer zu verzichten. Sie muß einen Ersatzbilden für den Aussall, der dadurch herbeigeführt wird, daß daSAbgeordnetenhaus die Besteuerung von Mietsverträgen erst bei400 M. beginnen läßt, während der Regierungsentwurf sie bereitsbei einem Mindestbetrag von 300 M. vorgesehen hatte. In derKommission ist auch die Frage aufgeworfen worden, wie es mitden von den Untergrundbahnen aufgestellten Automaten zu haltenist. Es ist gar kein Grund einzusehen, warum die Untergrund-bahnen für diese Automaten die Steuer nicht bezahlen sollen. Siewerden daran nicht zugrunde gehen.Hierauf wird ein von der Rechten eingebrachter Schlußantraggegen die Stimmen der Freisinnigen angenommen, und ebensoder Antrag v. Tilly und Genossen.Bei Fideikommißstiftungen setzt die Regierungsvorlage eineBesteuerung von 3 Prozent fest.,Die Abgg. Wolff-Lissa(frs. Vg.) und Reinbacher(frs. Vp.)beantragen, statt dessen 5 Prozent zu setzen.Abg. Waldstein(frs. Vg.): Durch Annahme dieses Antrageskönnte ohne weiteres der vom Regierungskommissar beklagte Ausfall in vollkommen einwandsfreier Weise gedeckt werden.Abg. v. Richthofen(k.) verwahrt sich dagegen, daß die Komservativen einseitige Beschützer der Familiengüter seien. Aber imRahmen des Stempelgesetzes läßt sich die Frage der Familien.fideikommisse nicht regeln, das muß durch ein besonderes Gesetz ge-schehen.Abg. Lüdicke(sk.) schließt sich dem Vorredner an.Abg. Dippe(natl.): Auch wir meinen, wie die Freisinnigen,daß manche Fideikommisse einen höheren Stempel tragen könnten,werden aber trotzdem gegen den Antrag stimmen, weil ein be.sonderes Fideikommißgesetz zu erwarten ist.Abg. Dr. König-Krefeld(Z.) erklärt, daß auch seine Parteiaus demselben Grunde gegen den Antrag stimmen werde.Der Antrag Wolff-Lissa wird abgelehnt, der Steuersatzvon 3 Prozent angenommen.Eine Reihe weiterer Bestimmungen wird nach unwesentlicherDebatte nach dem Antrage der Kommission angenommen.Bei der Tarifstelle„Pacht, und Mietverträge" beantragt dieKommission, bei Pacht, und Mietzinsen von mehr als 400 M. eineAbgabe von'/>» Proz., die mit der Höhe der Pacht- und Miets-zinsen steigt, bis zu"/u Proz. bei Verträgen vom mehr als 12 000Mark.Ein von den beiden konservativen Parteien, dem Zentrumund den Nationalliberalen eingebrachter Kompromihantrag willdie Staffelung bis zu 2 Proz. bei Verträgen von über 12 000 MWeiter beantragt die Kommission, bei Mietsverträgen überRäume zu gewerblichen und beruflichen Zwecken, bei Verträgen biszu 3000 M. nur 50 Proz., bei Verträgen bis zu 6000 M. nur 30Prozent, bei Verträgen über 6000 M. nur 20 Proz. der Steuer zuerheben.Hierzu beantragen die Abgg. Wolff-Lissa(frs. Vg.) und Reinbacher(frs. Vp.) durchweg 50 Proz. zu setzen. Das gleiche wirdim Kompromißantrag gefordert.Ferner beantragen die Abgg. Dr. Müller-Sagan(frs. Vg.) undDietrich(frs. Vp.), den Steuersatz bei Mietsverträgen über Räumezu gewerblichen und beruflichen Zwecken bis zu 3000 M. auf Vi«niedergeschrieben hatte, suchte er einen Schwager auf, der Har-monium spielte, und ließ die Melodie begutachten. Drei Tagespäter übergab er Bergot eine Kopie der Komposition.