Einzelbild herunterladen
 

BoHe ein großes Nufficbcn daboli gemacht, daß LeimpetcrZ auf dem Kongreß der Bergarbeiter die Einrichtung der Sicherhetsmänner im Saargebiet für bedeutungslos erklärt und gesagt habe, sogar Idioten seien hincingelvählt worden. Ein Zcntrumsblatt nannte dies eine niederträchtige, bcweislose Behauptung. Leimpeters hat gesagt, daß die Bergleute aus Ironie die dümmsten dazu wählen, und da ist es vorgekommen, daß auch ein Idiot gewählt wurde. Und als den Bergleuten darüber Vorhaltungen gemacht wurden, sagten sie, die ganze Einrichtung sei verrückt. Das ist also keine beweis- lose Behauptung, sondern die Bergleute schätzen in der Tat die Ein- richtung der Sicherheitömänner im Saarrcvicr in dieser Weise ein. Auch in einem Flugblatt der christlichen Bergar- k- e i t e r wird gesagt, daß die Saarbergleute so niedergehalten werden, daß keiner wagt, den Mund aufzutun. In der Aera Hilger, um die eS sich auch bei dem Ausspruch Leimpeters handelte, stand nach diesem Flugblatt das Schmarotzertum in voller Blüte. Schmarotzer, Faulenzer und Denunzianten wurden von den Beamten bevorzugt. Das mögen sich diejenigen merken, welche Leimpeiers beschuldigen, die Bergleute beleidigt zu haben. Bei diesem Etesetz handelt eS sich um gemeinsame Interessen der Ar- beiter. Da ist es nicht richtig, einzelne Aeuszerungen von Verbands- führern heranzuziehen und Uneinigkeit zu säen. Bei gemeinsamen Interessen der Arbeiter, und wenn Leben und Gesundheit der Berg- arbciter auf dem Spiele steht, hören die Parteiunterschiede auf. Herr Strosier warf mir vor. hier spreche ich versöhnend, aber auf einer Versammlung im Nuhrrevicr hätte ich geäußert, wenn die Wünsche der Bergarbeiter nicht erfüllt würden, so würde ein ganz gewaltiger Ausstand entstehen. Dabei hatte ich lediglich an- geführt, was von dem christlichen Verband durch Gebhard zum Aus- druck gebracht war. Auch eine gcwiffe Doppelzüngigkeit wurde uns zum Vorwurf gemacht, weil der Bcrgarbeiterverband eine Petition hier eingereicht hat, das Gesetz besser zu gestalten, und in Versamm- lungen Resolutionen faßte, das Abgeordnetenhaus möge den Eni- Wurf ablehnen, damit ein Reichsberggesetz geschaffen werde. Es ist doch aber nur logisch, wenn man das letztere nicht erreicht, daß man versucht, das Gesetz besserzuge st alten. Ein wenig muß ich mich noch mit Herrn B e u m e r beschäf- tigen. Er versuchte, die Acußerungen über Ministerstürz�rei in der Geheimkonferenz abzuscfcwächen und meinte, das komme auch in Fraktionssitzungcn vor. So harmlos ist die Sache aber nicht. Herr Generaldirektor Uhtemann sagte, die einzige Hoffnung, das Gesetz zu Kall zu bringen, sei das Herrenhaus, und dadurch sei auch die taktische Handhabt gegeben, den Minister zu beseitigen, der Arm in Arm mit der Sozialdemokratie ein solches Gesetz prä- sentiert habe. Auch Bergrat Hilger sagte, es scheine ihm, daß es sich bei dieser Vorlag« um die Stellung deS Ministers handle: man hat ihm von oben die Pistole auf die Brust gesetzt, daher muß man ihm das Rückgrat stärken, und wenn nicht anders, ihm zu einem eleganten Abgang verhelfen. Wennwirdasimmerwieder tun. und der zweite und dritte Minister geht, so wird sich das Biättchen zu unseren Gunsten wenden. Die Herren vom bergbauliähcn Verein haben also ihre Macht tatsächlich so eingeschätzt, daß sie imstande sind, den Mi- nister zu beseitigen! Und daß daS keine leeren Redens- arten