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Mbg. Dr. Noesicke konstatier� daß man die Staffelung gestalten könne, tvie man wolle, auf Widerspruch werde man immer stoßen. Der einzige wirksame Schutz für die kleineren und mittleren Braue- reien ist die Kontingentierung, für die aber leider kaum eine Mehrheit zu finden ist. Schatzsekretär Sydow wünscht, daß die Staffel nicht zn lang gestaltet wird. Das ersldwert die Abwälzung. Für die Regierung kommt es in der Hauptsacke darauf an, daß die IVO Millionen Mar! mehr aus der Biersteuer herausgezogen werden. Am günstigsten ist noch immer die Regierungsvorlage, die auf Grund genauer Be° rcchnungcn aufgestellt ist. Abg. v. Gamp tritt noch einmal für eine stärkere Belastung der Großbrauereien ein. Abg. Mommsen(freist): Die ganze Staffel ist ein Sprung ins Dunkle. Kein Mensch kann wissen, wie diese Staffelung wirkt. Je größer die Spannung zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Satz der Staffelung ist, desto schwieriger ist die Abwälzung. Die Möglichkeit der Abwälzung ist für die Freisinnigen die Hauptsache. Abg. Krrth stellt den Antrag, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Bei der Abstimmung wird die Regierungsvorlage dnge- Mnuien. Danach beträgt die Steuer von den ersten 250 Doppelzentnern 14 M. folgenden 1250 15 .., 1500. 16 . 2000. 18. dem Rest 20 Brauereien, die im Durchschnitt der Jahre 1906 1908 weniger WS 150 Doppelzentner Malz verbraucht haben, zahlen, solange sie dieses Quantum nicht überschreiten. 10 M. pro Doppelzentner. Für Malz, das zur Bereitung von Essig Verwendung findet, Eerdcn nur drei Zehntel der Steuersätze erhoben. Brauereien, die ein und demselben Besitzer gehören, gelten als ein Betrieb, wenn sie nicht mehr als 10 Kilometer vonein- ander entfernt find. Die Nationalliberalen beantragen, solche Brauereien WS einen Betrieb zu betrachten, die ein wirtschaftliches Ganzes bilden. ES soll auf diese Weise verhütet werden, daß die Groß- brauereien Filialen errichten, die dann als selbständige, gesonderte Betriebe eine geringere Steuer bezahlen würden, als wenn die ganzen Filialen als ein gemeinsamer Betrieb betrachtet werden. Von konservativer Seite wird eine Streichung beantragt, die in der Praxis bedeuten würde, daß mehrere Brauereien, die für Rechnung ein und derselben Person oder Gesellschaft betrieben werden, als ein einheitlicher Brauereibetrieb anzusehen sind. Dieser Antrag entspringt der bekannten Feindschaft der Konservativen gegen das industrielle Großkapital. Nach langer Debatte werden die AbänderungSanträge ab- gelehnt. Abg. v. Gamp sprickt nunmehr für die K o n t i n g e n- ti e r u n g, die er für nötig hält im Interesse der Kleinbrauereien. Ein anderer Weg wäre der, wenn man kleinere Brauereien zu Genossenschaften zusammenschließen und ihnen gestatten würde, den niedrigsten Steuersatz zu zahlen. Redner begründet dann einen Antrag, nach dem alle Brauereien, die nach dem 1. Oktober 1909 betriebsfertig werden, 20 M. Steuer zu entrichten haben. Geheimrat Reinboth' tritt diesen Ansichten entgegen. Sobald sich kleine Brauereien zu einem großen Betrieb zusammenschließen, fällt jeder Anlaß fort, sie besonders zu begünstigen, denn sie stehen dann einem großen Betriebe wirtschaftlich gleich. Abg. Dr. Zehnter wendet sich gegen die Kontingentierung. Abg. Stückle» betont, daß gar kein Anlaß vorliege, genossen- schafilichen Brauereien eine andere steuerliche Behandlung zuteil werden zu lassen. Das widerspricht dem Abs. 4 des ß 6 des Ge- sehes. Sobald eine Anzahl Braucreibesitzer zusammentreten und ,hre Betriebe zu einer Genossenschaft vereinigen, ist an Stelle einer Anzahl kleiner oder mittlerer Brauereien einfach ein nach kapitalistischen Prinzipien betriebener Großbetrieb getreten. Mit welchem Recht will man sich herausnehmen, einen solchen Betrieb günstiger zu stellen als wie ander« Betriebe? Mit aller Schärfe mutz aber gegen die Kontingentierung protestiert werden. In diesem System schlummert eine Liebesgabe für Bierbraue.  