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-Genau ein Jahr nach Seth ReichSgttichtSWuch, am 10. Oktober 1908, erfolgte in Leipzig bor dem Ehrengerichtshof der deutschen Rechtsanwälte der glänzende Freispruch im EHrengerichtsver- fahren, das aus Ausschließung aus dem Anwalts- stände ging. Der Ehrengerichtshof schloß sich dem Spruch der ersten Instanz, des Ehrengerichts zu Berlin , an, der die Zumutung der Staatsanwaltschaft glatt abwies, den wegen einer ehrenhaften politischen Handlung Verurteilten für unwürdig zu erklären, die Robe des Anwalts zu tragen. So blieb der Reaktion ein sehr magerer, zweifelhafter Erfolg. Auf Jahre hat sie allerdings einen Kämpfer der Sozialdemo- kratie der Freiheit beraubt. Aber nur um den Preis einer un- geheuren Bloßstellung der deutschen Justiz, und in dem sie dem Angeklagten Gelegenheit gab, bor ganz Deutschland die Ideen der Sozialdemokratie darzulegen eine Gelegenheit, die nicht un- genützt berstrich. Wie das deutsche Proletariat über den Urteilsspruch denkt, das hat es unzweideutig zu erkennen gegeben. Wenige Wochen, nachdem er die. Festung bcrlassen, wird Karl Liebknecht in die Feste des Dreiklassenwahlrechts einziehen als Erwählter der Berliner Arbeiterschaft! Willkommen der tapfere Kämpfer! Willkommen zu neuem Kampf! Sie ktoddeä SiolSBie vor Gericht. Dortmund , 28. Mai. (Eig. 23 er.) In der heutigen Verhandlung gelangten noch etwa IS Zeugen zur Vernehmung, die ausschließlich bonder Zeche geladen waren. Der Reigen wurde eröffnet durch einen Polier N a g a l e r der bei der Besichtigung der Kolonie durch das Gericht ein Gespräch zwischen Genossen N o ttebohm und seinem Verteidiger Rechtsauwalt Frank erhorcht hat. Rechtsanwalt Frank soll nach seiner Bekundung gesagt haben:.Es sind doch einige schöne Häuschen dabeif Nottebohm habe darauf ihm seine Akten gezeigt und gesagt:.Was schadet d a S l" Der Verteidiger erwiderte, wenn eS schon etwa« Un­gewöhnliches sei, zu horchen und das Erhorchte in solcher Weise zu verwenden, wie es hier geschehen, so komme doch noch hinzu, daß der Zeuge falsch gehört habe. Nottebohm habe nicht so gesprochen, wie der Zeuge ausgesagt, sondern:.Was hat das zu bedeuten, die Mehrzahl der Häuser ist doch unter aller Kritik gewesen". Damit war der geschmackvolle Borstoß der Radboder Herren zurückgewiesen. Sofort holten sie zu einem zweiten aus, der sich gegen den Sachverständigen Dr. D i t h m e r richtete. Er richtete während der vorigen VerhandlungStage einige recht geschickte Fragen an die Zeugen und scheint dabei den Herren von Radbod recht unbequem geworden zu sein. Ihr Vertreter, Rechtsanwalt Dr. Kättgen, stellte plötzlich den Antrag, eS solle Beweis darüber erhoben werden, daß Dr. Dithmer vom Ehrengericht der Aerztekammer disziplinarisch bestraft worden fei wegen Verstoßes gegen die Berufsehre. Dr. Dithmer habe bei Vernehmung der Zeugen die Sachlich- k e i t v e r m i s s e n lassen und sei zu temperamentvoll gewesen. Sogar der Staatsanwalt wendete sich gegen diesen Antrag, der nur dann zulässig sei, wenn sich das Urteil gegen die wissenschaftliche Fähigkeit Dr. Diihmers richte. Da« Gericht lehnte den Antrag glatt ab. DasVergehen" bei Herrn Dr. Dithmer besteht barin, daß er ein« mal einem Kollegen sagen wir mal: grob gekommen ist, waS als Beleidigung angesehen wurde.... Aller guten Dinge