sind,, beweist das Schicksal der Handclsminifler v. Berlepsch und Brefeld, die ja gerade über die Zechenbarone gestolpert sind. Brefeld siel, als er die Einsahrer eingeführt hatte, und über Herrn v. Berlepsch schrieb ja Bueck, der Sekretär deS Zentralverbandes deutscher Industrieller:Daß wir endlich Herrn v. Berlepsch klein- bekommen haben, erfüllt mich mit aufrichtiger Freude." Die Aeußerungen haben also einen sehr realen Hintergrund in dem Machtbewußtsein der Zechenbesitzer. Dabei hätten die Scharfmacher gar keine Ursache, sich gegen den Handelsminister zu wenden, denn lange Zeit war zwischen ihnen und der Regierung eine Verständi- gung nicht erzielt, die erst unter dein jetzigen Handelsminister erfolgte. Als auf einem Diner im Oktober 1907 Kirdorf den Herren st andpunkt betonte, sagte Herr Delbrück , er habe für diese Energie volle Bewunderung und freue sich, ihn so sprechen zu hören; nicht der Herrenstandpunkt soll den Arbeiter gegenüber vertreten werden, sondern sie müßten daS Maß von Kommandogewalt haben, daö der höhere Offizier gegen- über dem niederen haben muh. wenn der Betrieb nicht stocken soll. Das sind nur Redensarten, die an die bekannten Aeußerungen vom alten Fritz erinnern. Erster Arbeiter im Betrieb zu sein. klingt sehr schön. Wenn man keinen Höheren über sich hat, so dedeutet das, Gebieter im Betrieb zu sein. Und wenn man die Kommandogewalt des Offiziers über den Arbeiter verlangt. so verlangt man vom Arbeiter Kadavergehorsam. In dieser Beziehung ist also der Minister mit den Bergherren ein Herz und eine Seele. Trotzdem wollten sie ihm zu einem eleganten Abgang verhelfen. Vielleicht ist das schon erreicht; es stand ja in den Blättern nur er selbst hat noch keine Nachricht davon daß er Kultusminister werden soll. Das wäre dann der elegante Abgang. Die Seele des Arbeiters, Herr Minister, werden Sie durch dieses Gesetz nicht finden. Vielleicht versuchen Sie eS im Kultusministerium. Als Handelsminister haben Sie alles getan, die Seele des Arbeitgebers zu finden. Ich komme zum Schluß. Wir stimnien übercin mit dem, was dieGermania" am 12. Mai 1909 erklärte: es ist bedauerlich, daß die Kommission die durchaus nicht zu weit gehenden Anträge des Zentrums abgelehnt hat und es ist sehr begreiflich, daß in den Kreisen der Bergarbeiter, die ursprünglich für die Vorlage waren und glaubten, sie würde verbessert werden, heute eine andere Ansicht Platz gegriffen hat, man will dort von diesem Gesetz nichts wissen. Auch heute kann ich erklären, daß wir für die Verbefferungsanträge stimmen werde»; ich bin aber nicht in der Lage, zu sagen, daß dieses Gesetz den Anforderungen der Arbeiter Rechnung trägt und kann daher mit meinem noch übrig gebliebenen Freunde Ströbel für daS Gesetz nicht stimmen.(Zurufe rechts.) Wenn ich bezüglich der Ausfuhrung zu einer anderen Ueberzeugung käme, Herr v. Pappen- heim, wenn wir nicht so viele Erfahrungen über die Ausführungs- bestimmungen des Ministers und den Terrorismus der Gruben- Herren gemacht hätten, wäre es vielleicht etwas anderes; so aber können wir nicht dafür stimmen. Ich stimme auch überein mit dem, was imFIugblattderchristlichenBergarbeiter im März 1908 gesagt ist:.In vielen Fällen hat es sich gezeigt, daß im preußischen Landtage in wirtschaftlichen Dingen nicht die Staatsregierung maßgebend ist, sondern eine Handvoll Großindustrieller des Ruhrgebiets. Wer von den Bergleuten dort etwas vom preußi- scheu Landtag erwartet, ist unheilbar verrllckt."