— Welchevon diesen einander diametral entgegengesetzten Darstellungen richtigist, das dürfte wohl nie mehr festgestellt werden. Zeugen gibt esfür die eine wie sür die andere Darstellung. Derjenige aber, derwohl das entscheidende Wort sprechen könnte— der Lithograph,der das Manuskript übernommen hat, ist nicht mehr aufzufinden,Musik.Der Richard- Wagner-ZykluS des königlichenOpernhauses, der am Sonntag mit„Rienzi" eröffnetwurde, ist nicht etwa eine eigene Veranstaltung von Musteraufführungen, ist kein Klein- Bayreuth, nicht einmal eine Neueinstudierung, bielmehr vor allem eine Gelegenheit zu einem Sonder-abonnement. Aber daß das Opernhaus ab und zu sämtlicheBühnenwerke Wagners vorführt(ausgenommen die belanglosen Erstlingsopern und den„Parsifal"), das hat doch das Gute, daß einige denchronologischen Zug von Wagners Schaffen durchmachen und manchesich dieses oder jenes ihnen entgangene Werk anhören können. Wersich mit einer solchen Stichprobe begnügen muß, dem sei geraten, sichnicht aus einen der vier Abende des„Ringes" einzulassen— eine.Wagnerwidrigkeit" sondergleichen— sondern ein selbständiges Stückzu wähle».(„Der fliegende Holländer",„Tannhäuser",„Lohengrin".„Tristan und Isolde",„Die Meistersinger".) Unddann bewaffne er sichmiteinem richtigen Textbuch— beispielsweise nicht mit einem ausdem Dresdener Verlage C. C. Meinhold u. Söhne— sowie miteiner der guten Erläuterungen auS der Reelamschen. Universalbibliothek", die auch den, der auf den kostspieligen Eintrittverzichten muß, trösten mögen.Wer mit„Rienzi" beginnt, der kommt auf seine Rechnung, so-wohl wenn er eine„schöne Oper" haben wie auch wenn er dieerste» Spuren des Musildramatikers Wagner finden will. WelcheGeschicklichkeit läßt schon hier die Chöre und das Orchester, zumaldie Blechbläser, gleich einer Armee zum Angriffe vorrücken! Wiedeutlich zeigt sich hier des Wort- und Tondichters Neigung zu Prachtund Prunk, zum Großen und Lauten— und hiermit sein Absehenvon intimeren Wirkungen, das nun einmal die dramatische und über-Haupt die Musik bei ihm und seit ihm einseitig gemacht hat! Aberschon hier inmitten aller pompösen Aufzüge und„Finales": welches«Streben, etwas zu sagen und nicht bloß zu reden— die Musikvernünftig zu machen und doch nicht bloß Verstandessache zu geben IWie würde das alles erst zur Geltung kommen, wenn einmal einewirklich dramatische Aufführung unternommen würde ISo wie Berlin hat wohl keine in Betracht kommende Stadt seiner-zeit Wagner vernachlässigt. Jetzt holt die Theaterkasse nach, was sienicht verdient hat. Und mögen die Leiter des Orchesters und derRegie sowie die Sänger, angefangen von Herrn G r ü n i n g, dessenkünstlerischer Ernst seine Mittel günstig ergänzt— mögen sie alle,wie diesmal viel Treffliches geben: keinem icheint doch beizukommen,daß beispielsweise auch die Stärkeverhälwisse der Singstimmenunter einander sowie mit dem Orchester ausgeglichen sein müssen,wenn das„Gesamtkunstwerk" auch in dieser Beziehung gelten soll!Noch liegen drei bis vier Jahre vor der Zeit, da WagnersWerke„tantiemefrei" werden. Wer sich inzwischen mit einem privatenProzent, bei Verträgen bis zu 30 000 M. auf%> Proz. und beiVerträgen über 30 000 M. auf Vi- Proz. festzusetzen.Die Abgaben bei Jagdpachtverträgen