sind drei also versuchten nun die Herren von Radbod noch einen Handstreich gegen den Amt- mann a. D. Stamm, dessen Aussagen den Herren sehr quer zu sitzen scheinen. Es ist ja gelungen. Herrn Stamm noch rechtzeitig am Reden zu hindern. Aber waS er gesagt, soll widerlegt werde» durch Verlesung eines Briefe», den Herr Stamm angeblich vor einigen Jahren an die Zechenverwaltung gerichtet hat. Der Ver- leidiger forderte mit Recht, wenn der Brief verlesen werde, dann müsse auch Herr Stamm als Zeuge gehört werden. Man wisse ja gar nicht, ob der Bries auch echt sei! Das Gericht lehnte die Verlesung des Briefes ob, weil sie prozessual unzulässig. Die weitere Zeugenvernehmung drehte sich Haupt- sächlich um die Frage, wie lange die Häuser im Rohbau standen, ehe sie benutzt wurden. Die Zeche hatte mit ihren ZengenentschiedenPech. Zwar sagten ein Bauführer und noch ein weiterer Zeuge aus, daß die Häuser.etwa" S Wochen im Rohbau gestanden hätten. Weitere Zeugen bekundeten, einzelne Häuser möchten wohl 3 bis 4 Wochen gestanden haben, andere Häuser aber auch kürzere Zeit. Ein Zeuge sagt, eS habe manchmal 8 bis 14 Tage gedauert, und schließlich kommt ein Zeuge, der sagt, eS hätten Häuser nur 2 bis 8 Tage im Rohbau gestanden. Mehrere Zeugen der Zeche wissen gar nichts zur Sache auszusagen. Bauunternehmer Martini hält daS verwendete Material fllr tadellos, muß aber auf Befragen des Bausachverständigen Schäfer zugeben, daß nordisches Holz verwendet wurde, das 0-- 10 Mark der Kubikmeter billiger ist als rhei- nische« Holz. Vanrat Kraft weiß nicht, ob eine Vorschrift besteht, daß bei Anlage von Kolonien ein Kreisarzt gehört werden muh. Und Bauführer Kalb muß zugeben, daß bei lieber- gäbe der Häuser eine systematische Untersuchung der Brunnen nicht erfolgt ist. Damit ist die Vernehmung der Zeugen in der Hauptsache beendet. Es erhält das Wort Baurat Siebold, der die Kolonie erbaut hat. Herr Siebold ist zugelassen als Sachverständiger trotz Ablehnungsantrag der Verteidigung, die rügte, daß Siebold interessiert sei. DaS Gutachten SieboldS ist also gewissermaßen ein Urteil in eigener Sache. Der Gutachter erzählt, daß er schon manche Kolonie gebaut hat. Als er nach Radbod ge- kommen, habe er sofort gesagt, daß daS Gelände für die Anlegung einer Kolonieganz hervorragend gut" sei. Eine Straße von der Radbod-Kolonie sei eint Sommer- Frische gegen eine Asphaltstraß» in Berlin . Herr Siebold hält daS Gelände für s e h r t r o ck e n. Nur aus besonderer Vorsicht habe er die Jsolierpappe legen lassen. Wenn die Pappe auch wirklich Löcher erhalten haben sollte, dann lege er dem keinen Wert bei. Tic Nässe rühre daher, daß nicht gelüftet worden sei. komme vor, daß trockene Häuser feucht würden, wenn nicht genügend ge- lüftet werde. Es komm» auch vielfach auf die Sauberkeit der Frauen an. Die Brunnen seien der Vorschrift gemäß weit genug von den Aborten angelegt worden. Er halt« eS für ausgeschlossen, daß das Grundwasser in den Wänden hochgezogen sei. Irgendeine Kleinig- keit sei ja immerhin möglich. Die Sache mit dem angefrorenen Schnurrbart halte er für einen Scherz. Zum Schluß wird dann noch das Gutachten des Professors Dr. Sommerfeld entgegengenommen, daS im schroffen Gegensatz steht zu d»m des Herrn Sievold. Der Herr Gutachter sagt, man muffe beachten, daß die B e- fichtignng der Kolonie durch