(Bravo ! links; Unruhe rechts.) Abg. GicsbcrtS(Z.): Das von Herrn Leinert erwähnte Flug- blatt ist nur von einem einzelnen Beamten des christlichen Berg- arbeiterverbandeS ausgegangen, der wegen des klobigen Schluß- satzes auch zur Rechenschaft gezogen ist. Das Abgeordnetenhaus hat die Aufgabe, jedesmal beim Bergctat die richtige Ausführung des Berggesetzes zu kontrollieren. Dieses Gesetz bringt sehr erheb- liche Fortschritte und bedeutet geradezu einen Markstein in der Geschichte unserer Berggesetzgebung. Selbst Herr Leinert schien sich ja weniger gegen den Inhalt des Gesetzes zu Ivcnden, sondern nur die miserable Ausführung zu befürchten.(Widerspruch des Ab- geordneten Leinert.) der sozialdemokratischen Presse wird auch ganz ander? geschrreben als wie Herr Leinert hier spricht. Handelsminister Delbrück : Die Redner der einzelnen Frak- tionen sagten, es sei ihnen nicht leicht geworden, für die Kom- promißanträge zu stimmen. Dasselbe kann auch ich sagen.(Heiter. keit.) Denn eine Verbesserung des Gesetzes bedeuten sie nach keiner Richtung. Aber das Bessere soll nicht der Feind des Guten sein. Um eine loyale Durchführung des Gesetzes wird sich die Staats- regierung und besonders ich bemühen. Dann werden wir trotz des Herrn Leinert auf den Weg kommen, auf dem wir den Kamps um die Seele des Arbeiters mit Ausficht auf Erfolg auf- uehmkn iönngSi deo ich hoffentlich noch recht lange an dieser Stelle und nicht an einer anderen führen werde.(Lebhafter Beifall.) .Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Abg. Leinert(Soz.)(zur persönlichen Bemerkung): Herrn Giesberts gegenüber bemerke ich, daß auf dem Flugblatt, aus welchem ich einige Stellen verlesen habe, steht: Verlag Ge- werkverein christlicher Bergleute, Bezirk Saar- r e v i e r. Daß das Blatt von der Zentralleitung ausgegangen ist, habe ich nicht behauptet. Zu der Behauptung, daß ich hier anders rede, als die sozialdemokratische Presse schreibt(sehr richtig! rechts), bemerke ich nur. daß Sie(zum Zentrum) hier ganz anders reden, als Ihre Dasbach presse uns draußen behandelt. Bei den einzelnen Paragraphen werden die Kompromißanträge mit großer Mehrheit angenommen. In der Gesamtabstimmung wird der Entwurf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Polen angenommen. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung: Mittwoch, 11 Uhr(Rechnungssachen, kleinere Vorlagen, Interpellation des Zentrums wegen der Uebcr- schwemmungsschäden, Wahlprüfungen, dritte Lesung des Stempel- sieuergesetzes und der Sekundärbahnvorlage.). Schluß 4)4 Uhr._ llngesetsliche Ashlrechttverichlechtesung in Kixdorf. Bekanntlich erfolgte bis vor einigen Jahren die Bildung der drei Gemeindewählerabteilnngen ohne Ausnahme in der Weise, daß von den am höchsten besteuerten Wählern so viele der ersten Ab- teilung zugewiesen wurden, daß die auS ihnen zusammen auf­gebrachte Steuer ein Drittel der in der ganzen Gemeinde zu zahlenden Steuersumme ausmacht. Die dann nach der Steuerhöhe folgeuden Wähler kamen soweit in die zweite Abteilung, daß ihre Steuer- summe das zweite Drittel der Gesamtsteuersumme ausmacht. Die dann noch übrig bleibenden Wühler gehörten der dritten Ab- teilung an, die zusammen da? letzte Steuerdrirtel auf- zubringen hatten. DieseDrittelung" hat durch das Gesetz vom 89. Juni 1999 eine Korrektur erfahren