betragen nach dem Be-schlusse der Kommission Ih Proz. bis 5 Proz., bei Verträgen von300 Mk. an bis zu Verträgen von mehr als 5000 Mk. Der Kom-promißantrag erhöht die Staffelung bis auf 6 Proz. bei Verträgenvon mehr als 5000 Mk. Verträge über gemeinschaftliche Jagd-bezirke sollen ohne Rücksicht auf die Höhe des Pachtzinses nureinem Stempel von Vi» Proz. unterliegen, wenn als Pächter In-länder auftreten, die im Gemeindebezirk ihren Wohnsitz haben.Dies ändert der Kompromihantrag dahin ab, daß nur bei Pacht-Verträgen, bei welchen der Pachtzins den Betrag von 1500 Mk. nichtübersteigt, der ermäßigte Stempel erhoben wird.In der Debatte beklagt sich?lbg. Wolff-Lissa(frs."Vg.) über unhöfliche Behandlung seitensder Kompromißparteien, von denen die Freisinnigen nicht genügendüber die Verhandlungen informiert wurden.Die Abgeordeten Dr. v. K r i e s(kons.) und Dr. Loh mann(natl.) bestreiten, daß die Kompromitzparteien unhöflich oder garilloyal gehandelt hätten.Die Kompromißanträge werden angenommen; dieanderen Abänderungsanträge werden abgelehnt.Die Kommission beantragt, die Radfahrkarten mit einerSteuer von 50 Pf. für das Kalenderjahr zu belegen.Die Abgeordneten Frhr. v. Richthofen(kons.) und Dr. v. KrieS(kons.) beantragen, hinzuzufügen:„der Antrag aus Erteilung derSteuerkarte ist im Januar jedes Jahres bei der Gemeinde- oderZollbehörde unter Einzahlung des Stempels zu stellen."Die Abgeordneten Wolff-Lissa(frs. Vg.) und Reinbacher(frs.Vp.) beantragen, diese Tarifftelle zu streichen.Abg. Waldstein(frs. Vg.): Diese Steuer ist eine ganz un-soziale. Wenn man einen Preis auf die Erhebung einer anti-sozialen Steuer ausgeschrieben hätte, so wäre man wohl auf dieseSteuer verfallen.Abg. Dr. v. Krics(kons.): Die Steuer ist keineswegs antisozial.Eine Abgabe von 50 Pf. pro Jahr ist auch sür den kleinsten Mannkeine schwere Belastung. Bei der Finanznot des Vaterlandes mußauch der Kleinste sein Scherflein auf dem Mar des Vaterlandesniederlegen.(Beifall rechts.)Abg. Dr. Lohmann(natl.): Meine Freunde verharren dieserSteuer gegenüber auf dem ablehnenden Standpunkt, den sie schonin der Kommission eingenommen haben.Abg. Leinert(Soz.):Auch unser Standpunkt ist es, daß auch der Kleinste seinScherflein beitragen mutz, die Not des Staates zu mildern. Wirmeinen aber, daß der Größte das ebenfalls tun muß.Wie«ois die Kleinsten heranziehen, haben Sie bewiesen, indem Siedie Abgaben für Pässe für Handwerksburschen von 50 Pf. auf 1 Mk.erhöhten. Das ist ein ganz sinnloser Beschluß, dem Staatewird er nur wenig einbringen, die Handwerksburschenaber schwer belasten. Die Radfahrsteuer soll jährlich er-hoben werden. Ein sozial denkender Mann darf derartiges nichtmitmachen. Der Antragsteller meinte in der Kommission, dieKarten dienten zur Kontrolle über die Zahl der Räder, als Aus-weis über das Eigentum bei einem bestimmten Rade, und zurpolizeilichen Beausichtigung des Radfahrers. Wahrscheinlich hatder Herr noch nie eine Radfahrkarte in der Handgehabt.(«Sehr richtig! links.) Das Ausstellen der Radfahr-karten durch die in den Großstädten dezentralisierte Polizeibehördegeht jetzt sehr glatt von statten; nach dem konservativen Antragefoll die Steuerkarte von der Gemeindebehörde ausgestelltwerden. Das wird längere Zeit in Anspruch nehmen und in»zwischen darf das Rad nicht benutzt werden.