das Gericht und das Er- scheinen des unter Anklage stehenden Artikels zeitlich weit ati Seinander liegen. Zudem sei die Besichtigung erfolgt bei schönem Wetter und relativ hoher Temperatur. Man müsse bann unterscheiden die Häuser die oben, die am Hang und die in der Mulde stehen. Je nach der Lage seien die Mengen des Grundivassers verschieden. Der Typus der Häuser sei als zweckmäßig anzuerkennen, wenn gewisse Vorbedingungen erfüllt seien. DaS sei hier aber nicht der Fall. Die Dicke der Mauern sei ein halber Stein. Die Wände seien zu dünn und böten nicht genügend Schutz gegen die Kälte. Das ganze Haus sei von der Luft umspült und allen atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt. Eine stabile Bauart sei es nicht, wenn die Türfüllungen mit der Hand weggerissen werden könnten, wie er eS selbst getan habe. Die Dachrinnen sind so gehalten, daß das Regen wasser die Wände peitscht und die Baufeuchtigkeit vermehrt. Beim Bau der Fenster ist nicht genügend Rücksicht ge- nammen auf das Quellen, da» Holz war nicht genügend trocken. Die Zimmer böten nicht genügend Luftinhalt. Er halte eS für verfehlt, daß die Behörde gestattet habe, daß statt der lichten Höhe von 8 Meter nur 2lli Meter zur Anwendung gelangten. Der Sachverständige kann eS nicht fassen, daß durch Atmen, Kochen usw. sich soviel Feuchtigkeit in den Mauern ansammeln kann, daß Wasser die Wände herunterfließt und über die Dielen läuft. Die Ursache ist vielmehr, daß die Häuser zu früh bezogen wurden und nicht Zeit zum Austrocknen hatten. So sind die Wände mit Wasserdampf erfüllt und können die Feuchtig- keit, die durch Atmen und Kochen entsteht, nicht aufnehmen. Dadurch entstehen Zustände, deren Folgen rheumatische Leiden und Nierenkrankheiten sind. Die Wasserversorgung ist bei einer Kolonie das w i ch t i g st e und daran hat eS gefehlt. Selbst wenn das Gesetz es nicht vorschreibe, daß bei Anlage einer Kolonie der Kreisarzt gehört werden muß, so ist es doch ein grober Fehler, eine Nachlässigkeit, wenn eS nicht geschieht. Es ist beschworen worden, daß das Wasser in den Brunnen unklar war und roch; ein solches Wasser ist gesundheitsschädlich. Bei der Anlage der Kolonie ist den grundlegenden Forde- rungen der Gesundheitspflege nicht Rechnung getragen worden. Bei der Anlage einer Kolonie genügt es nicht, den Arbeitern ein Unterkommen zu schaffen. Die Wohnungen brauchen keine Villen zu sein, müssen aber angenehm und wohn- lich sein. ES müssen Einrichtungen geschaffen werden, um der T r u n k s u ch t entgegenzuwirken. AufRadbod habe er nicht die Spur von Anfängen einer WohlfahriSeinrichtung getroffen. Dazu rechne er Badeanstalt, Bibliothek, Lese- hallen usw. Die Errichtung einer Kolonie, wie die aus Radbod, ist keine soziale Tat, da kommt nur da» finanzielle Jnteresie in Betracht. So daS Urteil des Professors Dr. Sommerfeld über die Radbod- Kolonie, da« bei der Gegenpartei ersichtlich Verlegenheit und An f- regung hervorrief. Der gegnerische Bausachverständige Kraft redete fortwährend in sehr eigenartigerWeife auf den Herrn Professor ein, um sein Urteil, dessen Wirkung und Beden» t u n g er wohl kannte, zu beeinflussen und e i n z u- schränken. Er übte Kritik an verschiedenen Stellen des Gut- achtens, mußte sich aber sagen laffen, baß er die Stellen falsch verstanden und ein ander Mal falsch zitiert hatte. Bnt