durch die Bestimmung, daß in Gemeinden mit mehr als 19 999 Eimvohnern alle Wähler, welche mehr als den auf den einzelnen Wähler entfallenden DurchscbnitlSbetrag der gesamten Steuer summe zu zahlen haben, nach dem Drittelungs- Prinzip aber der dritte» Abteilung angehören würden, der zweiten bezw. ersten Abteilung zugeteilt werden müssen. Diese Art der Ab- teilungsbildung wird als die Anwendung desDurchschmttSpriiizipS* bezeichnet. In Nixdorf liegen nun die Verhältnisse so, daß bei der Drttte- limg eine große Zahl von Wählern, die den Durchschnittssteuersatz nickt erreicken. der zweiten Abteilung angehören. Alle diese Wähler hat der Magistrat bei Aufstellung der Gcmeindewählerliste in die dritte Abteilung eingereiht. Dadurch ist der sonderbare Zustand entstanden, daß im Jahre 1998 die erste Abteilung 856 Wähler mit einer Steuersumm« von 894 282 M., die zweite Abteilung 3926 Wähler mir einer Steuersumme von 894 192 Mark und die dritte Abteilung 313S6 Wähler mit einer Steuer- summe von 1961166 M. aufwies. Also eine sehr große Zahl von Wählern waren durch diese eigentümliche Art der Listenaufstellung au« der zweiten Abteilung, der sie vordem angehörten, in die dritte Abteilung hinabbefördert worden, nämlich alle diejenigen, welche den Durchschnittssteuersatz von 73,58 M. nicht erreichen, nach dem Drittellingsprinzip aber der zweiten Abteilung hätten zugezählt werden müssen. Gegen diese Listenaufstellung hat der Stadtverordnete, Genosse Conrad, nachdem seine Beschwerde an die Stadtverordneten- Versammlung zurückgewiesen wurde, Klage beim Bezirks- ausschnß in Potsdam erhoben. Der Kläger beantragt: die Gemeindewählerlisle der Stadt Rixdorf zu kassieren und den Magistrat anzuweisen, eine solche erneut nach dem Prinzip der Steuer- drittelung aufzustellen. Die Klage wurde am Dienstag vor dem Bezirksausschuß verhandelt. Rechtsanwalt Wolfgang Heine , der dem Kläger als Vertreter zur Seite stand, führte an der Hand der Entstehungs- geschichte deS Gesetzes vom 39. Juni 1999 und durch Wortlaut des Gesetzes den Nachweis, daß die Aufstellung der Rixdorser Wähler- liste den gesetzlichen Bestimmungen widerspricht. In längerem Vortrage vertrat Genosse Heine im Ivesentlichen den Standpunkt: Die Einführung des DurchscklültsprinzipS in Städten mit mehr als 10 999 Eimvohnern bedeutet nicht eine Aushebung des Drittelungs- syst, ms, sondern nur eine Modifikation oder, wie das Gesetz in wörtlicher, nicht geschickter llebertragung dieses zwar fremdländiichen aber verständlichen Ausdrucks sagt, eineVeränderung" der Drittelung. Das geltende Grundprinzip ist und bleibt auch in den Städten mit mehr als 10 999 Einwohnern das der Drittelung. Das ist in 8 1 deS Gesetzes unter Wiederholung der älteren gesetzlichen Bestimmungen noch einmal nonniert. Wer nach der Steuerliste in die zweite Abteilung fällt, ist Wähler der zweiten Abteilung. Davon gibt es nur die einzige Ausnahme in§ 1 Absatz 5 für die Personen, die vom Staate zu einer Steuer nicht veranlagt sind. Der 8 2 des Gesetzes gibt für die Städte mit mehr als 19 099 Einwohner eine Veränderung, eine Modifikation dieses Prinzips. Dies wird vom Gesetz dahin bezeichnet:.daß jeder Wähler, dessen Stcuerbctrag den Durchschnitt der auf den einzelnen Wähler tressenden Steuerbeträge übersteigt, stets der zweiten oder ersten Abteilung zugewiesen wird." Schon in dieser Fassung ist deutlich zum Ausdruck ge- bracht, daß die