reien. Zudem haben sich viele Brauereien gegen die Kon- tingentierung erklärt. Ganz besonders schlimm muß die Kontingen- tierung auf die Gastwirte wirken, die damit der Brauerei, mit der sie gerade in Verbindung stehen, auf Gnade und Ungnade überliefert werden. Ein Wechsel im Bezug des Bieres würde geradezu unmöglich gemacht. Glaubt man wirklich, mit dieser Art der Gesetzgebung die Kleinbraucreien schützt", zu können? Die Brauerei drängt immer mehr auf den großkapitalistischen Betrieb hin. Die Grohbrauerei sichert sich den Absatz deS Bieres durch Erwerb von Schantlokalen und durch Beschaffung von Hypotheken auf Gastwirtschaften. Das kann der kleine Bierbrauer nicht, dazu fehlt ihm das Kapital. Die Kontingentierung bedeutet aber weiter eine völlig unberechtigte Erschwerung der Produktion, für die wir auf keinen Fall eintreten können. Warum äußert sich die Regierung nicht zur Frage der Kontingentierung? Wir lehnen die konservativen Anzeige- ab.' 1 Abg. Mommfea(freist) wendet sich ebenfalls gegen die Kon. '�Ministerialdirektor Dr. Kühn erklärt, daß jdie Regierung gegen eine Kontingentierung schwere Bedenken habe und nicht dafür eintreten könne. Nach unwesentlicher Debatte zieht Abg. v. Gamp seine An- ��Rach�be'r Mittagspause gab es noch eine kurze Diskussion bei Artikel IV. der den Höchstbetrag der von den Gemeinden zu er- hebenden Biersteuer auf 6b Pf. pro Hektoliter festsetzt. Gemeinden. die bereits eine höhere Biersteuer erheben, sollen diese bei- behalten dürfen..... Al,g. Stückten beantragt, letzteren Passus zu strmchen. Die Brausteuer verteuert daS Bier bereits um 34 Pf. pro Liter, unter diesen Umständen muß verhütet werden, daß auch die Ge- meinden noch'hohe Steuern erheben. In Thüringen   gibt es Ge- meinden, die 23 M.. Zella St. Blast sogar 4 M. pro Hektoliter erheben. Das darf auf keinen Fall mehr geduldet werden. Abg. Dr. Pichler(Z.) bestreitet, daß der Liter Bier um 3-4 Pfennig verteuert wird, sondern höchstens um 1?£ Pf. Ter sozialdemokratische Antrag wird sodann angenommen. Die Nationalliberalen beantragen, dem Artikel IV einen Slbsatz 3 hinzuzufügen, wonach neue Brauereien in den ersten V Jahren 22 M. Steuer bezahlen sollen. Abg. Dr.Südekum bekämpft den Antrag, der eine Beein» trächtigung der Gewerbefreiheit bedeutet. Es würde lediglich die Errichtung fleiner und mittlerer Brauereien verhindert... Der nationalliberale Antrag wurde abgelehnt. Eine kleine Unterhaltung entspann sich dann noch über den Termin des Inkrafttretens des Gesetzes. Schatzsekretär Sydow meinte, das Gesetz könne am 1. Juli w Kraft treten. Abg. Sübekum erklärte, daß die? absolut unmöglich sei, sobald die Steuern durch ein Mantelgesetz verbunden werden. Ein Zu» rückdatieren des Gesetzes ist nicht gut denkbar. Schließlich einigte man sich dahin, einen bestimmten Termin nicht festzusetzen und zu bestimmen, daß die Vorschriften betr. die Gemeinden am 1. April 1910 in Kraft treten sollen. Damit ist die Beratung erledigt, eine Abstimmung findet nicht statt. * Die Banderolesteuer aufgeflogen. Zum Schluß der Sitzung kam es noch zu einem sensationellen Zwischenfall. Obwohl eS bereits Uhr war und eine ganze Menge Anträge dem Vorsitzenden lediglich handschriftlich vorlagen, versuchte es die Mehrheit durch- zusetzen, daß noch in die Beratung der Tabaksteuer- Vorlage