Sonnabend findet eine Sitzung statt, in der nur der Arzt Dr. Jakobs-Unna vernommen wird. Nächsten Mittwoch sollen dann die noch übrigen SachverstäudiSen gehört werden. polltirchc ücberftcbt Berlin , den 29. Mai 1909. MilitärischeErsparnisse". Oberst a. D. G ä d k e weist imBerliner Tageblatt" nach, daß auch der Moloch Landmilitarismus wiederum Appetit verspürt. sofern wenigstens die Meldungen der militärpolitischen Korrespondenz zutreffen. Nach einem Beschluß der Budgetrommission sollte der Aggregierten- fondS um 10V(XX) Mark gekürzt werden. Nun soll aber eine Novelle zum Etat der Verwaltung dcS Netchsheeres in Aussicht stehen, die zwar den SlggregiertenfondS auf 80 000 M. herabsetzt, dafür aber für 50 Stabsoffiziere und 50 Hauptleute erster Klasse einen Betrag von 557 000 M. anfordern, d. h. den Aggregiertenfonds in Wirklichkeit um mehr als 50 Proz. erhöhen wird. Oberst Gädke fährt dann fort: Ebenso aber scheint cS(immer vorausgesetzt, daß die Angaben der.Militärisch-volitischcn Korrespondenz" richtig sind) um die Aendcrung der Etats für die höheren Adjutanturosfiziere und Prinzenadjutanten zu stehen. Angeblich sollen zehn preußische und ein sächsischer Adjutant in Zukunft ananderer Gtalftclle" erscheinen, was dem Steuer- zahler ausiiehineiid gle-chg!illig sein wird. Ferner aber solle» die Dienstgrade innerhalb dieser Adjutantur derart verteilt werden, daß m Zukunft auf Preußen: 74 Stabsoffiziere, 200 Hanptlcute, 30 Oberleutnants entfallen. DaS bedeutet, soweit man auZ einem Vergleich mit dem bisherigen Etat ersehen kann, eine ganz beträchtliche Vermehrung der höheren und also höher be- soldete» D i e n st st e l l e n. Davon ganz abgesehen fehlen in dieser Aufstellung noch die für Generale in Aussicht genommenen Adjutanturposten. Es ist doch aber über jeden Zweifel erhaben, daß im Hauptquartier des Kaiser? und der Könige sich nach wie vor Generale befinden werden. Wenn man zu diesen Erhöhungen nun noch die entsprechende Erhöhung de? EtatSkapitelS für WohnungS- g e l d rechnet, die sich mit jeder Vermehrung der Zahl und des Ranges der Offiziersiellen automatisch ergibt, so wird hier im Wege eines möglichst verschleierten NachtragS- etats eine ganz hübsche Erhöhung de» Heere»» hauShaltS versucht. Und inzwischen denkt Fürst Bülow über Ersparniffe im Heeres- Wesen nach." Da man ja einmal bei der Gcschwindfabrikation neuer Steuern ist, braucht man nur eine oder zwei neue Steuern mehr auszukicobeln, um Molochs Bedürfnisse zu befriedigen. Für diesmal wenigstens 1_ Der Kampf um den Papst. Bekanntlich haben vor kurzem die M.-Gladbachcr eine Deputation an den Papst geschickt und nachher der Welt verkündet, daß PiuS X. voll und ganz gebilligt habe, was die christlichen Gewerkschaften getan hätten. DaS Vatikanblatt, derOsservatore Romano " hat nachher bestritten, daß derPapst sich so ausgedrückt habe. Darauf erfolgte eins Ecllärung der Teilnehmer der Deputation, darunter des Abg. GiesbertS. baß ihre Mitteilungen über die Audienz genau dem Text der Uebersetzung entsprächen, die ihnen während der Audienz von der Ansprache des PapsteS gegeben worden sei. Jetzt kommt der Osservatore Romano ", dem die M.