einzige Modifikation deS Drittelungsprinzips durch das Durchschnittsprrnzip in der Ueberweisung von Wählern aus der dritten Abteilung in eine der oberen Abteilungen besteht. daß aber niemals ans dem DurchschnittSprinz?p eine Ueber- Weisung von Wählern, die der Drittelung nach zur zweiten Abteilung gehören würden, in die dritte gefolgert werden darf. Die» steht auch mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit in den Motiven des Gesetzes. Es heißt da: Die überlieferte Drittelung bleibt überall, wo sie den durchschnittlichen Steuer- leistungen schon jetzt«in Wahlrecht wenigstens in der mittleren Ab- teilung bietet, unberührt. Dies ist in Rixdorf der Fall, wo unstreitig alle Wähler, die mehr als den Durchschnitt zablen, ohnehin zur zweiten Abteilung gehören, während die Tendenz der Beklagten daraus hinausgeht, die anderen Wähler, die außerdem noch in der zweiten Abteilung sind, aus dieser zu verdrängen. Weiter heißt eS�in den Motiven des Gesetzes: Da« Korrektiv des Durchschnitts kommt nur dort zur An- Wendung, wo daS bisherige System den über das Mittelmaß hinaus- reichenden Steuerleistungen nicht mehr gerecht wird. Die« heißt''also, daß daS DurchschnittSprinzip, obgleich eS nach dem Gesetz für alle Städte mit mehr als 19,999 Einwohnern gilt, nur in Anwendung kommt, um die Wähler, welche mehr als den Steuerdurchschnitt zahlen, in die zweite Abteilung zu bringen. Dieselbe Auslegung des Gesetzes kommt auch in dem Bericht der LandtagSkommission zum Ausdruck sowie in den von der Regierung erlassenen Ausfuhr ungsbe st immungen. Dies« sagen ausdrücklich:....daß die Modisikationen nur dann Platz greifen, wenn bei der nach 8 1 vorzunehmenden Drittelung Wähler, auf welche mehr als der Durchschnitt der Sieuerbeträge entfällt, in die dritte Abteilung gelangen würden. Ist das nicht der Fall, so verbleibt es auch in den hier fraglichen Stadt- und Landgemeinden bei der Triitelung gemäß 8 1 des Gesetzes." Dieselbe Aussassung vertritt auch der Kommentator de? Gesetzes, ObcrregierungSral Georg Evert . Die Regierung verfolgte mit dem Gesetzentwurf die Absicht, die Teilnahme weiterer Schichten an der zweiten Wählerklasse zu er- möglichen, dieser Klasse neue Elemente zuzuführen. Sie wollte den Uebelstand beseitigen, daß sogar Wähler, die mehr ol« den Durch- schnitt der Steuer zahlen, in die dritte Abteilung verwiesen lvaren. Es war aber nicht die Absicht, Leute, die in der zweiten Abteilung zu wählen hattest. auS dieser zu entfernen, weil sie nicht den Durch- schnitt zahlen, Der Vertreter der beklagten Stadtberordnetenbersammlung, Rechtsanwalt Gebhard, suchte die angefochtene Listen- aufstillung in der Hauptsache damit zu begründen, daß er ausführte: Das Gesetz schreibt nur schlechtweg die Anwendung des Durchschnitts- Prinzips vor, es sagt nicht, daß dies Prinzip nur da anzuwenden sei, wo dadurch Wähler aus der dritten in die zweite Abteilung kommen. Der Zweck des Gesetzes ist, dem Mittelstände das Wahl- recht zu sichern, welches er seiner Bedeutung gemäß haben muß. Das Gesetz hat nicht den Zweck, den plutokratischen Charakter des Drittelungsprinzips in demokratisierendem Sinne zu modifiziere». Die zweite Klasse soll für den Mittelstand reserviert werden. Des­halb läßt ja auch das Gesetz zu, daß die Gemeinden anstatt des einfachen Dnrchschnittsprinzips den 1'/» fachen Durchschnitt setzen können. Die Tendenz des Gesetzes ist: Es sollen