eingetreten wurde. Zunächst lag ein Antrag Kreth vor, der die abgelehnte Banderolesteuer zur Grund läge hatte und aus dem Tabak eine Mehreinnahme von 72 Millionen Mark herausziehen wollte. Kreth verzichtete auf eine Begründung, die dem Protokoll beigegeben werden soll. Schatzsekretär Sydow erklärte kurz, daß ihm der An- trag Kreth sehr sympathisch sei und daß er sich vorbehalte, im Laufe der Beratungen darauf zurückzukommen. Abg. Geyer wies darauf hin, daß nach allgemeiner Auf- fassung die Banderole mit ihrer Ablehnung in erster Lesung als abgetan gelten müßte. Dies wurde vom Abg. Dr. Spahn(Z.) beftäftgt. Man habe allgemein angenommen, daß die Regierung darauf nicht zurückkommen könne. Bei der unmittelbar darauf folgenden Abstimmung wurde die Banderole a b g e lehnt. Dafür stimmten bloßKonservative.Frcikonservative und der Antisemit Böhme. lieber den Verlauf der weiteren Verhandlungen geht uns folgender Bericht zu: Auf Antrag Gröber wird eine Generaldebaüe über da? Prinzip der Besteuerung des Tabaks eröffnet. In der Vorlage ist bekanntlich der Wertzollzuschlag beschlossen. Dazu liegt der bekannte Antrag Weber- Mommsen vor, der eine Erhöhung deS G e w i ch t s z o II e s und der In l a n d S st e» e r auf Tabak nach dem bisherigen System will. Mommsen begründet den An- trag. Der Schatzsekretär Sydow erklärt: Der Wertzollzuschlag sei der Regierung lieber als die Erhöhung des Gewichtszolles. Der Wectzollzuschlag bringe mit der Zunahme deS Konsums und mit der Verfeinerung des Geschmackes steigendere Einnahmen. Abg. Kreth ersuchte, den Antrag Weber- Mommsen abzu­lehnen. Abg. Molkenbuhr sagte, die Argumente für die Erhöhung deS Wertzolles seien nicht besser wie die für die Erhöhung deS Gewichtszolles. Die Belastung der Tabakindustrie wirke un- sozial nach jeder Richtung, besonders zu Ungunsten der Arbeiter. Die Erfassung des Wertes des Rohtabaks sei bei den öfteren Schwankungen der Tabakpreise außerordentlich schwer. Aber gerade infolge dieser Schwankungen werde der Fabrikant, der aus dritter und vierter Hand kaufen müsse, außerordentlich hart getroffen. Die kleinen Unternehmer würden ruiniert. Geschähe das, dann könne man mit Leickiigkeit auf das Monopol hinaussteuern. Deshalb fei auch der Regierung der Wertzuschlag lieber als die Gewichtszollerhöhung. Äbg, Erzberger   führte für den Wert- zoll einen gegen den Antrag Weber-Mommfen im»Leipziger Tage- ßlalt* gerichteten Artikel an. Die freisinnigen Abgeordneien Wiemer und H o r m a» n sprachen für den Antrag Weber- Mommsen. Der badische BundesratSbevollinächtigte S ch e r e r er- klärte sich dagegen für den Wertzoll. Der Antisemit Böhme erklärte, seine Fraktion sei in der Frage der Tabakbestcuerung geteilt; er selbst sei auch gegen jede höhere Steuer, aber um den Zwiespalt in seiner Fraktion zum Ausdruck zu bringen, stimme er für die höhere Steuer. ES wurde, da Schluß der Generaldebatte einttat, der Antrag Weber-Mommsen abgelehnt. Es bleibt also die Vorlage der ersten Lesung der Kommission bestehen. Mittwoch, den 26. Mai, beginnt die Spezialberatung über diese Vorlage._ Der Kampf ums letzte fünftel. Am 22. Mai hat in Duisburg   eilte freisinnige Versammlung getagt, in der der große Stratege der Freisinnigen Volkspariei, Herr Rektor Kopsch, über die Stellung des Freisinns zur Reichs- fiuanzreform sprach. Nach Zeitungsberichten erklärte er es für eine »nationale' Aufgabe, die Finanzresorm unter allen Um« ständen auf der Grundlage der Regierungövor- läge(400 Millionen indirekter Steuern und 100 Millioner sogen. Besitzsteuern  ') zustande zu bringen und dauernd die Finanzen da« mit zu sanieren. Kopsch predigte unter Ausfällen gegen die