-Gladbacher diese Erklärung zu» geschickt hatten mit folgender Mitteilung: Wir bedauern, dem Ersuchen der genannten Herren, diese ihre Erklärung zu veröffentlichen, nicht nachkommen zu können. Denn obschon sie darin tun, als wäre eS ihnen unbekannt oder als wüßten sie nicht genau, von welcher Seite die von uns veröffentlichten Erklärungen uns zugegangen sein könnten, so müssen sie doch begreifen, daß dieselben aus autorita- t i v e r Q n e 1 1 e st a in m e n, ja sogar au 8 der einzigen, aus der wir sie überhaupt erhalten konnten... Wir bitten ans diesem Falle die Nutzanwendung zu ziehen, wie wenig klug eS ist und wie leicht es unliebsamen Widerspruch hervorrufen muß. wenn man den Anspruch erhebt, ivörtlich die Aeußerimgen eines anderen. namentlich in einer fremden Sprache, wiederzugeben, ohne sich vorher darüber vergewissert z u haben, daß der gebotene Text genau und treu dem Ge- danken dessen entspricht, der die Aeußeruugen getan hat." Der Papst ist es also selber, der durch den Osservatore Romano " bestreitet, daß er sich mit der Tätigkeit der chri st lichen Gewerkschaften ein- verstanden erklärt habe. Die M.-Gladbacher sind also einem unfähigen Uebersetzer zum Opfer gefallen, oder sie haben geflunkert. Der Reinfall ist den Herren GieSbertS, Weber usw., die sich ihre Anweisungen als Führer deutscher deutscher Arbeiterorgani­sationen aus Rom holen, zu gönnen. Zentrum und Fahrradstempelstcner. DieKölnische Zeitung " nennt die vom preußischen Bbgeord- netenhause beschlossene Fahrradstempelsteuer die u n p o p u« l ä r st e Steuer, die im Reiche und in Preußen je eingeführt worden ist", der neue Stempel arbeitete einem sozial- und verkehrspolitisch wichtigen Fortschritt, der maffen- hasten Einführung der Fahrräder in Lrbciterkrcisen, entgegen. DaS nationalliberale Blatt richtet seine Kritik besonders gegen das Zentrum. DieKölnische Volkszeitung" meint dem- gegenüber, für die Beurteilung der gesamten Steuerpolitik deS Zentrums habe diesernebensächliche Zwischenfall" keine Bedeutung. Im übrigen bedauert das Zentrums blatr, daß mau dem Gegner eine solche bequeme Handhabe geboten habe und meint: Die Steuer ist an sich geringfügig; aber trotzdem verstehen wir nicht recht, wie man dazu hat kommen können, eine derartige Summe zu beschließen. Die Steuer ist lästig und un- volkstümlich und sie wird als lästig und unvolkstümltch noch mehr ausgeschrien werden, als sie eS ist.... Die Herren, welche diese Steuer erfanden und beschlossen, waren u. E. in ihren» Steuereifer nicht gut beraten. Sie werden ihren Be- schlnß vor der Oeffcntlichkcit und insbesondere vor ihren Wählern zu vertreten haben." Blockbriider gegen einander. Wie anderoris sind auch in Lübeck die Liberalen, National- liberalen, Landbündler usw. vereinigt zum gemeinsamen Sturm gegen die Sozialdemokratie. Dieser Mischmasch, der seit der letzten ReichStagSwahl besteht, geht anscheinend jetzt seinem Verfall eni- gegen, wie aus verschiedenen Vorkommnissen in der jüngste» Zeit zu ersehen ist. Die offenen Reaktionäre, die im Wahl- kämpfe die sogenannten Liberalen als Eturm- böcke benutzten, zeigen jetzt dem Mohren, nachdem er feine Schuldigkeit, wenn auch ohne Erfolg, getan hat, die Tür. Den Anlaß dazu gaben die im Herbst dieses Jahres stattfindenden Lübecker Bürgerschnfts- wählen. Die sogenannten Liberalen glauben nämlich durch ihre Mitarbeit beimNiederreiten" der Sozialdemokraten ein paar Mandate verdient zu haben und beabsichtigen deshalb, einige von ihren Leuten mit in die Bürgerschaft hineinzubringen. Dazu sind aber die offenen Reaktionäre, die bisher die Wahlen in der ersten Klaffe, in der der Geldsack maßgebend ist. machen, nicht erbötig, und so versuchten sie zu- nächst allen Liberalen, die weniger als 2000 M, Einkommen haben(die Grenze zwischen der ersten ui»d zweiten Klasse), das Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der Kandidaten zu nehmen. Da aber die Liberalen in der zweiten Wählcrklasse, die von den Sozialdemokraten beherrscht wird, keine Aussicht haben, ihre Kandidaten bei der Wahl durchzubringeit, so wären sie, wenn der Streich der Nationalliberalen und Landbündler gelungen wäre, schließlich die betrogenen Betrüger gewesen. Es glückte ihnen aber noch einmal, den Streich ihrer Blvckbrüder abzuwenden. Jetzt haben die reaktionären Bürgerschaftsmitglieder, achtzig an der Zahl. eine Vereinigung gegründet, die wie zu», Hohn alsBaterstädlische Vereinigung" betitelt worden. Durch diese hofft man die Liberalen einflußlos zu machen. da die Gruppe genau die Zweidrittelmehrheit im Vierklassenparlament besitzt. Gegen dieses neueste Borgehen ihrer Elockbrüder haben sich die Liberalen bisher noch nicht zu wehren ver« mocht. Die Sozialdemokratie ist der lachende Dritte bei diesem Bruderzwist im Vlockhause, der mit als Beweis dafür dienen kann, daß die sogenannten Liberalen nur solange bei ihren Block- freunden wohlgelitten sind, als sie helfen die Sozialdemokratie zu verleumden und den VolkSverrat zu fördern. Wenn sie ihren Lohn- anteil verlangen, erhalten sie den verdienten Tritt. Umsatzsten erpech. In Dresden haben sich der Stadtrat und die antisemitisch- konservative Stadlverordnetenmehrhcit schon seit Jahren abgemüht, eine Umsatzsteuer einzuführen, um die A r b e it e r- K o n s u in- vereine und die Warenhäuser so zu schröpfen, daß sie den Klein« krämern keine Konkurrenz mehr bereiten köiinen. Dabei sind die KoiisumvercinStöter aber von einem seltenen Pech verfolgt worden. Seit einem Jnhrzchut schon wird der Unisatzsieuerplan betrieben; es vergingen aber einige Jahre resultatlos, weil der Rat nicht recht wollte. Da nahmen vor sechs Jahren die Anti- semiteii und Konservative»» in» Dresdener Smdlparlauient die Sache selbst in die Hand. Ein Entwurf für eine solche Knedelungssteuer wurde ausgearbeitet, beschlossen und der Rat zum Beitritt und zur AuSftthnmg aufgefordert. Das tat er auch, wie er geschoben wurde. Die Knebelung der Arbeiterkonsumvereine in Dresden schien ausgemachte Sache, da versagte aber die Kreis- hauvtmannschaft de», Entwurf die Genehmigung, offenbar deshalb, »veil er den Charakter einer E r d r a j s e l»»>» g s st e u e r zu deutlich trug. Einige Jahr» hörte man nichts wieder. Vor einigen Monaten aber beschlossen Rat und Stadt- verordiietenmehrheit den Knebelungssteuertarif in etwas ab- geänderter Weise von neuem. Nun schien man der Sache sicher zu sein. Die auf einige hunderttausend Mark berechneten Er» träge, die man Konsumvereinen und Warenhäusern abknöpfen wollte, wurden schon in den Finanzplan mit eingestellt. Die Rechnung war aber wieder ohne die Kreishaupiniannschaft gemacht, die de» Eiuwurs abermals ablehnte. Nun ist Dresden -Holland in Not. Jetzt will man den Rat der KreiShauptmaunschafl befolgen und eine Umsatzsteuer nach Chemnitzer Muster einführen. Danach wird eine Umsatzsteuer nur dann von