(Zuruf recht: Daswollen wir nicht!) Dann müssen«Sie eben in den Antrag hinein-schreiben, was Sie wollen. Neben der Steuerkarte wird vielfachauch die polizeiliche Karte beibehalten werden. Wird nun einRadfahrer von einem Polizeibeamten angehalten, was jedempaffieren kann, und hat er eine der beiden Karten nicht bei sich, sowird er bestraft. Das Erträgnis der Steuer wird auf 90 000 Mk.berechnet. Bei einem Etat von 3 500 Millionen würde ich michschämen, durch eine so antisoziale und erbitternde Steuer 90 000Mark dem«Staat zur Verfügung zu stellen. Bei dem Beamten-besoldungsgesetz hat man ohne weiteres bei der Besoldungder Geistlichen 600 000 M. mehr ausgegeben. Jetzt suchen«Sie sichdurchBelastung der ArbeiterGenuß an Wagner begnügen kann, der verliert doch wohl wenigerals es scheint. Oder er hofft jetzt auf die bevorstehende und voraus-sichtlich ehrenwerte Gura-Oper bei Kroll. s».Humor und Satire.T o n f e st.Zahlreich hat man sich versammeltin der juten Stadt am Main,das gewohnte Blech gestammelt—und dann Hub man an zu schrein." Daß man nicht den Ton verfehle,darauf ist man sehr erpicht.Ferner: ob man noch fo gröhle,schtvanken darf man niemals nicht.Hoffentlich bleibt nicht vergeblich»dieses Beispiel der Musik:derlei war' nicht minder löblichin der hohen Politik! Franz.Die Versicherungsplage im Dildiz-KioSk.(Ver-sichenmgsagent beim neuen«Sultan:)„Ja, Majestät, die besserenMonarchen versichern sich jetzt alle gegen Thronverlust."4. Garderegiment. Ein Vormund berichtet dem Vor-mundschaftsrichter über das Befinden seiner Mündel. Unter anderementhält der Bericht die Stelle:„Sämtliche Mündel sind schwangerbis auf Heinrich, der beim 4. Garderegiment zu Fuß dient."Armenfürsorge auf dem Lande.„Zwölf Jahr hatd' Gmeinde für den alten Depp'» g'sorgt, jetzt kuunt' er si a amaldankbar zoag'n— mit an kloan Meineid oder sonst was, damit'nder Staat a Zeitlang in Logis nimmt."_(„Simplieisfimus".)Notizen.— In Pompeji sind, wie uns ein Telegramm aus Rommeldet, Entdeckungeit von großem knnsthistorischen Interesse gemachtworden. Bei den Ausgrabungen ist man nämlich auf eine Villagestoßen, die sich in vorzüglichem Zustande befindet. Die Innen-wände sind mit prachtvo�en Malereien bedeckt, in den Kellern be-finden sich zahlreiche Vasen, im Trielinium(Speisesaal) fand maneine für 30 Personen gedeckte Tafel.—„Nachweislich Sozialdemokraten". Das zweiteMaiheft des„Kunstwart" bringt in seiner Rundschau eine Notizmit der Ueberschrift:„Unser Kleinchen von Wilhelminchen". Dawird von dem holländischen„Familienfest" geschwärmt, von dem„Herzensverhältnis" zwischen dem holländischen Volle und seinerDynastie:„Und dabei geht die Freiheit bei den Holländern so weit.daß die meisten dieserJubler nachweislich«sozial-demokraten sind."— Nachweislich? Hat der Einsender dieMitgliedsbücher geprüft? Oder sieht er den Leuten an der Nasean, wo sie politisch stehen? Solch leichtfertiges Geschreibsel, dasganz nach Reichsverband aussieht, sollte ein anständiges Blatt wieder.Kunstwart", doch lieber vermeiden.