diejenigen in die zweite Abteilung, die ihrer Steuerleistung nach hinein gehören, aber nicht diejenigen, die ihrer geringen Leistung wegen in die dritte Ab- teilung gehören. Rechtsanwalt Heine bemerkte hierauf: Solche Redensarten, daß die ziveite Abteilung für gewisse Leute reserviert werden müsse, seien bei der Beratung des Gesetzes auch gemacht worden. Solche polittsche Tendenzen könnten aber doch im Gesetz nicht zum Ausdruck gebracht werden. Das Gesetz gebe nur allgemeine Vorschriften und gegen diese verstoße die Aufstellung der Rixdorser Wählerliste. Schließlich legte noch der Kläger K o n r a d in einige» Aus- führuugen die Ungerechtigkeit und Ungesetzlichkeit der Art der Liste»- aufstellung dar. Nach langer Beratung gab der Bezirksausschuß sein Urteil dahin ab: Die angefochtene Wählerliste ist zu kassieren. Es ist eine neue Liste aufzustellen nach dem Durchschnittsprinzip. daS heißt, daß auf jede Abteilung ein Gesamt st euerbetrag von 889889 Mark entfällt. In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende, der Wortlaut des Gesetzes ist nicht so klar. daß nicht verschiedene Auffassungen hinsichtlich seiner Auslegung herrschen könnten. Aber wir sind nach wiederholten Beratungen zu der Ansicht gekommen, daß der Standpunkt de« Kläger » den Ab- sichten des Gesetzgebers und dem Inhalt des Gesetzes entspricht. m Durch diese Niederlage der Rixdorser WahlrechtSverschlechterer ist auch der noch weitergehende Wahlrechtsraub, den die Rixdorser Stadt- verordnetenmehrheit im Dezember vorigen JahreS an einem großen Teil der Rixdorser Arbeiter beging, in der Praxis gegenstandslos geworden. Wenn nun auch das OrlSstatut bestimmt, daß nur Wähler. ivelche den 1'/., fachen Steuerdurchschnitt zahlen, in die zweite Abteilung kommen können, so kann das nur für den Fall gelten, daß solcke anderthalbfachen Durchschnittsmänncr bei Anwendung der Drittelung in die dritte Abteilung kämen. Nun müssen aber nach dem Urteil dcö Bezirksausschusses dem zweifellos auch das Oberverwaltuiigs- gericht beitreten dürfte, weuil ei der unterlegene Teil anrufe» sollte schon die Wähler, die unter dem Steuerdurchschnitt bleibe», der zweiten Abteilung eingereiht werden. soweit sie nach dem Drittelungsprinzip in die zweite Abteilung kommen. Rahmig und seine Freunde haben alio ihr Ziel nicht erreicht, aber durch ihie Absicht, die sie mit ihrem Vorstoß Ende vorigen Jahres bekundeten, haben sie sich für alle Zeit als Volksfeinde gekennzeichnet. Hus der Partei. Kongreß der Sozialdemokratischen Partei der Niederlande . Amsterdam , 23. Mai. Am Sonntag hielt hier die S. D. P.(die neue Partei) einen Kongreß ab, dessen wichtigste Verhandlungsgegenstände die Bc- ratung über die Haltung der Partei zur S. D. A. P. (alte Partei) im e r st e» W a h l g a n g der bevorstehenden Kammer- Wahlen wie die Aufstellung eines Kampfprogramms war. Genosse Wynkoop. der den Vorsitz führte, erklärte in seiner Eröffnungsrede, daß seit den beiden letzten Kongressen manches zum Guten verändert sei. Ein Gradmesser des wachsenden Ein- flusses der Partei sei der Leserkreis derTribüne", deren Abonnentenstand und Auflage nach Tcventer 999 bezw. 1599 bc- tragen habe, jetzt aber 1499 bezw. 2999 betrage, obwohl viele Mit- glieder der S. D, A. P. jetzt die.Tribüne" nicht mehr lesen. Die Partei sei die einzige, die den Kampf um das allgemeine Wahlrecht in Wirklichkeit führe, er sei ihr einziger