Konser« vativen Kampf gegen Rechts und Links in gleichem Schritt und Tritt mit den Nationalliberalen; doch wolle er, daß der Block er- halten bleibt. Die Stellungnahme des Herrn Kopsch überrascht uns keines- wegS, da wir wiederholt betont haben, daß der Freisinn längst willens ist, entgegen seinem Eisenacher Programm die geforderten 400 Millionen Mark Verbrauchssteuern zu bewilligen und Bier, Branntwein, Tabak, Kaffee, Zündhölzchen verteuern zu helfen. Bei dem heute zwischen Konservativen, Nationalliberalen und Freisinn geführten Steuerkampf handelt es sich, mag jede dieser Parteien noch so viel über liberale oder konservative Grundsätze reden und vom»Wohl des Vaterlandes',.Allgemeinwohl',»Wohlfahrt des deutschen Volkes',vaterländische Interessen' usw. schwatzen, um nichts anderes als um die rohe, nackte Juteressenfrage, welche der wohlhabenden Schichten am meisten zu den 100 Millionen Besitz steuern beitragen soll. Den unbemittelten Volksklassen 400 Millionen Mark neuer Steuern auf- zuladen, darin sind sich alle einig: die Deutschkonservativen wie die Reichsparteiler, die Nationalliberalen wie die Freisinnigen, und selbst daS Zentrum, diese»wahrhafte Volkspartei', findet eS ganz angebracht, wenn dem Volke die schon heute enorm hoch im Preise stehenden Lebens- und Genuß« mittel noch mehr verteuert werden. Derstupiden Masse' kann man es ja bieten. Aber wer in erster Reihe die übrigen 100 Millionen Mark aufbringen soll, daS ist für alle dieseVertreter des deutschen Volkes' ohne Unterschied der Parteirichtungen eine sehr wichtige Frage. Die Großagrarier möchten diese hundert Millionen Marl  durch solche Steuern gedeckt wissen, die vor allem die Banken und Vörscii, die großen Terraingesellschaften und Terroinspekulanten oder auch die Wertpapierbesitzer und Großindustriellen zu bezahlen haben; die Freisinnigen und Nationalliberalen wollen dagegen diese Kapi- talistengruppen möglichst geschont wissen und dem großen Grund- besitz den Hauptteil an den 100 Millionen zuschieben. Um diese Verteilung handelt es sich in dem ganzen Kampfe der zurzeit zwischen den staatserhaltenden Parteien ausgesochten wird. Deshalb haben auch den Liberalismus die konservativen Steuer- antrüge so erbittert. Während die liberale Preffe die Belastung der Lebens- und Genußmittel für unvermeidlich im nationalen Interesse erklärt; während sie für die Zehntausende von Tabak- arbeitem, deren wirtschaftliche Existenz durch die geplante Tabaksteuer vernichtet wird, DiSbcr nichts übrig hatte und über die Verteuerung des Kaffees der armen Fabrik­arbeiterin und Näherin durch die projektierte Kaffeezollerhöhung mit ein paar Phrasen hinwegging, veröffentlicht sie jetzt Tag uni Tag flammende EntrüstungSartilel gegen die Wertzuwachssteuer und die Besteuerung der Wertpapiere, durch die, wie sie behauptet, nicht nur der kleine Handwerker, sondern auch der arme Arbeiter, der sich einige hundert Mark erspart hat, aufs schwerste bedroht wird. So schreibt z. B. dieVoff. Ztg.': Ein armer Teufel hat sich sein Lebenlang hart gemüht. hat gedarbt und gespart, um im Alter nicht dem Hunger preis- gegeben zu fein, um auch feine Familie nicht in schlimmster Not zurückzulassen. Er hat seine paar hundert oder tausend Mark in Pfandbriefen angelegt. Alsbald kommt die konservativ-klerikale Mehrheit und mmmt ihm eine.Besiysteuer' ab. Oder hat er gar für seine Spargroschen Aktien gekauft, dami zahlt er noch höhereBesitzsteuer  ', obivohl er keine Ahnung ge- habt hat, daß er denbesitzenden Klassen' gehört. Wer spart, muß zahlen, vas ist die Moral des BesipsteuerantrageS; es wird von Reichs wegen eine Strafe auf Sparsamkeit gesetzt, ganz 1 gleich, wie wenig man auch zurückzulegen vermocht hat. Der Beamte, der Handwerker, der Arbeiter, jeder wird der Steuer unterworfen. Denn jedem wird vorgeredet, daß es die Börse sei, die besteuert wird. Man nimmt ja die Besitzstcuer nicht unmittelbar von dem Besitzer, sondern von demAussteller' der Wertpapiere. Der muß sie nach Maßgabe des Jahresdurchschnittskurses an den Fiskus ent- richten und hat sie dann von den Zinsen und Dividenden zu kürzen. Aber er selbst trägt die Steuer doch nur in dem Falle. daß er die Wertpapiere im Schranke hat, und zwar nicht bloß als Bewahrer, sondern als Besitzer. In allen anderen Fällen hat derAussteller' die Steuer nur aus- zulegen und dann abzuwälzen. Zu tragen hat sie auch der Mann, der Ivegen geringen Ein- kommens von der Staats- und Gemeinde-Ein- kommensteuer befreit ist. Man betrackiet es als einen Segen, wenn ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung die öffent- Ii che ii Sparkassen benutzt und, sobald einige hundert Mark zu- sammen sind, dafür Stadlobligationen gekauft werden. Geschieht das, flugs ist auch der Fiskus da und er- hebt seineBesitzsteuer". Diese Steuer müssen also auch diejenigen tragen, die scho» von den Verbrauchsabgaben ganz vorzugsweise getroffen werde»." Der letzte Satz, daß durch die Verbrauchsabgaben ganz Vorzugs- weise die Unbemittelten getroffen werden, ist zweifellos richtig. Dieser Satz ist aber auch so ziemlich das einzig Richtige an dem Artikel; sonst erhält er zumeist nur grobe Uebertteibungen. Der kleine Handwerker und der Arbeiter legen ihr Geld nicht in Spekulationspapieren an. Sind sie wirklich in der Lage etwas zu erübrigen, so tragen sie ihr Erspartes nach der Sparkasse oder kaufen höchstenfalls dafür Staatspapiere. Solche Papiere aber bleiben steuerftei. Und selbst, wenn der Arbeiter, wie die Voss. Ztg.' annimmt, Stadtobligationen oder andere deutsche fest- verzinsliche Anleihepapiere kaust, soll er nur 1 M. von 1000 M. zahlen. Ausländische Eisenbahnakiien und andere ähnliche Wert- papiere kauft aber der deutsche Arbeiter nicht, auch nicht der kleine Handwerker. Jedenfalls wird er durch die geplanten indirekten Steuern weit, weit höher belastet, als jemals durch alle Wert- zuwachs- und Kotierungssteuern. Politische Ucbcrücht. Berlin  , den 25. Mai 1909, Herrenhäusliches Allerlei. Die kleine Korona älterer Herren, die das gesetzgeberische Pflichtgefühl dem prachtvollen Frühlingswetter zum Trotz in das Lordspalais vis-a-vis Wertheim   gezogen hatte, unterhielten sich am Dienstag mit der schönen Gelassenheit, die aus bc- haglichcr Existenz und gutem Frühstück zu entspringen pflegt, über allerhand, teils interessante, meist uninteressante Fragen, die irgendwie mit dem Etat in Verbindung standen. Man sprach über Aufforstungen, über die Erhaltung des Grüne- walds, und hielt sich, nachdem man so dem Allgemeinwohl einen bescheidenen Tribut abgestattet hatte, für berechttgt, mit der tiefen Gründlichkeit deutschen Gemüts über das Elchwild und sonsttge vierbeinige Zeitgenossen zu philosophieren. Die heranrückende Stunde des Soupers setzte endlich den Offen- barungcn urteutonischen Tiefsinns ein Ende. Am Mittwoch denken die Pairs von Preußen weiter im Schweiße ihres er- lauchten Antlitzes mit Gott für König und Vaterland zu arbeiten._ Die Konferenzen im Reichsschatzamt. Wir haben schon gestern in unserem kurzen Bericht über die Konferenz, die am Montag im Reichsschatzamt getagt hat, bezweifelt. daß die Meldung der Scherlpreffe richttg sei, die Vertreter der Banken hätten selbst eine Dividendensteuer vorgeschlagen. Von anderen mit der Bankfinanz enge Fühlung unterhaltenden Blättern wird denn auch die Meldung desLokal-Anzeiger" entschieden be­stritten. DasVerl  . Tageblatt' schreibt: Ein Berliner   Blatt, das unter der Maske der Parteilostgkeii seit einigen Wochen die Geschäfte der konservattven Steuer- Verweigerer besorgt und eine einseitig agrarische, berlinfeindliche und volksfeindliche Politik betteibt, hat gemeldet, eS sei aus den Reihen der Bankiers, die an der Konferenz teilgenommen,eine neue Art von Steuern, und zwar eine Dividenden st euer, an Stelle der konservativen Wertzuwachssteuer vorgeschlagen lvvrden." Diese Mitteilung ist, wie erst kaum gesagt zu werden braucht, erfunden und zioar erfunden zu dem Zweck, die bei den Agrariern so beliebte Idee der Dividendenstcuer zu lancieren und sie als die Idee der Finanzkreise oder doch der an der Konferenz be° teiligten Finanziers hinzustellen. In Wahrheit ist in der gestrigen Kon« ferenz die Frage der Dividendensteuer keineswegs von den Vertreter» der Finanzwelt, sondern von den Vertretern der Regierung vorgebracht worden, und die anwesenden Sachverständigeli haben sich natürlich gehütet, ihre Zustimmung zu diesem Vorschlage zu äußern. Nach- dem vonseiten der Regierung zu erkennen gegeben worden war, daß die Regierung daS in der Kommisston angenommene Projekt des Herrn v. Richthofen, und speziell die Kotierungssteuer auf Wertpapiere, vorläufig für inakzeptabel halte, wurden immer von feiten der Negierung verschiedene Steuerarten erwähnt, die eventuell geeignet sein könnten, die Lücke auszufüllen. Unter diesen Steiierarte», über deren Ausführbarkeit die Regierung offenbar die Ansicht der Sachverständigen zu hören wünscht, befand sich auch die Dividendensteuer. Die Beratungen im RdchSschatzamt, die heute mehrere Stunden lang gedauert, werden in einigen Tagen fortgesetzt werden. Bor- läufig hat die Regierung, wie gesagt, zu verstehen gegeben, daß fie dir Verwirklichung der von Herrn V. Richthofen eingebrachten und von Konservativen und Zentrum akzeptierten Borschläge nicht wünscht. Aber das Vakuum, das auf alle Fälle entsteht, müsse eben ausgefüllt werden, und die Bertteter der Finanzwelt und der Industrie werden gebeten, daran mitzuarbeiten.' Stach der. Frankfurter Zeitung  ' sollen den Konferenzen im Reichsschatzamt eine weit wichtigere Aufgabe haben, als lediglich Gutachie» über den konservativen Antrag zu fällen. Es soll sich um die Vorbereitung eines neuen Kompromisses innerhalb der Block- Parteien handeln. Das Frankfurt  « Blatt läßt fick aus Berlin  melden: Wir glauben zu wissen, wie dieses Kompromiß un- gefähr aussehen soll. ohne Ausbau der Erbschaftssteuer geht eS natürlich nicht; da kann der Reichskanzler nicht zurück; er muß und wird festbleiben. Aber man wird diese Erbschaftssteuer nur in einem Maße und in einer Form vorschlagen, mit der fich auch die Rechte befreunden kann. Schonende Behandlung deS landwirtschaftlichen Besitzes und ein Ertrag von 50 Millionen; dazu sollen dann zunächst so ungefähr 20 bis 30 Millionen durch Be- steueruna der Banken und deS Umsatzes kommen. Und der Rest findet sich vielleicht durch Verdoppelung der Matrikular- beiträge. Die Konferenz. die gestern im Reichsschatz  - amte zwischen dem Reichsschatzsekretär. dem preußischen Finanz- minister, dem Bankpräsidenten und den Vertretern der Bank-" und der Industrie stattgefunden hat, läßt wenn auch über die Einzelheiten Schweigen beobachtet wird diese Pläne ziemlich deutlich erkennen. Sie gab zunächst gewiß eine Begutachtung der von der Finaiizkomniission beschlossenen konservativen Anträge, aber das war Nebensache, denn daß diese nicht annehmbar und un- durchführbar sind, darüber sind sich die Vertreter der Regierung mit allen Sachverständigen einig.