Streitruf im jetzigen Wahlkampfe. Die S. D. A. P. hingegen führe diesen Kamps nicht mit dem Ernst, wie es eine proletarische Partei in dieser Situation tun müsse. Die S. D. A. P. begehe noch immer den Fehler, den linken bürgerlichen Parteien Vertrauen entgegen- zubringen. Selbst die Freisinnsdemokraten aber sind im Innersten nicht mehr für das allgemeine Wahlrecht; dem Gesetz über den Arbeitskontrakt, das die holländischen Arbeiter in scharfen Kamps mit den Unternehmern verwickelt, haben sie zugejubelt; für Ar- beiterbersicherung tun sie nichts. Bei den Stichwahlen werde die S. D. A. P. trotz alledem die Liberale Union und die Freisinnig- Demokratische Partei unterstützen. Die S. D. P. dagegen sei die einzige Partei, welche die Fahne des allgemeinen Wahlrechts hoch halte und so die ursprüngliche Taktik der S. D. A. P. fort- etzc, die sie bis zum Haager Parteitag beobachtete und die Troelstra elbjt dort noch in seiner WahlrechtSrede vertrat. Auch die in der S. D. A. P. gebliebenen Marxisten fordern in ihremWochen- blatt", daß nur wirkliche Befürworter des allgemeinen Wahl­rechts von der S. D. A. P. unterstützt würden, und der Redner hofft, daß eS ihnen gelingen werde, die Arbeiter der S. D. A. P. vor den Verlockungen der bürgerlichen Parteien zu feien. Zur Tagesordnung übergehend, stellt Wynkoop fest, daß die Partei sich in den Wahlkreisen Amsterdam III und IX, Rotterdam IV und Leiden mit eigenen Kandidaten an den Wahlen beteilige. Namens des Partcivorstandes beantragt Redner, in allen übrigen Wahlkreisen schon beim ersten Wahlgange die Kandidaten der S. D. A. P. zu unterstützen. G. M a n no u r y. Mitglied deö ParteivorstandcS, wendet sich gegen die Unterstützung der S. D. A. P. -Kandidaten. Die S. D. A. P. sei die unmittelbare, die am meisten verderbliche und schädlichste Gegnerin der Sozialdemokratie. Seit dem Deventcr Beschluß sei ihre Schuld noch um vieles vermehrt; sie habe die neue Partei mit niedrigen Mitteln bekämpft; Wynkoop wolle sie von der Diskussion in ihren öffentlichen Versammlungen aus- schließen. S. de Wolf, Delegierter von Amsterdam , unterstützt den Antrag des Parteivorstandes, da die S. D. A. P. keine bürgerliche Partei sei, sondern einen Teil des Proletariats vertrete. Die Unterstützung sei die einzige der neuen Partei würdige Antwort auf Troelstras den Arbeitern zu Rotterdam gegebenen Rat: .Drückt sie tot." Auch andere Delegierte befürworten die Unterstützung, so auch H. G o r t e r. Mitglied des Parteivorstandes. Zwar sei die S. D. A. P. in ihrem Opportunismus sehr weit gegangen; im Augenblick aber müsse sie noch unterstützt werden, obwohl sie wahrscheinlich noch weiter darin gehen werde, vielleicht noch so weit, daß die Sozialdemokratische Partei sie nicht mehr unter- stützen könne. Schließlich wird die Unter st ützung derS. D. A. P. beschlossen, womit gemeint ist, daß die Mitglieder der S. D. P. sowohl ihre Stimmen für die S. D. A. P. -Kandidaten in den Wahlkreisen abgeben sollen, wo die Partei keine eigenen Kandidaten aufstellt, und daß die Partei die Arbeiter zu dieser Unterstützung auffordert, während die Parteimitglieder sich an der Wahlarbeit für jene Kandidaten nicht beteiligen sollen. Dann wurde zur Beratung des KampfprogrammS geschritten. Mmirenbrecher gegen Bülow. DaS.Volksblatt für Kassel " bringt folgende hübsche Notiz: In seiner Reichstagsrcde vom 15. November sagte der Reichskanzler Bülow: